Re: Findest du lügen verwerflich?
06.11.2006, 17:11
um hier noch etwas holz nachzulegen: daß lügen, betrügen, vertuschen und täuschen nicht nur in der politik gang und gäbe sind, sondern entgegen der selbstwahrnehmung (oder -auskunft) eher allgemein "gepflegt", darauf weisen untersuchungen hin. so bei SPON:
"Der gesetzestreue Bürger ist ein Mythos. Wenn Politiker ihn beschwören - das sagen zumindest Susanne Karstedt und Stephen Farrall - lügen sie sich und der Gesellschaft in die Tasche: "Die Mehrheit hält sich nicht an die Gesetze." Das ist die Quintessenz einer Studie, die die beiden Forscher jüngst im "British Journal of Criminology" veröffentlicht haben (Bd. 46, S. 1011). Schuld am moralischen Verfall unserer Gesellschaften ist der ungezügelte Markt, folgern sie aus ihren Ergebnissen."
Q:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensc...81,00.html
der anteil an gesprächslügen bei männern und frauen scheint gleich, nur der inhalt variiert:
"Weiters zeigte sich, dass der Inhalt der Lügen bei Frauen und Männern ein anderer war – gelogen wurde aber gleich oft. "Frauen und Männer lügen jedoch anders", weiß Feldman. Frauen griffen eher zur Lüge, um das Wohlbefinden ihres Gegenübers zu steigern, Männer flunkerten häufiger aus einem anderen Grund. "Männer wollen sich in ein besseres Licht rücken", so der Psychologe."
Q:
http://www.innovations-report.de/html/be...10555.html
nun braucht man darüber nicht betrübt zu sein, oder wenn doch, sich mindestens fragen, warum.
in "GEO-WISSEN" 38 stehen die ergebnisse einer umfrage (ob in umfragen nicht gelogen wird...?) - "in welchen dieser situationen haben sie schon einmal die unwahrheit gesagt?" - z.b. zu folgenden fragen:
"Auf die Frage, wie es mir geht, "ganz gut" geantwortet, obwohl ich mich schlecht fühlte"...
insgesamt: 70,7%; 16-29 Jahre: 66,1%; 60 und älter: 64,3%
usw. (ich versuche mal die ergebnisse zu scannen und hierher zu stellen.)
also moralisch denken ist ganz schön als sonntagsgebot, aber wies dadrunter aussieht, das geht keinen was an.
bei managern heißt das auch nicht "lügen", sondern im sinne der sprachregelungskultur: "listgesteuerte rationalität". - schließlich stammt die bürgerliche kultur ja ab vom vater der listen, odysseus, einem hochkreativen, - sonst wäre er von seiner reise nicht zurückgekehrt.
dies verhalten ist aber selbstverständlich nicht nur eine entdeckung der europäischen kultur. "sanshiliu ji" ein geheimes buch der kriegskunst, entstanden um 1500 in china, sagt in regel 28: "Auf das Dach locken, um dann die Leiter wegzuziehen."
(variante für deutschland: den vorgang mit einem kräftigen "HÄ, HÄ, HÄ!" abschließen.)
und wer lügen immer noch für grundsätzlich verwerflich hält, kann hier erkennen, welche philosophischen dimensionen das thema enthält:
http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/p...dietz.html
frau Dietz buch zum thema: Die Kunst des Lügens. Eine sprachliche Fähigkeit und ihr moralischer Wert. Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2003. von
Univ.-Prof. Dr. Simone Dietz (Düsseldorf) - man könnte ihr ohne zu lügen sagen, daß sie nicht nur klug ist, sondern auch noch gut aussieht
lg
sensei
(nachtrag1 :
http://www.perlentaucher.de/buch/15832.html )