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Familiensysteme - Druckversion

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Familiensysteme - Lucinda - 04.04.2024

Ich habe gerade einen interessanten Clip zu Familienaufstellungen und Familiensystemen von einem laut seiner Webseite ehemals als Rechtsanwalt und jetzt tätigen Diplom Psychologen mit verhaltenstherapeutischer Richtung und Traumaweiterbildungen entdeckt.

Scheint mir eine bodenständige Sichtweise zu präsentieren.

Gerne darf hier auch über Sichtweisen von Familiensystemen und eigene Erfahrungen mit Familien-, Organisations- und Systemaufstellungen diskutiert werden.

Ich wusste nicht, wo ich sonst diesen Clip hätte unterbringen können.

Zur Vorsorge, Vorsicht Triggerwarnung, da in dem Clip nur von schwierigen Familienverhältnissen berichtet wird.  greis



Interessant bzw. hilfreich wäre es natürlich auch mal von heilen, förderlichen Familiensystemen zu lesen, die erfahren wurden.  bigwink


RE: Familiensysteme - Likeplacid - 10.04.2024

Ich habe mir das Video noch nicht angesehen. Ich weiß aber was Familienaufstellungen sind. Ich habe mich mit dem Thema vor ein paar Jahren mal kurz beschäftigt und mich von dem Thema wieder abgewendet, weil ich die Berichte vieler Leute nicht grade ermutigend fand. Mehr oder weniger werden da vermutlich Konflikte eher ausagiert und verschärft als gelöst, zumindest im "Durchschnitt" der Fälle.


RE: Familiensysteme - Korvus - 10.04.2024

Hmm, habe eine Erfahrung mit einem sehr erfahrenen Therapeuten in Familienstellen gemacht, die wirklich interessant war. Jedoch habe ich das Gefühl, dass es sehr schnell abdriften kann, in eine Situation, in der der Leiter seine persönlichen Überzeugungen in inadäquater Weise hinein bringt, da ich es schon so empfinde, dass dieser in der Position schon eine starke Machtposition innehat. Außerdem kann es eben leicht zu Retraumatisierungen kommen, wenn der Leiter nicht genau weiß was er tut.


RE: Familiensysteme - ichbinmehr - 11.04.2024

Ich habe gute und schlechte Erfahrungen mit der Methode gemacht. Das Problem ist wenn man der Geschichte eine Richtung gibt, die nicht passt. Allerdings habe ich das in Eigenregie gemacht.

Ich hatte zb. versucht mich mit meinen Eltern zu versöhnen. Aber die Grund Idee war schon falsch, denn es war meine Aufgabe mich von meinen Eltern zu lösen, ja sie ganz aufzugeben.

Ich stelle mir vor wenn ein Therapeut da in falsche Richtung lenkt, so wie mir das selbst geschehen ist, dann kann das wirklich retraumatisierend sein.

Grundlegend ist das Stellen, eine schöne Methode um in den Kontakt mit seinen Emotionen und der Intuition zu kommen.


RE: Familiensysteme - Lucinda - 12.04.2024

(11.04.2024, 22:15)ichbinmehr schrieb: Ich hatte zb. versucht mich mit meinen Eltern zu versöhnen. Aber die Grund Idee war schon falsch, denn es war meine Aufgabe mich von meinen Eltern zu lösen, ja sie ganz aufzugeben.

Ich vermute, das ist vorrangig etwas Inneres, Eigenes, Geistiges, Emotionales, was gelingen kann. So ähnlich wie die Arbeit mit dem "inneren Kind".

Wenn es im Außen mit den Eltern ebenso funktioniert, super. Aber das scheint mir auch nicht Sinn der Sache zu sein.

Man kann die inneren Eltern zu sich nehmen, annehmen, etwas wie sich gehalten zu fühlen verinnerlichen - über Stellvertreter.

Man kann Hintergründe erkennen, gefühltes Verständnis dafür erlangen, den Zusammenhang untereinander, von Systemen erkennen.

Ansonsten ist es ein innerer Prozess und Weg, der größtenteils alleine gegangen werden muss - in Begleitung von einem verständnisvollen und aufmerksamen Aufsteller und am besten mit erfahrenen Stellvertretern, die diesen Weg selber schon gegangen sind.

Über diese Erfahrung lernt man sich ganz anzunehmen und gehalten zu fühlen im besten Fall und dadurch die eigene innere Stärke und Lebenskraft zu entfalten.


RE: Familiensysteme - ichbinmehr - 13.04.2024

Naja ich dachte damals, ich wäre schuld an den Schwierigkeiten in unserer Beziehung und wollte meine Verantwortung für den Konflikt übernehmen. Und wenn man sich schuldig fühlt will man sich wieder vertragen um die Liebe zurück zu gewinnen.

Ich erkannte jedoch nicht, dass es nicht darum ging, die Beziehung durch mein eigenes Handeln oder Verständnis zu retten. Es ging vielmehr darum, die Ohnmacht zu akzeptieren, dass ich nichts tun konnte, außer mich zu schützen und den Verlust der Beziehung und der emotionalen Bindung zu betrauern und zu verarbeiten.

Doch in meinem Kopf hatte ich lange Zeit immer noch Vorstellungen von einem Happy End mit dieser Familie, die meine Herangehensweise in die falsche Richtung lenkten und mich immer wieder dazu verleiteten, die Liebe meiner Eltern doch noch irgendwie gewinnen zu wollen.

Denn das hatte ich so oft gehört, wenn Menschen von Aufstellungsarbeit sprachen, dass diese ein Happy End, eine Versöhnung mit ihren Eltern gefunden hatten.

Mein Weg führte mich aber genau in die andere Richtung, ins versöhnt sein mit dem Alleinsein und in die Annahme meines Hasses, den ich mein ganzes Leben lang durch die Stratgien des Verstehens und des Mitgefühls, kompensiert hatte.

Die Berichte vom Familienstellen haben bei mir haben oft das Narraitiv bedient, dass man dort Frieden durch Verbundenheit und Vergebung findet.

Bei mir war es aber so, dass meine Autononieentwicklung und die authentische Anerkennung meiner gesunden und schützenden Abwehrgefühle fehlten und völlig im Schatten lagen, denn jede gesunde autonome Handlung hatte in der Kindheit dafür gesorgt, dass ich von den Eltern zurückgewiesen wurde.

Die Lösung war dann genau das was Mike Hellwig (Psychologe und Traumatherapeut) es in diesem Video erklärt. (Video 18 Minuten)

https://www.youtube.com/watch?v=CRfj9h1FHn0


Es ging um dieses Gefühl im Bauch, welches ich verleugnet hatte, weil ich Angst vor den Konsequenzen hatte, ganz allein zu sein und alle Unterstützung zu verlieren. Das war mit meiner Familie fast wie bei einem Sektenausstieg, wo man dann als Verräter gilt, und einen alle auschließen, nur weil man seine individuelle Autonomie lebt. Frieden und Liebe konnte ich nur, ohne sie finden, in mir.

Ein Kind erlebt Todesangst, wenn es ganz allein sein muss und durch diese Todesangst bin ich immer wieder mit vielen Stellvertertern gegangen, auch hier. Dieser Autonomie Prozess hat ein über ein Jahrzent gedauert. Und weil das alles so bedrohlich für das Ego ist, gibt es eben oft dass Narrativ von wir vertragen uns alle. Das war mein Punkt.

Aber ich denke nicht dass das für jeden so sein muss, nur für mich war es eben so.

Ich erlebe paralleil in der Familie meines Freundes, dass dort die Kinder ihre Autonomie frei leben können und so akzeptiert werden wie sie sind. In solchen Familien ist das eine ganz andere Sache, da kann man sich auch oft versöhnen. Bei mir ging das nicht.

Wo du von Stellvertreten redest fällt mir auch gerade noch ein, dass ein befreundeter Hypnotherapeut versucht hatte, mit mir ein Ritual zu machen, wo ich auf dem Schoß des Vaters und auf dem Schoß der Mutter sitzen sollte, um Ur Vertrauen von ihnen zu empfangen. Das ging nicht, die haben mich vom Schoß geschubst. Der Therapeut hat dann gemeint, ich hätte was falsch gemacht. Es geht mir um diesen Punkt. Diese Vorstellungen von versöhnen, vertragen, verbinden, sind weit verbreitet.

Ich wäre mit jedem verschmolzen der sich angeboten hätte, haha, um die fehlende Verbindung fühlen zu könne. Ich habe ja auch so einen tantrischen Weg eingeschlagen, der aber mit Stellvertretern nie so richtig zum Ziel der Allverbundenheit gefühlt hatte. Es war mein Weg erstmal meine Autonomie zu finden und das ALLEINSEIN anzunehmen. Das das evtl. notwendig ist, kommt meines Erachtens in der Familienaufstellung oft zu kurz.



RE: Familiensysteme - Lucinda - 13.04.2024

(13.04.2024, 15:32)ichbinmehr schrieb: Und wenn man sich schuldig fühlt will man sich wieder vertragen um die Liebe zurück zu gewinnen.

Es ging vielmehr darum, die Ohnmacht zu akzeptieren, dass ich nichts tun konnte

.....mich immer wieder dazu verleiteten, die Liebe meiner Eltern doch noch irgendwie gewinnen zu wollen.

Mein Weg führte mich aber genau in die andere Richtung, ins versöhnt sein mit dem Alleinsein und in die Annahme meines Hasses

.....dass ich von den Eltern zurückgewiesen wurde.

Das war mit meiner Familie fast wie bei einem Sektenausstieg, wo man dann als Verräter gilt, und einen alle auschließen

Ein Kind erlebt Todesangst

Ich wäre mit jedem verschmolzen der sich angeboten hätte, haha, um die fehlende Verbindung fühlen zu könne.

Danke für die ausführlichen Erläuterungen.

Ich kenne vor allem die "Stillen Aufstellungen".

Da lassen sich verschiedene Aspekte aufstellen und die Vertreter gehen ihren inneren Bewegungen nach.

Ich sehe da verschiedene Aspekte, denen man nachgehen (hätte können) kann.

Natürlich nicht alles auf einmal.


Z. B. jemanden aufzustellen für die "Schuld"

Z. B. jemanden aufzustellen für die "Sehnsucht" nach Liebe oder Verbundenheit oder Verschmelzung

Z. B. jemanden aufzustellen für die "Ohnmacht"

Z. B. jemanden aufzustellen für den "Hass"

Z.B. jemanden aufzustellen für das "Alleinsein" oder "Ausgeschlossensein"

Z.V. jemanden aufzustellen für die "Zurückweisung"

Z.B. jemanden aufzustellen für den "Verrat"

Z. B. jemanden aufzustellen für die "Sekte"

Z. B. jemanden aufzustellen für die "Todesangst"

Z. B jemanden aufzustellen für die "fehlende Verbindung"


Also nach dieser Art der Aufstellungen könnte man schauen, wo diese Themen schon mal vorkamen, wer so gefühlt hat, mit wem Du Dich da verbunden fühlst, was Du da selber "aus Liebe" übernommen hast oder wer sich da wem verbunden fühlt oder auch nicht bzw. wo da die "Hinbewegung zur Liebe" unterbrochen ist.

Ich finde das folgende Interview mit Gerhard Walper recht aufschlussreich. Er war eigentlich der Aufsteller, den ich am häufigsten erlebte.

Das Interview ist auf Englisch, wohl aufgrund der Fragestellers.
Man kann sich das auf YT mit deutschen Untertiteln übersetzen lassen.




RE: Familiensysteme - ichbinmehr - 13.04.2024

Danke für deine Perspektive.


RE: Familiensysteme - Lucinda - 15.04.2024

Von dem oben benannten YT (Psychotherapie Ruland) ist bei mir gerade noch ein interessantes kurzes Erklärvideo über den "Überlebensmodus" aufgepoppt:




RE: Familiensysteme - clearseven - 21.04.2024

Ich habe neun Geschwister und meine Familie ist ein Miniaturabbild der Gesellschaft, es ist wirklich so ziemlich jeder Typus vertreten. Ich habe es aber aufgegeben, meine Familie zu harmonisieren, also auf sie derart einzuwirken, dass mit Respekt und auf gleicher Augenhöhe miteinander umgegangen wird. Die meisten in meiner Familie haben es nie gelernt und werden es (in diesem Leben) wohl auch nicht mehr tun.

Familie ist Zufall, auch wenn es von Zwergen-Flüsterern heißt "wir haben sie uns vor unserer Inkarnation selber ausgesucht". Halte ich für eine gewagte Behauptung, zumal nichts dafür spricht. Ist so wie "alles was dir passiert, hast du selbst manifestiert und dir vor deiner Inkarnation so ausgesucht." 

Mit pränatalen Bewusstseinszuständen kann man theoretisch alles erklären und sich gleichzeitig auf diese Weise entweder aus der Verantwortung stehlen, oder sich in eine Verantwortung manövrieren, die man gar nicht hat. "Gott würfelt nicht", hat Albert Einstein gesagt. Doch, tut er. Auch bei der Familie.

Eine Familie ist so, wie sie ist und sie ist Zufall und meine wird von mir nicht mit Priorität behandelt. Ich liebe sie, aber ich liebe auch andere Menschen und zwar nicht weniger. Diese emotionale "das ist doch deine Familie!" - Erpressung mache ich nicht mehr mit.

Wenn ein Familienmitglied ein herzensguter Mensch ist, wird er oder sie von mir so behandelt, wie ich herzensgute Menschen behandle. Dito kenne ich kein Pardon mit Arschlöchern. Bei Letzteren hat das evtl. sogar pädagogischen Wert. wink1

Sollte ich tatsächlich irgendwann mal vor der Entscheidung stehen, in eine große oder kleine Familie geboren zu werden, dann werde ich auf jeden Fall "klein" anklicken.


RE: Familiensysteme - Lucinda - 27.10.2024

Ich habe gerade einen YT-Clip über eine privat tätige Profilerin, die selber ausbildet, entdeckt - Thema Psychopathen und Machtsysteme und finanzielle Profite.
Ich habe überlegt, wo ich den Clip hinpacken könnte.
Daraufhin habe ich meinen eigenen Thread über Familiensysteme gefunden. Ich wollte jetzt auch nicht wegen einzelner YT-Clips neue Threads eröffnen, daher habe ich diesen jetzt hier verlinkt.
Zumal es auch um das Jugendamt und die Finanzierung von Gutachten geht.

Wie überlebt man unter Psychopathen? (Profilerin verrät) / Suzanne Grieger - Langer




RE: Familiensysteme - Lucinda - 03.11.2024

Zum Thema "Hochnarzissten", wie sie hier genannt werden, bzw. Psychopathen und dem Umgang mit diesen bzw. Vermeidung des Zeigens von eigener Emotionalität und Schwäche, ein aktueller YT-Clip von Susanne Lohrey:




RE: Familiensysteme - Lucinda - 03.11.2024

Epigenetik und transgenerationale Weitergabe von Traumatisierungen, epigenetische Krankheiten, Symptome

Prof. Ashok Riehm - Coaching

Vererbte Wunden: Die unsichtbare Last der Generationen




RE: Familiensysteme - Lucinda - 17.11.2024

Gewalt in Kitas

Hat vielleicht im weiteren Sinne mit "Familiensystemen" zu tun.

Ich wollte jetzt zu diesem Thema nicht einen neuen Thread eröffnen.

Besonders schlimm für Kinder, die nicht nur zu Hause Gewalt erfahren, sondern dann noch gleichfalls in der Kita.

Habe diesbezüglich selber schon als Elternteil meine Erfahrungen gehabt wie Zwangseingewöhnung mit Schreienlassen von vielen Kindern bei der Eröffnung einer großen Kita.
Fingerabdrücke im Gesicht, da war mein Sohn dreieinhalb bis vier Jahre, weil ein anderer Junge den Papierkorb ausschüttete und er dabei zusah oder mitmachen wollte. Die damalige Erzieherin noch in Ausbildung war ein Schwergewicht und stellte bei einer Weihnachtsfeier offen Teelichter auf eine Vielzahl von Papierservietten, woraufhin es dann an mindestens zwei Tischen brannte.

Eigentlich müsste man dazu wirklich einen eigenen Thread eröffnen.

Schlagzeile des YT - Clips "Gewalt in Kitas nimmt zu"

Ich gehe eher davon aus, dass diese nicht zunimmt, sondern dass diese endlich mehr wahrgenommen und thematisiert wird.

YT "Erzieherkanal - Wissen, Theorien & Infos"




RE: Familiensysteme - ichbinmehr - 18.11.2024

Wichtiges Thema!

Ein Punkt, der in dem Video aufgeführt wurde: der Zwang, aufzuessen. Das war bei uns auch total verbreitet. Ich habe jahrelang dagegen gekämpft, aber meine Kollegen waren mehrheitlich dafür, ein Kind zum Aufessen zu zwingen.

Es ist einfach der Stand der gesellschaftlichen Entwicklung, dass das mehrheitlich immer noch als normale Erziehungsmethode aufgefasst wird. Manchmal hatte ich das Gefühl, meine Kollegen handelten überhaupt nicht unter pädagogischen Gesichtspunkten, sondern wiederholten unbewusst einfach Dinge, die sie selbst als Kind erfahren hatten, und bestanden darauf, dass das so richtig sei.

Ich habe da täglich gegen Windmühlen gekämpft. Es waren auch nicht alle Kolleginnen so, aber mindestens die Hälfte – und das reicht ja. Die meisten, die pädagogisch engagiert waren, haben den Laden schnell wieder verlassen.

Ich unterscheide auch zwischen Dingen, die aus dem Affekt passieren. Z. B. ein zu grober Ton – das kann einem mal passieren. Das ist mir auch mal passiert, aus dem Affekt, aus der Überforderung heraus. Pädagogen sind auch nur Menschen. Aber ich finde es wichtig, dass man sich dann reflektiert, merkt, dass man nicht optimal gehandelt hat, und nach besseren Lösungen sucht.

Viele haben ihr Verhalten aber gar nicht reflektiert, und das ist auch so krass, weil wir das in der Ausbildung andauernd machen mussten. Nach jeder angeleiteten pädagogischen Tätigkeit mussten wir unser Verhalten reflektieren und bekamen für die Reflexion auch eine extra Note. Aber ich habe fast nie erlebt, dass Kolleginnen ihr Verhalten reflektiert haben und daraus eine Korrektur an sich selbst abgeleitet haben.

Ich habe Kollegen erlebt, die Kinder fixiert haben, weil es einfacher für sie war. Zb eine Dreijährige, die durchaus alleine sitzen und essen konnten, wurde in den Hochstuhl gesetzt, was für sie eine Erniedrigung war, denn sie war absolut selbstständig. Aber sie war halt zappelig, und dann war das eben die Reaktion der Erzieherin, um die Überforderung durch das Kind nicht spüren zu müssen.

Ich habe erlebt, wie Kolleginnen Kinder täglich mit dem Löffel zwangen zu essen, also wie eine Mastgans fütterten, bis das Kind erbrach. Ich habe mich da wie im Irrenhaus gefühlt, weil das alle tolerierten – die Kollegen, die Chefin. Ich hatte dann einen Zusammenbuchj nachdem wochenlang niemand auf meinen Widerspruch und meine konstruktiven Vorschläge anders mit dem Kind umzugehen reagiert hat. Die Vorgesetze hat mich abgewiesen. Ich hatte dann einen Hörsturz und danach wurde ich von der Chefin aus meiner Gruppe versetzt. Die Kollegin die das Kind in meinen Augen misshandelt hat, der ist nichts geschehen.

Ich weiß nicht, ob du meinen Traum kürzlich gelesen hattest, aber da habe ich in der Vorgeschichte erzählt wie gravierend Kinder dort bedroht waren, weil eine Kollegin ganz gezielt Kinder bedroht hat, und nichts passiert ist, obwohl wir alle Adressen aufgesucht haben. Daran sehe ich, dass die Gesellschaft immer noch eine starke Abwehr gegen die Aufdeckung von Kindeswohlgefährung hat.

Ich hatte eine Kollegin, die dreijährige Kinder, die aufgrund ihres Verlustgefühls wegen der Trennung zur Mutter geweint haben, über den Fußboden zerrte und in den dunklen Waschraum sperrte, mit den Worten: "Ich will von dir nichts mehr hören!" Das Kind wurde dann im Dunkeln sitzen gelassen. Und für alle um mich herum war das scheinbar normal. Nur ich war ein Anstoß in dieser Kita, weil das für mich nicht normal war. Ich habe mich da immer wieder ein Sonderling gefühlt. Nicht die die Kinder misshandelt haben waren da Sonderlinge, sondern ich, die das verhindern wollte. Es war wie eine völlig verkehrte Welt. Und ich konnte nicht gehen, weil ich die Kinder dann ganz alleine mit den Irren gelassen hätte. Deshalb musste ich so lange warten bist ich kaputt war. Erst als ich krank genug war konnte ich gehen.

Ich habe da völlig verzweifelt gegen Windmühlen gekämpft und von morgens bis abends versucht, die Kinder vor dieser Lieblosigkeit und Gewalt zu retten – vergeblich. Denn man kann alleine nicht auffangen und abfangen, wenn das ganze System um einen herum so handelt oder wegschaut. Das war es, woran ich zerbrochen bin und was mich auf Dauer ausgebrannt und krank gemacht hat. Mir haben sie das Gefühl gegeben falsch zu sein.

Am Anfang konnte ich noch dagegenhalten, als ich noch die Kraft dazu hatte, weil ich ja meine eigene Gruppe hatte und Dinge anders machen konnte. Meine Kraft wurde mit den Jahren weniger und dann wurde ich gezwungen, offen zu arbeiten und kam mit fünf anderen Kollegen auf eine Etage, wo es keine Trennung mehr zwischen den Gruppen gab, weil die Räumlichkeiten das nicht hergaben. Und da war es dann 5 gegen 1. Ich war überstimmt. Ich hatte keine Macht mehr die Dinge so zu lenken wie ich das wollte. Und seitdem hatte ich keine Macht mehr über meine Kindergruppe und musste mit ansehen, wie ich meine Kinder nicht mehr beschützen konnte.

Alle Instanzen, die so etwas eigentlich verhindern sollten, haben weggeschaut. Und dass hat mir gezeigt wie verwoben Gewalt gegen Kinder in unserer Gesellschaft ist.

Mit Sicherheit habe ich auch mal Dinge falsch gemacht. Aber der entscheidende Unterschied war immer, dass ich mein Verhalten reflektiert habe und sehr selbstkritisch mit mir war. Ich verurteile niemanden, der mal einen Fehler macht. Was ich aber verurteile, ist, wenn Menschen sich nicht selbstkritisch betrachten und Dinge einfach so weiterlaufen lassen, obwohl diese eindeutig schaden – insbesondere, weil sie anderen Menschen schaden.

Ich glaube, die Unfähigkeit, eigene Fehler einzusehen, nennt man kognitive Dissonanz. Es wird einfach ausgeblendet, was schiefgelaufen ist, und weitergemacht, als wäre nichts gewesen.

Natürlich entsteht so ein Verhalten zum Teil aus der extremen Überforderung durch die hohen Kinderzahlen und das viel zu geringe Personal. Aber ich denke, es liegt auch zum Teil einfach in den Menschen selbst.

Sowas sieht man ja auch immer wieder bei Politikern, die unfähig zur Selbstkritik sind und nur erzählen, wie toll sie alles gemacht haben. Ich glaube, hinter all dem steckt oft eine tiefe Ohnmacht, mit den eigenen Fehlern umzugehen. Vielleicht ist es Scham, ein Verlust des Selbstwertgefühls oder die Angst vor Strafe, die Menschen manchmal daran hindert, ihr Verhalten kritisch zu hinterfragen.

Und das ist eben auch das, was mit dem Täterintrojekt zusammenhängt, worauf ich schon öfter hingewiesen habe. Menschen haben oft Schwierigkeiten, ihr Verhalten in Frage zu stellen, wenn sie selbst noch innerlich an den Täter gebunden sind, der ihnen Gewalt angetan hat. Solange diese Bindung besteht, hinterfragen sie die erlebte Gewalt nicht – und neigen dazu, sie unbewusst weiter auszuführen.

Zu den Meldungen: An meinem Arbeitsplatz wollten weder die Kita-Leitung, der Träger, das Jugendamt, der Bürgermeister, die Gewerkschaft noch der Betriebsrat davon etwas wissen. Niemand wollte es hören. Ich war überall – und wurde überall ignoriert oder ohne Antwort stehen gelassen. Ich habe da eine solche Ohnmacht erlebt. Eine unaushaltbare Ohnmacht. Das war die Hölle.

Es sind aber nicht allein die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, verantwortlich. Das System, das zulässt, dass eine Erzieherin mit 25 Kindern alleine arbeitet, von denen sechs Kinder gerade mal zwei Jahre alt sind, trägt eine große Mitverantwortung. Ein solches System überfordert die Menschen völlig und nimmt ihnen die Kapazitäten, sich auf eine gute pädagogische Arbeit zu konzentrieren. Auch die Eltern, die ihre Kinder an solchen Orten abgeben, tragen eine Mitschuld, wenn sie die Missstände hinnehmen oder nicht hinterfragen. Niemand, auch kein ausgebildeter Pädagoge, kann pädagogisch sinnvoll und durchgehend gut mit einer so hohen Anzahl von Kindern arbeiten. Das ist schlichtweg unmöglich.

Wir hatten eine Krippengruppe, in der teilweise bis zu 17 Kinder betreut wurden – von gerade einmal 2,5 Fachkräften. Nur haben Leute eben auch Pause, Urlaub oder werden krank und sehr oft seht man dann alleine da und kann die Not gar nicht mehr versorgen. In dieser Gruppe waren Kinder ab einem Alter von 8 Monaten, und einige wurden dort bis zu 50 Stunden pro Woche, also 10 Stunden am Tag, abgegeben. Diese Kleinstkinder haben keine festen Bezugspersonen erlebt. Teilweise wurde ein Kind an bis zu sechs verschiedene Personen an einem einzigen Tag weitergereicht. Das ist für die Bindungsentwicklung eine absolute Katastrophe. Oft wussten wir gar nicht, wie wir die Kinder wickeln sollten, weil man alleine mit der Gruppe war und nicht einfach zum Wickeln gehen konnte. Manchmal hatte ich sogar zwei Gruppen gleichzeitig zu betreuen.

Wir wurden ständig dazu genötigt, all das mitzumachen, weil es keine Lösungen für den Personalmangel gab. Die Personalnot wurde einfach hingenommen, und das gesamte System funktionierte nur noch, indem man die Missstände stillschweigend akzeptierte. Dieses System produziert systematisch Traumata, aber niemand will das hören. Politiker reden nur darüber, wie großartig es sei, dass jedes Kind einen Kita-Platz hat, doch niemand fragt nach den Bedingungen, unter denen diese Betreuung stattfindet.

Es ist schockierend, dass Katzen und Hunde in unserer Gesellschaft mehr Lobby und Schutz erfahren als Kinder. Das macht mich wütend, traurig und unglaublich hilflos.

Das Video dass du hier geteilt hast, ist ein sehr gutes Video! Vielen Dank dafür.