Hallo (und an dieser Stelle schonmal sorry für den langen Text, ich musste das einfach mal alles runterschreiben),
ich habe mich hier registriert, weil ich nun aktiv Austausch suche. Erst seit ich dieses Forum besuche, weiß ich, dass ich mal eine Art Klarträumer war. Bis letzte Woche hatte ich nicht einmal gewusst, dass es Klarträumer gibt bzw. dass diese Form des Träumens überhaupt erforscht wird.
Zunächst möchte ich mich vorstellen: Ich bin 42 Jahre alt, lebe in Berlin und führe ein zwar sehr stressiges, aber glückliches (Arbeits- und Familien-)Leben. Heute nacht habe ich zum erstenmal seit 20 Jahren wieder eine Art Klartraum gehabt. Im Alter zwischen 5 und 22 erlebte ich sie fast täglich bzw. nächtlich.
Als ich 5 Jahre war, gab es im familiären Umfeld (ohne dass ich das bewusst mitbekommen hätte) eine Verkettung sehr negativer Ereignisse. Ein Schlüsselereignis (dazu komme ich später) war ein verbrannter Finger, als ich versuchte, mit diesem eine erloschene Tischlampe zu reparieren, indem ich die Glühbirne rausdrehte und meinen Finger in die Fassung hineinsteckte… (die unter Strom stand). Noch heute ist die Fingerkuppe völlig verhärtet, fühlt sich also überhaupt nicht an wie eine Fingerkuppe. Kurz darauf starb mein Vater. Ich bekam Heuschnupfen und Epilepsie (Grand Mal Complex). Wenige Wochen später wurde ich eingeschult.
Mit der Epilepsie begannen meine Klarträume. Ich wurde medikamentös behandelt und wurde am Anfang wöchentlich, später monatlich im EEG-Labor untersucht. Erst als ich 22 Jahre alt wurde, verschwand die Epilepsie schlagartig. Und mit ihr die Klarträume.
Ich habe die Klarträume nicht unbedingt als normal wahrgenommen, aber auch nicht als was Besonderes. An Tagen, an denen ich einen epileptischen Anfall hatte, waren sie besonders stark und gefühlt sehr lang. Entweder bekam ich mitten am Tag einen Anfall - darauf war ich überhaupt nie vorbereitet, er überfiel mich regelrecht. Oft hatte ich sie beim Mittagsschlaf (also im Kindesalter) oder abends beim Einschlafen. Irgendwann hatte ich gelernt, dass sich die Anfälle mit Halluzinationen ankündigten.
Diese Halluzinationen hatten drei Dinge gemeinsam:
- Erstens hatten sie immer eine reale Grundlage, die statisch/bewegungslos war, z.B. Jalousien, das Kopfkissen neben mir, die Lampe an der Decke.
- Zweitens fingen diese statischen Dinge an, sich erst langsam, dann immer deutlicher auf mich zu zu bewegen.
- Und drittens nahm die Geschwindigkeit derart zu, dass ich immer atemloser wurde. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit gab es einen Loop (also eine Wiederholung, gleichzeitig kamen aber auch Drehungen hinzu) und ich fühlte enorme Fliehkräfte an mir zerren.
Diese Fliehkräfte führten meistens dazu, dass ich das Bewusstsein verlor und der Anfall einsetzte.
Die Klarträume hingegen wurden IMMER durch Alpträume ausgelöst, und davon hatte ich eine Menge. Typischerweise träumte ich von einem Unfall, entweder im Auto, im Zug oder in einem Flugzeug. Die Klarheit setzte bei ruhiger Bewegung ein, aber ich war noch nicht so richtig klar. Erst als die Geschwindigkeit zunahm, war ich plötzlich bei vollem Bewusstsein im Traum. Ich konnte ihn aber nicht steuern. Immer gab es dann eine Drehung, z.B. beim Sturz von einem Berg/aus der Luft/von einer Brück/zu hohe Geschwindigkeit in einer Kurve/von Treppenstufen, die ohne Zusammenhang in der Luft schwebten. Immer dachte ich in dem Moment: Warum wird das denn immer schneller? Und immer begannen in der Drehung diese heftigen Fliehkräfte an mir zu zerren.
Entweder wachte ich dann auf. Seltener, später immer öfter, lösten die Fliehkräfte aber eine Art Klarheit in mir aus (sie brachten mich ins Fliegen und auf einemal wurde mir das Träumen bewusst), als hätte ich eine dritte Stufe erreicht. So konnte ich ganz einfach die Szenerie wechseln. Ich weiß aber nicht, wie ich das Wechseln gemacht habe - ich habe sie einfach gewechselt, es wurde ausgelöst, ich hab das nicht aktiv gemacht. Wie ich jedoch ins Fliegen kommen konnte, war mir total klar. Manche Träume dauerten nur Augenblicke, manche Stunden.
Mit 22 Jahren hörte das alles von einer Nacht auf die andere auf. Seitdem habe ich zwar täglich Träume, an die ich mich erinnern kann, ich war in ihnen jedoch nie wieder bewusst aktiv. Ich habe seitdem auch nur noch selten Alpträume bzw. habe gelernt (noch ein Schlüsselereignis), schnell aus einem Alptraum aufzuwachen, indem ich im Traum meine (nur im Wachzustand verhärtete) Fingerkuppe berührte (ohne zu wissen, dass ihr sowas Reality Check nennt) und zu mir selbst sage: »Wach auf!« D.h. in den letzten 20 Jahren habe ich keine Klarträume mehr, weil ich mir die Möglichkeit dazu binnen Sekundenbruchteilen selbst nehme.
Weiter: Nun kam ich im Rahmen meines beruflichen Umfelds (wir arbeiten mit Eyetracking-Technologien, seit Kurzem auch mit EEG, wo wir emotionale Reaktionen von Probanden mittels Hirnströmen messen und die Daten mit Eyetrackingdaten synchronisieren) zum Einen mit EEG-Technologien und zum Anderen mit Traumberichten in Kontakt. Jemand erzählte mir in diesem Zusammenhang von luziden Träumen. Das war wie ein Aha-Effekt: Moment mal, das kenne ich doch von mir auch? Eine kurze Google-Recherche brachte mich schließlich vor ein paar Tagen in dieses Forum, in dem ich einen kompletten Abend verbrachte.
Plötzlich wurde mir klar, dass meine verhärtete Fingerkuppe in Alpträumen wie ein Reality Check funktionierte: Ich berührte im Alptraum die Kuppe, spürte, dass sie sich wie ein Finger anfühlte, wusste in dem Moment, dass ich träume, und konnte deshalb aufwachen. Ist nur aus heutiger Sicht ein ziemlich doofer Reality Check, denn er lässt mich schlagartig aufwachen. D.h. ich habe mir später nie die Möglichkeit gegeben, meine Klarträume bewusst zuzulassen! Ich habe mich bewusst aus ihnen entfernt! Wie blöd ist das denn? Wie kriege ich das wieder hin?
Denn: Heute Nacht hatte ich wieder nur so eine Art Klartraum. Zum erstenmal seit 20 Jahren. Vorher hab ich hier im Forum gelesen, bis ich müde wurde.
Ich sitze mit Xavier Naidoo (ich hab am Abend für ein paar Sekunden Voice-of-Germany-Werbung gesehen, sonst keinen Bezug zu ihm) in der Tram, wir fahren vom Hauptbahnhof Richtung Prenzlauer Berg. Die Fahrt ist ganz ruhig. Ich kann mich nicht an das Gespräch erinnern, bin aber schon irgendwie im Traum drin, nur nicht wirklich bewusst. Dann ist es, als werde ich auf der ersten Stufe bewusst. Ich frage ihn, was er von Berlin hält. Er erzählt mir, dass die Stadt ein »zweischneidiges Schwert« für ihn ist und wie nervig er es findet, »hier mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Stadt fahren zu müssen«. Auf einmal wird die Tram immer schneller (zweite Stufe) und ich bin voll im Traum. Ich überlege mir, was ich ihn fragen wollte, ich packe ihn am Arm, weil die Tram immer schneller wird, seine Augen werden immer größer, wir rasen auf eine kurvige Brücke, ich sehe aus dem Fenster, wie die Tram in eine wahnsinnig enge Kurve hineinbrettert, die Kurve wird immer immer enger, wir entgleisen, Xavier schreit fünfmal schnell hintereinander: »Nein nein nein nein NEIN!« und ich sage ihm völlig ruhig: »Flieg mit mir hier weg«. Dritte Stufe: Die Fliehkraft zieht an mir, ich schiebe meinen Kopf in die Fliehkraft hinein, strecke meinen Körper, spüre meine Wirbelsäule vibrieren, bin kerzengerade, lege die Arme an und fliege aus der Tram, fast schwerelos, breite dann die Arme auseinander, um den Flug zu stabilisieren.
Genau wie früher, exakt derselbe Vorgang, so kam ich immer ins Fliegen. Es war wie Schwimmen oder Radfahren, das man auch nie verlernt.
Irgendwie danach, irgendwie aber auch im selben Moment spüre ich, wie ich meine Fingerkuppe berühre. Sie ist nicht verhärtet, sondern eine ganz normale weiche Fingerkuppe. Und sage plötzlich zu mir selbst: »Wach auf!«
Ich wache auf und sehe plötzlich die epileptischen Halluzinationen vor mir - wie früher! Glücklicherweise ohne nachfolgenden Anfall. Dennoch hatte ich Angst, wieder einzuschlafen. Seitdem bin ich wach...
Früher war ich glücklich, dass ich mir während eines Alptraums das Aufwachen befahl. Heute, nach dem Lesen im Forum, bin ich natürlich frustriert darüber, dass ich mich nicht im Traum gelassen habe. Seitdem ich hier lese, kommen auch all meine Erinnerungen an meine alten Träume zurück - egal ob ich 5, 10 oder 20 Jahre alt war. Es ist, als würde ich mich an Ereignisse aus meinem Leben erinnern! Das hat mich ziemlich nachdenklich gemacht und ich möchte nun mehr erfahren und erleben.
Hier sind also endlich meine Fragen:
1. Nach dem, wie ihr Klarträumen erlebt und definiert: Was ist da passiert? Diese Stufen oder Ebenen, die ich regelrecht fühle, gibt es dafür eine Erklärung?
2. Ich mach diesen »Fingerkuppen Reality Check« tagsüber nie. Wie kann ich vermeiden, dass ich ihn im Traum mache und mich dadurch aufwecke?
3. Kann das Klarträumen mit der Epilepsie zusammenhängen? Sollte ich mir also jetzt Sorgen machen?
4. Wieso habe ich jetzt nach 20 Jahren wieder so einen Traum gehabt, obwohl ich keine Epilepsie mehr habe? Ist das rein durch die Beschäftigung mit dem Thema passiert bzw. denkbar? Haben vielleicht mit der Epilepsie gar nicht die Klarträume aufgehört, sondern ich habe sie nur unterdrückt?
5. Wenn ja: Muss ich mich einfach nur mit dem Thema weiter beschäftigen und mich hier mit euch austauschen und alles wird gut?
6. Hat hier vielleicht jemand einen ähnlichen Hintergrund/ähnliche Erfahrungen gemacht?
7. Offenbar können Alpträume verbunden mit einem Fliehkraftelement bei mir Klarträume auslösen. Ist das normal? Blöderweise habe ich nur selten Alpträume, jetzt aber Blut geleckt. Gibt es in diesem Kontext einen eleganteren Weg?
Mein Danke an jeden, der dieses Textmonster wirklich bis hierhin mitgelesen hat!
Marcus
ich habe mich hier registriert, weil ich nun aktiv Austausch suche. Erst seit ich dieses Forum besuche, weiß ich, dass ich mal eine Art Klarträumer war. Bis letzte Woche hatte ich nicht einmal gewusst, dass es Klarträumer gibt bzw. dass diese Form des Träumens überhaupt erforscht wird.
Zunächst möchte ich mich vorstellen: Ich bin 42 Jahre alt, lebe in Berlin und führe ein zwar sehr stressiges, aber glückliches (Arbeits- und Familien-)Leben. Heute nacht habe ich zum erstenmal seit 20 Jahren wieder eine Art Klartraum gehabt. Im Alter zwischen 5 und 22 erlebte ich sie fast täglich bzw. nächtlich.
Als ich 5 Jahre war, gab es im familiären Umfeld (ohne dass ich das bewusst mitbekommen hätte) eine Verkettung sehr negativer Ereignisse. Ein Schlüsselereignis (dazu komme ich später) war ein verbrannter Finger, als ich versuchte, mit diesem eine erloschene Tischlampe zu reparieren, indem ich die Glühbirne rausdrehte und meinen Finger in die Fassung hineinsteckte… (die unter Strom stand). Noch heute ist die Fingerkuppe völlig verhärtet, fühlt sich also überhaupt nicht an wie eine Fingerkuppe. Kurz darauf starb mein Vater. Ich bekam Heuschnupfen und Epilepsie (Grand Mal Complex). Wenige Wochen später wurde ich eingeschult.
Mit der Epilepsie begannen meine Klarträume. Ich wurde medikamentös behandelt und wurde am Anfang wöchentlich, später monatlich im EEG-Labor untersucht. Erst als ich 22 Jahre alt wurde, verschwand die Epilepsie schlagartig. Und mit ihr die Klarträume.
Ich habe die Klarträume nicht unbedingt als normal wahrgenommen, aber auch nicht als was Besonderes. An Tagen, an denen ich einen epileptischen Anfall hatte, waren sie besonders stark und gefühlt sehr lang. Entweder bekam ich mitten am Tag einen Anfall - darauf war ich überhaupt nie vorbereitet, er überfiel mich regelrecht. Oft hatte ich sie beim Mittagsschlaf (also im Kindesalter) oder abends beim Einschlafen. Irgendwann hatte ich gelernt, dass sich die Anfälle mit Halluzinationen ankündigten.
Diese Halluzinationen hatten drei Dinge gemeinsam:
- Erstens hatten sie immer eine reale Grundlage, die statisch/bewegungslos war, z.B. Jalousien, das Kopfkissen neben mir, die Lampe an der Decke.
- Zweitens fingen diese statischen Dinge an, sich erst langsam, dann immer deutlicher auf mich zu zu bewegen.
- Und drittens nahm die Geschwindigkeit derart zu, dass ich immer atemloser wurde. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit gab es einen Loop (also eine Wiederholung, gleichzeitig kamen aber auch Drehungen hinzu) und ich fühlte enorme Fliehkräfte an mir zerren.
Diese Fliehkräfte führten meistens dazu, dass ich das Bewusstsein verlor und der Anfall einsetzte.
Die Klarträume hingegen wurden IMMER durch Alpträume ausgelöst, und davon hatte ich eine Menge. Typischerweise träumte ich von einem Unfall, entweder im Auto, im Zug oder in einem Flugzeug. Die Klarheit setzte bei ruhiger Bewegung ein, aber ich war noch nicht so richtig klar. Erst als die Geschwindigkeit zunahm, war ich plötzlich bei vollem Bewusstsein im Traum. Ich konnte ihn aber nicht steuern. Immer gab es dann eine Drehung, z.B. beim Sturz von einem Berg/aus der Luft/von einer Brück/zu hohe Geschwindigkeit in einer Kurve/von Treppenstufen, die ohne Zusammenhang in der Luft schwebten. Immer dachte ich in dem Moment: Warum wird das denn immer schneller? Und immer begannen in der Drehung diese heftigen Fliehkräfte an mir zu zerren.
Entweder wachte ich dann auf. Seltener, später immer öfter, lösten die Fliehkräfte aber eine Art Klarheit in mir aus (sie brachten mich ins Fliegen und auf einemal wurde mir das Träumen bewusst), als hätte ich eine dritte Stufe erreicht. So konnte ich ganz einfach die Szenerie wechseln. Ich weiß aber nicht, wie ich das Wechseln gemacht habe - ich habe sie einfach gewechselt, es wurde ausgelöst, ich hab das nicht aktiv gemacht. Wie ich jedoch ins Fliegen kommen konnte, war mir total klar. Manche Träume dauerten nur Augenblicke, manche Stunden.
Mit 22 Jahren hörte das alles von einer Nacht auf die andere auf. Seitdem habe ich zwar täglich Träume, an die ich mich erinnern kann, ich war in ihnen jedoch nie wieder bewusst aktiv. Ich habe seitdem auch nur noch selten Alpträume bzw. habe gelernt (noch ein Schlüsselereignis), schnell aus einem Alptraum aufzuwachen, indem ich im Traum meine (nur im Wachzustand verhärtete) Fingerkuppe berührte (ohne zu wissen, dass ihr sowas Reality Check nennt) und zu mir selbst sage: »Wach auf!« D.h. in den letzten 20 Jahren habe ich keine Klarträume mehr, weil ich mir die Möglichkeit dazu binnen Sekundenbruchteilen selbst nehme.
Weiter: Nun kam ich im Rahmen meines beruflichen Umfelds (wir arbeiten mit Eyetracking-Technologien, seit Kurzem auch mit EEG, wo wir emotionale Reaktionen von Probanden mittels Hirnströmen messen und die Daten mit Eyetrackingdaten synchronisieren) zum Einen mit EEG-Technologien und zum Anderen mit Traumberichten in Kontakt. Jemand erzählte mir in diesem Zusammenhang von luziden Träumen. Das war wie ein Aha-Effekt: Moment mal, das kenne ich doch von mir auch? Eine kurze Google-Recherche brachte mich schließlich vor ein paar Tagen in dieses Forum, in dem ich einen kompletten Abend verbrachte.
Plötzlich wurde mir klar, dass meine verhärtete Fingerkuppe in Alpträumen wie ein Reality Check funktionierte: Ich berührte im Alptraum die Kuppe, spürte, dass sie sich wie ein Finger anfühlte, wusste in dem Moment, dass ich träume, und konnte deshalb aufwachen. Ist nur aus heutiger Sicht ein ziemlich doofer Reality Check, denn er lässt mich schlagartig aufwachen. D.h. ich habe mir später nie die Möglichkeit gegeben, meine Klarträume bewusst zuzulassen! Ich habe mich bewusst aus ihnen entfernt! Wie blöd ist das denn? Wie kriege ich das wieder hin?
Denn: Heute Nacht hatte ich wieder nur so eine Art Klartraum. Zum erstenmal seit 20 Jahren. Vorher hab ich hier im Forum gelesen, bis ich müde wurde.
Ich sitze mit Xavier Naidoo (ich hab am Abend für ein paar Sekunden Voice-of-Germany-Werbung gesehen, sonst keinen Bezug zu ihm) in der Tram, wir fahren vom Hauptbahnhof Richtung Prenzlauer Berg. Die Fahrt ist ganz ruhig. Ich kann mich nicht an das Gespräch erinnern, bin aber schon irgendwie im Traum drin, nur nicht wirklich bewusst. Dann ist es, als werde ich auf der ersten Stufe bewusst. Ich frage ihn, was er von Berlin hält. Er erzählt mir, dass die Stadt ein »zweischneidiges Schwert« für ihn ist und wie nervig er es findet, »hier mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Stadt fahren zu müssen«. Auf einmal wird die Tram immer schneller (zweite Stufe) und ich bin voll im Traum. Ich überlege mir, was ich ihn fragen wollte, ich packe ihn am Arm, weil die Tram immer schneller wird, seine Augen werden immer größer, wir rasen auf eine kurvige Brücke, ich sehe aus dem Fenster, wie die Tram in eine wahnsinnig enge Kurve hineinbrettert, die Kurve wird immer immer enger, wir entgleisen, Xavier schreit fünfmal schnell hintereinander: »Nein nein nein nein NEIN!« und ich sage ihm völlig ruhig: »Flieg mit mir hier weg«. Dritte Stufe: Die Fliehkraft zieht an mir, ich schiebe meinen Kopf in die Fliehkraft hinein, strecke meinen Körper, spüre meine Wirbelsäule vibrieren, bin kerzengerade, lege die Arme an und fliege aus der Tram, fast schwerelos, breite dann die Arme auseinander, um den Flug zu stabilisieren.
Genau wie früher, exakt derselbe Vorgang, so kam ich immer ins Fliegen. Es war wie Schwimmen oder Radfahren, das man auch nie verlernt.
Irgendwie danach, irgendwie aber auch im selben Moment spüre ich, wie ich meine Fingerkuppe berühre. Sie ist nicht verhärtet, sondern eine ganz normale weiche Fingerkuppe. Und sage plötzlich zu mir selbst: »Wach auf!«
Ich wache auf und sehe plötzlich die epileptischen Halluzinationen vor mir - wie früher! Glücklicherweise ohne nachfolgenden Anfall. Dennoch hatte ich Angst, wieder einzuschlafen. Seitdem bin ich wach...
Früher war ich glücklich, dass ich mir während eines Alptraums das Aufwachen befahl. Heute, nach dem Lesen im Forum, bin ich natürlich frustriert darüber, dass ich mich nicht im Traum gelassen habe. Seitdem ich hier lese, kommen auch all meine Erinnerungen an meine alten Träume zurück - egal ob ich 5, 10 oder 20 Jahre alt war. Es ist, als würde ich mich an Ereignisse aus meinem Leben erinnern! Das hat mich ziemlich nachdenklich gemacht und ich möchte nun mehr erfahren und erleben.
Hier sind also endlich meine Fragen:
1. Nach dem, wie ihr Klarträumen erlebt und definiert: Was ist da passiert? Diese Stufen oder Ebenen, die ich regelrecht fühle, gibt es dafür eine Erklärung?
2. Ich mach diesen »Fingerkuppen Reality Check« tagsüber nie. Wie kann ich vermeiden, dass ich ihn im Traum mache und mich dadurch aufwecke?
3. Kann das Klarträumen mit der Epilepsie zusammenhängen? Sollte ich mir also jetzt Sorgen machen?
4. Wieso habe ich jetzt nach 20 Jahren wieder so einen Traum gehabt, obwohl ich keine Epilepsie mehr habe? Ist das rein durch die Beschäftigung mit dem Thema passiert bzw. denkbar? Haben vielleicht mit der Epilepsie gar nicht die Klarträume aufgehört, sondern ich habe sie nur unterdrückt?
5. Wenn ja: Muss ich mich einfach nur mit dem Thema weiter beschäftigen und mich hier mit euch austauschen und alles wird gut?
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6. Hat hier vielleicht jemand einen ähnlichen Hintergrund/ähnliche Erfahrungen gemacht?
7. Offenbar können Alpträume verbunden mit einem Fliehkraftelement bei mir Klarträume auslösen. Ist das normal? Blöderweise habe ich nur selten Alpträume, jetzt aber Blut geleckt. Gibt es in diesem Kontext einen eleganteren Weg?
Mein Danke an jeden, der dieses Textmonster wirklich bis hierhin mitgelesen hat!
Marcus
Je echter du wirst, umso unechter wird alles andere.