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Escaping the sugarswamp - Druckversion

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RE: Die Sucht und das Suchen - Bultungin - 26.07.2020

(25.07.2020, 23:48)Liri schrieb: Ab wann beginnt für dich "Übergewicht"?

Für mich beginnt Übergewicht bzw. "unnatürliches" Gewicht was mich selbst betrifft in dem Moment, in dem ich weiß, dass ich mehr Fett an meinem Körper trage, als ich würde, wenn mein Essverhalten normalisiert wäre. Das heißt, ich weiß z.B. dass ich häufig esse, obwohl ich nicht hungrig bin und im schlimmsten Fall esse ich dann auch "nahrungsmittelähnliche Substanzen" (wie Eisenhauer treffend formuliert). Würde ich nur essen, wenn ich hungrig bin und nicht essen aus Langeweile, Freude oder Spaß an der Sache, wäre ich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit 10-15 Kilo leichter.

Und wann beginnt für dich Übergewicht?


RE: Die Sucht und das Suchen - Liri - 27.07.2020

Für mich als objektiver Faktor die Grenzen, wie sie derzeit medizinsch definiert sind. (Nach dieser Definition bin ich für mein Alter normalgewichtig. Hab das anhand eines BMI-Rechners grad noch überprüft, weil ich es nicht ganz auf dem Schirm hatte).

Ansonsten: Übergewicht für mich selbst in dem Moment, wo der Körper be-lastet wird. Also wenn ich nicht mehr in einem Zug und schnell genug in den vierten Stock gehen könnte, wenn ich schnell außer Atem komme, wenn mein Alltag und die Möglichkeit, Sport zu machen, eingeschränkt wird.

Auch das ist nicht der Fall. Ich bin ziemlich fit und habe einiges an Ausdauer.

Ich bin trotzdem mit Speckpölsterchen versehen, aber ich denke nicht dauernd drüber nach oder hasse mich deswegen oder sowas. Bauchfrei rumrennen und ähnliche Scherze verbieten sich ab einem gewissen Alter auch von alleine. Man ist dann nicht schlank, sondern eben faltig-knochig xD

Das Leben ist nach meiner Auffassung echt zu kurz, um sich dauernd drüber Gedanken zu machen, ob man gut genug aussieht, in der Zeit mach ich lieber Kunst, übe Kritisches Bewusstsein oder bin in der Natur. Ich bin auch nicht so auf das Essens-Thema fixiert. Ich ess halt einfach und ich esse gern. Wenn ich es nicht vergesse =D


RE: Die Sucht und das Suchen - Rhetor - 27.07.2020

(26.07.2020, 09:29)_ Aura schrieb:
(25.07.2020, 23:48)Liri schrieb: Ab wann beginnt für dich "Übergewicht"?

Für mich beginnt Übergewicht bzw. "unnatürliches" Gewicht was mich selbst betrifft in dem Moment, in dem ich weiß, dass ich mehr Fett an meinem Körper trage, als ich würde, wenn mein Essverhalten normalisiert wäre.

Diese Definition gefällt mir gut, weil sie sich nicht auf die manchmal irreführende Maßzahl des BMI, sondern auf Körperfett und Essverhalten bezieht thumbsu


RE: Die Sucht und das Suchen - ichbinmehr - 27.07.2020

Hi Liri, dann hast du großes Glück.

Es hängt ja auch ein riesiger Rattenschwanz am Thema Übergewicht. Bei jedem Wettlauff bist du immer wieder der Letzte. Stell dir ein Kind vor der jedesmal das Letzte ist. Wenn du nicht die Normschönheit erfüllst, bist du bei der Partnersuche immer nur die B Wahl. Das alles drückt immer wieder auf den Selbstwert. Menschen erleben das ja oft ein ganzes Leben lang so dass der Selbstwert oft im Keller ist. Da stauen sich dann einige Gefühle auf. Wer eine Essstörung hat, obwohl er nicht übergewichtig ist, der ist vielleicht schon ein ganzes Leben kritisiert worden. Das internalisiert man dann und weil die Kritiksucht auch eine Sucht ist, die etwas tieferliegendes bewältig. Ich denke deshalb belastet vor allem der Gedanke mit anderen Menschen nicht mithalten zu können und nie zu genügen auch noch mal zusätzlich zu allen körperlichen Folgen einer Sucht. Manchmal ist es schwer das Glück der anderen Menschen zu ertragen, wenn man selbst ganz andere Voraussetzungen hat und damit zufrieden sein soll.

Oder ähnlich ist es für den Mensch der von großer Armut betroiffen ist. Wer kann es denn so einem Menschen verübeln neidisch zu sein? Nicht immer sind Menschen an ihrer Armut schuldig, so wie auch ein Süchtiger, Kritiker oder Übergewichtiger oft unschuldig ist.

Aber bestimmt kennst du das selbst, du hast ja über deine Krebskrankheit berichtet. Bestimmt hattest du damals auch Gefühle von Wut, Neid, Missgungst, Trauer, wenn du gesehen hast, dass andere Menschen nicht um ihr Leben bangen müssen. Vor einiger Zeit hatte ich mich mal kurz mit einer Frau unterhalten, die Krebskrank war und keine Chance auf Heilung hatte. Das hat mich sehr brührt, dass sie mit den Gefühlen zu sterben klar kommen musste. Wenn man mit dem Tod konfrontiert ist, dann kommen alle diese Gefühle hoch, all das Festhalten an den Wünschen und Vorstellungen. Bestimmt kannst du das verstehen. Und wenn ein Mensch in seinem Körper unzufrieden ist, dann ist das sehr ähnlich, eben genauso ungerecht. Wer das erlebt, möchte mit seinem Ungerechtigkeitsgfühl verstanden werden.

Ich finde es manchmal schwierig mich für Menschen, der eine bessere Voraussetzung als ich haben zu freuen. Im Grunde möchte ich ihnen ihr Glück gönnen. Aber wenn ich immer wieder erfahre, dass ich nie dieses Glück erreichen kann, dann ist das eine sehr schwere Aufgabe wie ich finde. Ich habe mir oft von den Menschen die großes Glück erfahren haben Mitgefühl für mein Leiden gewünscht. Selten konnten die glücklichen überhaupt schätzen was sie hatten. Oft haben sie noch auf mich herab geschaut. Manchmal nochmal nachgetreten. Anderen ihr Glück zu gönnen, während du selbst nichts hast, ist wie sterben müssen und mal eben so loslassen sollen.

Es gehört sehr viel dazu, trotzalledem nicht auf die zur Schaustellung des Glücks mit Negativität zu reagieren, wenn man selbst kein Glück hat. Es ist schwer nicht neidisch zu sein. Wo ist eigendlich die Lösung für dieses Problem?

Ich glaube indem es einem Menschen gelingt, das wertzuschätzen was man hat. Manchmal ist das echt schwer, weil die Gesellschaft bestimmte, Erfahrungen mehr wertschätzt als andere. Dann schaut man die ganze Zeit neidvoll nach außen, und schafft es oft gar nicht zu erkennen, was man wertvolles in sich selbst hat. Wenn man den Wert in sich selbst findet, dann kann man oft sehen, das die anderen gar nicht mehr haben. Als ich anfing meinen Selbstwert sehen zu können, habe ich manchmal sogar gedacht ich habe mehr als die die vorher die Gewinner waren. Weil ich aber immer noch neidisch war auf das die anderen hatten, habe ich mich dann wieder über sie gestellt. Das ist ein Kreislauf der Neid ohne Ende fällt mir gerade auf.

Ich glaube manchmal ist es sehr weise sich über sein persönliches Glück zu freuen, es dann aber nicht gleich jemandn aufs Brot zu schmieren. Da könnte dazu führen, dass sich die jenigen, die schlechtete Voraussetzungen haben, nicht als Verlierer fühlen.
Ich denke es wäre stattdessen gut andere Menschen hochzuheben. Das kann man erst wenn der eigen Selbstwert stabil ist um man nicht mehr darum kämpft.

Ich würde süchtige Menschen gerne hochheben, indem ich ihnen sagen möchte, dass sie durch die Sucht eine selbstständige Regulation ihrer Bedürfnisse gefunden haben. Ich möchte sie beglückwünschen, dass sie dadurch überlebt haben. Menschen die eine Sucht haben, erleben oft die negativen Folgen der Suche nach dem eigenen Selbst. Eben durch die negativen Folgen, fällt die Suche überhaupt erst auf. Meist entwickelt man sich ja nur dann weiter, wenn irgenwas weh tut. Wer suchtet, der hat die Gelegenheit nach Innen zu schauen und tiefere Ursachen für seine Suche zu finden. Ich weis am Ende gar nicht mehr, wer da nun mehr Glück hat? Der der die Norm erfüllt oder der der aus der Norm rausflässt und überall aneckt.


RE: Die Sucht und das Suchen - Bultungin - 27.07.2020

(27.07.2020, 14:17)Liri schrieb: Ich ess halt einfach und ich esse gern. Wenn ich es nicht vergesse =D

Manchmal habe ich den Eindruck, dass du uns/ mich hier absichtlich triggern willst mit solchen Aussagen.

Sei doch einfach froh, dass Essen für dich so nebensächlich ist, DASS du es manchmal vergisst. wink1


RE: Die Sucht und das Suchen - Liri - 27.07.2020

Ich bin nochmal in mich gegangen. Und nein, ich will euch keinesfalls triggern. Ich im Gegenzug fühle mich auch getriggert, aber ich unterstelle niemandem, das absichtlich zu tun. Es ist das Thema "Körperschema" an sich, das mich beschäftigt und bestürzt. Das ist ja zuvor schon angeklungen.

Meine Gedankengänge kommen demnächst, wenn ich Zeit für einen längeren Beitrag habe, so die innere Energie langt, in einen anderen Thread, es geht hier nämlich mehr um die Gesellschaft und die Art, wie Körper behandelt und beherrscht werden. Vor allem weibliche Körper.

Ich hoffe, ich habe dann noch genug Energie für einen ordentlichen rant habe. Das Thema wäre es wert.


RE: Die Sucht und das Suchen - Rhetor - 27.07.2020

(27.07.2020, 17:28)Liri schrieb: Ich bin nochmal in mich gegangen. Und nein, ich will euch keinesfalls triggern. Ich im Gegenzug fühle mich auch getriggert, aber ich unterstelle niemandem, das absichtlich zu tun.

Ähem, der Threadtitel beginnt mit "Die Sucht" fear

Du würdest auch nicht auf ein Treffen der Anonymen Alkoholiker gehen, dort erzählen, dass Du gelegentlich einfach gerne ein Glas Wein trinkst, und dich dann beschweren, dass du dich von dem ganzen Abstinenz-Gerede getriggert fühlst wink1


RE: Die Sucht und das Suchen - Liri - 27.07.2020

Ich würde mich schon von dem Thema ebenfalls getriggert fühlen, wenn ich daran denken würde, dass die Gesellschaft Alkoholkonsum sogar fördert und dafür sorgt, dass die Leute gut rankommen, ja, sogar daran verdient und was davon hat, wenn sie sich zudröhnen, anstelle der Realität wehrhaft gegenüberzustehen. Aber in dieser Hinsicht hinkt der Vergleich, es geht nicht auf. Denn Essen zu sich nehmen muss jeder, Alkohol nicht.

Du kannst aber gerne meine Beiträge in den Papierkorb schmeißen, wenn du es für richtig hältst.


RE: Die Sucht und das Suchen - ichbinmehr - 27.07.2020

@ Liri ich fände es schade wenn wir deine Beiträge in den Papierkorb werfen würden. Ich fände es sehr cool, wenn Aura in deiner Meinung eine Erkenntnis für sich selbst finden könnte. Oder du in ihrer.

Ich glaube dass niemand bewusst einen Streit provoziert. Jeder definiert sich durch so ein Gespräch ja auch immer selbst. Manchmal erfindet man sich sogar in einem Thread, während des Schreibens. Jeder der hier schreibt ist in einem eigenen Selbsterkenntnisprozess. Der kann sich sogar widersprechen.

Zu einem Treffen der Anonymen Alkoholiker geht man nicht zufällig. Hier schreiben wir manchmal, ohne uns darüber bewusst zu sein, dass ein Thread für jemanden sehr wichtig ist. Mir passiert das auch immer wieder, denn in dem Moment, wo ich einen Thread mit meiner individualität fülle, kann es sein, dass meine individellen Bedürfnisse mit den individuellen Bedürfnissen eines anderen Menschen kollidieren.

Ich glaube niemand hier mach das bewusst, um den anderen zu stören. Jeder ist einfach in seinem Film. Jeder hat Bedürfnisse seine individuellen Themen auszuleben. Und wir sind ja alle hier, weil uns allen scheinbar etwas daran liegt, dieses gemeinsam zu erfahren. Ich finde es im Konfliktfall hilfreich, sich an das gemeinsame zu erinnern. Das gibt es nämlich immer, auch wenn man es manchmal nicht gleich sieht.

Und außerdem, wird man ja durch eine gegenteilige Meinung manchmal mit seinem Unbewussten konfrontiert. Durch den anderen. Es ist nicht immer das beste, reine Zustimmung zu erhalten. Immer wenn mir jemand widerspricht, bin ich gefragt einen Umgang damit zu finden. Und dass kann manchmal sehr bewusstseinserweiternd sein.


RE: Die Sucht und das Suchen - Liri - 27.07.2020

Danke.

Weißt du, Steffi, ich fühle bei dem Thema voll mit, das kommt nur nicht so raus. Was "die Gesellschaft" so mit uns allen macht (blöder Begriff), man könnte schon fast eine Verschwörung wittern, wenn man Leute dazu bringt, sich selbst nicht mehr okay zu finden, schlimmstenfalls zu hassen. Der Körper, das ist man ja selbst. Aber das hat mit Sucht nur bedingt zu tun - oder doch?


RE: Die Sucht und das Suchen - ichbinmehr - 27.07.2020

Bei mir schon. Ich schade mir durch meine Ess Sucht und gleichzeitig hat mir die Sucht geholfen zu überleben. Es ist eben oft ein zweischneidiges Schwert. Manchmal gibt es keine einfachen Lösungen. Manchmal muss man sehr lange um eine perfekte Lösung ringen.

Ich bin auch schon seit frühster Kindheit auch körperlich zurück gewiesen worden. Wie soll ein Mensch der das immer wieder erlebt hat, Freund mit seinem Körper sein? Das ist schwer. Manchmal gar nicht zu erlösen, selbst nicht mit viel Therapie.

Niemand hasst sich mit böser Absicht. Selbsthass entsteht, weil man die Eltern nicht hassen dufte. Das ist eine Schutzfunktion solange man Abhängig ist.

Ich habe meinen Selbsthass durch Annahme auflösen können. Ich habe den Hass dann erstmal angenommen, als ich meine Abhängigkeit durchschnitten habe. Denn der Hass war meine Realität. Das hat  wo er bewusst war, dann zwei Jahre gebraucht bis der Hass ganz erlöst war.

Für Menschen die ihren Selbsthass entdecken, ist es wichtig den äußern zu dürfen. Der Hass muss ja erstmal im Bewusstseins sein, damit er erlöst werden kann. Der Hass muss verstanden werden, nämlich dass das nie nach Innen gerichtete Agression ist, die nach Außen hätte gehen sollen. Aber als KInd darf man das ja nicht, man hätte sich noch mehr in Gefahr gebracht.

Wenn man sagt,  man soll sich nicht hassen, dann schließt man das Gefühl wieder aus, und es kann sich auf der realen Ebene nicht erlösen. Gefühle müssen bewusst gefühlt werden um zu heilen. Sie müssen ausgedrückt und bezeugt werden. Sie müssen versorgt werden und nicht unterdrückt.

Für einen anderen Menschen kann es unerträglich sein, mitzubekommen wie sich jemand selbst ablehnt.

Warum ist das so?


RE: Die Sucht und das Suchen - Liri - 27.07.2020

Das kann ich dir ganz genau sagen, auch wenn ich nicht sagen würde unerträglich, aber doch traurig machend: Weil man, wenn man sich in die Person hineinversetzt, auch das Gefühl des Hasses mitspürt. Eine Bekannte von mir, also genau gesagt die Schwester eines Ex von mir, war magersüchtig und hat sich selbst fast umgebracht damit. Das ist so ein Extremfall, wo alle um sie herum mit-leiden mussten. Es gibt dann verschiedene Stategien, damit umzugehen, keine davon ist perfekt. Aber das war dann so etwas, ich habe beobachtet, dass sie tatsächlich gleichzeitig Täterin und Opfer war (wie du es in einem anderen Zusammenhang beschrieben hast). Tatsächlich würde ich die Täterschaft als internalisiert betrachten, sie hat als Überlebensmodus gewählt, sich mit dem/der Täter/in zu identifizieren. Ich würde sagen, Täterschaft ist erworben.

Ist es das, was du in etwa meinst?


RE: Die Sucht und das Suchen - ichbinmehr - 27.07.2020

Ja genau weil man dann mitfühlt, weil man diese Situation irgendwoher kennt. Weil das den eigenen Schmerz hervorholt. Es tut mir sehr leid was mit deiner Freundin passierte.

Schmerz erlöst man indem man sich ihm stellt, also indem man ihn ganz fühlt oder versorgt bis Trost und Befreiung vom Schmerz entsteht.

Könntest du dir auch vorstellen, einfach zusammen mit Aura den Schmerz zu fühlen?

Stell dir vor welche Kraft ihr euch gegenseitig geben könntet, weil ihr beide Energie in die Heilung schickt. Vielleicht hilft das sogar deiner Freundin. Vielleicht kannst du deine Freundin durch Aura besser verstehen lernen?

Ich glaube Aura hat sich schon der viel mit Schattenarbeit beschäftigt und ist deshalb so mutig und bringt solche schwierigen Themen die uns alle mehr oder weniger angehen auf den Tisch.

Das ist für die umliegenden Menschen nicht immer einfach. Denn da bringt jemand einen Schmerz hoch, den niemand haben möchte. Jeder Mensch hat ja Angst vor seinen Schmerzen.

Ich finde das sehr mutig, sich diesen ganzen Gefühlen so forschend zu stellen, wie Aura das macht.

Ja das mit Täter und Opfer sehe ich generell auch so. Das muss man ber erstmal entdecken.
In wie fern kannst du denn beim Thema Sucht diese Täter Opfer Problematik einsehen?
Das klingt sehr interessant Liri.


RE: Die Sucht und das Suchen - Bultungin - 27.07.2020

(27.07.2020, 17:56)Liri schrieb: Aber in dieser Hinsicht hinkt der Vergleich, es geht nicht auf. Denn Essen zu sich nehmen muss jeder, Alkohol nicht.

Der Vergleich hinkt überhaupt nicht.

Jeder muss trinken - aber keinen Alkohol.
Jeder muss essen - aber keine verarbeiteten Nahrungsmittel.

So wie unsere Gesellschaft Alkoholkonsum fördert, fördert sie auch Zucker- und Junkfoodkonsum.


___


Hier ist ja richtig was los! Also vielleicht nochmal für alle hier: ich fühle mich weder angegriffen noch getriggert. Mittlerweile habe ich mein Problem verstanden und kann es weitgehend rational betrachten - weshalb ich überhaupt diesen Thread hier eröffnet habe. normal

Was die "Gesellschaft" angeht, sehe ich auch biologische und evolutionsbedingte Fakten und Theorien. Es gibt Persönlichkeiten, die sehr konkurrenzorientiert sind und Druck durch Ideale stärker wahrnehmen als andere. Sucht und Konkurrenzorientierung sind zwei Paar Schuhe, die in meinem Fall eine Kombi eingegangen sind. Das eine heizt das andere an sozusagen. Wenn wir über Sucht sprechen, sprechen wir natürlich auch über Rahmenbedingungen. Auf einer einsamen Insel hätte ich kein Essproblem, so wie ein Alkoholiker kein Alkoholproblem hätte. Als zivilisierte Personen leben wir in einem Zoo, in dem wir gepresste Pellet-Nahrung in Massen vorgesetzt bekommen. Eine Antilope hätte auch massives Übergewicht, wenn Gras frittiert wäre.


Liri, ich bin sehr gespannt auf deinen Beitrag zu Körperschema etc. - das ist super interessant.


RE: Die Sucht und das Suchen - Liri - 27.07.2020

Bei Essstörungen sehe ich persönlich das so - und das ist meine persönliche Meinung, nicht irgendwas, von dem ich behaupte, es sei so und nicht anders.

Ich kenne schon Kinder, denen suggeriert wird, so, wie sie sind, sind sie nicht okay. Jedes kleine Fettpölsterchen wird verbalisiert, obwohl das im Entwicklungszeitraum mitunter normal ist. Oder es geschieht nonverbal.

Täter ist hier der Erwachsene, der ein perfektes Kind formen möchte. Vermutlich, weil er oder sie selbst schon dahingehend geprägt sind.

Gleichzeitig entsteht ein Sog hin zu dem, was das Essen ausmacht - Nahrung. Basis für das Überleben. Normalerweise würde das kein Thema sein, in dem Fall würde ich es als Ersatz für andere nährende Dinge sehen (andere Süchte sind da ja ebenfalls so eine Art Ersatzmechanismus)

So pendelt das dann zwischen dem Sog und der quasi-Bestrafung hin und her, und irgendwann mal ist zwar eigentlich der Erwachsene nicht mehr wirklich relevant, aber die Vorstellung, man wäre grundsätzlich nicht okay und seine eigenen Bedürfnisse sind bodenlos und unkontrollierbar und der eigene Körper ist der Feind. Als wäre der eigene Körper ein kleines Kind, das kontrolliert und überwacht werden muss. Das geht aber nicht, denn der zugrundeliegende Mangel ist zu groß.

Also ich kann mir gut vorstellen, dass Suchtproblematiken so selbstzerstörerisch sind, weil sie das Drama des beherrschten Kindes reproduzieren. Bis hin zu dem, dass sie Leute sich zu Tode hungern, weil sie die Abneigung, die sie spürten, internalisiert haben.

(Da kommen aber noch andere Sachen mit ins Spiel, bis hin zu dem, das dass, was früher der Reifrock und das Korsett war, nun das Idealgewicht ist. Grundsätzlich wird ja suggeriert, dass die Mehrzahl der Körper, die so draußen herumlaufen, eigentlich so, wie sie sind, nicht okay sind. Klar gibt es medizinische Gründe dafür, aber es gibt auch gute medizinische Gründe gegen einen Körper, der Größe zero tragen kann. Aber eine beherrschte Frau ist eben eine, die nicht aus der Reihe tanzt, leistungsfähig und bereit, zu leiden, um zu gefallen.)

Das ist allerdings sehr viel spekuliert. Und ich weiß nicht, ob ich mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehne und vor allem, ob ich mich verständlich ausgedrückt habe.