(10.01.2011, 19:15)Glassmoon schrieb: Ich schätze mal, wie verwenden hier auch einen verschiedenen Bewußtseinsbegriff: Mir geht es hier nicht um das Wesen eines Menschen oder seine Handlungen, sondern schlicht um das Bewußtsein, daß z.B. Qualia wahrnimmt.
Nunja, die Frage zunächst ist, welchen Sinn es macht, das Bewußtsein unabhängig von seinen Inhalten zu betrachten. Wir wissen (und das ist relativ gut belegt) dass das Bewußtsein
a) abhängig ist vom "Feuern" gewisser Neuronenbereiche. "Feuern" diese nicht, ist/wird der Mensch "bewußtlos"
b) wissen wir, dass das Bewußtsein vom Gehirn "gefüllt" wird und das auch Qualia von ihm gesteuert werden. Beispielsweise berichten Leute mit Hirnschäden oder nach Drogeneinnahme, sie könnten Farben riechen oder Töne schmecken etc.
Aufgrund dieser starken Korrelation auch in Kombination mit Qualia etc. wüsste ich vom jetzigen Standpunkt der Erkenntnis nicht, welchen Sinn es macht, irgendein "übersinnliches Bewußtsein" anzunehmen, was davon unabhängig wäre.
(10.01.2011, 19:15)Glassmoon schrieb: Ob und welchen Einfluß dieses Bewußtsein überhaupt auf die Handlungen und das Denken einer Person hat, greift für mich in diesem Kontext schon zu weit. Um sensorischen Input zu verarbeiten und intelligent zu reagieren, also als Mensch zu funktionieren, bräuchte ich diesen empfundenen Beobachter eigentlich nicht. Und doch habe ich es nicht nur, ich kann mich darüber sogar trefflich unterhalten. (Was ich als «Automat» ohne Bewußtsein natürlich auch könnte.)
Hier sehe ich primär drei Möglichkeiten: - Dieses Bewußtsein ist stiller Beobachter und es ist schierer Zufall, daß ich als (deterministischer) Automat darüber reden kann.
- Das Bewußtsein hat doch Einfluss auf mein Denken und Handeln, sodaß ich über diese Instanz sprechen kann.
- Die Existenz an sich bedingt ein Bewußtsein, welches diese entsprechend ausfüllt.
Ich tendiere zu den letzten beiden Möglichkeiten (mit Betonung auf letztem Punkt), wodurch der Bewußtseinsbegriff sich allerdings auch über das des Individualbewußtseins hinaus erstreckt. (Übrigens auch interessant im Bezug auf das OP-Zitat.)
Punkt eins finde ich schlicht nicht sonderlich plausibel.
Gerhard Roth hat in seinen Büchern hier einige Ausführungen zu gemacht, warum Bewußtsein sinnvoll ist und warum gewisse Dinge nicht rein unterbewußt funktionieren können. Mir fehlt aber leider die Zeit, das jetzt hier alles im Detail zu begründen/wiederzugeben.
Hier mal ein (Fazits)Zitat:
"Bewusstsein ist nicht die Krone menschlichen Wesens und nicht die entscheidende Grundlage unseres Handelns. Vielmehr repräsentieren die verschiedenen Bewusstseinsformen
besondere Zustände der Informationsverarbeitung zugunsten einer detaillierten, multimodalen und semantisch tiefen Analyse von Sachverhalten und eines schnellen Zusammenfügens neuer Bedeutungsnetzwerke, insbesondere im Kontext sozialer Interaktionen. Bewusstseinszustände
überwinden damit funktionale Beschränktheiten unbewusster Informationsverarbeitung zugunsten einer effektiven und kreativen Handlungsplanung."
(10.01.2011, 19:15)Glassmoon schrieb: Naive Gottes- und Jenseitsvorstellungen scheinen mir der Sprache nach auf Egobefriedigung ausgelegt zu sein: «Meine Persönlichkeit bin Ich, und Ich habe Fortbestand.» Und doch bleibt ein Kern dahinter bestehen, der mir richtig erscheint. Schon alleine durch die wissenschaftlich fundiert Erkenntnis über die Beschränktheit der Welt, wie ich sie wahrnehme – wie sie für das Stadium des Mensch-Seins auch nützlich ist – macht eindeutig, daß das Gros aller Dinge «außersinnlich» abläuft. Dazu braucht es keine Esoterik und keine verschwörungstheoretischen Konstrukte.
Natürlich ist unsere Wahrnehmung beschränkt. Natürlich ist das was wir sehen, nur ein Konstrukt des Gehirns. Ein Abbild der Welt, wie es sie sieht und für sinnvoll hält. Das ist mir bewußt und ich kenne die Konsequenzen. Ich habe ja mehrfach gesagt, man kann nicht ausschliessen, das jemand unser Gehirn an eine Matrix angeschlossen hat und wir in einer Fantasiewelt leben. Dem will ich mich gar nicht verschliessen.
Aber solange wir nichts konkretes wissen, sollte man doch lieber schauen, wie die Dinge funktionieren können, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken.
Und wenn Wissenschaftler hergehen und herausfinden, was im Gehirn passiert, wenn sich Menschen anziehend finden (und im Tierversuch vielleicht dann die Anziehung sogar aufgrund der Erkenntnisse "künstlich" herstellen können), finde ich das plausibler als wenn jemand hergeht und sagt "Da haben sich zwei Sternschnuppen getroffen" oder vielleicht gar mit der Vermischung von "dunkler Materie" ankommt....
(10.01.2011, 19:15)Glassmoon schrieb: Du sprachst Halluzinogene an:
(btw. lösen jene mißverständlicherweise keine Halluzinationen im pathologischen Sinne aus. Deliriantia gehen da eher in die Richtung.) In ihnen sehe ich ein Angebot, die biologischen Möglichkeiten der Wahrnehmung über ein funktionales Maß hinaus auszuloten. Vergleichbare Angebote sehe ich in Klarträumen, Meditation und sonstwie induzierter Trance. Sie zeigen mir persönlich auch ganz deutlich, daß das Bewußtsein über ein rein funktionales, «weltliches» Maß hinausgeht. Ob es hier nun einen menschlich formulierbaren Sinn gibt oder es sich vielleicht um einen kolossalen Scherz der Natur handelt, spielt keine wesentliche Rolle.
Dazu fällt mir direkt etwas ein:
http://www.hsk-wiesbaden.de/home/Klinike...Gehirn.htm
(10.01.2011, 19:15)Glassmoon schrieb: PS:
Hast Du eigentlich Angst, über das Korsett vermeintlicher Gewissheiten hinauszusteigen? Alles was über die Wissenschaft hinausgeht scheint für Dich praktisch nicht existent zu sein und benennst als Beleg pseudowissenschaftliches Esogeschwurbel, welches seinerseits höchst selektiv Wissen anerkennt und wo es nicht ins Konzept paßt ignoriert und sich Neuerungen verweigert. Solche Beispiele kannst Du auch problemlos aus der Geschichte des wissenschaftlichen Betriebes herausgreifen. Glücklicherweise gibt es hier gewisse Kontrollmechanismen, die sich auf längere Sicht zumindest bewährt haben: Zuallererst natürlich, daß dogmatische Glaubenssätze als unwissenschaftlich gelten.
Nein, ich habe da keine Angst -> siehe meine Ausführungen zur Matrix. Aber ich halte es nicht für sinnvoll sich "etwas zusammenzureimen".
Der eine sagt "die Seele ist dunkle Materie", der eine sagt "die Seele kommt von Gott", der andere sagt "die Seele ist Feinstoff" der andere sagt "unser Herz ist die Seele". Andere sagen "Seele und Körper arbeiten zusammen". Wieder andere sagen "Die Seele wartet nur im Körper bis dieser tot ist um dann aufzusteigen".
Das bringt doch niemand weiter! Meine These ist da eher: Schauen wir uns doch mal an, soweit uns das möglich ist, wie die Dinge wirklich funktionieren. Und so wissen wir heute auch, das Donner etwas ganz banales ist und "Thor" dafür gar nicht nötig ist.
Die Angst davor, die viele haben, erinnert mich an die damalige Angst der Menschen vor Darwin. Diese Ängste sind vielseitig:
a) Die Angst vor der Erkenntnis, nichts besonderes zu sein (Mensch vs. Tier)
b) Die Angst vor der eigenen Endlichkeit
c) Die Angst, die Dinge nicht in der Hand zu haben (Unterbewußtsein etc.)
d) Verlust von "Romantik" und "Mystik"... Naturwissenschaftliche Erklärungen sind Gift für "romantische Vorstellungen", an denen viele (ich kanns ja verstehen) hängen. Sei es die nüchterne Erforschung von Liebe und Sex oder aber auch die "Entmystifizierung" von gewissen Dingen.
"Der Drang, die Grenzen Ich-bewußter Selbstheit zu überschreiten ist ein Hauptverlangen der Seele."
"Wer den ganzen Tag arbeitet, hat keine Zeit, Geld zu verdienen."