Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Druckversion +- Klartraumforum (https://www.klartraumforum.de/forum) +-- Forum: Community (https://www.klartraumforum.de/forum/forumdisplay.php?fid=5) +--- Forum: Philosophie und Psychologie (https://www.klartraumforum.de/forum/forumdisplay.php?fid=20) +--- Thema: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) (/showthread.php?tid=16899) Seiten:
1
2
|
Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Viltrudis - 25.01.2018 Mir kam in einer Vorlesung über Sozialpsychologie etwas unter, das mir irgendwie noch keine Ruhe gelassen hat. Selbstwerterhaltungstheorie nach Tesser Es geht grob gesagt um das Sich-Vergleichen mit anderen, in Bezug auf den eigenen Selbstwert. Die Theorie sagt, dass dieser Selbstwert möglichst erhalten werden muss - dies geht aber u.U. zuungunsten der anderen Faktoren, Nähe und Relevanz. Nähe heißt ungefähr: Eine Person, die uns ähnlich ist, mit der wir häufiger zu tun haben. Wikipedia betont die Ähnlichkeit: wiki schrieb:Unter Nähe wird eine psychologische „Geschlossenheit“ verstanden, die darin zum Ausdruck kommt, dass die Zielperson z.B. in ihrem Alter, Geschlecht, ihrer Nationalität, ihren Einstellungen, Werten, Hobbys oder ihrem familiären Hintergrund mit der beurteilenden Person übereinstimmt.Wobei ich aus der Vorlesung jetzt schon auch den Eindruck hatte, dass auch soziale Nähe dazugehört. Schließlich ist es schwer, eine bloße Ähnlichkeit zu reduzieren, wohl aber, eine soziale Distanz aufzubauen. Relevanz verstehe ich als: Etwas, das für unser Selbstbild ein wichtiger Faktor ist, über das wir uns vllt sogar definieren, ist relevant. Für eine*n Mathematiker*in ist mathematische Kompetenz eine relevante Fähigkeit, Kenntnisse über den Plot einer Soap-Opera aber eher nicht. Für jemand, der sich als begeisterten Fan einer bestimmten Soap-Opera selbst beschreibt, ist diese Kenntnis jedoch relevant. Der Kernpunkt, der mich beschäftigt, ist folgendes Problem: Wenn eine Person, die einsselbst nahe steht, in einer Fertigkeit, die für einsselbst relevant ist, eine besonders gute Leistung erbringt, trifft das unseren Selbstwert empfindlich... und die Theorie besagt, dass um dem zu entgehen, entweder die Nähe zur Person oder die Relevanz des Themas reduziert werden. Also entweder: "Pfft, da hat meine Kollegin zwar in Mathe brilliert - aber Mathe interessiert mich doch eigentlich gar nicht (mehr)." oder eher in Richtung Abstand einnehmen: "Sie interessiert mich doch gar nicht, was schert es mich, dass sie gut in Mathe ist." ẞ ẞ ẞ ẞ ẞ Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieses Prinzip im Alltag oft recht heftig wirkt. Bei Geschwistern, die altersmäßig nahe liegen, beobachte ich immer wieder, dass sie sich bewusst ganz verschiedene Interessensgebiete suchen, um dann sagen zu können: "Ja, mein Bruder ist gut in X, aber ich bin gut in Y." Es wird dem direkten Vergleich bewusst ausgewichen. (Das geht vermutlich besonders vom jüngeren Geschwister aus, das ja allein durchs Alter in manchen Dingen öfter mal das nachsehen hat.) Irgendwie finde ich das plausibel, aber es macht mir gleichzeitig etwas Angst: Heißt das nicht in letzter Konsequenz, dass es nicht möglich ist, sich gerade mit den Menschen zu umgeben, die die eigenen Interessen am meisten teilen? Denn dadurch entsteht ja genau wieder eine Konkurrenzsituation. Würde ich in meinem Alltag die ganze Zeit mit den begabtesten Klarträumer*innen herumhängen, würde ich wahrscheinlich bald anfangen, mir entweder a) eine ganz eigene Nische innerhalb des Themas zu suchen, wo ich Expert*in sein kann, oder b) dem Thema Klarträumen eine immer geringere Relevanz einzuräumen. Oder ich gehe c) den Profis ganz aus dem Weg, und beschließe für mich "ach die sind doch eigentlich doof." Beobachtet habe ich bei mir schon alle drei Strategien. Am ehesten würde ich sagen, dass a), also das Suchen von der ganz eigenen individuellen Nische, noch die gesündeste und produktivste Lösung ist. Aber ob es immer reicht? Kann auch sein, dass ich gerade die erste nicht-esoterische Begründung dafür gefunden habe, warum das Ego ( =Selbstwertgefühl?) einer Entwicklung im Wege stehen kann und abgebaut werden sollte. Andererseits glaube ich nicht so recht daran, dass das überhaupt geht, bzw. ist es möglicherweise die schwierigste Lösung. edit: Wobei ich Selbstwertgefühl und Ego auch nicht gleichsetzen möchte. Ersteres wird ja auch gerne als Indikator für psychische Gesundheit gesehen? "Ego" ist in dem Zusammenhang undefiniert. Ich würde den Begriff also gerne eher weglassen, und stattdessen das beschriebene Problem direkt betrachten wollen. ẞ ẞ ẞ ẞ ẞ Jedesmal wenn ich von Studienkolleg*innen höre, dass sie mit dem Studium fertig bin, gibt mir das einen Dämpfer und ich reagiere tatsächlich genau so, wie es die Theorie vorhersagt: "Die Person ist doch eh unsympathisch" - "Die Person ist zwar gut, aber nicht in dem, worin ich gut bin." - "Was interessiert mich Komposition überhaupt noch, ich strebe doch eigentlich nach anderem." Doof. ._. RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Ceesbe - 25.01.2018 gnutl schrieb:Heißt das nicht in letzter Konsequenz, dass es nicht möglich ist, sich gerade mit den Menschen zu umgeben, die die eigenen Interessen am meisten teilen? Denn dadurch entsteht ja genau wieder eine Konkurrenzsituation. Ich mache es anders, ich umgebe mich absichtlich mit Leuten, die in etwas besser sind als ich, um von ihnen zu lernen. Meinem Selbstwert schadet das aber nicht. Beispiel Studium: Ich bin mit einem absoluten Mathecrack befreundet, der mir regelmäßig bei meinen Matheabgaben und -Klausuren hilft. Wenn ich mich deshalb doof fühle, dass ich es nicht alleine kann, halte ich mir die Studienabbrecherquote von 50% in den ersten 2 Semestern vor Augen. Ich bin im 3. Semester - also schon mal besser dabei als 50%! Und wenn mir das nicht hilft, halte ich mir vor Augen, dass besagter Mathecrack nicht viel anderes im Leben hat außer Mathe und ich sein Leben gar nicht haben wollen würde. Da sind mir gute Matheskills dann doch nicht wichtig genug für RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Viltrudis - 25.01.2018 Zitat:Und wenn mir das nicht hilft, halte ich mir vor Augen, dass besagter Mathecrack nicht viel anderes im Leben hat außer Mathe und ich sein Leben gar nicht haben wollen würde.Genau das ist ja auch eine der beiden Möglichkeiten, die von der Theorie beschrieben sind: Du hast die Relevanz von Mathematik für deinen Selbstwert gesenkt... edit: Davon abgesehen halte ich es natürlich für eine gute Idee, sich mit Expert*innen für verschiedene Themen zu umgeben. Aber mit Expert*innen für das eigene Thema? Da wirds eben knifflig.. RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - spell bound - 25.01.2018 das beschriebene phänomen existiert und ist ein problem. aber es begründet sich darauf, dass selbstwert an der expertise von etwas festhängt, das einem wichtig ist. oder generell auch nur an irgendeiner expertise. so eine verknüpfung ist meines erachtens weder zwingend noch natürlich. für natürlich halte ich es zwar, expertise anzustreben, aber nicht, um das selbstwertgefühl zu steigern, sondern um spaß daran zu haben, um sich ausdrücken zu können, usw. der selbstwert hingegen sollte sich nicht darüber definieren, sondern über den wert, der im leben selbst liegt. ich wähle also die "schwierige" lösung von der du sprichst. ^^ zwar erlebe ich auch oft das neidphänomen, wenn ich z.b. große philosophen oder künstler betrachte, denen ich gerne "ebenbürtig" wäre. aber wenn ich genauer drüber nachdenke, worin der wert meines lebens besteht, dann kann er nur darin bestehen, das was ich gerne mache, möglichst gut zu tun. somit mich nicht mit anderen vergleichen, denn diese führen ja nicht mein, sondern ihr leben. konkurrenz ist ein grundelement unserer gesellschaft, aber es gibt auch das gegenteil: kooperation/die liebe. wäre aber dieses konkurrenzedenken wirklich so allumfassend, könnte man ja z.b. gar nicht künstler würdigen, die in einer sparte kunst schaffen, die man selbst so gerne mag. ich kann mich mit ihnen oder ihren werken identifizieren, und dann fällt auch die möglichkeit von konkurrenz weg, denn es gibt kein "ich oder er" mehr. RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Zed - 25.01.2018 Jo, das Phänomen hat mich früh getroffen. Irgendwann hatte ich es durchschaut. Inzwischen bin ich ziemlich gut darin, Leuten ihren Erfolg zu gönnen. Aus dem “Es ist egal, weil …” ist ein “Es ist egal.” geworden. RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Viltrudis - 25.01.2018 Zitat:der selbstwert hingegen sollte sich nicht darüber definieren, sondern über den wert, der im leben selbst liegt.Joa... ich suche ja eh auch nach Auswegen, darum hab ich den Thread ja auch aufgemacht. Zitat:wäre aber dieses konkurrenzedenken wirklich so allumfassend, könnte man ja z.b. gar nicht künstler würdigen, die in einer sparte kunst schaffen, die man selbst so gerne mag.Hm. Ich weiß nicht, ob ich das kann. Im Bereich "Musik" scheint es bereits so, dass es niemanden gibt, der mir überhaupt ähnlich genug ist, dass der Vergleich so direkt Sinn macht. Allerdings ist dieser Status Quo ja vielleicht selbst bereits das Ergebnis von Distanzierungsprozessen: Dass ich also ganz vielen Leuten gegenüber irgendwann mal Neid empfunden habe, bewusst oder unbewusst, und mich daher auf etwas verlegt, zu machen, was die halt nicht machen. Im Bereich "Schreiben" gibt es durchaus Leute, die mir sowohl ähnlich sind, als auch Ideen schaffen, die ich gut finde... aber irgendwie ist da die Individualität auch bereits so stark ausgeprägt, dass ich das Gefühl habe, dass Vergleiche meistens wenig Sinn machen. Andererseits, wenn jemand wirklich eine Idee hat, die ich für mich auch genauso machen wollen würde, dann erzeugt es auch wieder ein Relevanzreduktionsphänomen: "Der*die macht das Thema X schon gut, also brauch ich das nimmer zu machen." Das ist mir einige Male bei Büchern so gegangen, dass ich nach dem Lesen das Gefühl hatte, ein Thema, über das ich das Bedürfnis hatte, zu schreiben, sei darin so gut umgesetzt, dass es mich aus dieser Pflicht entbindet. (Was mir aber oft angenehm ist, siehe auch die Formulierung "der Pflicht entbinden" ... ich hab ja eh genug offene Projekte, dass es mich nicht stört, wenn eines davon wegfällt.) Zitat:konkurrenz ist ein grundelement unserer gesellschaft, aber es gibt auch das gegenteil: kooperation/die liebe.Hach. Hach. Hach? ẞ ẞ ẞ Möglicherweise ist das Phänomen auf gesellschaftlicher Ebene betrachtet aber auch etwas Positives: Schließlich führt es dazu, dass Menschen sich unterschiedliche Beschäftigungen suchen, und nicht alle am selben forschen/schreiben. Klassisches Beispiel ist mein Vater, der nach seinem Biologiestudium hergegangen ist, und gefragt hat: "Zu welcher Tierart hat noch niemand geforscht?" und nun den Rest seines Lebens seitdem damit verbringt, ein Experte auf einem Gebiet zu sein, wo es ihm weltweit nur eine handvoll Menschen streitig machen könnte - die er großteils nie persönlich getroffen hat. Eine Strategie, um dem eigenen Neid auf Dauer zu entfliehen... RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Liri - 25.01.2018 Prinzipiell kenn ich beides. Manchmal ärgert es mich, dass Leute, die ansonsten etwa die gleiche "Aussstattung" haben, einfach mehr erreichen. Aber ich habe auch beobachtet, dass bei sehr guten Leistungen meist Ehrgeiz, Fleiß und Verbissenheit dahinterstecken und nicht nur Talent. Z.B. war ich mal mit jemandem zusammen, der einfach phantastisch zeichnen und malen konnte. Nur ging das, wie die Person selbst zugegeben hat, auf Kosten der Seelenruhe, sie hat sich permanent selbst mit anderen verglichen und sich unglaublich angestrengt, so gut zu sein. Das war überhaupt kein angenehmer Zustand. Zitat:Ich mache es anders, ich umgebe mich absichtlich mit Leuten, die in etwas besser sind als ich, um von ihnen zu lernen. Und das ist eben auch ein Anreiz für mich. Ich seh mir gerne an, was andere Leute können (da gehts in erster Linie um Fotografie/Kunst) und versuche herauszufinden, wie sie auf diese Ergebnisse gekommen sind. Das ist unglaublich produktiv. Damit meine ich nicht Nachahmung, sondern mehr die technische Seite. Ansonsten gibt's bestimmt Leute, die mir ähnlich sind, mit mir oder später in einem ähnlichen Berufsfeld gestartet sind und beruflich weitaus mehr erreicht haben. Das ist auch nicht vom Himmel gefallen, ich bin mir sicher, dass sie teils Opfer gebracht haben, die ich nicht bereit war, zu bringen. RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Brot82 - 25.01.2018 Als ich bei einem Wettbewerb war, in dem die Besten aus drei Bundesländer teilnahmen, und ich schon in die dritte Runde gekommen war, fragte ich einen Klassenkameraden, wie er die Aufgaben fand. Ich weiß nicht mehr genau, wie unser Gespräch verlief, aber es endete ungefähr mit "Mach dir keine Hoffnungen. Schau dich um. Du siehst diese ganzen Leute hier, die tausendmal besser als wir sind? Mach dir keine Hoffnungen, wir haben keine Chance." In der Zeit von diesem Gespräch bis zur Siegerehrung ging mir dieser Gedanke durch den Kopf. "Es ist völlig sinnlos, der Beste in irgendwas zu sein. Weil das nicht geht. Allein der Versuch ist Schwachsinn." Der darauffolgende Gedanke war, warum ich dann überhaupt hier bin. Und meine Antwort war, dass ich es mache, weil es mir Spaß macht. Ich muss mich nicht an den Ergebnissen anderer messen. Es war dieser Gedanke der Akzeptanz, der bei mir hängen blieb - Ja, ich bin austauschbar, ja, es gibt Millionen und Millionen von Leuten, die besser sind als ich. So what. So geht es jedem. Warum also das eigene Selbstwertgefühl daran binden, dass andere besser sind als man selbst? Wenn ich ein Drehbuch schreibe, es lese und denke "Das gibt es schon tausendfach und tausendfach besser." dann muss ich mich doch fragen "Schreibe ich dieses Drehbuch für andere? Will ich mich damit beweisen, mich messen?" und die Antwort ist Nein. Ich mache es für mich selbst. Wir haben damals einige Filme, in der Länge von einer halben bis eineinhalb Stunden. Sie sind nirgends veröffentlicht. Sie sind furchtbar schäbig. Sie sind in 144p. So what. Die Filme sind unser Werk, nicht für andere bestimmt. Klar kann man sagen, dass sie schlecht sind, denn das sind sie. Aber daran Selbstwertgefühl knüpfen? Wieso? Wir hatten unseren Spaß. Um auf den Eingangspost zurückzukommen, so finde ich es von vorneherein sinnfrei, der Beste (der Beeesssste) in irgendwas zu sein. Man sollte akzeptieren, dass es abertausende Andere gibt, die einen selbst um Lichtjahre überragen. Yeah. Aber ich mache es nicht für andere, ich mache es für mich. Ich muss mich nicht überlegen fühlen, für was? Ich mag den Gedanken zu sagen "Ich habe mein Selbstwertgefühl abgelegt." auch wenn das vielleicht nicht stimmt. Aber ich mag diese Vorstellung. Abschließend: Jetzt habe ich wieder ein starkes Gefühl von Vemödalen. Egal. RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Viltrudis - 25.01.2018 Zitat:Ja, ich bin austauschbar, ja, es gibt Millionen und Millionen von Leuten, die besser sind als ich. So what. So geht es jedem. Warum also das eigene Selbstwertgefühl daran binden, dass andere besser sind als man selbst?Hm. Die Logik verlangt, dass es zumindest ein paar Leute gibt, die in irgendwas tatsächlich am Besten sind. (Und es vielleicht selber nicht wissen, wegen Impostor-Effekt Umgekehrt sind die meisten, die glauben, sie wären die Besten, vermutlich Opfer des Dunning-Kruger-Effekts... shit happens.) Auf mich bezogen ist es wohl so, dass ich ein bissl nen Schaden hab davon, dass mir während meiner Kindheit die Umgebung ständig vermittelt hat, wie besonders ich doch bin... und ja, in ein paar Sachen war ich halt entwicklungstechnisch meinen Altersgenoss*innen deutlich voraus, aber in anderen halt auch total hinten. Und letzteres hat niemand wahrnehmen wollen. ._. Aber dieses "Ich erwarte von mir selbst, besser als die anderen zu sein." steckt irgendwie tief in mir drin. Entweder klar am besten sein oder total versagen, alles dazwischen passt nicht in mein erlerntes Muster. Zitat:Klar kann man sagen, dass sie schlecht sind, denn das sind sie. Aber daran Selbstwertgefühl knüpfen? Wieso? Wir hatten unseren Spaß.Klingt nach einer guten Einstellung. Genau das ist halt die Crux: Wie schafft es eins, das bewusst zu ändern? Mehr oder weniger heißt, das Selbstwertgefühl nicht daran zu knüpfen, ja auch wieder nur, die Relevanz des Themas im Sinne der obigen Theorie zu senken. Aber ist das unbegrenzt machbar? Irgendwelche Dinge bleiben doch am Ende relevant... naja, ist vielleicht gar keine so schwierige Frage. Sollte für ein gesundes Selbstwertgefühl der Selbstwert an etwas geknüpft sein, das sich nicht vergleichen lässt? Oder gar etwas statisches? Es gibt auch noch den Weg über die Gruppenzugehörigkeit; die Psychologie des Nationalismus: "du bist wertvoll, weil du deutsch bist." o_0 Zitat:Vemödalen.Habs gegoogelt. Sehr geiler Begriff. Vemödalen … - Zed - 25.01.2018 Google schonen: Vemödalen ist ein Neologismus, geprägt in youtube/8ftDjebw8aA, siehe wiki/The Dictionary of Obscure Sorrows. RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - spell bound - 25.01.2018 (25.01.2018, 21:57)gnutl schrieb: Mehr oder weniger heißt, das Selbstwertgefühl nicht daran zu knüpfen, ja auch wieder nur, die Relevanz des Themas im Sinne der obigen Theorie zu senken.es heißt ja nur, dass das thema nicht mehr relevant fürs selbstwertgefühl ist. relevant in anderer hinsicht kann es ja noch bleiben - z.b., um spaß zu haben. in sachen philosophie und kunst sehe ich es z.b. so, dass die welt einiges braucht, das sich gerne auch wiederholen darf. was immer man tun kann, kann man beisteuern um das leben besser zu machen. ein arzt sollte auch nicht sein handwerk niederlegen, nur weil es andere ärzte gibt, die schon dasselbe machen und vielleicht genauso gut oder besser als er. kunst darüber hinaus hat auch den von brot schon angesprochenen wert für einen selbst: z.b. weil es spaß macht oder zur selbstherapie. aber ich denke, dass es noch mehr als das ist, es ist kommunikation. und selbst wenn sich das, was du produzierst, nicht besonders von dem abheben mag, was andere leute machen, ist es doch einzigartig und aus dir entstanden. ich meine, wenn man in ein kunstwerk eintaucht, taucht man auch z.b. in das seelenleben einer person ein, lernt deren geschichte kennen. klar ist kunst mehr als das, aber es ist eben ein ganz spezieller zugang, der, egal wie ähnlich anderen zugängen, doch nicht austauschbar ist in dieser hinsicht. wenn ich nunmal deine welten kennen lernen will, bringt es mir nicht direkt etwas, pratchett oder sonstwen zu lesen. RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Viltrudis - 25.01.2018 Zitat:kunst darüber hinaus hat auch den von brot schon angesprochenen wert für einen selbst: z.b. weil es spaß macht oder zur selbstherapie. aber ich denke, dass es noch mehr als das ist, es ist kommunikation.So sehe ich das mittlerweile ja auch. Ich kann mich da auch kaum mit anderen vergleichen, da Selbsttherapie nun einmal völlig individuell ist. Bei künstlerisch/kreativer Aktivität habe ich auch nur ganz selten ein Problem. Tatsächlich hab ich eher Probleme mit Selbstwert in Bezug auf Kompetenz bei sowas wie Mathematik, Informatik, für Prüfungen lernen... und da ist der Effekt spürbar: Dass ich mit einem Informatiker zusammenwohne, hat meinen Ehrgeiz, in diesem Bereich etwas zu erreichen, ziemlich gründlich zunichte gemacht. Umgekehrt hatte ich total Lust auf Informatik, als ich auf der Musikuni nur mit Künstlern zu tun hatte, die in dem Gebiet nicht so versiert waren. Einen ähnlichen Effekt gibts ja auch in der Pädagogik: Eine hochbegabte Schülerin in einer ansonsten durchschnittlichen Klasse ist super-motiviert, weil sie die anderen mit Leichtigkeit in den Schatten stellen kann. Selbe Schülerin in einer Klasse extra für Hochbegabte: Motivation sinkt. Plötzlich sind die anderen um einen herum ja genauso gut, oder sogar besser: Big-Fish-Little-Pond-Effekt Ich hab mich auch immer dann (kurzfristig) motivierter gefühlt, wenn ich im Zuge einer Übung einer richtig unbegabten Person begegnet bin. Wie etwa dem Typen in der Mathematik-Übung, der das Konzept von Variablen nicht verstanden hatte. Ist es aber wirklich eine gute Strategie, bewusst nach Menschen Ausschau zu halten, die noch schlechter sind, um sagen zu können "Na aber besser als der*die krieg ich's auch noch hin!" ? - Kontext: Das Thema find ich grad spannend, aber derzeit nicht unmittelbar für mich relevant. Nur, falls es so klingt, als wäre ich da gerade auf der Suche nach einer Lösung für ein akutes Problem, oder so. RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - spell bound - 25.01.2018 (25.01.2018, 23:11)gnutl schrieb: Dass ich mit einem Informatiker zusammenwohne, hat meinen Ehrgeiz, in diesem Bereich etwas zu erreichen, ziemlich gründlich zunichte gemacht. Umgekehrt hatte ich total Lust auf Informatik, als ich auf der Musikuni nur mit Künstlern zu tun hatte, die in dem Gebiet nicht so versiert waren.wenn man es so sieht, dann geht es bei all den interessen eigentlich gar nicht um das interesse, sondern nur darum, andere zu übertrumpfen - womit auch immer. damit wird alles nur zum mittel zum zweck (zum zum... toll ). das würde ich nicht als grundmotivation menschlichen handelns postulieren, sondern als eine beschädigte weise des lebens, wo der geist in einem tunnelblick lebt. RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Rhetor - 26.01.2018 Ich habe festgestellt, dass Zazen (Zen-Meditation) mein Selbstwertgefühl deutlich steigert. Nicht, dass ich mich anschließend immer erleuchteter als andere fühlen würde Der Mechanismus ist ein anderer, ich weiß nicht, welcher. Mit dem diesbezüglichen philosophisch-religiösen Überbau habe ich mich nämlich schon lange nicht mehr beschäftigt. Was das angeht, bin ich sowieso eher in der christlichen Tradition verwurzelt. Z.B. sprach mich hinsichtlich des Selbstwertgefühls eine Zeile aus einem Lied besonders an, das wir bei der Erstkommunion meines jüngsten Sohnes gesungen haben: "Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu." (Klingt für nicht-religiöse Menschen vermutlich einfach nur kitschig, aber was soll's? ) (25.01.2018, 23:11)gnutl schrieb: Kontext: Das Thema find ich grad spannend, aber derzeit nicht unmittelbar für mich relevant. Nur, falls es so klingt, als wäre ich da gerade auf der Suche nach einer Lösung für ein akutes Problem, oder so. Bisschen spät dran mit dem Disclaimer, findest Du nicht? Hast aber offenbar Glück gehabt. Da der Thread bislang noch nicht ge-hijacked und in einen Helft_gnutl!_Aktionismus umgewandelt wurde, wäre das wohl ohnehin nicht passiert. RE: Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser) - Liri - 26.01.2018 Was mir noch grade so einfällt, ist die Frage, inwieweit dieses Phänomen von unserem Schulsystem noch so richtig rausgekitzelt wird. Versteht mich nicht falsch, ich bin prinzipiell mit diesem System nicht total unzufrieden, es könnte weitaus schlimmer sein und mir fällt jetzt keine richtig gute Alternative ein, die nicht in Anbetracht der derzeitigen Strukturen völlig utopisch wäre. Aber nach mindestens 10 Jahren abwechselnden Miteinander-Vergleichen, in eine homogene Gruppe setzen, wieder miteinander vergleichen auf einer Skala von 1-6 undsofort bleibt doch niemand ungeprägt. Was mir noch so kommt, und vielleicht ist das ein bisschen weit hergeholt, ist das von mir bisher noch nicht verstandene Phänomen, dass tendenziell eher intelligentere Personen, verglichen mit ihrer Gruppe, Opfer von Mobbing werden. Muss dann von den nicht so hellen Geistern Distanz hergestellt werden, damit der Selbstwert aufrechterhalten wird? |