Hey,
Ja, ein guter Vergleich mit dem gebrochenen Bein. Wenn ich sehe, dass jemand ein gebrochenes Bein hat und das selbst nicht bemerkt, weil (aus irgenwelchen Gründen) kein gesundes Gefühl für Selbstschutz vorhanden ist, und diese Person dann jetzt auch noch Ski fahren will, am steilsten Abhang, würde ich als verantwortungsvoller und bewusster Mensch dieser Person raten, erst einmal das Bein zu kurieren.
Oft ist es so, dass Menschen mit psychischen Problemen selbst noch gar nicht wissen, worauf sich ihre Probleme stützen. Das war bei mir auch so. Während meiner Astralreise-Praktiken hatte ich das erste Mal existenzielle Angstzustände, wusste aber gar nicht, warum, und fand keine Erklärung. Erst nach Jahren der Therapie bekam ich dann eine Diagnose, die das Ganze erklären konnte, nämlich Entwicklungstrauma und komplexe posttraumatische Belastungsstörung. Und das ist eben häufig so, dass Menschen zb Ängste haben aber noch gar nicht in psychologischer Behandlung sind.
Nun ist es aber auch so, dass wir alle, auch wenn wir psychologische Laien sind, manchmal ganz grundsätzlich schon irgendwie wahrnehmen können, dass, wenn Menschen von Angstzuständen und Kontrollverlust-Erfahrungen während des Klartraumtrainings berichten, wir hellhörig sein könnten. Zumindest könnten wir mal im Hinterkopf haben, dass da etwas vorliegen könnte.
Angstzustände und Kontrollverlusterfahrungen sind ganz typische Symptome einer psychischen Erkrankung oder vielleicht noch im Unbewussten liegender Traumatisierungen. Man kann diese Symptome auch als Warnung verstehen, die auftreten, wenn eine Praxis zu intensiv wird. Meiner Meinung nach sollten wir davon Abstand nehmen, die Meinung zu vertreten, dass Klarträumen immer und für alle Menschen ungefährlich ist. Gerade wenn solche Symptome (
Angst und Kontrollverlust) auftreten, sollten wir alarmiert sein.
In letzter Zeit wurde ja viel über die Nebenwirkung von Cannabis in der Öffentlichkeit gesprochen. Ich denke dass wir das durchaus vergleichen können. Es gibt Menschen, die noch keine ausgereifte stabile Persönlichkeit haben, die zb. Psychosen oder "Hallucinogen Persisting Perception Disorder" (HPPD) neigen.
Eine intensives Klartraumtraining kann ähnlich intensive Auswirkungen haben, wenn dieses nicht auf einen gefestigten Untergrund trifft.
Wer sich mit viel viel Hingabe in das Klarträumtraining stürzt, braucht eine gefestigte Persönlichkeit. Menschen mit Traumata haben oft selbst kein Gefühl für ihre eigenen Grenzen. Sie haben kein Gefühl für Selbstschutz. Sie merken nicht wann eine Pause angemessen wäre.
Sie gehen weiter, obwohl da schon diese Angst oder Überderung ist. Sie gehen weiter, immer weiter, weil sie das nicht kennen, dass sie stoppen können, ja mal eine Pause mache dürfen. Sie sind getrieben von starken Erlösungswünschen, denn ihr Leben ist leidvoll und sie wollen endlich Befreiung.
Sie haben das nie erfahren, dass sie jemand liebevoll begrenzt hat und oft fehlen eben auch andere Selbstregulative Fähigkeiten. Sie erleben dann häufig Angstzustände oder erfahren eine Ich-Auflösung, massive Todesängste die nicht mehr stoppen, Dissoziation, Psychosen oder Depersonalisation, die sich gar nicht gut, sondern ängstlich und überfordernd anfühlt. Ganz im Gegensatz zu einer gesunden spirituellen Erfahrung und Ich - Auflösung, die sich äußerst angenehm anfühlt.
Gleichzeitig denke ich auch, dass es bestimmte Ängste gibt, die man Klarträumenden durch Aufklärung nehmen kann. Nehmen wir zum Beispiel das Phänomen der Schlafparalyse, der Hypnagogie oder dem Hüter der Schwelle. Hier kann Aufklärung zur Auflösung der Ängste beitragen und so können wir einen Umgang mit diesen Phänomenen finden.
Ich denke, wir brauchen eine gewisse Feinfühligkeit und
Differenzierungsfähigkeit, um zu entscheiden, ob man jemanden, der gerade das Klarträumen lernen möchte, bestärkt oder vielleicht auch mal bremst.
Zum Bremsen kann auch gehören, dass wir jemandem ein zusätzliches Standbein anraten. Wenn ich Menschen sehe, die mit großer Hingabe etwas Spirituelles praktizieren und gleichzeitig psychisch instabil wirken, rate ich diesen Menschen manchmal, sich zusätzlich mit den psychologischen Hintergründen ihrer Instabilität auseinanderzusetzen. Also stabilisierende Ressourcen stärken, damit man den Weg doch gehen kann. Manchmal fehlt ja nur etwas Grounding oder Selbstfürsorge.
Manchmal ist es ganz simpel, und ein Mensch hat nur nicht gelernt, mal eine Pause zu machen, um das Erlebte zu integrieren. Manchmal hat ein Mensch nicht gelernt, auf Symptome der Überforderung zu achten, weil er in der Kindheit ständig Überfoderung erlebt hat und das immer aushalten musste. So jemand überfordert sich dann auch mit seiner sprituellen Praxis. Es geht ja nicht darum Menschen vom Klarträumen auszuschließen sondern, darum zu sehen was ein Mensch gerade braucht, um seinen Weg auch wirklich gehen zu können.
Es ist eine typische Traumafolge, dass Menschen kein Gefühl für Grenzen und Pausen haben und mit voller Hingabe etwas tun, dabei aber über das Ziel hinausschießen. Ich finde, wir sollten ein Auge darauf haben.
Es würde mich interessieren, ob hier im Forum jemand dieses zu viel Praktizieren kennt.
Ich gebe mal Beispiele aus meiner Vergangenheit:
Beispiel 1: Ich arbeite mit den Gateway CDs. Ich höre drei Folgen pro Tag. Das sind dann so 1,5 bis 2 Stunden Meditation pro Tag. Ich ziehe das gesamte Programm innerhalb von drei Wochen durch. Ich mache jede Nacht eine Klartraumübung (WBTB+WILD). Nach drei Wochen habe ich plötzlich alle paar Tage eine Astralreise. Im Wachzustand beginnt mein Körpergefühl plötzlich auseinanderzufallen. Ich steuere auf eine Ich-Auflösung zu, die ich gar nicht verarbeiten kann. Ich habe Angstzustände und bitte um Hilfe.
Was ich damals gebraucht hätte: Einen Rat bezüglich der Intensität meiner Praxis. Du mutest dir sehr viel zu. Ein Hinweis: Man muss solche Erfahrungen integrieren. Ein Rat: Lass dir mal mehr Zeit. Reduziere dein Klartraum-Astraltraining so weit, dass die Angstzustände aufhören. Ein Hinweis darauf, dass ein zu intensives Training irgendwann nicht mehr integriert werden kann. Es ist dann einfach zu viel auf einmal.
Beispiel 2: Ich meditiere auf meine Chakren und meditiere jeden Tag ca 2 Stunden über ca. 1,5 Jahre. Ich meditiere mit anderen Leuten zusammen, was meine Energie noch höher schwingen lässt. Ich berichte von Energieerfahrungen, die mir Angst machen. Ich habe das Gefühl, dass mein Körper verbrennt. Ich erlebe Überforderungsgefühle. Als ich sehr intensiv auf mein Herz-Chakra meditiere, erfahre ich, dass die Wachrealität nicht mehr konstant ist. Ich fühle mich mit der Erfahrung vollkommen überfordert. Ich rutsche in psychotische Bereiche. Dennoch mache ich weiter mit der Meditation. Ich hatte ja die Idee, das man das mit vollster Hingabe machen muss, wenn man Erleuchtung finden möchte.
Was ich damals gebraucht hätte: Den Rat, dass ich diese Erfahrung erst einmal integrieren muss, weil es eben nicht darum geht, die Energie nach oben zu lenken, sondern auch darum die hohen Energien wieder in sein menschliches Sein, zu integrieren. Vor allem alles, was mir Angst macht und psychotisch anmutet, kann man durch Selbstreflexion ins Ich integrieren. Bevor keine Integration stattgefunden hat, sollte die Praxis pausieren oder so verändert werden, dass die Stabilität wiederhergestellt wird. Der Rat wäre hilfreich gewesen, dass ein Mensch, der sein Ich auflösen weil er befreiung sucht möchte, erst einmal ein ganz stabiles, geerdetes Ich haben muss.
Leider fehlt diese Information in fast jedem spirituellen Buch, und auch innerhalb solcher Communities wird wenig darüber gesprochen. Dies wird Menschen, die im Hintergrund eine psychische Erkrankung oder Traumatisierung haben, dann leider oft zum Verhängnis, und es entstehen oft schwerwiegende Krisen und psychische Zusammenbrüche.
Für einen Menschen mit einer stabilen Persönlichkeit ist Klartraumtraining sicher nicht gefährlich, aber wer eine instabile Persönlichkeit hat, weiß das ja selten. Wenn man das aber schon ein paar Mal durch sein Umfeld erlebt hat, dass Menschen ziemlich abstürzen können, dann kann man dafür etwas mehr Feingefühl und Achtsamkeit entwickeln und vielleicht so manchen Unfall verhindern. Ich glaube auch nicht, dass man mir das Klarträumen hätte ausreden können, aber der Hinweis auf eine Pause, auf ein zweites Standbein, etwas, wo ich meine Stabilität mit trainieren hätte können, das hätte ich vielleicht annehmen können.
Zitat:Soll ich diese Menschen darum als bedenklich oder gar als gefährlich einstufen? Oder überhaupt alle anderen Menschen in die Kritik nehmen, weil ich Probleme wegen meiner Sozialphobie habe?
Nein, aber du kannst Menschen über deine Sozialphobie aufklären und hoffen, dass sie in Zukunft etwas achtsamer darauf achten, ob diese im Hintergrund liegen könnte. Mein Wunsch ist, für mehr Achtsamkeit zu werben. Dass hier jemand ausgeschlossen oder kritisiert werden sollte, davon habe ich nicht gesprochen.
Zitat:Ich habe eine Agoraphobie und Panik vor der grünen Wiese vor meinen Augen. Ist die Wiese daran schuld?
Es geht nicht um Schuld. Wenn ich darüber aufgeklärt bin, kann ich eventuell regulierend eingreifen.
In erster Linie ist es für Betroffene wichtig, offen über ihre psychischen Probleme oder Traumata sprechen zu dürfen und damit ernst genommen zu werden.
Leider fühle ich mich an diesem Punkt immer noch so, dass ich mit meinem Anliegen nicht immer ernst genommen werde. Jetzt kann ich das mittlerweile irgendwie aushalten, und für mich alleine stehen, aber ich weiß, wie lange ich darum gerungen habe, in diesem Punkt mal ernst genommen und gehört zu werden und wie sehr mich das getroffen hat, dass Menschen meine Geschichte immer wieder ignorieren.
Sich als betroffener mitzuteilen, wäre der erste Schritt, damit so etwas wie Aufklärung über solche Erkrankungen und Traumatisierungen innerhalb der Gesellschaft stattfindet. Das wäre für alle Betroffenen ein Schritt nach vorne, dass ihre Erfahrungen anerkennt werden und die Schlußfolgerungen die sie daraus gezogen haben, becahtet werden. Wenn man aber pauschal auf Ablehnung, Abwehr und Desinteresse stößt, und immer wieder erfährt, dass Menschen kein Verständnis für den besonderen Schutzbedarf traumatisierter Menschen haben, dann führt das häufig zu erneuten Retraumatisierungen. Und das ist es, was mir hier damals geschah. Ich erlebte eine Retraumatisierung, weil ich in Not war und nicht ernst genommen wurde mit der Intensität meiner Symptome.
Mir geht es aber überhaupt nicht um Schuld. Ich möchte aufklären und hoffe weiterhin, dass ich viele Menschen damit erreiche, dass Menschen mit besonderen biografischen Voraussetzungen, oft kein Gefühl für ihre eigenen Grenzen und Schutzbedürfnisse haben und sich deshalb schnell in eine Überforderung hinein katapultieren. Traumatisierte Menschen haben häufig kein Gefühl für Selbstschutz, weshalb sie dazu neigen sich mit Bewusstseins- Techniken massiv zu überfordern.
Ich fände es schön, wenn mehr Menschen ein Bewusstsein dafür hätten, dass das passieren kann. Dann könnten wir noch differenzierter und umsichtiger auf Menschen eingehen, die hier auftauchen und von Symptomen und Ängsten berichten. Dann würden wir die Idee, dass Klarträumen für alle Menschen immer der richtige Weg ist, vielleicht aufgeben müssen und noch viel differnzierter hinschauen. Dann würden wir manchen Menschen raten, dass sie ein stabiles Ich benötigen, um ihren Weg fortzusetzten.
Bei manchen Menschen erledigt das das Unbewusste, indem das Klarträumen einfach blockiert wird. Wenn man aber vor Hingabe brennt, dann findet man auch Wege diese Barriere zu durchbrechen. Ich konnte immer alle inneren Barrieren einreißen, hatte aber gar kein Bewusstsein, für den Sinn einer solchen Barriere. Es ist ja auch so, dass gar nicht alle Menschen so intensiv praktizieren wie ich das getan habe. Bei manchen Menschen stellt sich ein natürlicher Pausenmodus ein. Man hat dann zum Beispiel einfach keine Lust, keine Energie, keine Traumerinnerung. Das ist ein Zeichen dass die Schutzstratgien funktionieren. Bei mir gab es so eine Schutz nicht.
Weil gerade Menschen mit Traumafolgestörungen nie so etwas wie schützende Grenzen haben durften, gibt es bei ihnen diese gesunde Lustlosigkeit und Halbherzigkeit nicht. Bei manchen Menschen gibt es immer nur Übererregung und volle Konzentration auf das Ziel. Manche Menschen geben lieber 150 Prozenzt als über einen längeren Zeitraum mal nur 50% zu geben. Während manchen Menschen die Hingabe fehlt, besitzen traumatisierte Menschen manchmal ein Zuviel an Hingabe und Leistungsbereitschaft. Und damit schießt man irgendwann unweigerlich über die eigenen Ich-Grenzen hinaus. Wenn dann aber vorher keine stabile Persönlichkeit entwickelt wurde, führt das zu Problemen.
Man braucht also beides Hingabe und Selbstfürsorge, wozu auch gesunde Grenzen gehören. Eine stabile Persönlichkeit ist eine Voraussetzung für jede tiefgreifende Bewusstseinsveränderung.
Und nochmal, mir geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern um
Aufklärung, eine feinere Differenzierung und das ist ein ganz anderer Anspruch.