RE: Eure Kunstauffassung
06.01.2018, 23:32
Ich überlege schon seit einigen Tagen, wie mein Kunstbegriff ist. "Kunst" definiert für mich eine enorm inhomogene, riesige subjektive Menge an Dingen, die so verschieden sein kann wie ein Kaktus und eine zerbrochene Fensterscheibe. Es ist mir schwergefallen, eine kurze, prägnante und treffende persönliche Definition zu finden.
Ich erhebe keinen Anspruch auf Objektivität, denn es geht ja um die persönliche Auffassung von Kunst.
Auf ins Vergnügen!
• Was macht für euch Kunst aus? Was ist für euch ein Kunstwerk?
Kunst ist für mich das, was ich nicht beherrsche.
Mir ist bewusst, dass diese Definition nicht sehr genau (und möglicherweise schwach) ist, aber ich finde, dass die Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst zu fließend verläuft, um mir eine striktere Definition zu gestatten.
Nehme ich beispielsweise "Imaginary Landscape No. 4"* von John Cage. Klar, das könnte ich auch, aber wäre ich wirklich je auf die Idee gekommen, es zu machen?
* Zwölf Radios wurden von jeweils zwei Personen durch Drehung des Sender- beziehungsweise des Lautstärkereglers gespielt, wobei vorher nicht bestimmbar war, welcher Sender was zu welchem Zeitpunkt spielen würde.
• Wann haltet ihr Kunst oder Kunstwerke für gut?
Stellen wir uns vor, das fragliche Kunstwerk stehe in einem Schaufenster, und ich laufe zufällig dran vorbei. Wenn ich es wahrnehme und erstmal stehen bleibe, um es genauer zu erkennen, dann wäre es für mich ein gutes Kunstwerk.
Ein gutes Kunstwerk hat meiner Meinung nach irgendeinen Aspekt, der es interessant macht. Sei es nun das Handwerk, die Idee oder die Botschaft, es sollte sich abheben.
Vielleicht fällt hier ein leichter Widerspruch auf, denn sicherlich gibt es auch Kunstwerke, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken, dennoch aber eine große Tiefe besitzen. Solche Kunstwerke wären natürlich interessant.
• Hat Kunst für euch einen Sinn? Seht ihr einen? Wenn ja – welchen?
Zum Nachdenken anregen.
Unterhalten.
Gefühle erwecken.
Auf etwas aufmerksam machen.
• Wie wirkt sich eure Kunstauffassung auf euer eigenes Schaffen aus?
Wie sich an meiner Kunstauffassung erkennen lässt, ist alles, was ich produziere, automatisch keine Kunst.
Und das wirkt sich so aus, dass ich mich nie als Künstler sehe. Ich setze mich nicht an meinen Schreibtisch, schlage einen Notizblock auf und fange an, ein Gedicht zu verfassen, weil "ich jetzt mal Kunst machen will".
Finale Gedanken:
Die Einstufung in Kunst und Nicht-Kunst mag abwertend klingen, ob nun im Sinne von "Das ist doch nur Kunst!" oder im Sinne von "Das ist doch keine Kunst!", aber das ist nicht beabsichtigt. Auch Nicht-Kunst kann Funktionen ausüben, die denen der Kunst charakteristisch sind (zum Beispiel eine Naturkatastrophe oder ein Haustier), und ebenso kann es Kunst geben, deren Sinn sich mir nicht erschließt (zum Beispiel Werke der Aleatorik, in der Musik also die Zufallsmusik).