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Vom Lassen der Dinge

Vom Lassen der Dinge
#1
11.02.2007, 20:13

Zitat:Die Leute sagen einem: „ach ja! lieber Herr, ich wollte gerne, ich stünde auch mit Gott auf so gutem Fuß und hätte so viel Sammlung und Frieden mit Gott, wie andere Leute haben. Hätt ich’s nur auch so gut und könnte so arm sein!“ Oder: „ich komme nie in die rechte Stimmung, außer ich weile da oder dort, treib es so oder so: ich muss ohne Dach und Decke leben, oder in einer Klause, oder im Kloster.“

Aber daran bist du wahrhaftig ganz alleine schuld, eigener Wille ist es, weiter nichts, ob du’s auch nicht Wort haben willst! Nimmer steht ein Unfriede in dir auf, er entspringt aus Eigenwillen, man sei sich dessen bewusst oder nicht. Was wir uns da einreden: man müsse diese Dinge fliehen und jene suchen, ausgerechnet diese Stätten und Menschen, diese Weise, diese Richtung, diese Beschäftigung – nicht das ist schuld, dass die Lage oder die Dinge dich hindern! Sondern du bist es in den Dingen selber, was dich hindert: deine Stellung zu den Dingen ist verkehrt. Bei dir also setz den Hebel an und lasse dich! Denn wahrlich! fliehst du dich nicht zuerst, dann, wo du auch hinfliehst, findest du immer nur Behinderung und Unfrieden. Die Leute, die Frieden suchen in äußeren Dingen: bei Orten und Weisen, durch Menschen oder Werke, durch Unbehaustheit, Armut und Niedrigkeit – wie stattlich sich’s auch ausnimmt, das ist dennoch alles nichts und gibt keinen Frieden! Sie suchen ganz verkehrt, die also suchen: je ferner sie fortgehen, um so weniger finden sie, was sie suchen. Sie gehen wie einer seines Weges vermisst: je weiter er geht; je mehr er irrt.
„Aber wie soll man’s denn machen?“

Zuerst einmal sich selber lassen! Damit hat man auch alle Dinge gelassen. Ohne Übertreibung: ließe einer ein Königreich, ja die ganze Welt, und behielte sich, er hätte gar nichts gelassen! Ja, und gibt er sich auf, so kann er behalten, was er will, Reichtum, Ehre oder was immer: er hat alles aufgegeben. Ein Heiliger bemerkt zu dem Ausspruch Sankt Peters: „Sieh, Herr, wir haben alles gelassen“ – und er hatte doch weiter nichts gelassen als ein armes Netz und seinen Kahn –, der Heilige sagt: wer das Kleine willig lässt, der lässet nicht nur dieses, er lässet alles, was die Kinder der Welt gewinnen, ja sich auch nur wünschen mögen. Denn wer seinen Willen, wer sich selber lässt, der hat die ganze Welt gelassen, so gut, als ob sie sein freies Eigen wär und er sie zu voller Gewalt besessen hätte. Alles, was du ausdrücklich nicht begehrst, des hast du dich begeben, hast es gelassen um Gott. Selig sind die Armen im Geist, hat unser Herr gesagt; es bedeutet, die arm sind am Willen. Und daran soll niemand zweifeln: gäb es einen bessern Weg, unser Herr hätt ihn uns gewiesen. Wie er auch sagt: Wer mir nachfolgen will, der verzichte zuerst auf sich selber! Darauf allein kommt’s an. Fahnde auf dich, und wo du dich findest, da gibt dich auf! Das ist das Heilsamste. Und lass dir sagen: es hat sich noch nie einer in diesem Leben so darangegeben, er findet immer, wie er sich noch mehr begebe. Derer sind wenige, die das recht wahrnehmen und darin sicher stehn. Es ist recht ein gleich mit gleich vergelten und ein gerechter Kauf: so weit du selber ausgehst aus den Dingen, genau so weit, keinen Schritt weniger oder mehr, geht Gott ein mit allem, was sein ist. Hier heb an und lass dich’s kosten, was du nur leisten kannst, so findest du wahren Frieden! Und anders nicht.


Amen.

War der Autor nun Christ oder Buddhist oder spielt das gar keine Rolle ?
Gar nichts...
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Re: Vom Lassen der Dinge
#2
11.02.2007, 21:19
Hi Arepo,

ich glaube, die Mystik ist der Berührungspunkt mindestens der beiden von Dir angesprochenen Religionen.

Dieser Gedanke stammt zwar nicht von mir, ich erinnere mich, es irgendwo gelesen zu haben, aber ich kann es anhand meiner eigenen Lektüre bestätigen:

Man lese parallel "Deutsche Predigten" von M.E. und z.B. "Zen-Geist Anfänger-Geist" von Shunryu Suzuki!
Mit parallel meine ich: Immer abwechselnd ein Predigt vom Meister und eine Darlegung vom Zen-Meister.

Die Überschneidungen sind frappierend.

Meister Eckhart selbst hat sich sicherlich als Christ gesehen. Der damalige Papst sah das leider anders ... evil

Hab auch mal gehört, dass der gute Meister in Japan in Gelehrten-Kreisen relativ bekannt sein soll.

Danke jedenfalls für den interessanten Beitrag big

LG,
Rhetor

P.S: Wie heißt eigentlich der Übersetzer/Herausgeber Deiner Ausgabe (Es ist eine andere als meine)?
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Re: Vom Lassen der Dinge
#3
11.02.2007, 23:15
Übersetzer Hermann Büttner, 1923.
Hier hab ich her
Gar nichts...
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Re: Vom Lassen der Dinge
#4
11.02.2007, 23:44
sicherlich koennte man darueber nachdenken, welche parallelen buddhismus und eckharts mystik haben. man koennte ebensogut ueber parallelen zu anderen religioesen formen wie taoismus oder auch ganz anderen nachdenken.
ich denke aber nicht, dass das allzu wichtig ist. in der tat kann man nicht davon sprechen, dass eckhart buddhist war, aber auch ihn als christ einzuordnen duerfte schwierig werden. nun, bedenkt man dass jeder ein kind seiner zeit und seiner kultur ist, wird man vielleicht in erwaegung ziehen, dass der christliche aspekt in seiner mystik mehr etwas nebensaechliches ist. mir kommt es jedenfalls so vor, als liege hauptgewicht auf mystischen aussagen (bzw. erfahrungen), die nicht mehr viel mit traditionellem christentum zu tun haben. es liegt fuer mich der verdacht nahe, er hat seine erfahrungen einerseits in seiner ihm bekannten sprache beschrieben bzw. selbst vielleicht auch teilweise unter diesem muster (nach-)erlebt, und andererseits auch in die sprache der menschen in seinem umfeld uebersetzt, da kommunikation auf andere weise ja sehr schwierig fallen duerfte.
man sollte beim vergleich von religionen (und ueberhaupt beim vergleichen) jedoch beachten, moeglichst nur vergleichbares zu vergleichen. die unterschiede dabei nicht einfach verschwinden zu lassen.

man koennte nun also verschiedenste (vergleichbare) ausfuehrungen ueber dieses thema: "vom lassen der dinge" - hier hinein setzen. seien es zitate, textauszuege auch anderer religionen oder personen oder "eigene" ueberlegungen.
man koennte darueber diskutieren, wie dies oder jenes zu verstehen oder zu realisieren sei. man koennte dazu auch unterschiedlichste betrachtungsweisen des gleichen gegenstandbereichs darstellen.


hab mir uebrigens letzt eine werkauswahl von reclam bestellt. aber erst eine predigt gelesen.


wenn ich zeit finde, bemuehe ich mich hier mal um mehr inhaltliche weiterfuehrung meinerseits.


lgg
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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Re: Vom Lassen der Dinge
#5
12.02.2007, 00:03

Zitat:wenn ich zeit finde, bemuehe ich mich hier mal um mehr inhaltliche weiterfuehrung meinerseits.


Werd mich daran ergötzen big
Gar nichts...
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Re: Vom Lassen der Dinge
#6
13.02.2007, 03:50
Hallo,

schoenes thema!!!! pleased


Zitat:War der Autor nun Christ oder Buddhist oder spielt das gar keine Rolle ?


naja ganz einfach er war mystiker, (es gibt auch viele christen und buddhisten die keine sind!) und die machen nunmal auf der ganzen welt die gleichen erfahrungen! ob christen, moslems, juden, buddhisten, taoisten, hindus oder indianische schamanen und was es sonst ncoh alles gibt.
es gibt verschiedene ausdrucksformen der erfahrungen, was ja dann schliesslich zu den religionene gefuehrt hat, aber im endeffekt ist das alles das gleiche.
das ist fuer mich auch der schlagkraeftigeste beweiss das es den mystischen weg gibt!

wen das thema interessiert der sollte auf JEDEN fall Ken Wilber lesen thumbsu (und alle anderen eigenltich auch biggrin ) ich wuerde mit "im auge des hurrikanes bist du sicher anfangen" (steht auch ein ganz bisschen was zum klartraeumen)

Lieben Gruss und klare traeume chan
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Re: Vom Lassen der Dinge
#7
13.02.2007, 12:22
woher weisst du, dass sie die gleichen erfahrungen machen? in ihren kopf geschaut?
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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Re: Vom Lassen der Dinge
#8
13.02.2007, 21:33

Zitat:woher weisst du, dass sie die gleichen erfahrungen machen? in ihren kopf geschaut?
biggrin
ja ich hab hier zuhause die koepfe von Meister Eckhart, Jesus, Buddha, Laotze, Krishnamurti und Don Juan liegen. Alle fein saeuberlich aufgeschnitten und seziert. [Bild: s386.gif]

Ich kann dir natuerlich keine "handfesten" beweise dafuer liefern, aber wenn du ihre aussagen vergliechst wirst du sicherlich zu dem selben ergebnis kommen.
Die aussagen darueber was erleuchtung ist sind wirklich sehr deckungsgleich.

Ich sag nur Ken Wilber lesen oder noch besser... selber ausprobieren!!! bigwink

Lieben Gruss Chan
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Re: Vom Lassen der Dinge
#9
13.02.2007, 21:53
Ich glaube auch festgestellt zu haben, dass
eines allen gemeinsam ist:

Die Ent-Werdung, Umwandlung von Trennung in Einigung, Auseinandersetzung mit dem "Niederen Selbst" usw. usf.
Gar nichts...
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Re: Vom Lassen der Dinge
#10
13.02.2007, 22:16
ich moechte nicht unbedingt widersprechen.
auch ich sehe diese ueberschneidungen. doch moechte ich nur darauf hin aus, dass alle muster, die wir bilden, von uns konstruiert sind. das heisst aber nicht, dass andere muster nicht moeglich waeren. also sind die zusammenhaenge, die wir zwischen den "mystiken" sehen, mit vorsicht zu genießen. im grunde genommen sehen wir da nur, wie wir eigentlich denken.
und diese standpunktverhaftetheit koennen wir auch nicht aufgeben. wir koennen sie vielleicht reflektieren und etwas umformen, aber es bleibt dabei, dass wir den gegenstaenden, die wir betrachten, dinge andichten, die vielleicht an sich garnicht da sind. und vielleicht uebersehen wir so auch dinge, fuer die wir kein gespuer, keine acht haben.

selber ausprobieren.. geht klar bigwink
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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Re: Vom Lassen der Dinge
#11
13.02.2007, 23:19
@spell

es geht auch allen mystikern darum, die von dir angesprochenen verhaltensweisen abzulegen biggrin
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Re: Vom Lassen der Dinge
#12
13.02.2007, 23:42
na dann mal los bigwink
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
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