Zitat:und wie missioniert man (sinnvoll, ethisch korrekt, erfolgreich)?
Indem man nie nur Meinungen wiedergibt, sondern immer auch erklärt, wie man zu dieser Meinung gekommen ist, welche Methoden man verwendet hat, welche Argumente. Fehler in Argumenten zu finden ist nicht soo schwer, aber man muss es auch üben. Fehler in den eigenen Argumenten zu finden ist hingegen sehr schwer - aber dazu ist Dialog gar nicht mal so schlecht geeignet.
Wesentlich ist auch, dass es kein "Ich überzeuge dich jetzt sofort"-Gespräch gibt (bzw. geben kann) - denn tief liegende Überzeugungen zu ändern, dauert Jahre oder Jahrzehnte. Aber unmöglich ist es auch nicht.
Ich definiere "Missionieren" hier als: Jemanden von einer Meinung überzeugen oder davon überzeugen, dass eine ihrer Standpunkte falsch ist.
(Damit verwende ich das Wort wahrscheinlich anders, als die meisten - ich mache das, um mich gegenüber missionierenden Christen zu positionieren: Was ihr dürft, darf ich auch.)
ß ß ß ß ß
(Das ist übrigens eine gnutlsche Trennlinie, spell^^)
Zitat:es mag ja nett gemeint sein, mit argumenten zu arbeiten. aber wie kann man einen dialog führen, wenn grundlegende begriffe und argumentationsgrundlagen differieren?
Naja, dann hat man eben erst zu tun, festzustellen, wie jemand Begriffe verwendet. Man muss halt aufpassen, dass man am Ende nicht darüber streitet, wie etwas zu definieren ist (denn das ist meist ziemlich sinnlos), sondern lieber über das, worum es eigentlich gehen sollte.
Zitat:Ich safs euch, irgendein schlauer Hochstapler hat die Bibel vor 2000 Jahren geschrieben, und die Menschen fallen immer noch drauf rein.
Ui, mit der Aussage würde ich vorsichtig sein. Ich vermute, die meisten Autoren der Bibel (wenn nicht sogar alle) waren ziemlich überzeugt von dem, was sie schrieben. Das heißt nicht, dass sie nicht trotzdem Details erfunden haben - aber das war dann eben "göttliche Inspiration".
Zitat:Nein, jede gut gemachte Religion zeigt einige wenige Facetten der Wirklichkeit. Die meisten Schöpfungsmythen lassen sich als blumige Ausschmückungen des Urknalls, der Kondensation von Protonen, der Zusammenklumpung von Sternen und schließlich der Entstehung von Planeten und Leben interpretieren.
Ääähh...
Nicht wirklich. Anders gesagt: Wenn du soo frei interpretierst, dann kannst du fast jede beliebige Erkenntnis in jeden beliebigen Text reininterpretieren.
Zitat:Aber machen wir uns auch keine Illusionen, das meiste werden wir niemals herausfinden können, da unsere Begrifflichkeit Zeit und Raum voraussetzt und weil wir nur begrenzte Mittel der Beobachtung haben und je werden haben können, die feine Strukturen schon durch das reine Beobachten kollabieren lassen (Doppelspaltversuch und andere Quanteneffekte).
Ob wir je ein vollständiges Bild der Physik haben werden? Keine Ahnung. Aber ich glaube, du unterschätzt die Kreativität der Quantenphysiker. Raum und Zeit haben da einige schon durch pure Mathematik ersetzt, glaub ich.
Zitat:Denkbar wäre aber auch, dass Wissenschaft ihre Selbstdefinition erweitern wird und Methoden der Erkenntnisgewinnung aus Religionen Eingang finden.
Soweit das bisher ging, ist das schon passiert. Hypnose, Klarträume, Nahtoderfahrungen, Meditation, ... haben ihren Weg in die Forschung gefunden. Teils noch nicht mit zufriedenstellenden Ergebnissen, aber hey, Hirnforschung hat grob betrachtet gerade erst angefangen.
Zitat:Jenseits ihrer Wohlfühlzone ist Wissenschaft Religion.
Ich habe keinen blassen Schimmer, was du damit sagen willst - weil ich nicht weiß, was der Begriff "Religion" für dich bedeutet.
Jenseits des bekannten Wissens (immer nicht-absolut gedacht natürlich) gibt es nur verschiedene Hypothesen - die versucht man zu falsifizieren... wo da die Religion reinkommen soll, kA.
Zitat:hmm aber es gibt ja auch viele umgekehrte fälle, wo leute zuerst materialisten warn und dann bekehrungserlebnisse hatten. weiß nicht, wofür man das als argument verwenden kann... weiß aber auch nicht ob das was ich im post vorher sagen wollte rüberkam.
Ich weiß nicht, wie weit verbreitet dieser spezifische Glaube ist, aber: Ich kenne Christen, für die es grundsätzlich mal zu ihrem Glauben gehört, dass, wer einmal Jesus gefunden hat, nicht mehr abfallen kann. Daher werden Aussteiger entweder a) totgeschwiegen oder b) erklärt mit: "Ah, der hatte Jesus eben gar nicht
wirklich gefunden!"
Alles andere passt nicht ins Weltbild und würde zuviel kognitive Dissonanz erzeugen, nehm ich an.
Wenn ich diese also auf Aussteiger hinweise, die früher ganz feste Gläubige waren, ebenso wie sie, dann rüttle ich bereits an dieser Überzeugung. (Was wahrscheinlich dazu führt, dass diese spezifische Haltung fallengelassen wird, ohne am Rest des Glaubens was zu ändern, aber hey, immerhin mal was
)
Zitat:Ja, aber was jenseits des Urknall ist, Zeit und Raum nicht existent oder was jenseits unseres Universums ist, oder wie ein Elektron "aussieht", dafür werden wir vermutlich niemals Experimente machen können. Wir können nur Theorien und Modelle entwerfen und ihren Wert indirekt bewerten.
Die Theorien haben ihren Wert darin, ob sie uns helfen, uns in der Welt zurechtzufinden. Die Frage, wie ein Elektron "aussieht", ist genaugenommen keine sinnvolle Frage - denn es sieht gar nicht aus. Wie sieht ein Universum von außen aus? Wie sieht pure Liebe aus? Das sind poetische Fragen, keine wissenschaftlichen.
Ein viel praktischerer Fall wäre Geschichtsforschung. Die Frage "Wie oft ging Julius Caesar an seinem dreißigsten Geburtstag aufs Klo?" ist gar nicht transzendent oder so... aber wir können lediglich Vermutungen anstellen, nachdem wir uns ausführlich mit allen Quellen befasst haben (und uns über römische Verdauungsprobleme und so weiter informiert haben). Eine Antwort auf diese Frage wäre immer eine Schätzung. Aber selbst in diesem Fall gibt es Wissen: Wir können zum Beispiel sagen, dass wir wissen, dass Caesar an diesem Tag nicht 5 Millionen Mal uriniert hat - das würde unserem Wissen über Menschen allgemein widersprechen.
Genauso verhält es sich mit manchen physikalischen Erkenntnissen: Wir wissen "X liegt zwischen 1 und 10" aber genauer kommen wir nicht hin, weil unsere Messmethoden versagen. Trozdem steckt darin bereits das Wissen, dass X eben z.B. nicht 11 ist.