Zitat:Nicht nur das, ich bin sogar gehemmt mich daran zu erinnern.
Ist das dann aus tiefenpsychologischer Perspektive eine komplette Abspaltung von Selbstanteilen? Wie beurteilst du das?
Zitat:Die Scham, die ich empfinde, wenn ich mich an einen anzüglichen (sexuellen) oder "rätselhaften" Traum erinnere, sorgt dafür, dass ich mich das nächste Mal, wenn ich aufwache, überhaupt nicht an "den" Traum erinnere.
Wie wäre folgende Idee? Du denkst dir einen Traum aus und schreibst ihn auf. Also einen Traum der einen sexuellen Inhalt hat. Vielleicht erstmal sanft, so dass du deine Schamgrenze nur ganz subtil berührst.
Ich mache mal einen Vorschlag. Eine Frau, die dir gefällt (falls du hetero bist) läuft über die Straße. Wenn das klappt, diesen Traum aufzuschreiben, kannst du weiter gehen und deine Geschichte in ganz kleinen Schritten expliziter gestalten. Die Frau könnte dir einen Blick zu werfen oder sonst wie gekleidet sein, etc. Du bestimmst den Grad der Sexualisierung und gehst nur weiter, wenn es dir mit der Szene gut geht.
Während oder nach dem Schreiben, kannst du versuchen bewusst zu fühlen, wie es dir dabei geht. Vielleicht merkst du, dass du rote Ohren, Herzklopfen oder Angst bekommst. Oder aber es gefällt dir. Wie fühlst dich das an? Hattest du jemals jemanden, der diese positiven Liebes oder sexuellen Gefühle sprachlich begleitet hat? Evtl. darfst du das jetzt nachholen. Vielleicht fühlst du dich auch schlecht. In wie fern schlecht? Vielleicht willst du deinen Blick senken? Vielleicht blockiert deine Hand, wie du schon sagtest. Was auch immer als Reaktion bei dir auftaucht, du kannst dieses Gefühl oder die auftauchenden Gedanken und Symptome neugierig erkunden, gefahrlos fühlen, benennen und analysieren.
Dann wärest du zumindest wach und könntest dich dem zensierten Inhalt bewusst und kontrolliert stellen, ohne dich einer überfordernden Situation auszusetzten. Ich finde es manchmal total umständlich alles im Klartraum lösen zu wollen, wenn es auch anders geht, und man im Wachbewusstsein meist mehr Kontrolle hat. Da es nur eine ausgedachte Geschichte ist, die du in einem ganz sicheren Setting, nur für dich selbst aufschreibst, kann dir nichts passieren. Du darfst deine Grenzen spüren und dann einen Schritt zurück gehen, bis du wieder Lust hast, einen Schritt nach vorne zu gehen.
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Zweitens, kann man so eine Konfrontation mit einem Angstthema auch imaginieren. Letztens, dachte ich mal so rein theoretisch darüber nach, ob ich aus körpertherapeutischen Gründen mal zu einen Kuschel Party gehen könnte. Wer das nicht kennt, da kuschelt man mit fremden Menschen. Es geht nicht um Sex, nur um Kuscheln, aber eben mit fremden Leuten.
Ich kam auf die Idee, weil ich Angst habe, jemanden körperlich zu Nahe zu treten und weil ich gar nicht weiß wie nahe man jemanden überhaupt kommen darf? Ich bin bzgl. Nähe vs. Distanz in meiner Erziehung leider so dermaßen irritiert worden, dass ich mich damit schwer tue. Ich meine auch so in platonischen Beziehungen. Ich habe kein Gefühl dafür, wie und wann man einen anderen Menschen berühren darf (körperlich und emotional). Außer im Falle von Kindern, die da in der Regel wenig Berühungsgrenzen und einem plötzlich auf den Schoß klettern, und mir das deshalb immer leicht gemacht haben, im Kontakt zu sein. Aber auch da, habe ich immer das Kind entscheiden lassen, in wie fern es Körperkontakt will, weil das eine professionelle Haltung ist.
Ich bin ja schon seit ich 18 Jahre alt bin, mit meinem derzeitigen Partner zusammen, also jetzt seit 26 Jahren und habe wenig andere Erfahrungen gemacht, wie nahe man einem fremden Menschen überhaupt körperlichen kommen darf. Mit meinem Partner ist das natürlich eine eingespielte Sache. Ich brauche um diese Ängste abzubauen jedoch eine fremde Person. Die Angst vor körperlicher Nähe mit einer unbekannten Person, die ich nicht einschätzen kann, ist Teil meines Traumas. Meine Mutter war unberechenbar.
Es war nur eine theoretische Überlegung, mit der Kuschel Party. Ich weiß gar nicht, ob ich mir das zutraue, das umzusetzten. Aber alleine die Vorstellung war aber schon hilfreich. Ich stellte mir eine Szene vor, inder ich eine fremde Person, einen Mann in so einem Setting umarme. Und plötzlich meldete sich eine innere Stimme, sehr warnend und sagte laut: "Das darfst du nicht!" In einer Vehemenz! Das war erstaunlich. Ich wusste das gar nicht, dass ich das innerlich denke. So verstand ich plötzlich wie bedrohlich die Zurückweisung meines Körpers für mich als Kind war. Deshalb war ich körperlich immer so distanziert, es sei denn bei meinem partner, wo ich sicher sein konnte, dass er mich nicht zurück weißt.
Ich erkannte, dass diese Stimme mein inneres Kind war, welches mich vor der sehr harschen Zurückweisung schützen wollte, welche ich als Kind immer wieder durch meine Mutter erfahren hatte, wenn ich, als ich noch ganz klein war, auf ihren Arm wollte. Sie konnte keine körperliche Nähe ertragen, hat mich körperlich immer abgewiesen und deshalb habe ich bis heute Angst davor, dass mich jemand genauso zurückstoßen könnte.
Meine Eltern haben mich immer nur mit Händeschütteln begrüßt. Manchmal war ihnen das sogar zu viel. Als ich meine Mutter einmal umarmte, um dieses distanzierte Hände schütteln, zu durchbrechen, war sie wie erstarrt, in meinem Arm. Da mein physischer Freundeskreis in dieser Hinsicht auch sehr distanziert ist, habe ich wenig körperliche Erfahrungen von Nähe, außer mit Frank meinem Partner. In einer Beziehung ist es so als ob der Beziehungsstatus mir die Erlaubnis gibt, zu berühren, aber wie ist das mit einem fremden Menschen? Mich hat diese Frage interessiert. Vielleicht berühre ich fremde Menschen auch deshalb gerne emotional, weil ich das nie ausleben konnte.
Die Stimme in mir, die gesagt hat: "Das darfst du nicht!" die wollte mich vor der Zurückweisung der Mutter beschützen. Nun könnte ich mit dem Glaubenssatz dieses Kindes arbeiten, der mir in dem Moment bewusst wurde, als ich mir die Szene vorstellte, wie das wohl wäre. So ein sensibles Thema löst man nicht von heute auf morgen. Es braucht eine innere Vorbereitung, die dauert manchmal Jahre und dann braucht es irgendwann eine konkrete Gelegenheit.
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Ich hatte früher auch größere Scham bzgl. sexueller Themen. Mir ist das dann einmal sehr deutlich aufgefallen, als ich ein Audio eines NLP Trainers, Chris Mulzer gehört habe, indem es im die Erweiterung der Kompfortzone bzgl. sexueller Grenzen ging. Da war ich Ende 20. Ich lag an diesem Tag mit meinem MP3 Player im Bett und hörte dieses Audio über Sexualität, indem Chris der heterosexuell ist, erzählte, wie er auf einem Tantra Seminar für homosexuell Männer war. Das Spiel war, 4 andere Männer haben sich gegenseitig einen geblasen und wer zu erst kommt, war raus aus dem Spiel und durfte nicht mehr mitspielen. Beim Tantra ist das nicht kommen, eine Technik, die zu mehr sexueller Freude und Energieerhöhung führt.
Das war damals weit jenseits meiner Komfortzone, alleine schon an theoretischen Möglichkeiten, die mir neu waren. Ich weiß noch, wie ich damals, obwohl ich alleine war, obwohl ich Kopfhörer in den Ohren hatte und niemand mitbekommen hatte, was ich mir für ein Audio angehört hatte, mich vor Scham unter der Bettdecke verstecken musste, weil ich die Situation nicht aushalten konnte.
Chris´ Bedürfnis, die eigene Kompfortzone zu erweitern, um die eigenen homophoben Ängste zu besiegen, kollidierten mit meinem extremen Schamempfinden und meiner damals fehlende sexuellen Bildung. Kollisionen mit dem Unbekannten sind für mich oft der Anfang einer Befreiung. Plötzlich hatte ich durch dieses Audio, die Erkenntnis, dass ich mich irgendwie mit dem Thema Sexualität beschäftigen, und meine Komfortzone zumindest ein bisschen erweitern muss. Ich wusste zwar, dass ich vermutlich nie, so ein Tantra Seminar besuchen würde, wie Chris es tat, aber ich habe dann auf meinem damaligen Level angefangen, Bücher über Tantra bzw. Neo Tantra zu lesen, um mich mit dem Thema zu konfrontieren.
Diese Konfrontation, über das Lesen (etwas was mir ungefährlich erschien) hatte dazu geführt, dass meine Beziehung zum Thema Sexualität viel positiver wurde. Gerade Tantra kann eine sehr wohlwollende Sicht auf Sexualität vermitteln, die wir unseren möglicherweise sehr regressiven Programmierungen dann entgegensetzten können. Deshalb würde ich dir raten, lese gute Bücher über Sexualität und überschreibe damit deinen Zensor. Nicht Pornos, sondern Bücher, die Sexualität als etwas Natürliches und Schönes darstellen. Bücher über positive Beziehungen zwischen Männen und Frauen, etc. Wie "Königin und Samurai" zb von Andrea und Veit Lindau. Scham hat dann keinen Grund mehr überhaupt da zu sein.
Ich glaube mein erstes Buch über sexuelles Tantra, welches ich damals gelesen hatte und jedem Interessierten empfehlen würde, war "Margot Anand - Tantra: oder Die Kunst der sexuellen Ekstase". In dem Buch geht es viel um Rituale, Sinnlichkeit, Annahme körperlicher Makel, aber auch um die Kunst sexuelle Energie zu lenken. Es ist ein eher traditionelles Buch, für Neo- Tantra Interessierte, welches einen ersten Überblick bietet und mich in eine spannende neue Welt geführt hatte. In Chris Audio hatte ich das Wort Tantra zum ersten Mal gehört. Das Buch erklärte mir den Zusammenhang darüber was er da überhaupt machte.
So laß ich eine ganze Weile Bücher über sexuelles Tantra. Verschiedene Richtungen und dann begannt das Thema irgendwann auch in meine aktive Sprache einzufließen, so dass ich immer weniger Ängste hatte, offen über Sex zu sprechen und zu schreiben. Im Gegenteil, ich fand das immer spannender, mit meinen Angst-Grenzen zu spielen. Ich wurde immer experimentierfreudiger und konnte immer offener mitteilen was ich mir wünsche und verlor in einem bestimmten Umfang einen großen Teil meiner Ängste und unnötigen Hemmungen.
Um so weiter ich mich hervorgewagt hatte, um so mehr Situationen sind dann auch in meinem Leben entstanden, bis Frank und ich dann plötzlich eine offene Beziehung hatten, die mir ermöglicht hatte weitere Experimente auch mit anderen Menschen zu machen. Es war ein Weg, der mit einem Audio begann, mit einer Erkenntnis, dass ich etwas ändern muss, mit einem Wunsch nach Veränderung, mit einem Buch und dann führte eines zum anderen. Ich will damit sagen, man kann in einem sicheren Setting an Themen arbeiten, ohne sich gleich einer totalen Überforderung auszusetzen. Chris´ Weg seiner Angst zu begegnen, ist ein extremer Weg, aber man kann seinen Ängsten auch ganz sanft begegnen.