Müdigkeit kenne ich auch als Symptom.
Bei dir klingt es für mich auch so, als ob du deine Grenzen auch erst spürst, wenn etwas fast schon weh tut.
Ich frage mich, kann man seine Grenzen schon vorher spüren? Bevor etwas weh tut?
Und rechzeitig handeln?
Heute zb. bin ich müde, den ganzen Tag schon und mir ist kalt und mir ist nach etwas ganz geborgenen.
Aber ich muss gleich noch etwas machen, nämlich Sperrmüll wegbringen und dann noch zu meinen Schwiegereltern, von denen wir das Auto borgen. Mein Freund wollte auch noch bei ihnen Kaffee trinken, obwohl ich heute überhaupt keine Lust habe, auf andere Menschen.
Wenn ich meinen Freund sagen würde, du kannst das alleine machen, mit dem Sperrmüll, dann wäre der verständlicherweise sauer auf mich. Vor allem weil er einen Bandscheibenvollfall hat, weil er nämlich auch nicht auf sich achtet.
Und nächste Woche will schon wieder jemand in unsere Wohnung, ein Fotograf der Fotos machen will und ich kann meinen Freund auch nicht alleine lassen mit all dem und sagen: Halt ich spüre gerade, dass ich mich müde fühle. Ich habe hier eine Grenze. Heute habe ich keine Lust. Er ist nämlich auch müde und hat keinre Lust und macht es trotzdem.
Ist jetzt nur ein Beispiel, wieso ich meine Grenzen ständig übergehe. Ich habe noch nie in einer Umwelt gelebt, in der die Menschen um mich herum, auf ihre Grenzen achten. Um meine Grenzen zu wahren, lebe ich ja schon sehr stark im Rückzug. Im Rückzug zu leben, sich im Rückzug überhaupt zu spüren, dass ist typisch Enneagramm Typ 5.
Ich habe 20 Jahre an einem Arbeitsplatz gelebt, wo ganz schlechte Arbeitsbedingungen geherrscht haben und niemand auf seine Grenzen achten konnte. Jeder ist da immer wieder über seine Grenzen gegangen, weil sonst die Kinder die leidtragenden gewesen wären.
Ich habe diese Konflikte, aber nicht nur mit anderen Menschen, sondern auch mit mir selbst. Zb wenn ich Sport machen möchte, habe ich das Gefühl ich kann kein sportliches Ziel erreichen, wenn ich meine Grenzen achte. Daran sehe ich, dass es sich um einen inneren Grenz - Konflikt handelt.
In der Familie meiner Mutter, haben sich die Menschen besonders übergangen, bis hin zu schwersten Erkrankungen und es gab trotzdem keine Einsicht in ein Fehlverhalten. Ich wurde unter anderem auch deshalb von meiner Familie so hart bekämpft, weil ich gesagt habe: Ich kann nicht mehr. Ich schaffe das nicht mehr. Ich bin kein Objekt. Ich habe Grenzen. Es war in meiner Famlie einfach normal sich zu opfern und dafür krank zu werden und nie ein eigenes Leben zu führen. So haben sie das auch von allen anderen Menschen erwartet. So haben die das selbst übergehen, als eine gesunde soziale Anpassung interpretiert.
Ich habe zum Glück nur noch leichte krankheits Symptome, wenn ich krank werde, weil ich meine Grenzen nicht mehr so arg übergehe und es früher merke. Diese Symptome dienen noch dazu, mir das zu signalisieren, aber schwer krank bin ich zum Glück nicht mehr geworden, seit ich nicht mehr arbeite und seit ich meine Eltern nicht mehr begege und Menschen die mir wiederholt keine guten Gefühle machen, stärker meide.
Ich würde gerne spüren können, dass ich keine Lust habe, statt krank zu werden.
Zum Beipiel wenn ich Sport mache und an den Punkt komme, wo mein Körper genug hat, dann will ich spüren können, dass ich keine Lust mehr habe und einfach aufhören.
Aber Lustlosigkeit wurde mir mit Gewalt und Drohungen ausgetrieben und deshalb spüre ich die Lustlosigkeit nicht so richtig. Ich spüre es immer erst, wenn es zu spät ist, weil ich mich übergangen habe.
Oder ich möchte ein Gefühl des satt seins spüren, wenn ich genug Sport gemacht habe. Ich möchte mich erfüllt fühlen und dann aufhören können. Ich möchte mich zu frieden fühlen, wenn ich etwas erledigt habe.
Das sind so meine Idealvorstellungen, wo ich noch hin will. Ich weiß nicht ob das realistisch ist. Das Krank sein ist ja auch in einem gewissen Rahmen funktional für mich, denn ich bekomme ja deshalb eine Rente. Aber ich möchte wenigstens mal einem Hobby nachgehen können, eine Reise machen können, ohne Symptome zu bekommen oder etwas sportlicher sein. Ich möchte meine intrinsischen persönlichen Ziele, umsetzten können. Das kann ich bisher nicht.
Ich spüre auch selten Wut oder einen Abgrenzungswunsch, wenn Menschen unfreundlich zu mir sind. Ich habe die Wut dann immer mit meiner Flexibilität und hochmütigen Gutmütigket umgangen, oft habe ich die Schuld innerhalb Konflikte bei mir gesucht und für den anderen Verständnis gehabt.
Ich habe lauter so Umgehungsprogramme in mir. Umgehungsstraßen.
Was mir total schwer fällt ist, stopp zu sagen.
Deshalb interessiert es mich, wie ihr eure Grenzen spürt und bewahrt? Wie ihr mit den inneren und äußeren Konflikten umgeht, die zb. durch Erwartungen durch andere Menschen oder auch den eigenen Ehrgeiz entstehen, wenn ihr auf euch achtet?
Ich habe heute einen Kompromiss erwirkt und ja wir müssen den Sperrmüll heute wegbringen, aber das Kaffee trinken bei dem Schwiegereltern habe ich gecancelt.
Nochmal zur Müdigkeit und Unlust. Oft wurde einem auch beigebracht den inneren Schweinehund zu überwinden. Wer seinen Schweinehund nicht überwindet, wird dann oft faul genannt. Trägheit ist eine Sünde, heißt es.
Ich habe für mich entdeckt, dass es gar keine Faulheit und Trägheit gibt. Es gibt nur Bedürfnisse, wie ein Bedürfnis nach Ruhe, ein nach Bedürfnis nach Schutz, ein Bedürfnis nach Geborgenheit, ein Bedürfnis nach individuellen Interesse, etc.
Es gibt eigentlich gar keine Faulheit, es gibt aber vielleicht Bedürfniskonflikte.
Mich würde auch interessieren, wie ihr zu eurer eigenen Unlust steht und ob und wann ihr euch eure Unlust erlaubt?
Wie löst ihr diesen Konflikt, den ich habe, mit den Erwartungen?
Grenzen kommen ja auch in Beziehungen vor. Wie blöd muss denn jemand zu euch sein, dass ihr der Person entgültig eine Grenze setzt? Und wie sieht so eine Grenze dann aus? Ich tue mich mit dieser Entgültigkeit total schwer.
Stattdessen versuche ich immer zu verstehen, wieso die Menschen so sind, wenn die blöd zu mir sind. Ich versuche an der Blödheit anderer Menschen zu wachsen (Mitgefühl und Verständnis zu entwicklen) und oft will ich die Menschen, dann aus Mitgefühl retten.
Das ist natürlich auch nur so ein Umweg, etwas falsch gelerntes und ein Weg das eigene Selbstwertgefühl zu erhöhen. So nach dem Motto, ich stehe da drüber, wenn Person xy so zu mir ist. Vielleicht ist es besser, nicht immer über allem zu stehen, sondern sich seine Betroffenheit einzugestehen und Schutz zu suchen?