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Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?

Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#1
05.04.2008, 13:30
Da das Klarträumen für mich vor allem ein Medium zu höherer Entscheidungs-, Handlungs- und Ausdrucksfreiheit darstellt, interessieren mich auch neuere Theorien zum selbstbestimmten Handeln. Immer mehr Kritiker aus verschiedensten Fachbereichen monieren ja, dass die Menschen äußerlich immer freier, aber innerlich immer unfreier werden.
Hier mal ein Auszüge aus einem Onlinetext von zwei der führenden deutschen Forscher auf dem Gebiet der Gehirn- und Motivationsforschung.
Mich würde (neben Kommentaren zum Text) interessieren, ob manche von euch sagen würden, dass das Klarträumen sie mehr zu sich selbst geführt hat und wie sich das äußert.
(Text aufgrund der Länge geteilt)

Auszüge aus „Das Selbst, das Gehirn und der freie Wille“
http://www.llv.li/rss/pdf-llv-asd-kuhl_060307.pdf

Prof. Gerald Hüther (Uni Göttingen) & Prof. Julius Kuhl (Uni Osnabrück)

„Wer das Selbstsystem kennen lernen möchte, das an der Steuerung von selbstkongruentem Verhalten beteiligt ist, sollte sich zunächst allerdings die anderen Formen der Verhaltenssteuerung vor Augen führen.
Vier Wege der Verhaltensbahnung sind Folgenden dargestellt. Diese vier Wege sind im Grunde schon in der intuitiven Alltagserfahrung unterscheidbar.


• Verhalten kann durch Gewohnheiten bestimmt werden. Das ist z. B. der Fall, wenn Menschen das tun, was man tut, d. h. wenn sie sich nach allgemeinen Regeln, nach der Mode oder nach sozialen Stereotypen richten. Zu dieser Form der Verhaltenssteuerung zählen wohl auch viele der von Taylor (2005) erwähnten, medial vermittelten Stile, die sich in der Marke der Turnschuhe oder sonstiger Accessoires des Trägers oder der Trägerin ausdrücken. Gewohnheitshandeln kann unabhängig davon funktionieren, ob das Verhalten mit Lust oder Unlust verbunden ist (viele Menschen putzen sich z. B. morgens die Zähne, ganz unabhängig davon, wie viel Lust sie gerade dazu haben).

• Verhalten kann aber auch ganz stark von dem Anreiz bestimmter Objekte gesteuert werden. Beide Formen der Verhaltenssteuerung haben gemeinsam, dass sie eher reiz- (also fremd-) als „selbst-gesteuert“ sind. Es nimmt deshalb nicht Wunder, dass sie bis heute der bevorzugte Gegenstand der behavioristisch geprägten Ansätze sind. Diese Ansätze lassen verhaltenserklärende Konstrukte nur zu, wenn sie sich auf direkt Messbares beziehen.

• Eine dritte Form der Verhaltenssteuerung ist die Kontrolle durch das auf einzelne Zwecke fokussierende, planende Ich, z. B. wenn man sich ganz bewusst vornimmt, seine Schuhe zu putzen (was zur Erhöhung der Umsetzungschancen gerade dann wichtig ist, wenn man dazu keine gesteigerte Lust und auch keine festen Gewohnheiten ausgebildet hat). Diese Form der zielgerichteten Verhaltenssteuerung nimmt in der gegenwärtigen experimentellen (kognitivistischen) Motivations- und Sozialpsychologie den größten Raum ein. (…)

• Es gibt nun noch eine vierte Form der Verhaltensbahnung, die in der willenspsychologischen Diskussion immer wieder vergessen wird. Dieses Vergessen lässt sich darauf zurückführen, dass die Quelle dieser vierten Form der Verhaltensbahnung unbewusst ist, obwohl sie ausschnittsweise bewusst werden kann. Die unbewusste vierte Quelle der Handlungssteuerung ist das, was wir mit dem Begriff des Selbst bezeichnen. Was damit genau gemeint ist, kann hier nicht ausführlich behandelt werden (Koole & Kuhl, 2003; Kuhl, 2001). Es reicht aber für den aktuellen Zusammenhang zu sagen, dass das Selbst ein System ist, das einen Überblick über eine große Zahl von Lebenserfahrungen simultan zur Verfügung stellt („Selbstmodell“), so dass die „selbst-bestimmte“ Handlungsbahnung eine große Zahl von Bedürfnissen, Gefühlen, Werten (eigenen und fremden), Handlungsmöglichkeiten, antizipierten Folgen usw. berücksichtigt.
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Hashin
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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#2
05.04.2008, 13:31
Es ist klar, dass die gleichzeitige Berücksichtigung vieler entscheidungsrelevanter Gesichtspunkte mit dem analytischen Bewusstsein nicht zu leisten ist, weil man sich ja immer nur einzelne Dinge bewusst machen kann. Inzwischen kann man aber die hier erforderliche Form der parallelen (und deshalb zunächst nicht bewusstseinsfähigen) Verarbeitung sehr vieler Informationen durch neuronale Netzwerkmodelle bis in viele Einzelheiten beschreiben (Spitzer, 2000). Eine Handlung, die viele solche Selbstaspekte berücksichtigt, wird als „sinnvoller“ erlebt als eine Handlung, die nur einem einzelnen Zweck dient und vielleicht sogar viele andere Bedürfnisse oder Werte verletzt (eigene oder fremde). Die Berücksichtigung von Bedürfnissen (eigenen und fremden) ist durch eine Besonderheit des Selbstsystems gesichert: Es ist ein Erkenntnissystem, das nicht nur kognitive („erkennende“) Leistungen liefert, sondern auch direkt mit Körperwahrnehmungen und Emotionen vernetzt ist (Damasio, 2000). Emotionen zeigen ja, wie es um die Befriedigungsbilanz der Bedürfnisse steht: Sie sind positiv, wenn Bedürfnisse gut befriedigt werden oder wurden und negativ, wenn dies nicht der Fall ist. Durch die Vernetzung des Selbst mit Emotionen ist einigermaßen gesichert, dass Entscheidungen und Handlungen, an denen das Selbst beteiligt ist, wirklich eigene Bedürfnisse berücksichtigen und sogar Bedürfnisse und Werte anderer (weil man von den Emotionen anderer empathisch angesteckt werden kann).
Das bewusste Ich kann zwar auch Bedürfnisse berücksichtigen, neigt aber dazu, sich jeweils auf ein Thema zu konzentrieren. Diese Reduktion ist auch wichtig, weil das Ich für die unmittelbarer Handlungssteuerung relevant ist: Wer handeln will, der muss sich auf eine Sache konzentrieren, sonst kommt er aus dem Denken und Entscheiden nicht mehr heraus. Wenn sich das denkende Ich vorher mit dem Selbst, das möglichst viele Bedürfnisse berücksichtigt, abgestimmt hat, dann ist die vorübergehende Reduktion auf nur ein Bedürfnis oder ein Ziel kein Nachteil. Koppelt sich das Ich aber von dem Überblick, den das Selbst vermittelt, chronisch ab, dann kann es passieren, dass viele Bedürfnisse, eigene und fremde, dauerhaft nicht zu ihrem Recht kommen. Man wird dann weder sich noch den anderen Menschen um einen herum „gerecht“ (die griechischen sprachen ähnlich wie die späteren christlichen Philosophen dann von Lastern). Wenn das bewusste Ich Handlungsabsichten umsetzt, die nicht mit dem Selbst abgestimmt sind, dann kann sich dies in dem Gefühl des „Sollens“ bemerkbar machen (z. B. im Sinne von „eigentlich sollte ich anders handeln“). Nun sieht man aber leider einer bewussten Absicht nicht an, ob sie selbstbestimmt ist oder ob sie allein aus dem zweckrationalen Ich stammt (das jeweils nur ein einzelnes Ziel oder einen Zweck verfolgt). Gerade die „partielle Biphänomenalität“ der vierten Form der Verhaltenssteuerung (d. h. die Tatsache, dass diese Quelle in einer bewussten Absicht zum Ausdruck kommen kann, aber nicht muss, auch wenn ihre Auswirkung auf Gefühle und Verhalten weitgehend unbewusst gesteuert ist) führt dazu, dass man den unbewussten Anteil selbstbestimmten Handelns allzu leicht übersieht (und den Begriff des Selbst gern ausklammert, weil er die Bewusstseinsfixierung des aufgeklärten Menschen stört). (...)

Damit können wir das Problem der Willensfreiheit lösen: Eine „freie“ Entscheidung oder Handlung ist frei von Verhaltensdeterminanten, die außerhalb des Selbst liegen. Sie ist also nicht allein durch Gewohnheiten, nicht allein durch Lust- oder Triebregungen und auch nicht allein durch ein einzelnes bewusstes Ziel (des Ich) determiniert. In der Tat steigen ja die Freiheitsgrade der Verhaltensdetermination von der ersten bis zur vierten Form gewaltig: Feste Gewohnheiten haben kaum Variationsmöglichkeiten, anreiz- und triebgesteuertes Verhalten hat schon mehr Freiheitsgrade (man kann zwischen verschiedenen Verhaltensgewohnheiten wechseln, solange man nur das Lust bringende Objekt erreicht). Noch mehr Freiheitsgrade gibt es auf der Ebene des bewussten Ichs (hier kann man auch die Objekte wechseln, solange sie der Zielerreichung dienlich sind). Die größten Freiheitsgrade bringt das Selbst, weil es potenziell eine schier unbegrenzte Zahl von Gesichtspunkten, Lebenserfahrungen und Handlungsmöglichkeiten berücksichtigen kann. (…)
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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#3
05.04.2008, 13:33

Jede Form von Druck, egal ob er von außen kommt oder aber von innen als eigenes, starkes Bedürfnis erzeugt wird, zwingt das Denken in alte, vorgefertigte Bahnen. Das ist gut so, denn mit Hilfe bewährter Denkmuster lassen sich Probleme äußerst effizient lösen (Hüther, 1997). Weniger gut ist allerdings, dass es unter solchen Bedingungen kaum gelingt, neue Verknüpfungen herzustellen, also kreative und innovative Lösungen zu finden.
Jede Art von Druck erzeugt im Hirn eine sich ausbreitende Erregung, die dazu führt, dass nur noch auf der Ebene der besonders stabilen, durch bisherige Erfahrungen bereits gut gebahnten Verschaltungsmuster ein entsprechendes, handlungsleitendes Aktivierungsmuster aufgebaut werden kann. Deshalb führt jeder Leistungs-, Erwartungs-, Handlungs- oder sonstiger Druck immer zum Rückfall in bereits bewährte Strategien. Bisweilen sogar zu Reaktionen, die schon während der frühen Kindheit gebahnt worden sind und – wenn es besonders eng wird – sogar zum Rückfall in archaische Notfallreaktionen.
Die sind im Hirnstamm nicht nur bei uns, sondern auch bei Tieren angelegt und führen, wenn sie aktiviert werden, zu Angriff oder Verteidigung, zu panischer Flucht, und zuletzt – wenn gar nichts mehr geht – zu ohnmächtiger Erstarrung (Hüther 2004).
Je größer der Druck und die dadurch sich im Gehirn ausbreitende Erregung wird, desto tiefer geht es also auf der Stufenleiter der noch aktivierbaren, handlungsleitenden Muster wie in einem Fahrstuhl hinab. Das Verhalten wird einfacher, determinierter und damit auch unfreier. Regression nennen das die Psychologen. Und weil dann im Hirn weniger regionale Netzwerke miteinander verknüpft sind und miteinander in Beziehung treten, werden die Reaktionen auch entsprechend robuster und eindeutiger.
Um den Fahrstuhl im Gehirn in umgekehrter Richtung benutzen und von einfacheren zu komplexeren verhaltenssteuernden Mustern zu gelangen, muss also logischerweise der äußere Druck nachlassen, bzw. die innere Erregung abgesenkt werden. Erst dann können wieder komplexere, subtilere und fragilere – und damit auch freiere, also weniger vorherbestimmte Beziehungsmuster zwischen möglichst vielen Nervenzellen aus möglichst unterschiedlichen Bereichen des Gehirns aufgebaut und als Handlungs- und Denk-leitende Muster aktiviert werden. Und die werden heute dringender denn je zuvor gebraucht, um sich in einer komplexer gewordenen Lebenswelt mit komplizierten zwischenmenschlichen Beziehungen zurecht zu finden. Und die Freiheit des Denkens, die das hervorbringt, worauf auch die Hirnforscher so stolz sind – die Kreativität -beginnt eben dort, wo der Fahrstuhl im obersten Stockwerk der bisher erworbenen Lebensbewältigungsstrategien eines Menschen nicht nur gerade angekommen ist, sondern wo er dabei ist, völlig ohne Druck und mit absoluter Leichtigkeit ein Stückweit darüber hinaus zu schweben (Hüther 2001). Erst dann kann man fast spielerisch, wie im Traum, Ideen frei entwickeln und unterschiedlichste Gedanken und Vorstellungen miteinander in ungewohnter, aber sehr kreativer Weise zu etwas Neuem, noch nie Gedachtem verknüpfen. Und wer bemerkt diese wunderbare Fähigkeit? Und wer versucht, diesen Zustand – wenn er sich einmal einstellt – möglichst lange zu halten oder zumindest immer wieder einmal zu erreichen, weil er sich so gut anfühlt? Das leistet ein System, dessen enormes Integrationspotenzial in der Lage ist, unzählige eigene, persönlich relevante Erfahrungen, Bedürfnisse und Werte im Kontext der Bedürfnisse und Erwartungen anderer zu berücksichtigen, und das wir deshalb zu Recht „das Selbst“ nennen.
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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#4
05.04.2008, 17:14
danke sehr, sundance, für deinen reichen beitrag. er kompensiert trefflich den mangel, den ich im thread zur sinnfrage empfand; - bitte, ich meine das gar nicht überheblich. (ricky. ho! big

die frage ist doch, warum wir überhaupt träumen? von den zahllosen, oft auch abstrusen vorstellungen und modellen scheint mir nur das der bewußtseinskontinuität (24 stunden am tage bewußt sein) angemessen und sinn-voll; nur der körper muß schlafen (völlig falsch daher in der hypothesenanlage, diese weck-experimente).

kann es sein, daß freud in seinem aufsatz (ich lese das jetzt grad nicht nach...) über "das unbehagen in der kultur" (wohlbemerkt: in DER, nicht in unserer!), dieses weiterdenken anregt?
in einer bestimmten art von kultur, die auf verzicht der vollständigkeit angelegt ist - kennt jemand andere? - ja, als utopie, - kann es nicht anders sein, als daß die möglichkeiten, von denen du sprichst, zwar vorhanden sind im selbst (ha! wie wären sonst utopien denk-bar?), aber eben nicht bewußt.

SIE sagen: "das muß so bleiben. träume sind schäume. jetzt wird erst das gemacht, was gemacht werden muß! - punktum!". wer hat bisher die brisanz dieser seiten (dieses forums, dieses themas) so klar erkannt?!

denn was würde wohl geschehen, wenn die menschen erwachten, die tägliche gehirnwäsche (24-stunden tv, printmedien, illustrierte usw. die tische mit dem verdummungskram in den wartezimmern der welt, die prospekte, die werbung...) in den müll würfen, verwundert die augen rieben und sich fragten: WAS MACHEN WIR HIER EIGENTLICH?

und das schreckliche geschieht: die augen werden müde, "man" sagt sich, "ach...hat ja doch keinen zweck..." (kennst du dies "ach..."?; es klingt, als ob ein dünner trockener zweig bräche) und dann beginnt wieder das einlullende gesabbel und gebrabbel und die börsenkurse und die arbeit morgen und die kinder werden auch nicht so und das auto muß mal wieder in die wäsche und und und. molly blooms monolog im ulysses. für mich ein paradigma des verhinderten, des behinderten modernen menschen.

naja, bei den alten ägyptern wars schon ooch nich anders. totenkult.

tjaaahhh! aber danach! da gehts aber appp! egal ob im himmel oder der hölle, DANACH!
es gibt kein danach.

aber phantasien lebt in jedem.

ich dachte dort (bei freud) lesend: was wohl wäre, wenn die armen menschen nicht das refugium des traums hätten? und danach: was, wenn sie, weil der arbeitende körper ruhen muß, der geist aber nicht, während der körper schläft, sich mit dem bewußtwerden des selbst beschäftigten? mit seinen - ja - unendlichen möglichkeiten, - könnten sie dann glücklich sein?
ich sehe wirklich keine andere möglichkeit happy

lg
banzai!
offene weite - nichts von heilig
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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#5
06.04.2008, 14:03

Zitat:Die unbewusste vierte Quelle der Handlungssteuerung ist das, was wir mit dem Begriff des Selbst bezeichnen.



Zitat:Damit können wir das Problem der Willensfreiheit lösen. Eine „freie“ Entscheidung oder Handlung ist frei von Verhaltensdeterminanten, die außerhalb des Selbst liegen.


Normalerweise kommt bei Diskussionen über freien Willen immer die Aussage, gerade weil Entscheidungen un- oder unterbewusst getroffen werden, ist kein freier Wille vorhanden. Hier wird nun gesagt, dass es die unbewussten Teile sind, die für einen freien Willen sorgen.

Ich finde das zwar deutlich paradox, aber im Prinzip machen beide Varianten keinen Unterschied. Man kann das "Problem" Willensfreiheit damit nicht lösen, sondern nur nur verlagern...

Denn die Einteilung in vier "Freiheitsgrade", also Gründe für eine Entscheidung/Handlung, lässt sofort die Frage aufkommen welchen Anteil an allen Entscheidungen/Handlungen die einzelnen Grade haben. Und was noch wichtiger ist, wie sich entscheidet wann welcher Freiheitsgrad zum Zuge kommt.
Auf diese Fragen sind wieder alle Antworten möglich, die auch auf die Ausgangsfrage "Wodurch entscheidet sich, was man tut?" möglich sind...

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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#6
06.04.2008, 18:39
ich find den text ganz gut, begriffe wie "das selbst", "willensfreiheit" oder "unbewusst" haette ich aber lieber rausgelassen.

ausserdem sollte man wohl bedenken, dass diese 4 handlungsweisen konstrukte sind und wahrscheinlich alle jeweils in den anderen auch wiedergefunden werden koennen.

@owa
wie sich entscheidet, welche handlungsweise angewandt wird, wurde ja im text erwaehnt: je nach druck von der umwelt.




wie man diesen druck loswerden kann: sicher im klartraum einerseits. und sonst eben immer dann, wenn man seine beduerfnisse nicht an etwas heftet, was vergaenglich und rar ist, bzw. wenn man gleichgueltiger oder risikofreudiger wird.
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#7
06.04.2008, 21:03
@ Banzai
„Dieses „Ach“, ja. Ich war 17 oder 18 als ich Ulysses das erste Mal las und Mollys Dialog hat mich damals wie ein Peitschenhieb getroffen. Ich war so voller Wut und Enttäuschung über alle Erwachsenen, die irgendwann „aufgegeben“ hatten. Die Glut lodert noch, aber in mehr Güte eingefasst.
Auch Mollys Monolog endet zum Schluss in einem wiederentdeckten „Ja“ zu ihrem Mann Leopold. Ohne diese Liebe, welche die nicht enden wollende, ermüdende, oft so haarsträubend sinnlos scheinende Wiederholung - der eigenen wie der anderen – akzeptiert, würde manch wacher Geist in dieser Welt auf Dauer wohl wahnsinnig werden.
Dies ist für mich die integrative Kraft des „Selbst-Modus“, den ich auch „komplexes Denken“ nenne. Ein namenloses, tiefes Empfinden/Fühlen, das sich selbst auf mysteriöse Weise erkennt und doch so groß ist, dass es weitgehend unbewusst ist und wir kaum Worte dafür haben, höchstens Fragmente. (Dons Träume sind für mich ein Beispiel dafür.) In Castaneda heißt es das „stille Wissen“, Gene Gendlin nennt es den „Felt Sense“ – das Fühlen am Rande des Bewusstseins.
Seine Kraft ist für mich das Strömen mit dem, was ist – und daraus sich mal kristallisierend Widerstand, mal Freude, mal Trauer, nur selten klar benennbare Emotionen in einem Meer des allverbundenen (Mit)Fühlens/Teilseins.

So verstehe ich auch Dons Posting über die Natur des Traums:
„Wie träumt aber, ein Träumer, der selbst die Denkbewegungen, der Traum ist, der von sichselbst nicht getrennt ist. Träumt er möglicherweise trüb? Oder ist er in dem ablaufenden Traum klar? In Gegenteil. Der involvierte Träumer ist weder trüb noch klar. Er ist ein natürlicher Träumer, ein reiner Träumer der nicht über seinen Denkbewegungen steht, sondern im Fluss seiner Gedanken bewusst fließt. Seine Identifikation ist allerdings nicht der Name des Flusses, nicht seine Beschaffenheit oder sein Bett, vielmehr ist er der Strom des Flusses, tatsächlicher Strom, vergleichsweise mit dem messbaren elektrischen Strom seines Gehirnes. Im ziellosen Lauf seiner Denkbewegungen ist er keine besondere davon, er ist jede selbst.“

Vielleicht führt Zen direkter in diesen Modus als Klarträumen, welches immer die Gefahr in sich birgt, sich noch mehr mit den einzelnen Inhalten seines (Wach)Traums zu identifizieren. Ich denke wie Du, Banzai, dass man das „Unbehagen in der Kultur“ auf eine vollkommene Weise erst in diesem 24-Stunden-Wach-Modus integrieren kann, dass aber daraus auch eine Kraft erwächst, Dinge verändern zu wollen und zu können – erwachsen aus diesem tiefen Fühlen. Einigermaßen leicht im Aschram oder der Einsamkeit zu halten – sehr herausfordernd inmitten von Familie und Gesellschaft.
Ein Zen-Meister, von dem ich viel lernte, antwortete einmal auf meine Frage, ob er immer glücklich sei, spontan mit einem Haiku: „Humple meinen Weg entlang, aber die Feldlärche sind Tiröö!“


@ Owa
Hmm, ich sehe das eigentlich gar nicht so theoretisch und halte die Frage nach einer absoluten Willensfreiheit für nichtig. Eine relative wäre doch schon viel, wenn sie einem selbst und anderen gut tut. Auffällig ist doch die weitverbreitete Gespaltenheit vieler Menschen, die von dem Gefühl innerer Zerrissenheit und des Ausgeliefertseins geplagt sind (und wenn nur in ihren Träumen, weil es im Alltag unterdrückt wird).
Ich arbeite beruflich viel mit gestressten Eltern, Lehrern, Erziehern, Referendaren und (leider zunehmend) Kindern. Diese verlieren ohne jeden Zweifel unter Stress/ Druck immer wieder den Kontakt zum ganzheitlichen Fühlen des Selbst, klagen über Gefühle der Selbstentfremdung und das Fallen in stereotype Verhaltensweisen, die sie später bereuen. Der durch chronischem Stress und/oder durch destruktive Ich-Zentrierung ausgelöste Verlust des tiefen Fühlens ist für mich zum weltweiten Problem geworden (bzw. zum „zentralen“ Problem) und ich frage mich im Moment ganz praktisch, ob das Klarträumen ein erfolgversprechender Weg ist, den Selbstzugang (z. B. mit meinen Studenten) wieder zu bahnen. Oder ob Wege wie Vision Quest in der Natur oder das Improvisationstheater dafür nicht geeigneter sind.
Bin also mehr an der Praxis als wortfeilen Diskussionen interessiert – der Text war nur als Ausgangspunkt gedacht – vielleicht ungeschickt …

@spell
Natürlich sind das Konstrukte, es werden wohl immer alle Wege zu unterschiedlichen Anteilen dabei sein, klar. Leider wurde das, was hier Selbst genannt wird, in den letzten Jahrzehnten (vor allem in Deutschland) hartnäckig durch die empirische Forschung verdrängt – mit haarsträubenden Folgen für die Wissenschaft – die Weisheit ging an den Unis vielerorts flöten: die Sorge um den Menschen. Um darauf hinzuweisen, ist das Konstrukt ganz brauchbar.
Mir gefällt an dem Text, dass er das parallele, ganzheitliche Denken in der Entscheidungsfindung über das lineare stellt und daraus das Selbst (ähnlich wie Antonio Damasio oder Don) als einen Prozess, als einen Modus sieht.
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Hashin
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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#8
06.04.2008, 21:05
Fortsetzung:
Ein Landstreicher in München hat diesen Modus auf seine Weise beschrieben:

„Willst Du in der Welt ruhen
Mußt Du den Geschmack der Welt lieben
Willst Du den Geschmack der Welt lieben
Mußt Du ihn kennenlernen
Willst Du ihn kennenlernen
Mußt Du feinfühlig werden
Willst Du feinfühlig werden
Mußt Du allen Widerstand aufgeben
Willst Du allen Widerstand aufgeben
Mußt Du auf dem Fleck sitzenbleiben
Mußt Du stehenbleiben, wo Du stehst -
Das Festgehaltene weicht von Dir
Das Unterdrückte gesellt sich zu Dir
Dein Ich stirbt tausend Tode
Die Welt wird in Dir geboren.
(…)
Einst sahest Du ein Land von namenloser Schönheit
Hast Du das vergessen?
Einst kam Dein Tun aus der Quelle der Unschuld
Hast Du das Vergessen?
Einst war in Deinem Fühlen die ganze Welt
Hast Du sie weggeschmissen?

Es ist alles noch in Dir.“

(Aus: Die Harmonie der Welt“ von U. Schade)

Dies nenne ich eine schöne Vision selbstbestimmten Lebens.
Wünsche allen hier ein immer wiederkehrendes Tiröö.

Tiröö !
pleased
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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#9
06.04.2008, 22:58
Zitat:spell bound schrieb am 06.04.2008 18:39 Uhr:

@owa
wie sich entscheidet, welche handlungsweise angewandt wird, wurde ja im text erwaehnt: je nach druck von der umwelt.


...also völlig unfrei/vorherbestimmt, würde der Determinist jetzt sagen.


Zitat:Sundance schrieb

Hmm, ich sehe das eigentlich gar nicht so theoretisch und halte die Frage nach einer absoluten Willensfreiheit für nichtig. Eine relative wäre doch schon viel, wenn sie einem selbst und anderen gut tut.
...

Nunja, du hast oben geschrieben, dass dich Kommentare zum Text interessieren würden... und ich würde nicht schon auf halbem Wege aufhören wollen...
Aber jeder wie er denkt. Bei mir würde eine aus so mancher Sichtweise destruktive Ich-Zentrierung ohne Zweifel sofort diagnostiziert werden. Aber das Klarträumen und damitverbundene Hinterfragen und Kritisieren hat mich dann glaube ich eher erst dahin geführt...

Und nebenbei: Ich finde das Problem Willensfreiheit ebenfalls nichtig und konstruiert (deswegen die Anführungsstriche oben bei dem Wort Problem), nur aus anderen Gründen. bigwink

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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#10
07.04.2008, 22:11
...Sundance schrieb am 06.04.2008 21:03 Uhr: @ Banzai
...diese Liebe, welche die nicht enden wollende, ermüdende, oft so haarsträubend sinnlos scheinende Wiederholung - der eigenen wie der anderen – akzeptiert, würde manch wacher Geist in dieser Welt auf Dauer wohl wahnsinnig werden...

bin immer wieder erstaunt, wie plastisch unser geist ist. liebe ist nahrung.

...Ein namenloses, tiefes Empfinden/Fühlen, das sich selbst auf mysteriöse Weise erkennt und doch so groß ist, dass es weitgehend unbewusst ist und wir kaum Worte dafür haben, höchstens Fragmente...

wenn du im "flow" bist, ist es vollständig. die intellektuelle reihung, die analyse fragmentiert. der verstand, die praktische vernunft ist allerdings notwendig, damit wir "normal" lebensfähig bleiben. satori wird ja immer gerne falsch vestanden als erleuchtung "ein für alle mal".


...(Dons Träume sind für mich ein Beispiel dafür.)...

ja, sie sind das "erhellendste", was ich hier lese. philosophie wird ja leider immer nur in der richtung gerne betrieben, daß ein einverständnis auf formal-logischer, akademischer ebene (also völlig unschöpferisch, deskriptiv) angestrebt wird. - fernöstliche philosophie ist da ja praktischer, also am leben. auch hier gibt es paradigmenwechsel:
http://www.jawiki.de/wiki/display/BA/Die...6D739DABE4

castaneda, alles klar; aber nicht als "gläubiger" zu rezipieren bigwink

...So verstehe ich auch Dons Posting über die Natur des Traums...

...Vielleicht führt Zen direkter in diesen Modus als Klarträumen, welches immer die Gefahr in sich birgt, sich noch mehr mit den einzelnen Inhalten seines (Wach)Traums zu identifizieren...

das ist genau der punkt, über den oft aus angst, die wissenschaftlichkeit als voraussetzungsanspruch zu verlieren, nicht hinausgegangen wird. verständlich.

mehr will ich jetzt grad nicht, - ist sowieso schon immer so extrahiert.
neutral

zunächst lg
banzai!
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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#11
10.04.2008, 23:06
sehr schön, habe die stelle wiedergefunden, die aufschluß gibt über freuds hypothese, träumen sei auch ohne traumentstellung denkbar:

" Die psychoanalytische Theorie behauptet keineswegs, daß es prinzipiell kein Träumen ohne Traumentstellung und ohne Traumzensur gibt. Nur müßten dafür ganz bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Die Möglichkeit des nichtentstellten Träumens hatte Sigmund Freud 1932 in "Meine Berührung mit Josef Popper-Lynkeus" (Anm.6) anerkannt! Im kurzen Artikel zum zehnjährigen Todestag des Sozialreformers würdigte Freud noch einmal die Tatsache, daß Popper-Lynkeus die Ursache der Traumentstellung unabhängig von seiner eigenen Theorie der Traumzensur gefunden hatte. Schon 1909 hatte Sigmund Freud in der zweiten Auflage der "Traumdeutung" (Anm.7) darauf hingewiesen - und es nochmals deutlich 1923 im Artikel "Josef Popper-Lynkeus und die Theorie des Traumes" (Anm.8) ausgeführt. Aber in der Würdigung von 1932 findet sich zusätzlich noch ein interessanter Hinweis. Es sei nämlich durchaus möglich, ohne Traumentstellung zu träumen. Wenn es nicht zur Traumzensur komme, dann sei auch im Alltag nicht verdrängt worden, erklärte Freud - und schloß sich damit der Erklärung von Popper-Lynkeus an. Freud bedauerte es, dessen Ansichten über die Rechte des Individuums nicht mit vertreten zu können, weil seiner Auffassung nach "weder das Verhalten der Natur noch die Zielsetzungen der menschlichen Gesellschaft ihren Anspruch voll rechtfertigen" (Anm.9)."

Q: http://www.oobe.ch/81Alnf-2.htm#KoGe

lg
banzai!
offene weite - nichts von heilig
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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#12
14.04.2008, 16:50
Lieber Banzai,
danke für Deinen Hinweis auf Josef Popper-Lynkeus und diesen Link http://www.oobe.ch/freud.htm
Habe darin einen Seelenverwandten gefunden - wirkliche Klarheit, schön !!
Herzlichst happy
Sundance
Kein Himmel - keine Erde
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Hashin
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Re: Selbstbestimmt Träumen - selbstbestimmt Leben ?
#13
15.04.2008, 22:33
hi sundance big

an ander stelle http://www.klartraumforum.de/forum/showt...id=2#unten
wirds dann wieder aufgenommen. ich nenn das mal den zentralbaß des forums...

lg
banzai!
offene weite - nichts von heilig
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