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Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - Druckversion

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RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - snapman - 15.03.2011

(08.03.2011, 14:54)RockStarRC schrieb: das mag zwar richtig sein doch die frage nach dem preis für solche dinge.. un der ist nicht bloß hoch sondern bald unbezahlbar

für mich ist er bezahlbar...und auf wen sollte ich rücksicht nehmen? auf meine mitmenschen? hahahaha....ein guter witz!
warum ich so denke? ich kann der menschheit nichts gutes abgewinnen. sie ist dumm, kriegerisch und geradezu lächerlich. darum genieße ich jede pferdestärke so lange es geht mit einem ultrabreiten grinsen!

sollte sich das jemals ändern....überdenke ich das ganze nochmal


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - ricky_ho - 16.03.2011

vielleicht denken diese anderen ja auch nur genau wie du und jeder sagt sich "wieso sollte ich bei mir anfangen?"... und alle warten darauf, dass sich was ändert... und beklagen sich darüber, dass die anderen sich nicht ändern...


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - snapman - 16.03.2011

(16.03.2011, 10:18)ricky_ho schrieb: vielleicht denken diese anderen ja auch nur genau wie du und jeder sagt sich "wieso sollte ich bei mir anfangen?"... und alle warten darauf, dass sich was ändert... und beklagen sich darüber, dass die anderen sich nicht ändern...

Das ist ein gerne vorgebrachtes Argument, was aber massiv zu kurz gedacht ist.

Überall heisst es "Dann fang du doch an". Bloß was nützt es? Um etwas verändern zu können, muss das ganze auch auf fruchtbaren Boden stoßen! Oder wenigstens auf einen Boden, den man überhaupt düngen kann, wenn man lange daran arbeitet.

Nehmen wir mal ein prominentes Beispiel: Hitler. Warum konnte er überhaupt seinen Wahnsinn durchsetzen? Weil die Voraussetzungen damals dafür da waren. Wirtschaftskriese, gedemütigtes Land, Führer-Sehnsüchtige-Gesellschaft, militarisierte Gesellschaft etc. Welche Chancen hätte Hitler wohl 1968 damit gehabt? bigwink

Und wenn du dich heute hinstellst und "Anarchie" forderst, wirst du genauso viel oder wenig ernst genommen, wie jemand der auf Woodstock für Nationalsozialismus geworben hätte oder jemand der 1950 in einer bayrischen Provinz für "Freie Liebe" Stimmung gemacht hätte.

Und wie sieht es heute aus mit den Stimmungen? Die Zeiten werden sich ändern. Solange der Kapitalismus brummt kannst du turnen und tanzen wie du willst, du erreichst GARNICHTS. Da bin ich realist genug. Wenn der nächste große Crash kommt und wir wieder wie 1930 oder 1945 Kartoffelsuppe essen müssen - dann wird wieder Zeit für einen Wandel. Dann hören die Leute alternativen Thesen auch wieder zu! Aber solange sie bei Bier und Bockwurst vor dem TV sitzen und sich hirnlosen Samstag-Abend-Trash hereinziehen glaubst du das doch selber nicht, oder? bigwink


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - RockStarRC - 16.03.2011

ich weiß was du meinst aber ich merke langsam wie sich was ändert. die wirtschaftskrise, die schere zwischen arm und reich, die öffentliche armut (gemeinden haben immer weniger geld), atomkrise etc.
die suche nach alternativen geht los.

Ja ich "fordere" die Anarchie, doch ich weiß ich werde eine anarchische massengesellschaft wahrscheinlihc nicht mehr erleben also warum mach ich das? Anarchistische Organisationsformen bringen mir jetzt schon einen Vorteil in meinem Lebensgefühl und wenn die nächste echte Krise kommt und die Menschen nach echten Alternativen suchen DANN muss es eine geben und zwar nicht bloß in verstaubten Bücher sondern als echte anfassbare Ansätze.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - ricky_ho - 05.06.2013

Ich antworte hierauf mal lieber in diesem Thread, damit der Hochwasser-Thread nicht zur allgemeinen politischen Diskussionen wird (ja, ich weiss, ich hab angefangen :-)

(05.06.2013, 19:38)Sergal schrieb: Dabei war es doch eigentlich so gedacht, wenn viele Menschen zusammenkommen, diese organisieren, wie sie möglichst gut zusammenleben können um durch das Leben zu kommen.

Von wem war das so gedacht? Eigentlich doch nur von Basisdemokraten, Anarchisten, o.ä? Oder wie meinst du das?

Zitat:Ist das nicht gerade eine solcher glasklaren offensichtlichen Situationen, wo der Staat eine seiner ureigensten Rollen einnehmen sollte und einfach den Menschen existenziell hilft?

Ich würde sagen, die ureigenste Rolle des Staates ist die Aufrechterhaltung der Herrschaft einer Minderheit. Wenn er den Menschen, genauer gesagt seinen Bürgern, hilft, ist das ein Mittel zu diesem Zweck. Zum Beispiel Roosevelts "New Deal", oder auch unser Sozialstaat, der von Bismark eingeführt wurde - ich vermute, eher nicht aus Nächstenliebe.

(05.06.2013, 19:48)spell bound schrieb: war es echt so gedacht? für mich ist das wieder einer solcher glasklaren momente, wo man merkt, dass die deklaration der menschlichkeit in der demokratie eben v.a. eins ist: bauernfängerei.

Das ist doch schon der Begriff "Demokratie" an sich, wenn man ihn mit dem System, in dem wir im Westen leben, gleichsetzt.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - Sergal - 06.06.2013

(05.06.2013, 20:23)ricky_ho schrieb:
(05.06.2013, 19:38)Sergal schrieb: Dabei war es doch eigentlich so gedacht, wenn viele Menschen zusammenkommen, diese organisieren, wie sie möglichst gut zusammenleben können um durch das Leben zu kommen.

Von wem war das so gedacht? Eigentlich doch nur von Basisdemokraten, Anarchisten, o.ä? Oder wie meinst du das?

Von mir natürlich! bigwink
Das war bloß ein spontaner Gedanke, der mir kam. Er war nicht wohl überlegt sondern eher situativ / intuativ. Also man kann daraus vielleicht mehr über mich lernen, als über die eigentliche Welt.
(Möglicherweise bin ich gar ein Anarchist. Eigentlich habe ich keine richtigen Wörter derzeit um meine Auffassung des Aussehens eines besseren Zusammenlebens auszudrücken.)

(05.06.2013, 20:23)ricky_ho schrieb: Ich würde sagen, die ureigenste Rolle des Staates ist die Aufrechterhaltung der Herrschaft einer Minderheit. Wenn er den Menschen, genauer gesagt seinen Bürgern, hilft, ist das ein Mittel zu diesem Zweck. Zum Beispiel Roosevelts "New Deal", oder auch unser Sozialstaat, der von Bismark eingeführt wurde - ich vermute, eher nicht aus Nächstenliebe.

Meinst du damit die Staaten, die derzeit so herumkreichen und fleuchen?
Ist das denn auch dein Wunsch, dass es so ist? Oder gäbe es da noch bessere Praktiken?
Sry, für all diese seltsamen Fragen, nur ich tue mich relativ schwer sowas zu erkennen (Was Ironie, politische Witze, derzeitige Definitionen oder "optimale" Zustände sind bigwink )

(05.06.2013, 20:23)ricky_ho schrieb:
(05.06.2013, 19:48)spell bound schrieb: war es echt so gedacht? für mich ist das wieder einer solcher glasklaren momente, wo man merkt, dass die deklaration der menschlichkeit in der demokratie eben v.a. eins ist: bauernfängerei.


Das ist doch schon der Begriff "Demokratie" an sich, wenn man ihn mit dem System, in dem wir im Westen leben, gleichsetzt.

Das zum Beispiel würd' ich als zynisch auffassen, sofern ich es richtig verstanden habe. Ich verstand es so, dass du sagtst, dass es für Demokratien (in unserem Westen) mehr als üblich ist, dass sie damit Bauernfängerei betreiben.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - ricky_ho - 06.06.2013

(06.06.2013, 10:54)Sergal schrieb:
(05.06.2013, 20:23)ricky_ho schrieb:
(05.06.2013, 19:38)Sergal schrieb: Dabei war es doch eigentlich so gedacht, wenn viele Menschen zusammenkommen, diese organisieren, wie sie möglichst gut zusammenleben können um durch das Leben zu kommen.

Von wem war das so gedacht? Eigentlich doch nur von Basisdemokraten, Anarchisten, o.ä? Oder wie meinst du das?

Von mir natürlich! bigwink
Das war bloß ein spontaner Gedanke, der mir kam. Er war nicht wohl überlegt sondern eher situativ / intuativ. Also man kann daraus vielleicht mehr über mich lernen, als über die eigentliche Welt.
(Möglicherweise bin ich gar ein Anarchist. Eigentlich habe ich keine richtigen Wörter derzeit um meine Auffassung des Aussehens eines besseren Zusammenlebens auszudrücken.)

Ja, also wenn du der Meinung bist, dass die Menschen sich auch selbst organisieren und verwalten können (nach ihren Bedürfnissen), und keine Regierung dafür brauchen (sondern die genau das eher verhindert), kann man das schon als anarchistische Gesinnung bezeichnen. Anarchie bedeutet herrschaftsfreie Gesellschaft. "Keiner über mir, keiner unter mir."

(05.06.2013, 20:23)ricky_ho schrieb: Meinst du damit die Staaten, die derzeit so herumkreichen und fleuchen?

Ja, die Nationalstaaten. Kenne keine anderen :-)

Zitat:Ist das denn auch dein Wunsch, dass es so ist? Oder gäbe es da noch bessere Praktiken?

Ich sehe den Nationalstaat als eine Organisationsform, die eine bestimmten Entwicklung der Menschheit bzw. der jeweiligen Gesellschaft entspricht. Es ist ja nicht die gesamte Menschheit auf dem gleichen Entwicklungstand, und z.B. in Afrika kann man schon sagen, dass den dortigen Gesellschaften der Nationalstaat im Rahmen der Kolonisierung aufgezwungen wurde. Schau dir mal die Grenzen in Afrika an, die wurden mit dem Lineal gezogen. Natürlich nicht von der Bevölkerung, sondern von den Kolonialmächten, die Afrika unter sich aufgeteilt haben.

Wahrscheinlich muss es im Lauf der Entwicklung der Gesellschaft irgendwann auch zur Organisationsform "Nationalstaat" kommen, die in vielen Belangen ein Fortschritt ist gegenüber den vorigen Organisationsformen (Natürlich muss jede Gesellschaft die Entwicklung selbst durchmachen, man kann keiner Gesellschaft, die die entsprechende Entwicklung nicht hinter sich hat, irgendwelche Organisationsformen einfach aufzwingen. Da sind Konflikte vorprogrammiert.) Aber der Nationalstaat bringt eben auch neue Probleme hervor und meiner Meinung nach muss die Entwicklung weitergehen und auch diese Form muss überwunden werden.

Gegen diese Weiterentwicklung stemmen sich aber diejenigen, deren Herrschaft durch den Nationalstaat gesichert wird. Ich denke, dass vor allem das dann die Probleme hervorruft. Dann wird der Nationalstaat immer mehr zum reinen Machterhaltungsinstrument pervertiert. Die Frage ist, ob die reaktionären oder die progressiven Kräfte sich durchsetzen.

Ob das Ziel der Entwicklung am Ende dann die klassenlose bzw. herrschaftslose Gesellschaft sein wird oder nicht, weiss ich nicht. Aber ich denke es macht Sinn, auf dieses Ideal hinzuarbeiten und Machthierarchien abzubauen und durch basisdemokratische und selbstverwaltete Organisationsformen zu ersetzen.

Ähnlich ist das mit dem Kapitalismus. Auch der ist nicht einfach böse und schlecht, sondern (laut Marx!) eine notwendige Entwicklungsstufe, die die Menschheit benötigt, um die Produktivkräfte soweit zu maximieren, dass die Bedürfnisse aller erfüllt werden können. Und erst wenn diese Bedingung erfüllt ist, kann man über eine sozialistische Gesellschaft nachdenken (das war der grosse Fehler des sogenannten "realexistierenden Sozialismus").

Zur Katastrophe wird der Kapitalismus erst dann, wenn die Entfaltung der Produktivkräfte erreicht ist, aber aus Machtgründen trotzdem am Kapitalismus festgehalten wird. Das ist meiner Meinung nach die Situation in der wir leben, eine gigantische Produktivität, mit der die gesamte Menschheit locker versorgt werden könnte, ohne sich totschuften zu müssen, aber statt dass man dann mal anfängt, den Überfluss zu verteilen, wird er vernichtet. Weil natürlich diejenige, die im Kapitalismus privilegiert sind, diesen mit Händen und Füssen verteidigen.

Und dazu missbrauchen sie derzeit unter anderem die Macht, die der Nationalstaat über seine Bürger hat. Da werden dann die Demonstranten, die für die Überwindung des Kapitalismus sind, von der Polizei weggeknüppelt.

Zitat:Das zum Beispiel würd' ich als zynisch auffassen, sofern ich es richtig verstanden habe. Ich verstand es so, dass du sagtst, dass es für Demokratien (in unserem Westen) mehr als üblich ist, dass sie damit Bauernfängerei betreiben.

Ja, ist halt die Frage, was man jetzt mit "Demokratie" meint. In der westlichen Propaganda steht der Begriff eher für "freie Marktwirtschaft" oder so (bei Merkel mit der "marktkonformen Demokratie" wird das ganz klar).

Aber was die Menschlichkeit angeht: ich seh es so, dass es eine Bewusstseinsentwicklung in der Bevölkerung gibt. Aus diesem Grund können die Machthaber ihr ihre Kriege nicht mehr einfach - wie noch vor kurzem problemlos möglich - verkaufen, indem man sagt, das ist der Feind und wir brauchen das Gold, schlachtet sie ab und holt es. Heute müssen sie uns sagen, das sind Menschen und wir bringen ihnen Demokratie und Menschenrechte (ich denke, u.a. das meint Spell mit "Bauernfängerei"?). Die Entwicklung des Bewusstseins wird weitergehen und irgendwann wirds auch mit diesen Lügen nicht mehr hinhauen (meine optimistische Erwartung).


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - spell bound - 06.06.2013

also ricky, wenn man zynisch sein will, kann man deine aussagen über die notwendigen entwicklungsstufen doch auch ganz dreist als legitimation des kolonialismus auslegen. wir haben denen die nächste enwicklungsstufe gebracht! große tat, menschlichkeit, demokratie.

wirklich, die idee mit der notwendigen entwicklungsstufe ist heute doch nicht mehr en vogue und mutet konservativ und eurozentrisch an. tu was dagegen! cool

okok du sagst jeder muss die entwicklung selber erreichen. dennoch ist es irgendwie "rassistisch" oder ka wie ich es ausdrücken soll (diese unterentwickelten völker! (sind auch höchstens in der lage, von unserem kant abzugucken, und keinen eigenen kant hervorzubringen. klar, kant war ja auch europäer, wie sollen sie einen europäer hervor..)). ich denke der nationalstaat ist v.a. eine veränderung europäischer neuzeitlicher herrschaftsformen. und was genau nun verbessert wurde, und was vorher da war (wieder etwas europäisches), kann man fragen.

doch, es ist einfach immer noch der alte verschrumpelte hegel! der weltgeist zieht durch die luft und veranlasst die gesellschaften zu stetem fortschritt, natürlich sind wir ganz vorn. die primitiven eingeborenen verstehen am wenigsten von menschenrechten. oder? ich mein, die haben ja nichtmal manieren.

ach, das war auch freud. freud und der ursprung der kultur. mit der urhorde. alles muss sich auf dem selben notwendigerweise neurotischen weg entwickeln. und paradoxerweise ist das dann fortschritt. die maximale triebsublimierung.

man kann es schon vergleichen, finde ich, mit deinen aussagen über die lügen. bauernfängerei. in gewisser weise wird alles nur subtiler, schwerer erkennbar. wird es deshalb freier? nein, es wird nur mehr von freiheit geschwafelt. früher wussten die leute noch eher dass sie nicht frei waren. aber kann auch sein, ja, dass sie es früher doch nicht wussten. weil das damals für sie auch subtil war, was uns heute offensichtlich erscheint. ist das dann ein fortschritt, wenigstens das? vielleicht. aber mit diesem fortschritt schreitet die sublimierung voran. und sie ist das perverseste, das es gibt. wenn man mal nicht, wie freud, perversion über normalität definiert, denn das ist pervers.


du hast zu viel wilson gelesen, ricky mein freud! oder zu wenig.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - ricky_ho - 07.06.2013

(06.06.2013, 23:37)spell bound schrieb: also ricky, wenn man zynisch sein will, kann man deine aussagen über die notwendigen entwicklungsstufen doch auch ganz dreist als legitimation des kolonialismus auslegen. wir haben denen die nächste enwicklungsstufe gebracht! große tat, menschlichkeit, demokratie.

Seh ich genau umgekehrt, die Annahme, dass die kulturelle Entwicklung nicht einfach ein paar Stufen überspringen kann, nimmt eigentlich jedem Versuch, anderen Gesellschaften eine Organisationsform von aussen aufzuzwingen, jede Rechtfertigung.

Zitat:okok du sagst jeder muss die entwicklung selber erreichen.

Das ist ein zweiter Punkt. Nur dadurch, dass man beide weglässt, kann man eine Rechtfertigung für Imperialismus daraus ableiten.

Wobei beide Punkte schon zusammenhängen, es ist halt eine Entwicklung, die jeder selbst durchlaufen muss und wobei man nicht einfach bestimmte Entwicklungsstufen überspringen kann, da eben jede Stufe die vorigen benötigt.

Wie z.B. bei dem Beispiel der sozialistischen Gesellschaft, der zwingend eine Phase der extremenen Entfaltung der Produktivkräfte (deren konkrete Ausprägung bei uns eben der Kapitalismus war) vorhergehen muss. Man kann diese Phase nicht einfach überspringen, weil dann die Voraussetzungen für eine sozialistische Gesellschaft einfach nicht gegeben sind.

Zitat:dennoch ist es irgendwie "rassistisch" oder ka wie ich es ausdrücken soll (diese unterentwickelten völker! (sind auch höchstens in der lage, von unserem kant abzugucken, und keinen eigenen kant hervorzubringen. klar, kant war ja auch europäer, wie sollen sie einen europäer hervor..)).

Wenn man das für rassistisch hält, verwechselt man Entwicklungshierarchien mit Wertehierarchien. Nimm einen Menschen, der durchläuft im Laufe seines Lebens verschiedene Entwicklungsstufen. Man kann also feststellen, dass ein erwachsener Mensch in diesem Entwicklungsprozess weiter ist als ein Kind. Daraus kann man aber nicht schliessen, dass darum ein erwachsener Mensch "mehr wert" oder "besser" sei als ein Kind.

Es erschwert aber meiner Meinung nach die Analyse, wenn man bestimmte Dinge einfach nicht akzeptiert, wie zum Beispiel die Existenz von Entwicklung und damit auch von Entwicklungshierarchien, weil man aus Ablehnung von Wertehierarchien die Existenz jeglicher Art von Hierarchie ablehnt und dann auch abstreiten muss, dass es sowas wie Entwicklung überhaupt gibt.

Zitat:doch, es ist einfach immer noch der alte verschrumpelte hegel! der weltgeist zieht durch die luft und veranlasst die gesellschaften zu stetem fortschritt, natürlich sind wir ganz vorn. die primitiven eingeborenen verstehen am wenigsten von menschenrechten. oder? ich mein, die haben ja nichtmal manieren.

Eventuell ein Missverständnis? Ich betrachte weder die Menschenrechte, noch die Demokratie, noch die Nationalstaaten oder Manieren oder sonstwas als etwas, dass "wir" erreicht haben, die anderen aber noch erreichen müssen.

All diese Dinge sind spezielle europäische/westliche Ausprägungen, und darum gings mir ja eigentlich: dass ich den Nationalstaat an sich nicht als etwas gutes oder schlechtes ansehen, sondern als eine (nicht DIE) Organisationsform, die einer bestimmten Entwicklungsstufe durchaus angemessen ist und Probleme voriger Stufen löst, jedoch neue Probleme hervorbringt. Dass das Problem weder Nationalstaat noch Kapitalismus an sich sind, sondern die Tatsache, dass die weitere Entwicklung behindert wird. Jetzt auf uns im Westen bezogen. Ich denke, dass wir an einen Punkt kommen, wo Nationalstaaten u.a. der Entwicklung (grob: des Bewusstseins) bei uns eben nicht mehr angemessen sind.

In anderen Kulturen ist die Entwicklung auch gestört, was dann aber oft damit zu tun hat, dass sie von aussen behindert wird. Zum Beispiel durch den Imperialismus, der sich heute tarnt, indem er behauptet, anderen Kulturen unsere "Errungenschaften" aufzwingen zu müssen, weil diese halt so rückständig seien. Gutes Beispiel dafür ist die Gleichberechtigung der Frauen, die oft als Argument dient, Soldaten und Panzer schicken zu müssen.

DAS ist Rassismus und Chauvinismus, zu behaupten, die würden das allein nicht hinbekommen, weil diese Kulturen einfach (z.B. aufgrund ihrer Religion) so eine Gleichberechtigung nicht hinbekommen würden, und dabei völlig zu unterschlagen, dass WIR selbst noch vor kurzem in dieser Frage gar nicht viel besser dastanden als z.B. islamische Länder heute (und diese Entwicklung auch bei uns noch nicht wirklich weit fortgeschritten ist, in den Köpfen der Menschen eine Selbstvertständlichkeit).

Zitat:man kann es schon vergleichen, finde ich, mit deinen aussagen über die lügen. bauernfängerei. in gewisser weise wird alles nur subtiler, schwerer erkennbar. wird es deshalb freier? nein, es wird nur mehr von freiheit geschwafelt. früher wussten die leute noch eher dass sie nicht frei waren. aber kann auch sein, ja, dass sie es früher doch nicht wussten. weil das damals für sie auch subtil war, was uns heute offensichtlich erscheint. ist das dann ein fortschritt, wenigstens das? vielleicht. aber mit diesem fortschritt schreitet die sublimierung voran. und sie ist das perverseste, das es gibt. wenn man mal nicht, wie freud, perversion über normalität definiert, denn das ist pervers.

Habe ich gesagt, dass wir hier im Westen die Supermänner sind? Voll geil entwickelt, alles ohne Probleme? Dass wir hier die Freiheit haben, und die Demokratie, und Menschenrechte? Nein, ich habe sogar eine massive Entwicklungsstörung bei uns festgestellt, die ich für die Ursache vieler aktueller Probleme halte. Unser Entwicklung ist blockiert.

Die Widersprüche beim Geschafel von Freiheit wie du sagst sind Symptome dafür. Die totale Verlogenheit, die nötig ist, damit die Machthaber die Bevölkerung noch kontrollieren können.

Natürlich kann man z.B. die Menschenrechts-Propaganda, mit der unsere Regierungen uns dazu bringen, in den Krieg zu ziehen, einfach nur als ein Zeichen für die Verkommenheit betrachten. Worauf ich aber hinauswill ist, das mal anders zu sehen: Woran liegt es denn, dass unsere Regierungen uns was von unserer Mission, dem Rest der Welt Menschenrecht, Gleichberechtigung und Demokratie zu bringen, vorlügen müssen, um Kriegslust zu wecken, während es vor sagen wir 150 Jahren (ich würde sogar sagen, soweit muss man nicht mal zurückgehen) noch völlig ausreichte, die Gegenseite zum minderwertigen, nicht-menschlichen, gottlosen Feind zu deklarieren, der vernichtet werden darf oder sogar muss, damit wir die uns zustehenden Bodenschätze an uns reissen können? Warum können unsere Herrscher der Bevölkerung sowas heute nicht mehr ganz offen sagen, warum müssen sie uns immer dreister anlügen über die Motive für Auslandseinsätze und vor allem, diese Motive immer mehr beschönigen, Angriffskrieg und Ausplünderung als Hilfe umdeuten? Warum die grosse Aufregung, als dem Köhler mal in der Öffentlichkeit die Wahrheit rausgerutscht ist?

Noch vor kurzer Zeit hätte und hat niemand daran Anstoss genommen, dass wir unser Militär benutzen, um unserer Rohstoffquellen und -transportwege zu sichern. Das war selbstverständlich. Die, die z.B. in Afrika oder Lateinamerika abgeschlachtet wurden, waren nämlich einfach keine Menschen. Und das war nichts, woran irgendjemand Anstoss genommen hat, weil diese Leute im Bewusstsein der Leute einfach keine Menschen waren. Aber an der Stelle findet eben eine Entwicklung statt, und heute setzt sich immer mehr ein Bewusstsein dafür durch, dass alle Menschen genauso sind wie wir und man darum die in Afrika oder so nicht einfach umbringen kann. Darum müssen die Regierungen lügen, damit die Menschen die Raubzüge weiter unterstützen. Sie unterstützen sie, weil sie glauben, wir würden den armen Menschen dort helfen. Kein Raubzug lässt sich heute noch rechtfertigen, ohne darauf hinzuweisen, dass es "uns" doch darum geht, den Menschen dort zu helfen.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - spell bound - 07.06.2013

(07.06.2013, 13:26)ricky_ho schrieb: Wenn man das für rassistisch hält, verwechselt man Entwicklungshierarchien mit Wertehierarchien. Nimm einen Menschen, der durchläuft im Laufe seines Lebens verschiedene Entwicklungsstufen. Man kann also feststellen, dass ein erwachsener Mensch in diesem Entwicklungsprozess weiter ist als ein Kind. Daraus kann man aber nicht schliessen, dass darum ein erwachsener Mensch "mehr wert" oder "besser" sei als ein Kind.
nein ich bin hier nicht auf der ausschließlichen werteebene. allein die aussage, erwachsene wären weiter generell entwickelt als kinder, trifft einfach mal nicht zu, denn vieles was kinder noch wissen oder können, verlieren sie im laufe der erziehung. deshalb kann man nicht einfach annehmen, jeder part in der biographie wäre eine entwicklungsstufe im sinne eines fortschritts. selbiges gilt für die geschichte von gesellschaften.

und dann kann man vllt sagen, es gibt ein paar fortschritte tatsächlich, wie z.b. bewusstsein für ungerechtigkeiten, ausnutzung, gewalt usw. aber es ist ja schon lustig, ka irgendwie kommt das nicht rüber. ein beispiel: mein vater war atheistisch erzogen worden und kam dann zum christentum. das war für ihn ein fortschritt, denn es hat defizite in seinem leben endlich gelöst, er hatte endlich ne gemeinschaft von verbundenheit, ideale die irgendwas mit sinn im leben zu tun hatten usw, auch die idee eines liebenden gottes. aber ist es deshalb eine notwendige entwicklungsstufe jedes menschen, mal christ zu werden? nein, es ist nur eine unbeholfene art, ein defizit besser zu machen, und evtl kann es sogar zu teilen erfolgreich dabei sein. aber das defizit vorher - war dies eine notwendige entwicklungsstufe? sicherlich nicht. und genauso bei den gesellschaften: nehme man die san und frage sich: müssen die erst zu gesellschaftlichen erfindungen kommen wie feudalismus, und dann nationalismus und demokratie, damit sie sich stetig weiter entwickeln? MAN MUSS ERST WAS KAPUTT MACHEN, damit diese formen von entwicklungsstufen auftreten können.

ich wurde auch zum christ erzogen durch meine eltern. das problem ist, ich hatte nicht die defizite meines vaters, die durchs christentum nur schlecht als recht ausgeglichen wurden. mich hat die christliche erziehung nur geschädigt. und ich sehe sie auch nicht als notwendige entwicklungsstufe, von der aus ich zur philosophie kam. denn dort hätte ich von anfang an viel einfacher und viel klarer schon lange sein können.

genau das selbe mit den völkern...


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - Rhetor - 07.06.2013

(07.06.2013, 13:26)ricky_ho schrieb: Es erschwert aber meiner Meinung nach die Analyse, wenn man bestimmte Dinge einfach nicht akzeptiert, wie zum Beispiel die Existenz von Entwicklung und damit auch von Entwicklungshierarchien, weil man aus Ablehnung von Wertehierarchien die Existenz jeglicher Art von Hierarchie ablehnt und dann auch abstreiten muss, dass es sowas wie Entwicklung überhaupt gibt.

Ich habe mal ein Buch von Ken Wilber gelesen. Der hat auf diesem Punkt gefühlte 100 Seiten lang herumgeritten. Nannte das, glaube ich, "das grüne Mem". War nervig zu lesen. Trotzdem denke ich, er hat Recht.

(07.06.2013, 14:20)spell bound schrieb: nein ich bin hier nicht auf der ausschließlichen werteebene. allein die aussage, erwachsene wären weiter generell entwickelt als kinder, trifft einfach mal nicht zu, denn vieles was kinder noch wissen oder können, verlieren sie im laufe der erziehung.

Auch eine Degeneration ist eine Entwicklung.

Zitat:deshalb kann man nicht einfach annehmen, jeder part in der biographie wäre eine entwicklungsstufe im sinne eines fortschritts.

"Fortschritt" befindet sich auf der Werteebene. Erwachsensein ist nicht besser als Kindsein, aber es ist unleugbar daraus hervorgegangen.

(07.06.2013, 14:20)spell bound schrieb: er hatte endlich ne gemeinschaft von verbundenheit, ideale die irgendwas mit sinn im leben zu tun hatten usw, auch die idee eines liebenden gottes.

"liebend" – naja. Ich dachte eher, Deine Eltern glaubten an einen ziemlich fiesen Gott – etwa so wie der Brutalo Jahwe aus dem AT –, aber dieser Eindruck kann natürlich auch trügen ...


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - spell bound - 07.06.2013

ja richtig die wertebene. von der kommen wir auch nicht weg, weil wir dort gestartet sind. es ging um eine bewusstere, natürlichere, gewaltfreiere, oder sonstwie- seiende gesellschaft. es ging um einen fortschritt, einen begriff von entwicklung, der nicht jegliche veränderung meint, sondern eine positive, angemessen, artgerechte. auch degeneration ist kein wertfreier begriff.

und es ging mir um den begriff der notwendigkeit. nur weil unsere gesellschaft diese historischen entwicklungen durchmachte, sind die nicht notwendig für menschliche gesellschaften überhaupt. weder auf wertender sicht, noch auf wertfreier sicht.

was den liebenden gott angeht, gilt dort dieselbe perversion wie bei der demokratie. alles ist voller liebe, auch die züchtigung (gerade die).

ich lehne übrigens nicht ideen von entwicklung ab. bloß die konkreten ideen die ricky gebracht hat, von den notwendigen entwicklungsstufen: nationalstaat, und allwas davor in europa war.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - Rhetor - 07.06.2013

(07.06.2013, 16:05)spell bound schrieb: was den liebenden gott angeht, gilt dort dieselbe perversion wie bei der demokratie. alles ist voller liebe, auch die züchtigung (gerade die).

Davon hatte ich erst neulich gelesen:

http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/hannover/freikirchen103.html

Am perversersten finde ich, rein gefühlmäßig, die dahingehenden Ratgeber-Bücher.
Wird jetzt allerdings OT, fürchte ich.


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - ricky_ho - 10.06.2013

(07.06.2013, 14:20)spell bound schrieb: nein ich bin hier nicht auf der ausschließlichen werteebene. allein die aussage, erwachsene wären weiter generell entwickelt als kinder, trifft einfach mal nicht zu,

Das hab ich auch so nicht gemeint. Natürlich gibt es viele verschiedene Entwicklungslinien, und ein System/Organismus kann sich in verschiedenen Linien auf verschiedenen Stufen befinden. Wenn man zwei Systeme/Organismen vergleicht, kann es auch sein, dass sich A auf der einen Entwicklungslinie weiter befindet als B, es bei einer anderen Entwicklungslinie aber umgekehrt ist.

Hier bezog ich mich jetzt auf die biologische Entwicklung als ein Beispiel, bei dem man eindeutig feststellen kann, dass es verschiedene Stadien der Entwicklung gibt, die aufeinanderfolgen und wo es eine klare Entwicklungshierarchie gibt, ohne dass daraus eine Wertung folgt: das "spätere" ist das "bessere". Und "generell" sowieso nicht.

Zitat:denn vieles was kinder noch wissen oder können, verlieren sie im laufe der erziehung. deshalb kann man nicht einfach annehmen, jeder part in der biographie wäre eine entwicklungsstufe im sinne eines fortschritts. selbiges gilt für die geschichte von gesellschaften.

Ich glaube, ein Grund dafür, dass wir aneinander vorbeireden, ist, dass du scheinbar fast nur über Entwicklungspathologien sprichst, wogegen es mir jetzt mehr um die Entwicklung an sich ging. Natürlich ist nicht "jeder Part in der Biografie" "eine Entwicklungsstufe im Sinne eines Fortschritts". Du sprichst ja jetzt von einer konkreten Biografie. Diese kann doch aber gestört sein und Pathologien aufweisen, die natürlich nicht als notwendige Stufen der Entwicklung anzusehen sind.

(07.06.2013, 16:05)spell bound schrieb: und es ging mir um den begriff der notwendigkeit. nur weil unsere gesellschaft diese historischen entwicklungen durchmachte, sind die nicht notwendig für menschliche gesellschaften überhaupt. weder auf wertender sicht, noch auf wertfreier sicht. [...] ich lehne übrigens nicht ideen von entwicklung ab. bloß die konkreten ideen die ricky gebracht hat, von den notwendigen entwicklungsstufen: nationalstaat, und allwas davor in europa war.

Dass ich mit "notwendig" auch nicht unbedingt die konkreten europäischen bzw. westlichen Ausprägungen meinte, hab ich ja versucht klarzustellen.

Eigentlich wollte ich nur sagen, dass ich z.B. den Nationalstaat, oder den Kapitalismus, nicht unbedingt grundsätzlich als etwas Pathologisches betrachten würde (wie z.B. den Nationalsozialismus, oder den Stalinismus). Man kann da ja geteilter Ansicht sein, aber für mich sind diese Ausprägungen nicht an sich schon krankhafte Entwicklungen, sondern eher die Tatsache, dass wir sie noch nicht überwunden haben (wogegen Nationalsozialismus und Stalinismus Perversionen waren, die nichts zur Entwicklung beigetragen haben, sondern zu denen es nie hätte kommen dürfen und die man einfach beenden und abschaffen muss, die Gesellschaft davon heilen sozusagen).

Für die Europäer verläuft die Entwicklung hin zu Friede, Freude, Eierkuchen (soll jeder einsetzen, was er will, Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Kommunismus...) aber meiner Ansicht nach wohl über den Nationalstaat und den Kapitalismus. Dass wir derzeit in Perversionen davon feststecken, hat möglicherweise mit Fehlentwicklungen auf ganz anderen Gebieten (Entwicklungslinien) als der politischen oder wirtschaftlichen zu tun, z.B. vielleicht mit der Aufklärung, die zu einer extremen Dominanz der Rationalität und Unterdrückung alles Irrationalen geführt hat.

Weiss ich nicht. Aber ich gehe davon aus, dass überall Evolution stattfindet, insbesondere im Bewusstsein, sowohl individuell als auch kollektiv, und dass diese Evolution grundsätzlich Neues hervorbringt, dass dazu geeignet ist, die Probleme zu lösen, die ohne dieses Neue nicht zu lösen waren. Aber auch, dass das Neue auch wieder neue Probleme mit sich bringt, deren Lösung weitere Entwicklung erfordert. Diese Entwicklung sollte man fördern, statt sich aufgrund der Probleme der aktuellen Stufe zu den früheren zurückzusehnen. Ich glaube, dass das eine romantische Verklärung ist, die nur die positiven Seiten früherer Entwicklungsstadien sieht und nur die negativen (oder gar pathologischen) der aktuellen.

Was die negativen angeht ist in meinen Augen Weiterentwicklung die Lösung, was die pathologischen angeht muss an dem Stadium angesetzt werden, in dem die Pathologie auftrat, bevor die Entwicklung (in einer bestimmten Entwicklungslinie) weitergehen kann. Ansonsten wird durch Weiterentwicklung nix besser sondern eher noch schlimmer.

Ob man auf der politischen Ebene Formen wie den Nationalstaat oder auf der wirtschaftlichen den Kapitalismus nun als Pathologie ansieht oder eben als (Ausprägung von) Stufen, die natürlich auch ihre negativen Seiten haben, ist die Frage. Je nachdem, zu welcher Antwort man kommt, wird man anders handeln. Darum denke ich, ist es wichtig, darüber Klarheit zu gewinnen. Sonst könnte wieder derselbe Fehler passieren, wie ich ihn oben bei der Aufklärung angenommen habe: aus Ablehnung der negativen Seiten voriger Stufen werden diese nicht differenziert und in die neue Stufe integriert, sondern ausgemerzt. Und die Entwicklung geht weiter, und wird immer schlimmer, weil die Pathologie nicht auf der Stufe aufgelöst wurde, auf der sie aufgetreten ist. Konkretes Beispiel dafür wäre der "real existierende Sozialismus", der den Kapitalismus an sich als Krankheit und den Feind ansah und meinte, den Sozialismus direkt errichten zu können, anstatt ihn auf den Errungenschaften des Kapitalismus aufzubauen (zu entwickeln).


RE: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! - spell bound - 10.06.2013

(10.06.2013, 17:26)ricky_ho schrieb: Dass ich mit "notwendig" auch nicht unbedingt die konkreten europäischen bzw. westlichen Ausprägungen meinte, hab ich ja versucht klarzustellen.

Eigentlich wollte ich nur sagen, dass ich z.B. den Nationalstaat, oder den Kapitalismus, nicht unbedingt grundsätzlich als etwas Pathologisches betrachten würde (wie z.B. den Nationalsozialismus, oder den Stalinismus).
das sind jetzt schonmal viel kleinere brötchen als am anfang. zur erinnerung:

(06.06.2013, 14:08)ricky_ho schrieb: Ich sehe den Nationalstaat als eine Organisationsform, die eine bestimmten Entwicklung der Menschheit bzw. der jeweiligen Gesellschaft entspricht. Es ist ja nicht die gesamte Menschheit auf dem gleichen Entwicklungstand

[...]

Wahrscheinlich muss es im Lauf der Entwicklung der Gesellschaft irgendwann auch zur Organisationsform "Nationalstaat" kommen, die in vielen Belangen ein Fortschritt ist gegenüber den vorigen Organisationsformen (Natürlich muss jede Gesellschaft die Entwicklung selbst durchmachen, man kann keiner Gesellschaft, die die entsprechende Entwicklung nicht hinter sich hat, irgendwelche Organisationsformen einfach aufzwingen. Da sind Konflikte vorprogrammiert.)

[...]

Ähnlich ist das mit dem Kapitalismus. Auch der ist nicht einfach böse und schlecht, sondern (laut Marx!) eine notwendige Entwicklungsstufe, die die Menschheit benötigt, um die Produktivkräfte soweit zu maximieren, dass die Bedürfnisse aller erfüllt werden können.
die blauen markierungen sind denke ich selbstredend. die rote finde ich noch witziger: was sind denn die vorigen organisationsformen? sind es immer dieselben, bei allen gesellschaften? die pathologie muss man nicht erst beim nationalstaat, kapitalismus, oder nationalsozialismus, stalinismus suchen. denn wenn du von einer enwicklungsfolge ausgehst, sind alle elemente in dieser folge zu betrachten. wie wäre es mit dem sogenannten feudalismus? ist der eine gesunde verbesserung der vorherigen germanischen königtümer? oder das von papst und kaiser regierte christentum gegenüber dem urchristentum? man kann hier überall nach pathologien gucken, und ich denke, nicht mit unrecht. und all diese erscheinungsformen sind doch schon ziemlich europäisch und finden sich so eben nicht überall sonst, vielleicht ähnliches mancherorts, aber auch nicht überall.

will man die allererste pathologie auffinden, sollte man meiner ansicht nach ja eh schon bei der seßhaftwerdung der menschen schauen, da triffts dann allerdings tatsächlich so gut wie alle jetzt existierenden völker (die san vielleicht nicht ganz, sofern es sie noch gibt). doch es gibt eben auch nicht immer nur eine pathologie.



Zitat:Diese Entwicklung sollte man fördern, statt sich aufgrund der Probleme der aktuellen Stufe zu den früheren zurückzusehnen. Ich glaube, dass das eine romantische Verklärung ist, die nur die positiven Seiten früherer Entwicklungsstadien sieht und nur die negativen (oder gar pathologischen) der aktuellen.

wo siehst du das bei mir? ich vermute, du siehst geister.

hab keine zeit mehr.