(05.07.2018, 05:40)insomnia schrieb: Ja. Ich lehne den Religionsunterricht ab.
Erstens: Welchen sollte ich auswählen? Den katholischen, evangelischen oder muslimischen? Wofür sollte ich mich im Sinne meiner Kinder entscheiden? Verzicht bzw. Neutralität fand ich besser als - "nehmen Sie doch evangelisch... das macht die Klassenlehrerin" - Nope.
Evangelischen oder katholischen halt. Also ich denke halt so: Wenn dir nicht gerade speziell wichtig ist, dass deine Kinder nichts über die Bibel und das Christentum lernen, spricht auch nichts dagegen, dass sie irgendworan teilnehmen? Ich erinnere mich noch, wie ich die Kinder, die an keinem Religionsunterricht teilnahmen, immer etwas eigenartig fand. Religionsunterricht war immer ganz witzig und ich habe mich immer gefragt, was die Kinder in der Zeit machen und warum sie sich nicht einfach zu den anderen in den Unterricht sitzen können, also warum das für sie “verboten ist”. Das sah ironischerweise für mich immer nach Sekte aus, obwohl es streng genommen ja weniger etwas von Sekte hat.
Auf dem Gymnasium bin ich irgendwann zum Ethikunterricht gewechselt. Das lag aber ausschließlich daran, dass mein Religionslehrer scheiße war. Ich hatte die meisten meiner Freunde im evangelischen Religionsunterricht und fand die Stunden sonst ganz cool. Ich tat mich sogar schwer, zu begründen, warum ich zum Ethikunterricht wechseln wollte, obwohl ich damals schon Atheist oder weitgehend atheistisch war (ich glaube, ich war agnostisch).
Ich weiß nicht, ob das an der Schule deiner Töchter jetzt anders ist, aber bei uns war der Religionsunterricht einfach null indoktrinierend und man musste keinerlei Angst davor haben. Im Gegensatz witzigerweise zum Ethikunterricht. Unser Ethiklehrer wollte uns alle zu Kantianern und Stoikern erziehen und wurde gemeinhin an unserer Schule von Leuten als Demagog verschrien. Hat bei mir anfänglich auch sogar gefruchtet, aber ich kam irgendwann davon ab. Er war trotzdem ein exzellenter Lehrer, bei dem man sehr viel gelernt hat.
Die Moral von der Geschichte jedenfalls: Bei Schule geht’s vor allem ums Sozialisieren und der meiste Unterricht ist entweder sinnvoll oder völlig banane. Bei mir war Religionsunterricht völlig banane und ich vermute, dass er das so ziemlich überall ist. Wenn er nicht gerade an der Schule deiner Töchter explizit scheiße ist, wüsste ich nicht, warum sie an keinem Religionsunterricht teilnehmen sollte? Warum ist Neutralität besser als in der Schule zu fehlen? Also, was ist an Neutralität im Vergleich zu irgendeinem banalen Unterricht so wertvoll?
Außerdem schadt’s nicht, ein paar Bibel-Geschichten zu lernen, weil die ja – wie gesagt – überall referenziert werden.
Achso, und ich will mich nicht in deine Erziehung einmischen oder sowas. Man kann halt wenig über sowas reden, ohne dass das direkt irgendetwas suggeriert.
Zitat:Zweitens: Den Besuch des Gottesdienst habe ich meiner Tochter tatsächlich freigestellt. Sie war zweimal dabei und hat dann darum gebeten, dass ihr Wunsch respektiert wird, dass sie nicht weiter daran teilnehmen möchte. Ich musste das mehrfach erbitten, diskutieren und schliesslich stur darauf beharren... Warum heisst Religionsfreiheit eigentlich für gläubige Menschen nie, dass Menschen auch frei von Religion sein dürfen?
Jetzt mach mal ’nen Punkt. Wo wohnst du, in Bayern oder im Erzgebirge oder so? Nein, in Nordrheinwestfalen, sagtest du. Ich selbst kenne sogar persönlich keinen religiösen Mensch, der mir je in irgendeiner Weise seine Religion aufdrücken wollte. Solche gibt es sicherlich, aber ich persönlich, will ich sagen, habe eine absolut gegenteilige Erfahrung gemacht: Die religiösen Menschen, denen ich begegnet bin, waren allesamt aufgeschlossener und entspannter als die militantesten Atheisten, denen ich begegnet bin. (Liegt vielleicht aber auch nur daran, dass Religion derzeit sehr in der Defensive liegt.) Sogar der Pfarrer, bei dem ich konfirmiert worden bin, hatte keinerlei Problem damit, dass ich Atheist bin. Überhaupt ist er einer der feinsten Menschen, denen ich je begegnet bin.
Aber gut, ich muss das vielleicht ein bisschen korrigieren: In der Kinderkirche gab es ein paar militante, krätzige protestantische Weiber, die es an sich genommen haben, uns die Bibel zu erklären. Ich erinnere mich nur vage, weiß aber noch, dass sie sehr unattraktiv waren und eine giftige Ausstrahlung hatten und sie gar nicht sympathisch fand. Ich kann mir vorstellen, dass solche Typen wie Hyänen über einen herfallen, sobald sie in der Mehrzahl sind. Vielleicht hast du einfach nur Pech gehabt mit deinen Kontakten zu religiösen Menschen?
Ich glaube, ich hatte hauptsächlich Glück.
Zitat:Bei der Auswahl des Kindergartens haben wir tatsächlich den Spruch bekommen, dass wir schlimm sind, weil andere glauben ja wenigstens irgendwas. Wow - echt Beifall. Genauso möchte ich meine Kinder erziehen und aufwachsen lassen - Nicht.
Leute sind dumm. : ( Aber ehrlich gesagt, ich würde darüber lächeln.
Lange Zeit fand ich übrigens auch, dass Religionsunterricht nichts an der Schule verloren hat. Inzwischen aber finde ich es zumindest nicht schlimm, in Deutschland etwas über das Christentum zu unterrichten. Ich meine, die Kirchen stehen hier ja alle paar hundert Meter da und ansonsten führe ich das Argument von oben gerne noch mal an: Präsenz in der Kultur.
Warum Schulen nicht einfach freistellen, ob und welche Art von Religionsunterricht sie anbieten?