(02.03.2013, 14:39)Glassmoon schrieb: [quote='lain' pid='160743' dateline='1362222269']
Wissenschaft lebt davon, Wissen zu schaffen und nicht bloß Altes zu reproduzieren und zu «bewahren» – das ist das Metier von religiösen Institutionen, was die Kirchen seit Jahrtausenden betreiben. Das Mittelalter ist vorbei.
Sry für OT…
Zu dem Satz schreib ich gleich was, nur vorneweg, ich glaub, ich weiß was du meinst und geb dir auch absolut recht; ich glaub, eigentlich sehen wir die Dinge ganz ähnlich, reden nur manchmal aneinander vorbei, vielleicht drück ich mich manchmal etwas mißverständlich aus.
Ich geb dir recht, daß man sich selbst nicht kasteien sollte, sich also zu streng betrachten, sich als "Sünder" fühlen, also dieser übertriebene Schuldkomplex der Kirche z.b wie du richtig feststellst. Dennoch halt ich Schuldgefühle durchaus auch mal für sinnvoll; es gibt nur wenige Dinge, die ich in meinem Leben bereue, aber ein oder zwei sind dabei, und die waren echt scheiße, so daß ich dafür durchaus Schuldgefühle empfinde. Und ich find das GUT, weil sie sorgen dafür, daß ich so einen Unsinn nie nie wieder machen werde. Der Unterschied ist vielleicht, daß ich mich durch diese Gefühle nicht negativ fühle, also ich verurteile mich dafür nicht.
Auch auf diese Schuldgefühle wegen Milchprodukte bin ich irgendwo auch STOLZ, weil ich find sie "richtig"; zu meinen Wertvorstellungen gehört es nunmal, Tiere nicht so scheiße zu behandelen und ich möcht mich halt so wenig wie möglich dran beteiligen. Aber ich kann damit gut leben, ich kann mir trotzdem erlauben, das weiterhin zu essen, weil ich eben akzeptierer, daß ich Mensch und keine Heilige bin, das ist halt nix "selbstzerfleischendes", da geb ich dir absolut recht, das würde einen auf Dauer zermürben, ich glaub, das liegt einfach an Akzeptanz, ich find das völlig OKAY, "fehlbar" zu sein, ich WILL auch gar keine Heilige sein, also das Wort "fehlbar" ist für mich nicht negativ besetzt.
Zu den marshmallows z.b.,man kann das auch so handhaben, daß man hinguckt, sich nicht ablenkt, sondern dieses "Ziehen", dieses Bedürfnis genau spürt und es trotzdem aushält, es muß nicht sooo negativ sein. Weil Verzicht tut ja immer nur am Anfang weh, langfristig macht er FREI. Das ist vielleicht am ehesten mit rauchen zu vergleichen, am Anfang, wenn du aufhörst, "zieht" es unglaublich (heißt ja auch nicht ohne Grund "Entzug"

), und du meinst erst, das ist doch Quatsch zu widerstehen, warum solltst du dir nicht dein Bedürfnis erfüllen? Langfristig stellst du aber fest, daß es unglaublich befreiend ist, zu widerstehen, und wenn die unmitelbare Abhängigkeit nachläßt, stellst du ja fest, daß es dir viel besser geht.
Der Sinn des marschmallow Experiment ist ja, erkennen zu können, daß sich Bedürfnisaufschiebung lohnt (da haben sehr viele Menschen Probleme mit), und das geht nicht nur durch Ablenkung sondern auch durch bewußte Auseinandersetzung und bewußtes "Aushalten", das ist vielleicht der Sinn von Askese, und mich fasziniert das auch immer, so daß ich das nicht als allzu quälend empfinde.
Jetzt zu obigem Satz.....ich weiß nicht, ob du die Dinge "Wissenschaft" bezüglich nicht manchmal etwas idealistisch siehst, also meine eigene Erfahrung in der Praxis zeigt da ein etwas anderes Bild. Ich hab mehrere Jahre in einem naturwissenschaftlichen Forschungslabor an einer Universität gearbeitet, und sooooviel mit Wissen "schaffen" ist da jetzt nicht, jedenfalls nicht, wenn es der gängigen Meinung widerspricht. Also meine Vorurteile bezüglich Uni haben sich (leider) bestätigt, 80 % der Professoren sind profilierungssüchtige Egozentriker. Ich weiß nicht, ob man das in Vorlesungen so merkt, und vielleicht ist das in Geisteswissenschaften auch nicht so extrem (ich hoffe es zumindest), aber in der "knallharten" Naturwissenschaft ist es so (und das zählt eh nur, solltest mal erleben, wie die sich über Geisteswissenschaften lustig machen)
Das Problem ist, daß, wenn Professoren erst mal ihren Lehrstuhl haben, haben sie keinen mehr "über" sich und so traut sich keiner mehr zu widersprechen. Das tut Menschen nicht gut, ich glaub, wir brauchen alle mal etwas Widerspruch, jemand, der unseren Kopf auch immer wieder mal etwas zurechtrückt, sonst ist die Gefahr, größenwahnsinnig zu werden. Und das hab ich mehrfach erlebt, ein Prof meinte z.b, "goldene" Hände zu haben (das war sein voller Ernst!), mit dem arbeiteten wir mal zusammen und dazu mußte man Mäusen Blut abnehmen. Das macht man mit ner Kanüle im Auge, und wenn man das nicht vorsichtig macht, geht auch mal ein Auge bei drauf. Ich weiß aus Erzählungen, daß man das vermeiden kann, aber dieser Prof schaffte wirklich JEDES Auge, alle Mäuse waren in kurzer Zeit blind. Jaja, aber "goldene Hände"....
Auch die anderen Profs hatten eine Arroganz drauf, daß es mich teilweise schüttelte. MEIN Prof war zum Glück gemäßigt, sonst hätt ich es da auch nicht zumindest eine zeitlang ausgehalten, der wählte sogar grün, hatte aber lustigerweise auch drei Punker-Kinder, die rückten ihm den Kopf also auch wieder etwas grade

. Ein weiteres Problem ist, daß du dir einen Profstatus nicht erarbeiten kanst, sondern du wirst "berufen", und die sorgen schon dafür, daß sie schön unter sich bleiben. Wenn du das "Spiel" nicht mitmachst, hast du keine Chance. Ich hab ja schon von diesem einen Kollegen erzählt, ein post-doc, hochintelligent, Vollblutwissenschaftler, aber eben auch Umweltschützer und Humanist. Der hat sich geweigert, diesen albernen Mist mitzumachen. Du mußt dir z.B eine gewisse Versnobtheit zulegen, mußt nur das "beste" kaufen, kulturell über die ANGESAGTE Kunst fachsimpeln, nicht etwas Außenseiter vertreten und und und, das ist so wie in der Medizin, wenn du da z.b nicht Golf spielst, kannst eine Krankenhauskarriere vergessen.
Dieser Kollege hatte schon Schwierigkeiten, sinnvolle Projekte durchzusetzen, er hat sich z. b. mit der Umweltagentur der Uni zusammengetan,und wir forschten dann an einem Screeningverfahren,um Umweltgifte im Blut sichtbar zu machen. Ist ja ethisch sehr löblich, ne? Hat aber nicht so ein "Ansehen", zu einem anderen Enzym gab es halt viel mehr Literatur, und man konnte damit mehr "Eindruck schinden", also der Prof hätt es lieber gesehen, sich auf dieses andere Enzym zu konzentrieren. Er hat es aber durchgewinkt, immerhin. Aber dieser Kollege würde NIEMALS berufen werden, da würd man sich ja einen Kritiker in die eigenen Reihen holen, und das vermeidet man natürlich.
Heutzutage geht es auch nicht mehr vorrangig um "Wahrheit",also die Zeiten von Galileo sind vorbei, damals war Wissenschaft ja wirklich bahnbrechend und dringend nötig, um wie du schon sagst, das Mittelalter abzulösen. Aber heute ist man "aufgeklärt", das Thema ist erledigt, und deshalb ist es den meisten wichtiger, ihr eigenes Schäfchen in`s trockene zu bringen. Wir hatten z.b. Ergebnisse, die denen in der Literatur widersprachen. Und auf einem meeting begegnete mein Kollege einem Studenten/Doktorand/Diplomand, der ihm fast jubelnd um den Hals fiel, weil er das gleiche gemessen hatte. Sein Doktorvater sagte ihm aber, das könne gar nicht sein, und das dürfe er auch auf keinen Fall veröffentlichen, das würde Ärger geben. Die Ergebnisse widersprachen nämlich einer "Koryphäe" aus diesem Gebiet, und das hätte dann seinen Status gefährdet, verstehse? Also werden solche Veröffentlichungen boykottiert.
Zu Doktorarbeiten, auch da hab ich einiges mitgekriegt, die Habilitation vom erwähnten Kollegen war natürlich genial, vorbildlich, wissenschaftlich, ehrenhaft, aber auch da hab ich anderes erlebt...da läßt man einfach mal Ergebnisse untern Tisch fallen, wenn sie einem nicht passen, andere lassen sich "durchziehen", da ist dann durchaus auch mal Mitgefühl seitens der Profs da, und auch da geht es ja auch wieder um "ihren" Lehrstuhl, der muß natürlich auch doc`s produzieren.....also ein gemachter Doktor HEISST wirklich gar nix, mich beeindruckt das nicht. Und "denken", also jetzt im Sinn von wirklich gründlich, nach links und nach rechts guckend, auf hohem Niveau, kannst auch im normalen Leben lernen, da brauchst keine Uni zu. Da halt ich manches auch für "überkandidelt", vieleicht durchaus mal interessant aber fürs praktische Leben weder brauchbar noch notwendig, also eher wertlos. Gegen solche "Gehirnarobatik", die oft genug nur der eigenen Befriedigung dient, "geistiges Onanieren" nannte es mal jemand, hab ich mich immer gewehrt. Außerdem hab ich auch erlebt, daß bei einer Überbetonung des Intellekts anderes auf der Strecke bleibt. Also mich hat die Inteligenz von manchen schon echt beindruckt, aber dann kamen auch immer wieder Klöpse, wo ich dachte, wie kann derjenige denn jetzt auf einmal so dumm sein?? Oftmals waren sie intellektuell höchstklassig entwickelt, in ihrer emotionalen Entwicklung aber auch gerne mal die reinsten Babys, ja sorry, war halt so.
So läuft Wissenschaft heutzutage leider oft, weit von dem eigentlichen Ideal entfernt, und ich halt sie heutzutage für viel zu feige, zu bequem, zu egozentrisch, zu eingeschränkt im Weltbild, als daß sie noch wirklich Neues SCHAFFEN könnte. Das kommt heutzutage eher von Pionieren, von Leuten die sich trauen, vorgefertigte Wege zu verlassen, die "Spinner" eher. Und da geht es mit neuen Ideen wie schon immer, erst wird sich drüber lustig gemacht, dann wird sie bekämpft und dann wird so getan als sei es immer schon so gewesen, und was das vegetarische/vegane angeht, wird das genauso laufen, tipp ich, braucht alles natürlich noch, das ist in der Welt halt so.
Verstehst du so, was ich mein? Ich glaub, wir sind da gar nicht so weit voneinander entfernt, ich kann jedenfalls deine Sichtweise gut nachvollziehen.
lg
(02.03.2013, 14:35)Faiky schrieb: Du bist der zweite der daran zweifelt, ob ich mich selber mag. Langsam zweifel ich wirklich dran
aber warum sollte ich das tun? Nur weil Missachtung und ähnliches bei mir Frust und Depression auslöst muss das doch nicht heißen, dass ich mich selber nicht mag? Oder etwa doch, dann brauch ich eine logische Erklärung.
Hm, ich probiers mal mit einer logischen Erklärung. Also nehmen wir mal an, du würdest dich selber mögen, sagst also "ich mag mich" und dann sagt ein anderer "ich mag dich nicht". das wär dann ja praktisch "Aussage gegen Aussage", ne? Also quasi eine "Patt-Situsation".
Wieso sollte es dann Frust auslösen?? Da gibt es eigentlich nur zwei Erklärungen für, entweder du bewertest die andere Meinung HÖHER als deine eigene (dann frag ich mich natürlich, wieso? Klar ist ne andere Meinung auch wichtig, aber die eigene doch mindestens genauso) oder sie ist von vornherein halt nicht so, daß sie wirklich gleichwertig zu der anderen ist.
ist das logisch genug?
lg