Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
05.10.2008, 21:50
Zitat:obwohl meine Definition und rickys Definition von Szientismus exakt die gleichen sind,
Man muss hier glaub ich zwei Dinge unterscheiden. Ich verstehe fiodra mittlerweile so, dass er es kritisiert wenn Leute aus dem Wissenschaftsbetrieb alles nichtwissenschaftliche, was sich dort zeigt, als Szientismus bezeichnen und so tun, als käme das sozusagen irgendwie von aussen herein und wäre nichts, was untrennbar mit dem Wissenschaftsbetrieb verwobenes wäre. Um den Leuten weiszumachen, dass es auch eine reine Wissenschaft tatsächlich gibt.
Ich sehe das auch, dass oft so diskutiert wird, zur Zeit kann man es grade sehr gut in einem anderen Bereich beobachten, der Wirtschaft. Irgendeine Talkshow einschalten, und da sitzen die Investmentbänker und Finanzratgeber und erklären, dass die ganze Wirtschaftskrise nichts mit dem Finanz- und Wirtschaftssystem an sich zu tun haben, sondern mit bestimmten Auswüchsen, die man klar von diesem System abtrennen könne ("Lehrverkäufe verbieten!").
Das andere Ding ist, dass das natürlich nicht heissen muss, dass man Wissenschaft und Szientismus begrifflich gar nicht unterscheidet, und irgendwie hatte ich fiodra so (miss?)verstanden, als wäre das für ihn grundsätzlich einfach dasselbe.
An der Stelle muss ich mal auf folgenden neuen Roman hinweisen, scheint gut zum Thema zu passen (ist wohl nich nicht auf deutsch raus):
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28830/1.html
Diese Kult der Wissenschaft, den die Mönche da betreiben, scheint mir ungefähr dieser reine, von jedem Szientismus freie Wissenschaftsbetrieb zu sein, über den wir spekulieren :-)
Zu dem Bereich Jura und Humanwissenschaften: ich denke auch, dass diese ganze Verfilzung da noch schlimmer ist, das liegt wohl auch in der Natur der Sache. Man kann hier sicher viel schwieriger trennen zwischen wissenschaftlichen und unwissenschaftlichen Aussagen. Darum hab ich ja direkt klargemacht, dass ich mich in erster Linie auf die Naturwissenschaft beziehe. Ich glaube, dass man hier doch ganz gut unterscheiden und darum auch die szientischen Tendenzen konkreter aufzeigen kann. Ob man die anderen Disziplinen, auch Theologie, darum jetzt als unwissenschaftlich bezeichnen kann, hängt vom allgemeinen Wissenschaftsbegriff ab.
Zitat:man koennte, in anderen worten, vielleicht auch etwas mehr differenzieren zwischen den einzelnen wissenschaften & ihren jeweiligen anspruechen, weil wissenschaft einfach nicht gleich wissenschaft ist.
Klar, aber darum hab ich ja direkt gesagt, dass es mir nur um Naturwissenschaft geht.
Zitat:was ich noch ganz interessant finde ist die frage: inwieweit koennen wissenschaften eigentlich normative aussagen treffen?
Sollten sie das denn überhaupt? Dafür gibts doch andere Disziplinen oder Gebiete, vielleicht Philosophie oder Physik. Ich denke, dass es ein allgemeines Kriterium von Wissenschaft ist, dass keine normativen Aussagen getroffen werden. Die Wissenschaft liefert Forschungsergebnisse, die andere dann werten und verwenden müssen.
Zitat:Die Grenzen sind schon fließend. Man muss man sich aber auch dessen bewusst sein, dass dies eine offene Einladung dafür darstellt, den Wissenschaftlichkeitsbegriff zu mißbrauchen:
"Für mich ist die Existenz Gottes bewiesen. Die Bibel ist das Wort Gottes und in der Bibel steht, dass Gott existiert. Dieser Nachweis entspricht meinem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Nur weil mein Anspruch auf Wissenschaftlichkeit ein anderer ist als eurer, darf meine Überzeugung keinen geringeren Stellenwert haben."
Nein, tut mir leid. Nenn mich von mir aus engstirnig, altmodisch, konservativ oder pessimistisch, aber die möglichen Folgen dieses Mißbrauches stellen für mich eindeutig das größere Übel dar, als eine engere Definition von Wissenschaftlichkeit.
Was ist denn jetzt überhaupt Wissenschaft, ganz allgemein? Ich denke, dass eine gewisse Art von Nachprüfbarkeit der Aussagen ein Grundkriterium ist. In der Jura kann jeder die Aussagen anhand der Gesetzestexte nachprüfen, in der Geschichtswissenschaft kann jeder die Spuren und Quellen nachprüfen, in der Naturwissenschaft kann jeder die Experimente nachstellen. Um den Aspekt des Wissenschaftsbegriffs in anderen Kulturen zu drin zu haben, würde ich die Bewusstseinsforschung der Tibeter hinzunehmen. Jeder kann die Übungen machen und die beschrieben Erfahrungen nachprüfen. Aber dieses Zitat von dir da oben würde da schon rausfallen. Daran ist nichts überprüfbar. Da behauptet nur jemand, dass es Wissenschaft ist, wenn er an Gott glaubt. Da ist nichts überprüfbares, und damit auch nichts falsifizierbares. Und damit ist das keine wissenschaftliche Aussage.