Zitat:Ich kann nicht wirklich mit Psychologen reden, weil ich entweder oft "ich weiß es nicht" antworte, obwohl ich eine Antwort wüsste oder ich traue mich plötzlich nicht mehr zu reden. Ich war als ich in der 6.-7. Klasse war, mal bei einer Psychologin, aber das hat absolut gar nichts gebracht.
Ich Verstehe. Aber ein guter Psychologe müsste auch mit selektivem Mutismus klar kommen! Zufälligerweise habe ich genau zu dem Thema eine Video Fortbildung, wo man einem Psychologen über die Schulter schauen kann, der eine Patientin mit Mutismus behandelt. Die Patientin spricht so gut wie gar nicht. Falls du dir das Video mal ansehen willst, schick mir mal ne PN. Jedenfalls ist die Annahme dass man dann keine Therapie machen kann, nicht richtig. Mal angesehen davon, gäbe es in deinem speziellen Fall vielleicht auch eine Möglichkeit, dass du dir erstmal schriftlich psychologischen Rat einholst.
Ich hatte auch mal selektiven Mutismus als Kind. Das hatte viel mit meiner sozialen Umgebung zu tun. Es hätte in dieser Umgebung keinen Sinn gemacht irgendwas zu sagen, deshalb habe ich nicht gesprochen. Ich habe oft „ich weiß nicht“ gesagt, weil ich Angst hatte, das zu sagen, was ich wirklich dachte. Es war auch ein Schutz davor etwas auszusprechen, was in meiner Umgebung sozial nicht erwünscht war. Schreiben hat mir extrem geholfen, das zu überwinden. Meine Offenheit im Schreiben hat sich in die verbale Sprache ausgebreitet. Letzlich hat mir auch das Schreiben im Internet zb. in Foren geholfen die schweren Gespräche mit den Ärzten, wo es um meine Rente ging, zu bewältigen. Das Schreiben hat mich darauf vorbereitet.
Mein Freund hat auch selektiven Mutismus. Der sagt auch immer „weiß nicht“, wenn er Angst hat zu sagen, was er wirklich meint. Daher verstehe ich sehr gut, wie sehr dich das stresst, einen Termin zu machen und irgendwo anrufen zu müssen. Ich kenne das von mir selbst und von meinem Freund, für den es meist noch schlimmer ist, als es das für mich ist und war. Bei mir ist das besser geworden, weil ich über Jahre ständig bei Ärzten anrufen musste. Gerne mache ich das immer noch nicht, aber ich leide auch nicht mehr (so) darunter. Wenn dann leider ich nur kurz und weiß dass es auch wieder vorbei geht.
So ein Beratungsgespräch bei einem Schulpsychologen ist auch nicht das Selbe wie eine Therapie. Den selektive Mutismus aufzulösen könnte ja auch ein Therapieziel sein. Meine Therapeutin hat mir immer am Anfang gesagt: Wir müssen nicht sprechen. Wir können auch einfach hier sitzen. Das hat mir etwas den Stress genommen.
Ich habe mir damals damit geholfen, als ich eine Therapie angefangen habe, dass ich einmal aufgeschrieben habe was ich von einem Psychologen brauche und dann habe ich die Email an dass gesamte Therapeuten Verzeichnis in meiner Nähe geschickt und nach einem Therapieplatz gefragt. Ich habe mir so die quälenden Anrufe gespart, wo man jeder Sprechstundenhilfe den Grund seines Anrufes und seine Krankheit erklären muss. Direkt am nächsten Tag hatte jemand geantwortet und gesagt: „Dass was Sie sich vorstellen, das passt für mich. Ich habe einen Therapie Platz frei. Wann wollen Sie vorbei kommen?“
Das gute war auch, ich konnte mich so in der ersten Stunde auf meinen Brief beziehen und die Therapeutin wusste dann schon worum es geht. Ich konnte einfach sagen, ich bin so aufgeregt und weiß grade nicht was ich sagen soll. Sie hat dann das Gespräch übernommen und ich konnte mich etwas entspannen.
In den ersten Gesprächen ging es viel um das administrative Dinge wie überhaupt so ne Therapie funktioniert und wie man die Therapie bei der Krankenkasse beantragt. So konnte ich erst ein bisschen warm werden mit ihr.
Die Therapeutin hatte mir dann so einen Bogen gegeben, den ich ausfüllen konnte. Da konnte ich dann die wesentlichen Problemthemen schriftlich und ganz in Ruhe zu Hause beschreiben. Damit haben wir dann in der nächtsen Stunde weiter gearbeitet. Sie hat dann einfach Fragen zu meinen schriftlichen Angaben gestellt.
So haben wir nach und nach in ein Gespräch gefunden. Irgendwann war dann Vertrauen da, so dass ich immer offener über meine Probleme und Ängste reden konnte. So etwas entwickelt sich. Die allermeisten Menschen fühlen sich zunächst unsicher, beim ersten Termin mit einem Psychologen. Das ist eigentlich ganz normal, dass du da nicht weißt was du sagen sollst.
Ich denke, dass ist ein Standartverfahren wie ich es erlebt habe und ein Psychologe sollte auch damit umgehen können, wenn Menschen sprachlich gehemmt sind. Viellicht kannst du mit einer Psycholog:in auch so eine Verabredung treffen, dass du deinen Themen regelmässig schriftlich mitbringst. Was ich damit sagen will, vielleicht gibt es ja viel mehr Spielräume, als du bisher denkst.
Ich verstehe aber auch, dass du dir das zur Zeit vielleicht noch nicht vorstellen kannst. Du könntest auch ein Buch lesen, wie so eine Psychotherapie funktioniert. So könntest du dich innerlich etwas darauf vorbereiten. Es kann ja auch sein, dass du noch etwas Zeit brauchst, bis du an dem Punkt bist eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Du entscheidest selbst, ob du zu einem Psychologen gehen möchtest. Ich wollte nur ein paar Möglichkeiten aufzeigen.