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Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - Druckversion

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RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - ricky_ho - 28.02.2011

(28.02.2011, 14:40)spell bound schrieb:
(28.02.2011, 13:58)ricky_ho schrieb: Es gibt zum Beispiel die Zapatisten in Mexiko, die derartige Vorstellungen jetzt seit doch schon recht langer Zeit in die Praxis umsetzen.
was genau sind nun "derartige vorstellungen"?

Basisdemokratie, Selbstverwaltung, Selbstorganisation, Überwindung kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse wie Eigentum an Boden u.a.

Zitat:ich will es ja nicht verteufeln, aber nur weil etwas sich anarchie nennt, muss noch lange keine anarchie drin sein.

Ich weiss noch nicht mal, ob sich z.B. die Zapatisten als Anarchisten bezeichnen (kann aber gut sein und Überschneidungen gibt es da sicher). Mir fielen sie und vor allem auch die Selbstorganisationsversuche der Einwohner der Barrios in Venezuela nur ein, als Emo "basisdemokratisches postkapitalistisches System" schrieb. Ich seh es ähnlich, für mich hat Anarchie auch vor allem etwas mit Basisdemokratie und Eigentumsverhältnissen zu tun.

Zitat:auch die ganzen befreiungskämpfe in der arabischen welt sind ja ganz "nett", aber muten mir doch etwas naiv an.

Das ist alles sehr neu und schwer zu beurteilen. Aber in Lateinamerika gibt es eine gewisse Tradition und ich glaube, die Leute da wissen schon recht genau, was sie wollen....

Zitat:leute die nicht wissen was sie wollen, können auch nicht das richtige wählen. da hilft auch keine direkte demokratie.

...jedenfalls eher als der durchschnittliche West-Europäer. Und vor allem wissen sie nicht nur, was sie wollen, sie packen es auch an. Irgendwann werden die uns die Basisdemokratie noch beibringen. Wer weiss ob die Araber nicht auch big

Aber die werden jetzt erstmal genug damit zu tun haben, sich gegen die "Demokratisierungsversuche" des Westens zu wehren, der schon seine Kriegsschiffe klarmacht.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - snapman - 28.02.2011

(28.02.2011, 13:28)EmoScreamo schrieb: Ein Problem sehe ich darin, dass 'Anarchie' so negativ besetzt ist, wie sonst irgendwas. Schon der Klang dieses Wortes löst bei vielen Menschen Angst und Abscheu aus.

Man kann sagen: 'ich träume von der Anarchie' - Furchtbar, wahrscheinlich wird man gleich verhaftet.

Das ist ganz einfach, warum das so negativ besetzt ist. Wenn es keine Gesetze/"Obrigkeit"/Armee/Polizei mehr gibt, wird es nicht wenige geben, die sich mit Ratektenwerfer und Sturmgewehr bewaffnen und alle anderen ihrem Willen unterjochen. Die werden sich das nicht bieten lassen und zurückschiessen. Was haben wir dann? Bürgerkrieg.

Ich weiss nicht, ob es in die Richtung geht, aber ebenso verträumt sind meiner Meinung nach diese extremen Pazifisten. Die glauben allen ernstes, sie könnten einen Staat ganz ohne Armee selbst in Krisenregionen einrichten. Die schmieren sich sicher auch Lachscreme auf die Klöten und springen unbesorgt ins Haifischbecken.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - Glassmoon - 28.02.2011

(28.02.2011, 15:38)snapman schrieb: Das ist ganz einfach, warum das so negativ besetzt ist. Wenn es keine Gesetze/"Obrigkeit"/Armee/Polizei mehr gibt, wird es nicht wenige geben, die sich mit Ratektenwerfer und Sturmgewehr bewaffnen und alle anderen ihrem Willen unterjochen. Die werden sich das nicht bieten lassen und zurückschiessen. Was haben wir dann? [...]
Was haben wir denn heute? Und geh mal nach Christiania oder besuche gar traditionell anarchistisch organisierte Völker und verstoße dort gegen die Regeln. Auch dort gibt es Mechanismen, mit solchem Verhalten fertig zu werden.

Außerdem geht es hier nicht um Gesetzlosigkeit, sondern um Anarchie. Das sollte eigentlich aus bisherigen Beiträgen deutlich hervorgegangen sein. Du hast mal wieder nicht richtig gelesen bigwink

btt:
Ein leichter greifbares und vermittelbares Konzept ist eine schlichte Dezentralisierung. Ich kopiere einfach mal einen OT-Schnipsel aus dem Antifa-Thread ^^

(17.08.2010, 15:13)Glassmoon schrieb: Persönlich liebäugle ich ja mit Ideen völliger Dezentralisierung in konsensdemokratische Gemeinschaften, um mitunter Ausbeutung zu verhindern. Ein schönes Grundkonzept liefern für mich die San und ihre Schenkökonomie. (Diese als zusätzliches Regulativ, nicht als Ersatz. Die hohe Latenz macht diese im großen Maßstab doch eher unpraktikabel als alleiniges Wirtschaftselement.)

In einem Top-Down-Prozess halte ich eine schrittweise Dezentralisierung in kleinere, hierarchiefreie(re) Knotenpunkte unter Beibehaltung bestehender Infrastruktur und Bildung von Umverteilungsmechanismen für prinzipiell möglich. Hierbei müßten Strukturen im größeren Maßstab nicht von Null aus dem Boden gestampft, sondern nur nach und nach den neuen Gegebenheiten flexibel angepaßt werden.
http://www.klartraumforum.de/forum/showthread.php?tid=5112&pid=107644#pid107644
(Der Thread trägt denke ich insgesamt mit Ideen zur Anarchie recht gut als Ergänzung zum Thema hier bei. Lesen lohnt.)
Zu dem Thema der Dezentralisierung bin ich kürzlich über den Begriff der egalitären, segmentären Gesellschaften gestolpert: Einigermaßen überschaubare Gruppen organisieren sich selbst, sind untereinander vernetzt. Hauptsächlich findet sich der Begriff in der Beschreibung indigener Kulturen, die weitgehend hierarchiefrei organisiert sind.

Für uns heute mit modernen Kommunikationsmedien fallen viele, räumliche Barrieren der Vernetzung weg, womit eine Dezentralisierung auch schlicht ökonomischer wird. Interessens- und Ideengemeinschaften sind nicht mehr absolut räumlich gebunden. In dieser Freiheit steckt in meinen Augen sehr großes, weitgehend ungenutztes Potential. Um dieses freizulegen, könnte die heute stark zentralisierte Verfügungsgewalt schlicht nach unten verteilt werden, daß sich die Netzwerke selbst optimieren und ihren Bedürfnissen anpassen können. Neue Ideen werden im Kleinen umgesetzt und bei Erfolg pflanzen sie sich selbsttätig durch das Netzwerk fort. Die Sebstregulierung setzt direkt am Ort des Geschehens ein, nicht erst wenn Schäden zentrale Ausmaße annehmen. Verknüpfungen entstehend und fallen nach individuellen Bedürfnissen.

In besonderem Maße wichtig finde ich, daß die Bereitschaft zur Kommunikation ein absoluter Vorteil in einem konsensorientiert egalitären Netzwerk ist.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - RockStarRC - 28.02.2011

(28.02.2011, 15:38)snapman schrieb:
(28.02.2011, 13:28)EmoScreamo schrieb: Ein Problem sehe ich darin, dass 'Anarchie' so negativ besetzt ist, wie sonst irgendwas. Schon der Klang dieses Wortes löst bei vielen Menschen Angst und Abscheu aus.

Man kann sagen: 'ich träume von der Anarchie' - Furchtbar, wahrscheinlich wird man gleich verhaftet.

Das ist ganz einfach, warum das so negativ besetzt ist. Wenn es keine Gesetze/"Obrigkeit"/Armee/Polizei mehr gibt, wird es nicht wenige geben, die sich mit Ratektenwerfer und Sturmgewehr bewaffnen und alle anderen ihrem Willen unterjochen. Die werden sich das nicht bieten lassen und zurückschiessen. Was haben wir dann? Bürgerkrieg.

Ich weiss nicht, ob es in die Richtung geht, aber ebenso verträumt sind meiner Meinung nach diese extremen Pazifisten. Die glauben allen ernstes, sie könnten einen Staat ganz ohne Armee selbst in Krisenregionen einrichten. Die schmieren sich sicher auch Lachscreme auf die Klöten und springen unbesorgt ins Haifischbecken.

So nebenbei es gab auch in der Geschichte anarchistische Armeen (Spanien, Ungarn..) die waren nicht uneffektiver als normale - eher effektiver durch die höhere motviation


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - snapman - 28.02.2011

(28.02.2011, 18:59)RockStarRC schrieb: So nebenbei es gab auch in der Geschichte anarchistische Armeen (Spanien, Ungarn..) die waren nicht uneffektiver als normale - eher effektiver durch die höhere motviation

Die hatten aber eine unsichtbare Führung: Das gemeinsame Ziel.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - RockStarRC - 28.02.2011

" «Zum anderen zeigt sich ein weiteres Phänomen in der Entstehung vielfältigster
Organisationen, die den Menschen helfen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu
nehmen ( …) Dieses Phänomen ist zwar gegenwärtig nur in bescheidenen Ansätzen sichtbar, wird aber auf Dauer die Staatsmacht untergraben.
Ja, ich denke, es gibt Grund zu hoffen!«
– Noam Chomsky –


DIE MEISTEN MENSCHEN BEFÄLLT DIE KALTE ANGST, wenn sie versuchen, sich Anarchie praktisch vorzustellen. Selbst, wenn sie anarchistische Ideen durchaus sympathisch finden, bleibt es schwer vorstellbar, wie an-archische Strukturen die vielfältigen Aufgaben einer Massengesellschaft bewältigen sollten. Die ängstliche Frage lautet meist: »Wie würden anarchistische Organisationsformen denn aussehen und können sie überhaupt funktionieren? Müßten wir dann nicht verhungern? Würde die Welt nicht im Chaos untergehen?«
Legitime Fragen, und Anarchisten täten gut daran, sie ernst zu nehmen. Oft neigen sie dazu, sich über die verängstigten Fragesteller lustig zu machen. Das hilft aber nicht.


Eine andere Struktur
Es wäre unfair, von heutigen Anarchisten genaue Pläne davon zu verlangen, wie alle Funktionen einer libertären Gesellschaft im Detail aussehen und funktionieren sollen. Ganz abgesehen davon, daß sie das aus guten Gründen auch gar nicht wollen würden1, wäre dies ebenso grotesk, wie wenn man etwa von den Vorkämpfern der Französischen Revolution oder den Schöpfern der amerikanischen Verfassung im 18. Jahrhundert verlangt hätte vorauszusagen, wie in unseren republikanisch-demokratischem Gesellschaften heute das Postwesen, die Arbeitslosenversicherung oder die Güterproduktion funktionieren solle.
Am Beginn einer jeden umwälzenden gesellschaftlichen Idee steht eine neue Struktur, die sich erst in der gesellschaftlichen Realität mit Inhalten füllt. Das ist beim Anarchismus nicht anders. Anders ist, daß sich libertäre Strukturen von den herkömmlichen grundlegend unterscheiden, und daß sie in einen Prozeß münden sollen, der niemals in einer neuen, starren Struktur sein Ende finden darf: Libertäre Gesellschaft ist wandelbar und vielfältig, der Weg ist gleichzeitig auch Ziel.
Die grundlegende Struktur des anarchistischen Gesellschaftsmodells ist eine Vernetzung von kleinen Einheiten." Zitat: Freiheit Pur von Horst Stowasser

PS: buecherkiste.de hat da das ebook im "angebot"


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - snapman - 28.02.2011

(28.02.2011, 17:35)Glassmoon schrieb: Außerdem geht es hier nicht um Gesetzlosigkeit, sondern um Anarchie.

Wie stellst du dir das vor? Lauter kleine "Clans" die über ihr Gebiet herrschen?

Wie würde das in Deutschland aussehen? Hm, Hamburg geben wir den Klarträumern, Berlin den Rockern, Bayern den Konservativen und Saschsen den Rechten?

Was ist, wenn sich diese Clans bekriegen? Was ist, wenn eine fremde Streitmacht das Land angreift? Organisieren sich diese Clans dann doch zentral oder werden sie dann überrannt?

Und welchen Vorteil habe ich konkret dadurch? Wäre eine wirklich vernünftige Regierung nicht besser?

Und welche "Herrschaft" gibt es in der BRD überhaupt noch? Wir müssen bestimmte Abgaben in Form von Steuern leisten. Es gibt eine Schulpflicht, die Wehrpflicht ist mittlerweile abgeschafft. Und es gibt ein paar skurile Gesetze, die es z.B. erlauben sich literweise Alk reinzukippen, während wohl harmlosere Sachen verboten sind. Das sind Kritikpunkte, die es zu verbessern gehört. Zudem haben wir freie Wahlen - theoretisch hätte sogar die APPD die absoloute Mehrheit bekommen können. Also, wofür braucht ihr Anarchie?!


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - RockStarRC - 28.02.2011

so nebenbei appd hat nichts mit anarchie zu tun

die gesellschaften wären viel kleiner als die früheren un warum bekriegen wenn der grundbedarf für jeden menschen frei zugänglich ist?
hast du dich schonmal gefragt ob wir so weiter leben können? was brauchen wir um dauerhaft weiter zu leben? was für eine wirtschaft? un passt diese wirtschaft dann mit unserer gesellschaft zusammen?


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - Glassmoon - 28.02.2011

@snapman
Witzig: Die Kritik erinnert mich gerade schwer an die damalige Kritik am allgemeinen Wahlrecht und noch mal beim Frauenwahlrecht. Da kann doch bloß Chaos und Gewalt bei herumkommen, richtig? Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder Bauer, Arbeiter, gewöhnliche Mensch Einfluß auf die Politik nehmen darf, wo er doch keine Ahnung außerhalb persönlicher Belange hat? Die können mit Freiheit doch gar nichts anfangen außer aufsässig und faul zu werden.

Wozu wir Freiheit brauchen? Keine Ahnung. Es scheint ein einfaches, menschliches Bedürfnis zu sein, nach Freiheit zu streben. Aufklärung, Selbstbestimmung, Menschenrechte, die Tendenz ist erkennbar.

Machtkonzentration schafft einen schwachen Punkt, dem kaum Möglichkeiten zum Einlenken entgegenstehen. Hat die Führung einen Knacks, ist das ganze System gefährdet. Die arabische Welt macht es gerade vor. In einem dezentralen, egalitären Netzwerk kann ein einzelner Fehler leichter wieder aufgefangen werden. Änderungen im System werden nicht gleich global aufgepfropft, durchlaufen das Netzwerk nach und nach und bleiben dynamisch, flexibel – oder verschwinden wieder, bevor sie zu großen Schaden anrichten können. Eine immerwährend vernünftige Regierung scheint mir wesentlich utopischer als Individuen, die sich flexibel um ihre persönlichen Belange kümmern dürfen.

Wie ich mir das vorstelle steht schon oben im Zitat: Machtbefugnisse werden verstärkt in die Hände der Länder rückverteilt, Kommunikationswege zwischen den Ländern ausgebaut, nach und nach mehr unmittelbare politische Teilhabe in die Hand jedes einzelnen gelegt. Die Bürger sind der Staat, was auch die Motivation für unsere parlamentarische Mehrheitsdemokratie ist. In ihrer jetzigen Form führt diese leider zu großer Politikverdrossenheit – der einzelne fühlt sich nicht mehr repräsentiert. Lokale Mängel, die nicht von globalem Interesse sind, bleiben mangels «öffentlichen Interesses» in der parlamentarischen Warteschleife.

Daß sich einzelne Länder in Deutschland für autonom erklären und den übrigen Ländern den Rücken zukehren wollten, halte ich für ein unrealistisches Szenario. Die Vorteile der Gemeinschaft wiegen auch dann nicht weniger schwer als heute. Rein theoretisch könnte ein Land auch heute genau so beschließen, nicht mehr zum Rest gehören zu wollen. Der Gedanke erscheint mir persönlich absurd.

Kooperation hat in anarchistischen Systemen einen enorm hohen Wert, viel höher als in einer Konkurrenzdemokratie. Sich gegenseitig zu beweisen, wer den Längeren hat birgt keine Vorteile.


Eigentlich wollte ich nicht darauf eingehen, but hey:
Wer andere angreift, hat auch in anarchischen Kulturen mit Sanktionen zu rechnen. Im allgemeinen bedeutet das den Ausschluß aus der Gemeinschaft als letztmögliche Strafe. Wirtschaftlich dürfte derlei heute das aus bedeuten. Die Regeln des unmittelbaren Umgangs miteinander werden nicht außer Kraft gesetzt, im Gegenteil gelten sie über unmittelbare Freundschaften/Bekanntschaften hinaus und wollen gepflegt werden.

Wenn Du in einem Top-Down-Prozess Machtbefugnisse auf Länder, Städte und Kommunen, Viertel verteilst, verschwindet das Militär erst mal nicht. Es werden sich auch dann noch genügend Menschen finden, die das Bedürfnis haben, sich Angriffen von außen erwehren zu können.

Du scheinst in Deiner Argumentation Herrschaftslosigkeit mit Führungs-, Ziel- und Planlosigkeit gleichzusetzen. Wie kommt das?


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - snapman - 28.02.2011

(28.02.2011, 21:16)Glassmoon schrieb: @snapman
Witzig: Die Kritik erinnert mich gerade schwer an die damalige Kritik am allgemeinen Wahlrecht und noch mal beim Frauenwahlrecht. Da kann doch bloß Chaos und Gewalt bei herumkommen, richtig? Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder Bauer, Arbeiter, gewöhnliche Mensch Einfluß auf die Politik nehmen darf, wo er doch keine Ahnung außerhalb persönlicher Belange hat? Die können mit Freiheit doch gar nichts anfangen außer aufsässig und faul zu werden.

Ich finde nicht, dass Frauen nicht wählen sollen. Ich finde es aber durchaus bestürzend, dass jeder "dumme Bauer" (nichts gegen gebildete Landwirte) und jeder dem tode nahe stehende "Crack-Junkie" das gleiche Stimmrecht hat wie ich oder andere Akademiker.

Ich schaue mir ein Thema aus verschiedensten Blickwinkeln an, der gemeine Pöbel sieht in der BILD ein Hochglanz-Foto vom Baron von und zu Copyberg und hält ihn anschliessend für den neuen Heilsbringer den er unbedingt wählen muss. Ich finde solche Leute dürften maximal 1/10 des Stimmrechts des intelligenten und weisen Teil der Bevölkerung haben. Dann gäbe es auch eine echte Chance die ganzen unfähigen Politiker abzuwählen.


(28.02.2011, 21:16)Glassmoon schrieb: Wenn Du in einem Top-Down-Prozess Machtbefugnisse auf Länder, Städte und Kommunen, Viertel verteilst, verschwindet das Militär erst mal nicht. Es werden sich auch dann noch genügend Menschen finden, die das Bedürfnis haben, sich Angriffen von außen erwehren zu können.

Gerade das führt doch zu nichts, das kann man doch bereits sehen. Nicht wenige sind bestrebt, Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin wieder dem "nächst grösseren Land" einzuverleiben. Und generell ist man immer mehr geneigt, die "Sonderrechte" der Länder gegenüber dem Bund aufzuweichen.

Warum?
a) Weil jedes unabhängiges Land wieder eine eigene Verwaltung, Räte, Beamte etc braucht. Das kostet - und zwar nicht zu wenig.
b) Durcheinander bei Bildung. Jedes Land kocht seinen Brei. Die einen lernen das, die anderen das. Ein Abi aus Bayern ist anerkannter als eines aus NRW. Es entstehen zudem Extra-Kosten weil durch unterschiedliche Bücher die Auflage sinkt, aber kein Nutzen entsteht.
c) Währungen (gut das gibt es heute nicht mehr)
Früher hatte jede Region ihre eigene Währung. Man musste ständig tauschen, war nicht sicher ob die Sache morgen noch den Wert hat, etc. Das hat sich alles mit einer zentralen Währung erübrigt.
d) vieles andere...

Aus den gleichen Gründen sind auch die meisten Dörfer nicht mehr selbstständig, sondern nur noch Ortsteile.

Wie du siehst geht der Prozess eher in die andere Richtung. Nicht aus bösen Gründen, sondern weil die Effizienz dafür spricht.

(28.02.2011, 21:16)Glassmoon schrieb: Du scheinst in Deiner Argumentation Herrschaftslosigkeit mit Führungs-, Ziel- und Planlosigkeit gleichzusetzen. Wie kommt das?

Es gibt verschiedene Definitionen von Anarchie.
(28.02.2011, 20:37)RockStarRC schrieb: hast du dich schonmal gefragt ob wir so weiter leben können? was brauchen wir um dauerhaft weiter zu leben? was für eine wirtschaft? un passt diese wirtschaft dann mit unserer gesellschaft zusammen?

Natürlich können wir nicht so weiter Leben. Man könnte es für den Anfang mal mit Freigeld probieren. Vielleicht gäbe es dann das "Wunder von Deutschland". [siehe auch Wunder von Wörgl]


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - RockStarRC - 28.02.2011

ich möchte dich nicht angreifen snapman aber ich finde in deinen Worten steckt ein Stück rassismus. Wer würde bestimmen, dass du "Entscheidungsfähiger" bist als ein "normalo" ? An einem Studium lässt sich sowas nicht festmachen, auch wenn man behaupten kann das der durchschnittliche Akademiker intelligenter ist als der durchschnittliche Handwerker aber das sorgt für ein Klassendenken und ignoriert dabei die Fähigkeiten des Individuums. Wenn mit diesem "Ungebildetsein der sozial-schlechterengestellten" ein System nicht klar kommt und auch dieses Reproduziert (also ich bin noch schüler und ich werde nur auf wirtschaftliche verwertbarkeit getrimmt. wenn ich wirtschaftkritik (z.b. an zins-system) übe un das konstruktiv dann bin ich sofort der Buh-Mann) dann stimmt was im System grundlegend nicht!


Dein Text ist stark von unserem Wirtschaftlichen Denken geprägt und unter Wirtschaftlern hättest du recht doch du vergisst etwas: in deinem text ist effizent was billig ist. Doch ist es nicht besser wenn man schon eine Bürokratie hat nur eine "lokale" zu haben? Wenn eine Bürokratie sich umso mehr Menschen kümmert umso mehr entfremdet sie. Wenn du Einfluss auf die Bildungspolitik von (nehmen wir einfach irgendein beispiel) Hessen haben willst dann ist das möglich, wenn auch sehr schwer. Doch wenn die Bildungspolitik zentral in Berlin ist kannst du kaum Einfluss nehmen.
Die Währungssache ist sogar in unserem System unser Untergang. Geldtauschen wäre heute eine Witz und nicht sehr aufwendig. Doch stattdessen wird weiter zentralisiert und unsere Wirtschaft geschädigt (siehe Euro). Ich kann wenn du willst genauer darauf eingehen.
Die sache ist ja eine Anarchie baut auf Räten (meiner meinung nach) auf und da sind mehr Räte doch gut da sie für mehr Mitbestimmung sorgen.

im letzten punkt geb ich dir vollkommen recht: anarchie wird sogar von jedem anders definiert und das ist ihr wahres wesen und darin liegt ihr wert.

ich möchte dir ein paar Fragen stellen:
Wielange denkst du macht die Umwelt unser "wirtschaften" nach profit mit?
Denkst du unser Scheindemokratie bietet den Rahmen für eine bessere Wirtschaft?
Was wäre das für eine Wirtschaft?
Was für eine Gesellschaft braucht man damit sie funktioniert?
die sache ist das freigeld würde zwar den wirtschaftswachstumswahnsinn stoppen aber der konkurrenzkampf und die ausbeutung der natur bleibt bestehen.

es ist wie ein Haus:
gerade hat es ein schlechtes Fundament (Kapitalismus) mit schlechten Pfeilern und einem schlechtem Dach (Zinssystem)

wenn du aber nur das Dach reparierst dann sorgst du nur für eine verzögerung des Zusammenbruchs (ala die Grüne)
das grundproblem wird nicht gelöst


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - Orakel - 28.02.2011

(28.02.2011, 19:24)snapman schrieb: Also, wofür braucht ihr Anarchie?!

"In einer Welt in der 1% der Bevölkerung 40% des Reichtums besitzt... in einer Welt in der täglich 34.000 Kinder durch Armut und vermeidbare Krankheiten sterben... und in der 50% der Weltbevölkerung mit weniger als 2 Dollar am Tag lebt...

Eine Sache ist klar... da läuft etwas gewaltig schief."

Zitat aus Zeitgeist Addendum (übrigens auch im Zusammenhang mit dem Thema Anarchie ein interessanter Film, besonders gegen Ende wo es um das Venus-Projekt geht)

So toll sieht es in unserer Welt also nicht aus. Und selbst wenn es uns (im Westen) auch schlechter gehen könnte, ist das doch noch lange kein Grund die Dinge nicht verbessern zu wollen.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - snapman - 28.02.2011

(28.02.2011, 22:50)Orakel schrieb: "In einer Welt in der 1% der Bevölkerung 40% des Reichtums besitzt... in einer Welt in der täglich 34.000 Kinder durch Armut und vermeidbare Krankheiten sterben... und in der 50% der Weltbevölkerung mit weniger als 2 Dollar am Tag lebt...

Eine Sache ist klar... da läuft etwas gewaltig schief."

Also ich glaube nicht, dass Anarchie zwangsweise "Wohlstand" (was man auch immer darunter verstehen kann) bedeutet. Ich glaube viele sehen die Dinge hier auch durch eine etwas "optimistische Brille".

Eine Art Anarchie in der hier propagierten Art mit vielen kleinen Clans und lokalen gesetzen herrscht ja in vielen teilen Afrikas und Afghahnistens inoffiziell. Ich kann aber in keinster Weise erkennen, dass dort nun ein materielles und/oder intelektuelles Schlaraffenland herrscht, auch nicht fernab von Warlords und co. Im Gegenteil: Viele gute Ideen der zentralregierungen kommen gar nicht zu den Stämmen durch, die weiter ihren Brei von achtzehnhundert dazumal mauscheln.

Die Ungerechtigkeiten in der Vermögensverteilung entstehen auch vor allem durch [mal auf Dland bezogen, sonst wirds zu komplex]:
a) Erbe/Zinsen (einmal geschaffener Erfolg/Vermögen wird weitervererbt und vermehrt sich durch Zins+Zinseszins exp., andere werden dagegen arm geboren)
b) Glück (jemand kommt durch Zufall auf eine "Weltidee" und macht damit massiv Geld)
c) Intelligenz (jemand hat einen cleveren Einfall und macht damit massiv Geld)


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - ricky_ho - 01.03.2011

(28.02.2011, 23:28)snapman schrieb: Eine Art Anarchie in der hier propagierten Art mit vielen kleinen Clans und lokalen gesetzen herrscht ja in vielen teilen Afrikas und Afghahnistens inoffiziell.

Ja, vor allem auch so basisdemokratisch. huh


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - snapman - 01.03.2011

(01.03.2011, 00:05)ricky_ho schrieb: Ja, vor allem auch so basisdemokratisch. huh

Ich weiss nicht in welcher Form du Basisdemokratie verstehst.

Ich habe neulich noch eine Doku gesehen über andere Lebensweisen in Form eines mehr oder weniger autarken Lebens auf einer Burg. Auch dort werden ständig Konsens-Entscheidungen in "nervenzerreibenden Sitzungen" gefällt, weil man ja keine Führung will. Der Witz dabei: Es ist [auch für die Teilnehmer] eine unsägliche Laberei, bei der am Ende meist nichts vernünftiges oder gar skuriles bei rauskommt. Und ausgehen tuen sie selten gerecht, ein Bewohner ist abgehauen, weil man ihm aus dümmlichen Gründen ein Gewächshaus verweigert hat. Fast wie in unserem Bundestag!

Hier das Video zur "Burg":
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite#/beitrag/video/1178672/Die-Rebellin-vom-Schloss

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Aber ich will nicht alles schlecht reden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Anarchismus_in_Spanien#Die_Revolution_von_1936

Das zum Beispiel klingt doch sehr positiv.

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Die Frage, die es zu klären gilt: Wann kommt etwas positives bei heraus, unter welchem Umständen endet es schlimmer als im Bundestag?