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Familiensysteme - Druckversion

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RE: Familiensysteme - Lucinda - 18.11.2024

(18.11.2024, 17:56)ichbinmehr schrieb: Die Vorgesetze hat mich abgewiesen. Ich hatte dann einen Hörsturz und danach wurde ich von der Chefin aus meiner Gruppe versetzt. Die Kollegin die das Kind in meinen Augen misshandelt hat, der ist nichts geschehen.

Eine Erzieherin der ersten damaligen Kita meines Sohns hatte damals auch einen Hörsturz bekommen, nach der sogenannten Eingewöhnung von 100 Kindern.

Die wollten die Eltern nach drei Tagen wieder loshaben, mit wechselnden Erzieher/innen. Ich vermute, es lag am sogenannten stellvertretenden Leiter, der eine psychoanalytische Ausbildung haben sollte.


(18.11.2024, 17:56)ichbinmehr schrieb: weil eine Kollegin ganz gezielt Kinder bedroht hat, und nichts passiert ist, obwohl wir alle Adressen aufgesucht haben. Daran sehe ich, dass die Gesellschaft immer noch eine starke Abwehr gegen die Aufdeckung von Kindeswohlgefährung hat.

Ich hatte eine Kollegin, die dreijährige Kinder, die aufgrund ihres Verlustgefühls wegen der Trennung zur Mutter geweint haben, über den Fußboden zerrte und in den dunklen Waschraum sperrte, mit den Worten: "Ich will von dir nichts mehr hören!" Das Kind wurde dann im Dunkeln sitzen gelassen. Und für alle um mich herum war das scheinbar normal. Nur ich war ein Anstoß in dieser Kita, weil das für mich nicht normal war.

Das ist ja wie in einem Horrorfilm.

Ich könnte mir vorstellen, dass da Kolleginnen mitspielten, einmal weil sie selbst irgendwie paralysiert waren und verdrängen wollten und anderseits natürlich, um ihren Job nicht zu verlieren.

Eine erste damalige Erzieherin meines Sohns, gleich in den ersten drei Tagen gab es Erzieherwechsel, musste ihr eigenes zweijähriges Kind dort gleichzeitig in einer anderen Gruppe "schreien" lassen.

Ein anderes Thema, das ich ebenso in einer anderen Kita mitbekam, in der er zu einem Schnuppertag war, dass die Kinder im Hochsommer nur was zu bestimmten Zeiten zu trinken bekamen und auch nur wenig eingefüllt.
Dient dazu, dass sie nicht (dauernd) auf Toilette gehen müssen oder in die Windeln machen.


RE: Familiensysteme - ichbinmehr - 22.11.2024

Ja, es war die Hölle.

Im Nachhinein (mit dem Abstand den ich langsam habe) glaube ich, dass man, um eine wirklich tiefe Selbsterkenntnis zu finden, durch irgendeine Art von Hölle gehen muss.

Schon früh habe ich mich oft gefragt, wie ich wohl gehandelt hätte, wenn ich in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt hätte. Heute glaube ich, dass ich mir diese Frage durch das, was ich erlebt habe, beantworten konnte – auch wenn die Gewalt, die mir begegnet ist, im Vergleich zur NS-Zeit auf einer subtileren, fast unsichtbaren Ebene stattgefunden hat.

Ich habe erlebt wie Menschen im zweifelsfall ihr eigenenes Leben (ihren Wohlstand) schützen und zu Mitläufern werden, weil niemand die Konsequenz für die Unversehrheit von einem anderen Menschen in kauf nehmen würde. Und auch mir ist das sehr schwer gefallen, denn ich auch hatte ja eine unglaubliche Existenznot, als ich nicht mehr wusste, wie ich mich finanziell versorgen sollte. Nur ist da in mir irgenwas stärker gewesen, ein Sinn von Rechtschaffenheit und Wahrhaftigkeit oder so. Es war mir nicht mehr möglich, die Missstände zu irgnorieren.

Es ist aber eben die Frage wie sensible wir sind und ob woir diese subtile Ebene an Gewalt wahrnehmen können. Ich habe eine sehr feine Wahrnehmung für Gewalt und leide entsprechend unter Situationen, die für andere Menschen oft außerhalb ihrer Wahrnehmungsschwelle liegen.

Selbst in der Wohlstandskultur, in der wir leben, kann man der Hölle begegnen – wenn man nur sensibel genug ist für den Schmerz, der uns umgibt.

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Ich habe auch in anderen Bereichen eine sehr sensible Wahrnehmungsschwelle, zum Beispiel bei psychedelischen Substanzen. Schon mit 20 bis 40 Mikrogramm 1 S - LSD habe ich tiefgreifende Erfahrungen gemacht die mich nachhaltig de-programmiert haben, während andere Menschen erst bei 200 Mikrogramm ähnlich tiefgreifende Wirkungen spüren.

Hochsensibilität hat Vor- und Nachteile. Sie ermöglicht uns in einer vermeindlich friedlichen Welt die Missstände, die andere Menschen schlichweg übersehen, aufzuzeigen. Das problem ist, man ist mit seiner Wahrnehmung oft alleine. Ich war irgendwie schon mein ganzes Leben mit meiner sensiblen Wahrnehmung sehr alleine.

Diese Feinfühligkeit stelle ich mir auch im Umgang mit Leid so vor: Es gibt Menschen wie mich, die selbst die subtilsten Auswirkungen von Gewalt an Kindern als unerträglich empfinden, während andere solche Handlungen immer noch als normale Erziehungsmethoden betrachten.

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Ich glaube, dass es eine Mischung aus Unbewusstheit und bewusster Ignoranz ist, wenn Menschen sich mit Themen wie Gewalt oder Missbrauch nicht auseinandersetzen. Manche haben keine bewusste Wahrnehmung dafür, was geschieht, während es für andere einfach zu unbequem oder kraftaufwendig ist, sich damit zu beschäftigen. Ich habe ja auch selbst erlebt wie verwoben wir durch unbewusste Introjekte sind, die die Gewalt gegen uns selbst oder andere legitmieren. Es ist nicht einfach da heraus zu finden.

Als Kind habe ich mir immer gewünscht, dass sich jemand für mich stark macht, dass jemand für mich eintritt. Diese Sehnsucht habe ich als Erwachsener übernommen – ich war es mir selbst schuldig, für Gerechtigkeit einzustehen. Hätte ich das, was passiert ist, einfach widerspruchslos hingenommen, hätte ich mit mir selbst nicht mehr leben können.

Dieser Satz „Ich kann mit mir nicht mehr leben“ erinnert mich an Eckhart Tolle, der ihn in seinem Buch beschreibt, um den Prozess des Ego-Todes zu schildern. Für mich bedeutet er aber auch, dass mein Handeln in Einklang mit meinen Werten stehen muss, damit ich mit mir selbst im Reinen bleiben kann. Indem ich so gehandelt habe, wie ich es von mir erwartet habe, konnte ich mit mir weiterleben.

Doch manchmal fällt es mir schwer, mit der Umwelt zu leben – einer Umwelt, die letztlich auch ein Spiegel meines eigenen Schattens ist.

Wenn ich mich als ein ganzheitliches Selbst sehe, dann bin ich auch all das, was Kinder misshandelt. Das ist schwer anzunehmen, besonders in einem Bereich, der so viel Schmerz und Wut auslöst. Mein Ego wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, und ich finde es schwer, in solchen Geschichten Leere oder Neutralität zu erkennen. Vielleicht ist das auch nicht immer notwendig.

Jesus wird oft mit einem brennenden Herzen dargestellt, und ich denke, es ist in Ordnung, diese Geschichten nicht leer werden zu lassen. Stattdessen darf man wütend und hilflos sein angesichts dessen, was Menschen einander antun können. Auch das ist ein Weg, im Herzen Betroffen zu bleiben statt dass die eigene Ego Geschichte leer werden muss.

Wenn ich andere Voraussetzungen im Leben gehabt hätte, wer weiß, vielleicht wäre ich genauso geworden wie diejenigen, die Leid verursachen oder ausblenden. Vielleicht hatte ich einfach nur Glück. Auf eine Weise bin ich privilegiert, dass sich für mich eine andere Entscheidung treffen konnte als die, die so oft in der Allgemeinheit getroffen wird.