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sehnsucht, einsamkeit, angst

sehnsucht, einsamkeit, angst
#1
31.10.2006, 20:34 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10.07.2022, 08:48 von spell bound.)
hier stand mal etwas
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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Re: sehnsucht, einsamkeit, angst
#2
01.11.2006, 22:51
Depremierend. Eigendlich hätte ich den Text vorher speichern sollen. Mein Posting war 400kB zu lang und dann auch sofort weg... ich versuchts jetzt mit ner Schnellantwort evil

Das Problem liegt dadrin, dass man meint, sich im bestehenden eingliedern zu müssen. Man meint´dann aber , dass man nicht passt. Nur weil man keine Anschlussstelle findet, heisst das aber nicht, dass es keine gibt.
Wer Mit einem Puzzlestück verzweifelt die Ränder des bestehenden Puzzles absucht, der vergisst, dass es auch noch Lücken gibt, wo noch kein Stück liegt. Man muss den Anschluss dann eben selber bauen.

Da muss man unterscheiden zwischen den Puzzlestücken, die an bestehende angegliedert werden, und denjenigen, die ein neues "großes" Puzzlestück eröffnen.
Die wenigsten Menschen sind Erfinder oder große Philosophen. Die meisten gliedern sich den passensten bestehenden Verhältnissen an. Wem das nicht passt, der bleibt einsam oder der eröffnet seine eigene Ideologie, seine eigene Welt. Sie wollen nicht spielen sondern Spiele erfinden. Neu ist gut, alt ist langweilig. Es ist eben alt und man weiss schon alles und man erkennt die schwächen des bestehenden. Man will es verbessern.
Natürlich gibt es da bestrebungen Anderer, das zu verhindern. Deswegen ist man ja einsam. Der Erfinder ist oft sensibel, tolerant, empathisch: versteht die Anderen, auch wenn er nicht mit ihnen übereinstimmt.

Alle großen Erfinder, Philosophen, etc. waren Revolutionäre. Sie haben neues erschaffen oder erkannt, was zu ihrer Zeit nicht akzeptiert wurde, bzw. nur von den wenigsten.
Sie könnten auch werweiss was tun, um aus ihrer Einsamkeit zu fliehen. Da sie oft über den Horizont ihrer Mitmenschen blicken können, könnten sie sie manipulieren, Macht ausüben, etc. (siehe zB deutsche Geschichte)

Viele wollen und machen das nicht. Aber auch so müssen sie nicht einsam bleiben. Die Prämisse ist aber, dass man sich nicht vor negativen Sanktionen seitens der Mitmenschen fürchtet. Ausgelscht werden, etc. Wer sich selbst treu bleibt, da ist es fast schon egal wie man ist, hauptsache man ist irgendjemand. Das hat nicht mitr Ehre zu tun. Man soll sich nur nicht verstellen. Bleib so, wie du bist. Ehrllich zu dir selbst und zu deinen Mitmenschen. Dann wirst du immer Menschen finden, die das achten, akzeptieren und die sogar nachlaufen.
Denn eines können die wenigsten: Eigene moralische Ideale entwickeln und ihnen entgegen aller Widerstände, jedoch realistisch und nicht fanatisch, treu bleiben. Sei kein Märthyrer, aber auch kein Lügner. Es kommt weniger darauf an wer man ist, als dass man überhaupt jemand ist. Das wer kommt erst danach.
Uns so findet man auch die Menschen, die einer Freundschaft wert sind. Wer sich abwendet wenn man sich outet, auf den kann man verzichten, das ist Ausübung von Macht, darauf kann man gut verzichten, jedenfalls unter Freunden!

Sei du selbst, geh deinen Weg und suche nicht deinen Platz, sondern baue dir dein est selber. Es kommen Widerstände und Gegner. Neues ist immer unheimlich, weil es bestehendes, Sicheres in Frage stellt. Aber es werden die Richtigen zu dir kommen.

Gruß
deepminder
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Re: sehnsucht, einsamkeit, angst
#3
03.11.2006, 21:21
hi spelli, ich setz mal was anderes parallel dazu, weil mich dein text sofort daran erinnerte. vielleicht kannst du ja was damit beginnen:

An Franz Xaver Kappus

Paris am 17. Februar 1903


Sehr geehrter Herr,
Ihr Brief hat mich erst vor einigen Tagen erreicht. Ich will Ihnen danken für sein großes und liebes Vertrauen. Ich kann kaum mehr. Ich kann nicht auf die Art Ihrer Verse eingehen; denn mir liegt jede kritische Absicht zu fern. Mit nichts kann man ein Kunst-Werk so wenig berühren als mit kritischen Worten: es kommt dabei immer auf mehr oder minder glückliche Mißverständnisse heraus. Die Dinge sind alle nicht so faßbar und sagbar, als man uns meistens glauben machen möchte; die meisten Ereignisse sind unsagbar, vollziehen sich in einem Raume, den nie ein Wort betreten hat, und unsagbarer als alle sind die Kunst-Werke, geheimnisvolle Existenzen, deren Leben neben dem unseren, das vergeht, dauert.
Wenn ich diese Notiz vorausschicke, darf ich Ihnen nur noch sagen, daß Ihre Verse keine eigene Art haben, wohl aber stille und verdeckte Ansätze zu Persönlichem. Am deutlichsten fühle ich das in dem letzten Gedicht «Meine Seele». Da will etwas Eigenes zu Wort und Weise kommen. Und in dem schönen Gedicht «An Leopardi» wächst vielleicht eine Art Verwandtschaft mit diesem Großen, Einsamen auf. Trotzdem sind die Gedichte noch nichts für sich, nichts Selbständiges, auch das letzte und das an Leopardi nicht. Ihr gütiger Brief, der sie begleitet hat, verfehlt nicht, mir manchen Mangel zu erkläre, den ich im Lesen Ihrer Verse fühlte, ohne ihn indessen namentlich nennen zu können.
Sie fragen, ob Ihre Verse gut sind. Sie fragen mich. Sie haben vorher andere gefragt. Sie senden sie an Zeitschriften. Sie vergleichen sie mit anderen Gedichten, und Sie beunruhigen sich, wenn gewisse Redaktionen Ihre Versuche ablehnen. Nun (da Sie mir gestattet haben, Ihnen zu raten) bitte ich Sie, das alles aufzugeben. Sie sehen nach außen, und das vor allem dürften Sie jetzt nicht tun. Niemand kann Ihnen raten und helfen, niemand. Es gibt nur ein einziges Mittel. Gehen Sie in sich. Erforschen Sie den Grund, der Sie schreiben heißt; prüfen Sie, ob er in der tiefsten Stelle Ihres Herzens seine Wurzeln ausstreckt, gestehen Sie sich ein, ob Sie sterben müßten, wenn es Ihnen versagt würde zu schreiben.
Dieses vor allem: fragen Sie sich in der stillsten Stunde Ihrer Nacht: muß ich schreiben? Graben Sie in sich nach einer tiefen Antwort. Und wenn diese zustimmend lauten sollte, wenn Sie mit einem starken und einfachen ich muß dieser ernsten Frage begegnen dürfen, dann bauen Sie Ihr Leben nach dieser Notwendigkeit; Ihr Leben bis hinein in seine gleichgültigste und geringste Stunde muß ein Zeichen und Zeugnis werden diesem Drange. Dann nähern Sie sich der Natur. Dann versuchen Sie, wie ein erster Mensch, zu sagen, was Sie sehen und erleben und lieben und verlieren.

Schreiben Sie nicht Liebesgedichte; weichen Sie zuerst denjenigen Formen aus, die zu geläufig und gewöhnlich sind: sie sind die schwersten, denn es gehört eine große, ausgereifte Kraft dazu, Eigenes zu geben, wo sich gute und zum Teil glänzende Überlieferungen in Menge einstellen.

Darum retten Sie sich vor den allgemeinen Motiven zu denen, die Ihnen Ihr eigener Alltag bietet; schildern Sie Ihre Traurigkeiten und Wünsche, die vorübergehenden Gedanken und den Glauben an irgendeine Schönheit - schildern Sie das alles mit inniger, stiller, demütiger Aufrichtigkeit und gebrauchen Sie, um sich auszudrücken, die Dinge Ihrer Umgebung, die Bilder Ihrer Träume und die Gegenstände ihrer Erinnerung.
Wenn Ihr Alltag Ihnen arm scheint, klagen Sie ihn nicht an; klagen Sie sich an, sagen Sie sich, daß Sie nicht Dichter genug sind, seine Reichtümer zu rufen; denn für den Schaffenden gibt es keine Armut und keinen armen, gleichgültigen Ort. Und wenn Sie selbst in einem Gefängnis wären, dessen Wände keines von den Geräuschen der Welt zu Ihren Sinnen kommen ließen - hätten Sie dann nicht immer noch Ihre Kindheit, diesen köstlichen, königlichen Reichtum, dieses Schatzhaus der Erinnerungen? Wenden Sie dorthin Ihre Aufmerksamkeit. Versuchen Sie die versunkenen Sensationen dieser weiten Vergangenheit zu heben; Ihre Persönlichkeit wird sich festigen, Ihre Einsamkeit wird sich erweitern und wird eine dämmernde Wohnung werden, daran der Lärm der anderen fern vorüber geht. Und wenn aus dieser Wendung nach innen, aus dieser Versenkung in die eigene Welt Verse kommen, dann werden Sie nicht daran denken, jemanden zu fragen, ob es gute Verse sind. Sie werden auch nicht den Versuch machen, Zeitschriften für diese Arbeiten zu interessieren: denn Sie werden in ihnen Ihren lieben natürlichen Besitz, ein Stück und eine Stimme Ihres Lebens sehen.

...
offene weite - nichts von heilig
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Re: sehnsucht, einsamkeit, angst
#4
03.11.2006, 21:24
...


Ein Kunstwerk ist gut, wenn es aus Notwendigkeit entstand. In dieser Art seines Ursprungs liegt sein Urteil: es gibt kein anderes. Darum, sehr geehrter Herr, wußte ich Ihnen keinen Rat als diesen: in sich zu gehen und die Tiefen zu prüfen, in denen Ihr Leben entspringt; an seiner Quelle werden Sie die Antwort auf die Frage finden, ob Sie schaffen müssen.

Nehmen Sie sie, wie sie klingt, an, ohne daran zu deuten. Vielleicht erweist es sich, daß Sie berufen sind, Künstler zu sein. Dann nehmen Sie das Los auf sich, und tragen Sie es, seine Last und seine Größe, ohne je nach dem Lohne zu fragen, der von außen kommen könnte. Denn der Schaffende muß eine Welt für sich sein und alles in sich finden und in der Natur, an die er sich angeschlossen hat.
Vielleicht aber müssen Sie auch nach diesem Abstieg in sich und Ihr Einsames darauf verzichten, ein Dichter zu werden (es genügt, wie gesagt, zu fühlen, daß man, ohne zu schreiben, leben könnte, um es überhaupt nicht zu dürfen). Aber auch dann ist diese Einkehr, um die ich Sie bitte, nicht vergebens gewesen. Ihr Leben wird auf jeden Fall von da ab eigene Wege finden, und daß es gute, reiche und weite sein mögen, das wünsche ich Ihnen mehr, als ich sagen kann.
Was soll ich Ihnen noch sagen? Mir scheint alles betont nach seinem Recht; und schließlich wollte ich Ihnen ja auch nur raten, still und ernst durch Ihre Entwicklung durchzuwachsen; Sie können sie gar nicht heftiger stören, als wenn Sie nach außen sehen und von außen Antwort erwarten auf Fragen, die nur Ihr innerstes Gefühl in Ihrer leisesten Stunde vielleicht beantworten kann.
Es war mir eine Freude, in Ihrem Schreiben den Namen des Herrn Professor Horacek zu finden; ich bewahre diesem liebenswürdigen Gelehrten eine große Verehrung und eine durch die Jahre dauernde Dankbarkeit. Wollen Sie ihm, bitte, von dieser meiner Empfindung sagen; es ist sehr gütig, daß er meiner noch gedenkt, und ich weiß es zu schätzen.
Die Verse, welche Sie mir freundlich vertrauen kamen, gebe ich Ihnen gleichzeitig wieder zurück. Und ich danke Ihnen nochmals für die Größe und Herzlichkeit Ihres Vertrauens, dessen ich mich durch diese aufrichtige, nach bestem Wissen gegebene Antwort ein wenig würdiger zu machen suchte, als ich es, als ein Fremder, wirklich bin.

Mit aller Ergebenheit und Teilnahme:

Rainer Maria Rilke"

aus: rainer maria rilke, briefe an einen jungen dichter. gibts bei insel und lohnt sich, alle zu lesen, es bei sich zu haben, es wieder zu lesen. ich mag rilkes eindringliches, sanftes, zärtliches sprechen.

lg
sensei
offene weite - nichts von heilig
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Re: sehnsucht, einsamkeit, angst
#5
04.11.2006, 15:11 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10.07.2022, 08:48 von spell bound.)
hier stand mal etwas
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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Re: sehnsucht, einsamkeit, angst
#6
12.11.2006, 09:26
einsamkeit ist klasse. ich glaub´arepo hatte mal prononciert, wie ich´s schätze: all-ein. das ist nämlich, wenn man sich rumdreht; wir sehen ja immer nur die eine hälfte der wirklichkeit (hinten ist das all-eine).
gemeinsamkeit ist natürlich noch besser. wenn sie nicht ge(er-)zwungen ist, sondern ich mich im andern wiederfinde (muß nicht immer sabbelsprech sein bigwink. dazu schrieb ich dir eine pn.

lg
sensei
offene weite - nichts von heilig
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Re: sehnsucht, einsamkeit, angst
#7
05.08.2007, 13:27 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10.07.2022, 08:48 von spell bound.)
hier stand mal etwas
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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Re: sehnsucht, einsamkeit, angst
#8
05.08.2007, 14:35
Angst:

Einmal schrieb er über seine Angst. Er schrieb über sein Misstrauen, über die Selbstzweifel und eine Selbstkritik, die ihm als krankhafte erschien. Er schrieb über seine Angst und malte dabei ein Baum mit Verästelungen und Wurzeln. Das Fehlen an positiven Erfahrungen waren für ihn die Wurzel seines Leides. Der Lebenssaft pulsierte nur ab und an in seinen trockenen Blätter, er nannte ihm „tiefe Liebe“. Doch er hält bereits ein Werkzeug in der Hand –eine Säge. Das Üben bis die Sicherheit aufkommt. Das Üben, bis man es kann und nicht mehr üben muss.

Ich kann nicht philosophieren. Ich sehe auch nur wenig Sinn daran. Was bringt ein Meinungsaustausch? Die Beschreibung des Zustandes oder Prozesses spricht für sich. Die Angst und das Verlangen nach Glück. Die Bewegung weg von Angst über das Üben hin zu der Sicherheit. Das Denken, was heimlich nach einer Selbstbestätigung sucht und dafür intellektuelle Ursache-Wirkungsketten aufstellt. Das Denken, was aus dem Chaos von eigenen Gefühlen-Gedanken ein Verhaltenskodex erstellen will, ein jenes kleinen Raum wo es klar und übersichtlich ist, ein Gefängnis.

So ist das schon das Ende des Erkenntnisses. Genauso wie das Ende des Denkens.
Die Säge wird nicht gebraucht.


in Liebe,

Don
Alles begann mit einem Tod


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