glass, ich hab dich noch nicht...
so the story continues.
Zitat:Openthesaurus nennt mir als Synonyme:
Allheilmittel · Panazee · Patentlösung · Patentrezept · Stein der Weisen · Wundermittel · Wunderwaffe.
Passiv anwenden ist für mich das unreflektierte Abarbeiten einer «Liste zum Erfolg», wie sie von vielen Ratgebern angeboten werden. Wie eben Ratschläge von vielen Menschen verstanden werden.
mir ist es eigentlich egal, wie man es nennt. wenn du sagst, es gibt hier kein erfolgsrezept, das man unreflektiert abarbeiten kann, stimme ich dem zu. doch dann gibt es auch bedingungen für erfolg, die auf reflektion basieren, und es schien mir, auch diese lehnst du ab, zumindest insofern du meinst, da könne man keine festen bedingungen finden. und dagegen argumentierte ich.
Zitat:Zitat:sage mir, wie man eine funktionierende beziehung führen soll, wenn diese dinge vorherrschen, oder auch bloß "willentlich angenommen" und "wertneutral toleriert" werden - wie soll in so einer atmosphäre liebe überhaupt möglich sein?
Für mich selbst gar nicht. Andererseits sehe ich, daß andere mit diesen Konzepten überaus glücklich wirken. Meist etwas unreflektiert, aber glücklich.
das ist der schwierigste teil für mich. ich kann nicht gut nachweisen, wie sich andere menschen fühlen. dennoch halte ich die einstellung, ihnen ihr glück zu glauben, für naiv, wenn man nicht ausschließen kann, ja nichtmal in betracht zieht, dass es eine lüge ist. und damit meine ich nicht vorwiegend eine bewusste lüge.
ich könnte als gegenbeweis für das glück der meisten bloß indizien anführen wie die große zahl an seitensprüngen, die verbreitete existenz von kunst und medien, die eindeutig sehnsüchte und frust widerspiegeln, die vielen offensichtlichen und subtileren gewalttaten, die es auf der welt gibt... die standard antwort darauf ist: "das trifft vielleicht auf die meisten zu, aber nicht auf mich. ich bin wirklich glücklich." - in deinem munde wäre es vllt: "zumindest gibt es einige leute, die glücklich damit sind, wenn auch nicht alle."
- und dann ist da noch die idee des: "es ist die best mögliche art zu leben für einige leute. mit allem anderen wären sie nur noch schlechter dran." das ist im grunde schon ein halbes zugeständnis daran, dass das mittelmäßige leben eigentlich nicht toll ist, so wie du es ja als typisch deutsches meckern schon bezeichnet hast - ein zugeständnis, das mittels des realitätsprinzips schnell wieder als "was kann man schon machen" abgewunken wird. und das ist, trotz allem lächeln, selbst wenn es mit humor genommen wird, doch eine ziemlich pessimistische sichtweise, findest du nicht?
was mich aber wirklich interessiert an deiner aussage ist, wieso du sie überhaupt äußerst - wo du doch selbst meinst, du würdest damit nicht glücklich werden. es hat wohl mit deinem toleranz- gedanken zu tun. man kann ja anderen nicht seine sicht von glück aufzwingen. und vllt noch mehr: jeder hat eben andere bedürfnisse fürs glück. ich stimme ersterem sofort zu: man kann es niemandem aufzwingen, und leute die darauf beharren, glücklich zu sein, auch wenn ich es ihnen nicht glaube, sollen mit ihrer mittelmäßigkeit meinetwegen verrotten.
aber es geht mir um etwas anderes. darum, zu sehen, was richtig ist, und was falsch. die idee, jeder hätte andere bedürfnisse, dient vor allem der rechtfertigung für die feigheit, nicht partei zu ergreifen für die wahrheit. und dafür partei zu ergreifen muss nicht dem zweck dienen, anderen ihr glück aufzuzwingen. es reicht, wenn es denen dient, die tatsächlich hilfe brauchen und wollen. mittelmäßige leute, sofern sie einsam verrotten, schaden wenig - allerdings wenn sie kinder kriegen, sind ja gerade sie es, die andern ihre schlechten maßstäbe aufzwängen, und wenn dann die gesamte gesellschaft davon durchseucht ist, macht sie denen die mehr suchen das leben schwer, weil höhere ansprüche verpönt bis verboten sind, oder weil es niemanden gibt, der sie unterstützt.
es ist schon witzig, wie in meinen diskussionen mit polys diese oft dabei enden, für monogame leute partei zu ergreifen, weil sie von diesem toleranzdenken nicht wegkommen können - obwohl sie vom gefühl her schon wissen, dass es falsch ist, wird es zur "privaten geschmacksfrage" degradiert - als wären eben alle menschen verschieden, jeder lebensstil gleichwertig, und monogamie für den rest der welt völlig ungefährlich. (und das ist nur ein beispiel. ein anderes wäre die geschlechtertrennung.)
Zitat:Sind Beziehungen mit Potential mittelmäßige Beziehungen? Darf man in der Konsequenz keine Beziehung zu real existierenden Mitmenschen eingehen? Darf eine perfekte Beziehung kein Konfliktpotential haben? Dürfen die Individuen und die Beziehung an Konflikten wachsen? Wie verhält es sich mit der eignen Beschränktheit? Dieser Bereich ist mir noch ziemlich unklar.
beziehungen mit potenzial sind mittelmäßige beziehungen, jo. aber sie haben definitionsgemäß potenzial, mehr zu werden. von erlauben oder verbieten ist hier nicht die rede, es geht allein um möglichkeiten. und wenn man mittelmäßige ansprüche "akzeptiert" und sie nicht scharf kritisiert, endet man gerade dabei, das potenzial einer mittelmäßigen beziehung zu vernichten und sie zu ewigem mittelmaß zu verdammen - sofern sie ewig hält, that is. man
sollte sogar an konflikten wachsen.
doch meistens ist es ja ganz anders: man sucht beziehungen nicht, um zu wachsen, sondern um es gemütlich zu haben, um endlich den sicheren hafen zu finden, den man in seinem eigenen herzen nie hatte. mit einem solchen anspruch ist eine beziehung zum scheitern verurteilt, selbst wenn sie es schafft, ein leben lang zu überdauern - die menschen darin bleiben zombies.
es ist vllt ähnlich wie die naivität des alkoholikers (nennen wir ihn "robert", um darauf hinzuweisen, dass es ein für alkoholiker nichtrepräsentatives gedankenexperiment ist), der zwar ganz richtig merkt, dass man durch etwas alkohol eine kleine hilfe haben kann, z.b. offener zu werden, zu spüren was man sonst weniger spürt (oder wenn man keine hilfe bräuchte, es ein wenig genießen könnte) - aber nicht bedenkt, dass seine sucht dieses unternehmen schnell der reflexion und des genusses beraubt und eher schädlich als hilfreich endet. mit menschen richtig umzugehen ist vllt ähnlich schwierig, nicht nur weil andere, z.b. "beziehungssüchtig" (oder geschlechtssüchtig, usw.) sind, sondern man selbst auch. deshalb ist die lösung mit polyamorie zwar eine nette richtung, aber auch so vergeblich.
Zitat:Meiner Erfahrung nach täte es ebenso vielen Menschen mal gut, ihren Mitmenschen zunächst mal wertungsfrei entgegenzutreten und anschließend erst in die Analyse zu gehen. Eben im Gegensatz zur vorurteilsbestimmten Begegnung.
jetzt sagst du also, der gegensatz zur neutralität sei das vorurteil. so gesehn würd ich natürlich sofort zustimmen, doch was ich am anspruch der wertungsfreiheit kritisiere, ist eher die tatsache, dass dadurch jegliches werten als vorurteil vorverurteilt wird. als könnte man nicht schon lange ein urteil gefasst haben, aufgrund vergangener erfahrungen - als müsse man sich jedes mal den selben scheiß, den jemand erzählt, von neuem anhören, damit man ja unvoreingenommen beurteilen kann, ob es scheiß ist oder nicht. aber vielleicht hast du es nichtmal so gemeint, und tatsächlich nur in dem sinne wie du beschreibst.
Zitat:Sich gegenseitig in seiner Meinung und in Ideen zu respektieren hat für mich rein gar nichts damit zu tun, keine Wertung vornehmen zu dürfen. Ich kann auch starken Nationalismus respektieren, muß aber die Meinung nicht teilen und darf angeführte Gründe auch für unsinnig halten.
das versteh ich nun nicht. welchen wert hat dieser respekt? wozu? und wie kann ich jemandes meinung respektieren, wenn ich sie für grundfalsch und zerstörerisch halte?
Zitat:Die praktische Relevanz besteht darin, daß es vielen eben nicht möglich ist und die Gegenseite gar nicht erst angehört wird. Scheuklappen ablegen und andere Perspektiven offen zulassen, denn möglicherweise befindet man sich selbst im Irrtum. (Hier haben wir auch wieder den Narren.)
wenn die andern perspektiven denn
neue wären, würd ich dem ja zustimmen...
Zitat:Du kannst den Satz und meine Interpretation so trivial finden wie Du willst, beherzigt werden diese Punkte im allgemeinen nicht. So ganz trivial scheint das nicht zu sein. Und weshalb sollte man Widrigkeiten, die Dir von außerhalb Deines Aktionsradius entgegenkommen nicht mit Humor begegnen? Die deutschesten Alternativen sind meckern und weggucken. Ich kann nicht alle meine Mitmenschen dazu bewegen, auf meiner Wellenlänge zu ticken oder gar zu perfekten Menschen zu werden. Ich kann darüber verzweifeln oder drüber lachen. Ich wähle Letzteres
so wie es sich im innern anfühlt, sollte man sich wohl dann auch fühlen. sei es verzweiflung oder lachen, man kann sich das nicht aussuchen. wichtig ist, dass man die wahrnehmung nicht verdrängt, dass tatsächlich etwas eine widrigkeit ist.
doch es geht mir um noch was anderes, und das ist auch schon der pessimismus- punkt: was ist denn außerhalb meines aktionsradius, und was innerhalb? was sind denn die möglichkeiten, die man hat? wenn jemand sagt, man muss halt mit mittelmäßigen beziehungen oder mit einem lauwarmen glück zurande kommen, ist es pessimismus. nicht nur, dass es chancen gibt auf "mehr" in beziehungen, die verspielt werden, indem man das "weniger" akzeptiert oder sich damit zu viel umgibt; auch dass man so unbedingt ne beziehung zu brauchen meint, so sehr die einsamkeit scheut, dass man dafür das potenzial der "abstinenz" vernachlässigt, ja sogar aufopfert im rausch und wirrwar des gemütlichen.
und insofern hast du wohl recht: es ist schon zuerst mal angenehmer, so ein normales leben zu führen. doch es ist lau, und auf lange sicht, ist der sinn des lebens, der im intensiven erleben besteht, verfehlt. es ist dann wertlos. nicht für andere, sondern für das subjekt des lebens selbst.
Zitat:Die Pessimismuspunkte verstehe ich allerdings nicht. Sich nicht gleich verärgern zu lassen, sich selbst mit Humor nehmen zu können und seine Mitmenschen zu respektieren ist für mich alles andere als pessimistisch. Der depressive Pessimist wertet meinem Verständnis nach gerade seine Mitmenschen und darüber sich selbst massiv ab. So hab ich zumindest (mitunter suizidal) Depressive in meinem Umfeld wahrgenommen. Sie hatten in ihrer Egomanie weder Humor noch Respekt vor irgendwem und als letztes vor sich selbst.
ist es nicht abwertung des eigenen selbst, und des potenzials in der welt, seine ansprüche herunterzuschrauben?
Zitat:Der Narr steht als Symbol in der klassischen Interpretation für natürliches Urpotential, kreatives Chaos, Neubeginn, Leichtigkeit, Bewußtsein für die unendliche Fülle seiner Möglichkeiten, Zwanglosigkeit, Neues unvoreingenommen spielerisch anzugehen und all derlei. Das müßte Dir doch in vielen Punkte entgegenkommen, weshalb mich Deine starke Abscheu dem Narren gegenüber schwer verwirrt.
dem würde ich ja zustimmen, aber jetzt tust du so, als hättest du es von anfang an so gemeint. was mich aber in deinem beitrag zum narren störte war die assoziation mit dem "nicht sinnbehafteten handeln". auch wenn man die vielleicht unterschiedlich deuten können mag, glaube ich, dass du damit meintest: "jeder macht mal fehler, niemand ist perfekt, und das hat keinen wirklichen grund, also können wirs auch nicht ändern. wir sind verdammt zur irrationalität und sollten das lieber zelebrieren, als es zu betrauern." und dem stimme ich natürlich nicht zu.
eine andere ebene. ich frage mich, was du vor hast, mit deinen aussagen. wieso du sie anführst. denn ich halte sie weitgehend für ausflüchte. vllt ist manches dabei das ich falsch verstehe, das du richtig stellen willst. wieso verteidigst du die toleranz und das falsche leben (zumindest der anderen) so sehr? und was hast du mit dem leben vor und mit den beziehungen und mit den leuten, zu denen du keine besondere beziehung hast?
und was hältst du eigentlich von meinen aussagen? ich meine, wie kommen sie dir vor, von der art, und der intention her?
ich selbst behaupte, ich versuche, herauszufinden, wie du tickst. und ob wir freunde sein können. wir haben uns schon öfter gesehn und gut verstanden. aber mir reicht sowas nicht, und ich würde es auch opfern, falls es sein muss, um herauszufinden, ob da mehr
potenzial ist, das man entfalten kann.
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner