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Ein paar Gedanken zur Sprache

Ein paar Gedanken zur Sprache
#1
11.08.2008, 23:06
Was mich immer häufiger beschäftigt, ist der Umgang mit der Sprache, daher habe ich mir eben ein paar Gedanken gemacht, die ich aus einem Anflug von Motivation darlegen will:

Sprache ist zunächst etwas Organisches gewesen, welches der Kommunikation dient. Zumindest theoresiere ich es so. Ich stelle mir vor, dass man zu den Anfängen der Sprache wohl Wassergeräusche nachgeahmt hat, um anzudeuten, dass man in der Nähe ein Fluss gefunden hat.
Und genau wie die Lebewesen haben auch diese Laute eine Evolution durchlebt. Sie haben sich zu Wörter entwickelt. "Wasser" heißt es heute. Viele sind sogar onomato-poetisch geblieben: "fuchteln", "zappeln", "hohl", "dumpf", "stumpf", "flüstern" etc. (Man erkennt in der Folge hier eine konnotative Kette.)
Und mit dem Bewusstsein, der Intelligenz und sogar der Handfertigkeit des Menschen hat sich auch die Sprache gewandelt: Von einer organischen wurde sie immer mehr zu einer tektonischen (was ohne die Erfindung der Schrift kaum möglich gewesen wäre). Das beginnt mit der Einführung von Wortbildungsregeln, in künsterlischer Hinsicht durch Wortspiele, dann Lyrik und Literatur, dann über die Regelung der Rechtschreibung und sogar der Zeichensetzung und mündet sogar in der künstlicher Konstruktion von Wörtern, sogenannten "Kunstworten". Beispielsweise "Empathie" - im Griechischen trug "sympatheia" diese Bedeutung, mit dem Präfix "en" ist aber kein Derivat von "patheia" gebildet worden.
Auf diese Weise hat die Sprache an Form gewonnen und ist meiner Meinung nach ästhetisch geworden.

Gewisse Züge der Sprachentwicklung und vor allem des Umgangs mit der Sprache gefallen mir nicht. Über das Prinzip der Kommunikation ist man zur Nützlichkeit und dann zur Bequemlichkeit übergegangen. Auf diese Weise wirken Leute durch die Verwendung beispielsweise falscher Kasus einer langen organischen oder rational tektonischen Entwicklung einer Konstruktion entgegen. Für mich ist das klar ein Rückschritt, der die Sprache sowohl hässlicher als auch unstrukturierter macht. Ein all zu flapsiger Umgang mit Rechtschreibung führt dazu, dass Wortbildungen zufällig wirken.
Dann bekomme ich mehr und mehr mit, dass Menschen im Übereifer die Sprache an die durch die digitale Revolution, oder wie man das nennen mag, wichtiger werdende Mathematik und Logik anzupassen. Damit wäre aber der immer noch vorhandende organische Teil ignoriert. Vor allem ist es absolut sinnlos, eine hochkomplexe Sprache auf wenige Regeln vereinfachen zu wollen - denn dann müsste sie eine derartig verändert werden, dass sie uns danach nicht mehr zugänglich wäre.
Sprache ist außerdem der größte Bestandteil unseres Denkens. Eine Mathematisierung der Sprache hätte ein Verlust der menschlichen Denkweisen und damit der menschlichen Kultur zufolge.

Ich finde, dass es in der Verantwortung des Sprechenden und Schreibenden liegt, bewusst mit der Sprache umzugehen.

... ich bin jetzt zu müde, um das jetzt noch zu verbessern und zu vervollständigen, was ich eigentlich vorhatte. Oft lösche ich wegen solchen Müdigkeitsattacken solche Beiträge, wenn ich noch nicht mit ihnen zufrieden bin. Diesmal aber überwinde ich mich und schicke ihn trotzdem ab. Vielleicht werde ich ihn ja noch mal überarbeiten. Gute Nacht.
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#2
12.08.2008, 11:36

Zitat:Eine Mathematisierung der Sprache hätte ein Verlust der menschlichen Denkweisen und damit der menschlichen Kultur zufolge.


Da stimme ich dir zu. Man unterscheidet zwischen natürlichen und formalen Sprachen. Formale Sprachen sind z.B. Programmiersprachen, mathematische Systeme und so weiter, es gibt die berühmte Chomsky-Hierarchie, nach der man diese formalen Sprachen klassifizeren kann nach ihrer Mächtigkeit.

Für formale Sprachen kann man Grammatiken (Regelsysteme) definieren, die auf einem Computer umsetzbar sind. Bis heute hat man es bekanntlich nicht geschafft, eine solche formale Grammatik für die natürliche Sprache zu erstellen (es gibt komplexe Grammatiken, die schon einiges können, aber den wirklich sprechenden Computer gibt es eben doch noch nicht).

Zumindest als ich studiert habe war die Frage, ob dies überhaupt möglich ist (ob also die natürliche Sprache in die Klasse der Typ-0-Sprachen der Chomsky-Hierarchie gehört oder nicht), noch offen und eine Glaubensfrage, die die Informatiker in zwei Lager spaltete. Die einen waren davon überzeugt, dass natürliche Sprache einfach etwas wesentlich anderes ist als formale Sprachen, die anderen meinten, es sei nur eine Frage der Zeit, bis jemand die universale Grammatik finden würde, mit der man alle natürlichen Sprachen beschreiben könne.

Da ich davon ausgehe, dass natürliche Sprache und formale Sprache zwei unterschiedliche Dinge sind, oder zumindest, dass man die natürliche Sprache nicht auf ein formales System reduzieren kann, und ausserdem wie du der Meinung bin, dass die Sprache uns und unser Denken massiv bestimmt und beeinflusst, würde ich es für fatal halten, die Sprache zu formalisieren, z.B. mit dem Hintergedanken, machinelle Übersetzungen oder die Kommunikation mit Maschinen zu vereinfachen oder ähnliches.

Für mich ist auch der Unterschied zwischen "deskriptiver" und "preskriptiver" Grammatik wichtig. Unser Duden stellt (noch?) eine deskriptive, also beschreibende Grammatik dar. Die Forscher beobachten den Gebrauch der natürlichen Sprache und versuchen, allgemeine Regeln festzustellen und diese aufzuschreiben. Dabei ist man sich natürlich bewusst, dass es immer Zweideutigkeiten und Unvollständigkeiten gibt, man kann eben auch nicht einfach den Duden in den Computer programmieren und dann versteht der die menschliche Sprache.

Die formale Grammatik, die z.B. in einem Parser einer Computersprache steckt, ist eine "preskriptive", also vorschreibende Grammatik. Es ist ein Regelsystem, dass festlegt, welche Sätze zur Sprache gehören und welche nicht, eindeutig. Hier ist erst die Grammatik da und daraus entsteht die Sprache. Das ist natürlich etwas völlig anderes und aus diesem Grund bin ich sehr skeptisch eingestellt gegenüber den ganzen Rechtschreibreformen, die wir in den letzten Jahren über uns ergehen lassen mussten und die meiner Meinung nach fälschlicherweise versuchen, preskriptive Regeln festzulegen, an die sich die Menschen zu halten haben, anstatt dass versucht wird, die Sprache zu beschreiben, so wie sie die Menschen verwenden.

Meiner Meinung nach alles falsche Schritte in Richtung zum Maschinenmenschen und weg von der eigentlichen Natur des Menschen.


Zitat:Ich finde, dass es in der Verantwortung des Sprechenden und Schreibenden liegt, bewusst mit der Sprache umzugehen.


Selbstverständlich. Ich geh mal davon aus, dass genau das der Grund ist, warum viele Schriftsteller sich den von oben verordneten Rechtschreibreformen verweigerten.

Tschüss,
Riky
„I learned long ago, never to wrestle with a pig. You both get dirty, and besides, the pig likes it.“ - George Bernhard Shaw
„Do not feed the troll.“ - Internet
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#3
12.08.2008, 13:09

Zitat:ricky_ho schrieb am 12.08.2008 11:36 Uhr:
Für mich ist auch der Unterschied zwischen "deskriptiver" und "preskriptiver" Grammatik wichtig. Unser Duden stellt (noch?) eine deskriptive, also beschreibende Grammatik dar. Die Forscher beobachten den Gebrauch der natürlichen Sprache und versuchen, allgemeine Regeln festzustellen und diese aufzuschreiben. Dabei ist man sich natürlich bewusst, dass es immer Zweideutigkeiten und Unvollständigkeiten gibt, man kann eben auch nicht einfach den Duden in den Computer programmieren und dann versteht der die menschliche Sprache.

Die formale Grammatik, die z.B. in einem Parser einer Computersprache steckt, ist eine "preskriptive", also vorschreibende Grammatik. Es ist ein Regelsystem, dass festlegt, welche Sätze zur Sprache gehören und welche nicht, eindeutig. Hier ist erst die Grammatik da und daraus entsteht die Sprache. Das ist natürlich etwas völlig anderes und aus diesem Grund bin ich sehr skeptisch eingestellt gegenüber den ganzen Rechtschreibreformen, die wir in den letzten Jahren über uns ergehen lassen mussten und die meiner Meinung nach fälschlicherweise versuchen, preskriptive Regeln festzulegen, an die sich die Menschen zu halten haben, anstatt dass versucht wird, die Sprache zu beschreiben, so wie sie die Menschen verwenden.

Meiner Meinung nach alles falsche Schritte in Richtung zum Maschinenmenschen und weg von der eigentlichen Natur des Menschen.

Wobei die "deskriptive" - übrigens: "präskriptiv", oder? - Grammatik den Nachteil in sich birgt, auf den fahrlässigen Umgang der Menschen mit der Sprache eingehen zu müssen. Das wollte ich oben mit diesem Verfall von Kommunikation über Nützlichkeit zu Bequemlichkeit ausdrücken. Dass der Duden den Dativ bei der Präposition "wegen" erlaubt, finde ich ungeheuerlich. Daher sollten die Leute eben zu einem bewussten Umgang mit der Sprache aufgefordert werden, was ich ja auch wollte. Dann erst lässt sich eine deskriptive Grammatik verwirklichen, die keine Rückschritte erlaubt.
Beispielsweise wäre in einer deskriptiven Grammatik aufzufinden, dass man adverbiale Nebensätze syntaktisch wie Hauptsätze aufbauen kann: "Ich glaube nicht, dass das so stimmt, weil ich bin ja auf dem Gebiet Experte."
Und neulich musste ich mir von meiner Schwester sagen lassen, dass ich den richtigen Konjunktiv nicht verwenden darf, da man, um Missverständnisse zu vermeiden, auf den mit "würde" gebildeten zurückgreifen müsse.
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#4
12.08.2008, 13:42

Zitat:Zett Zelett schrieb am 12.08.2008 13:09 Uhr:
Wobei die "deskriptive" - übrigens: "präskriptiv", oder? - Grammatik den Nachteil in sich birgt, auf den fahrlässigen Umgang der Menschen mit der Sprache eingehen zu müssen.


Wenn sich dieser so eingebürgert hat, dass er eben in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist, ja. Der Unterschied ist eben, dass es hier kein "richtig" oder "falsch" gibt, wie bei einer präskriptiven Grammatik oder wie in der Schule (wo die deskriptive Grammatik angewendet wird wie eine präskriptive, zu pädagogischen Zwecken, aber das ist ein anderes Thema). Eben weil die Sprache nicht formal ist, sondern, wie du es nennst, "organisch".

Ich seh das nicht als ein Übel an. Sprache verändert sich eben, und es wird gegen diese Veränderungen, die sich automatisch aus veränderten Lebensumständen ergeben, immer Widerstand geben. Aber wenn man dieses lebendige, organische der Sprache erhalten will, dann muss man eben damit leben, dass sie sich anpasst. Dies verbieten oder anderswie die Sprache in festdefinierte Regeln einsperren zu wollen, durch Autorität, halte ich für falsch.


Zitat:Das wollte ich oben mit diesem Verfall von Kommunikation über Nützlichkeit zu Bequemlichkeit ausdrücken. Dass der Duden den Dativ bei der Präposition "wegen" erlaubt, finde ich ungeheuerlich.


Der Duden "erlaubt" nicht! Er beschreibt den Sprachgebrauch, wie er sich eingebürgert hat.

Wer hat denn deiner Meinung nach darüber zu bestimmen, wie "richtig" gesprochen/geschrieben wird? Eine Behörde? Die Bildungsministerin? Oder nicht vielleicht letztlich doch die Menschen, die die Sprache verwenden, als ein Werkzeug, und nicht als Korsett.


Zitat:Daher sollten die Leute eben zu einem bewussten Umgang mit der Sprache aufgefordert werden, was ich ja auch wollte. Dann erst lässt sich eine deskriptive Grammatik verwirklichen, die keine Rückschritte erlaubt.
Beispielsweise wäre in einer deskriptiven Grammatik aufzufinden, dass man adverbiale Nebensätze syntaktisch wie Hauptsätze aufbauen kann: "Ich glaube nicht, dass das so stimmt, weil ich bin ja auf dem Gebiet Experte."


Naja, soll der Mensch mit seinem Denken und seiner Kultur die Sprache bestimmen oder soll es umgekehrt sein? Sollen irgendwelche Sprachwissenschaftler sich wirklich hinsetzen und bestimmen, was richtig und was falsch ist? Dieser meiner Meinung nach falsche Weg wurde ja mit der Rechtschreibreform beschritten und ich hoffe man beendet das und führt es nicht fort, denn dann darf man sich nicht wundern, wenn irgendwann diverse Interessengruppen sich melden und ihre Vorstellungen davon durchsetzen, wie die Sprache auszusehen hat. An der Stelle wird das Thema "Macht der Sprache" akut und da denke ich natürlich an Nietzsche, Orwell oder auch ganz konkret das dritte Reich. Sprache muss frei sein und bleiben, sonst ist es auch mit der Freiheit der Gedanken nicht mehr weit her.

"In Zukunft, also im 20. Jahrhundert, werden diejenigen in einer Gesellschaft die eigentliche Macht ausüben, die fähig sind, ihre Sprachregeln in der Gesellschaft durchzusetzen. Dann ist die Wahl der Begriffe und der Sprache kein Nebenkriegsschauplatz, sondern dann wird der Kampf um die Sprache zur entscheidenden Schlacht." - Friedrich Nietzsche

Ich sehe die Versuche, mit der Rechtschreibreform von präskriptiven auf den deskriptiven Grammatikgebrauch zu wechseln, durchaus im Kontext eines allgemeinen Wandels der Gesellschaft hin zu einem totalitären System. In der heutigen Zeit ist die Herrschaft über die Köpfe hierzu der erste und wichtigste Schritt.


Zitat:Und neulich musste ich mir von meiner Schwester sagen lassen, dass ich den richtigen Konjunktiv nicht verwenden darf, da man, um Missverständnisse zu vermeiden, auf den mit "würde" gebildeten zurückgreifen müsse.


Wenn sie Recht hat, wird sich der "würde"-Konjunktiv einfach im Laufe der Zeit durchsetzen, weil er eine ungestörtere Kommunikation ermöglicht. Und darum gehts ja bei Sprache. Sie hat sich bis heute entwickelt in einer Art von Evolution, und das wird auch so weitergehen.

Es widerspricht vielleicht deinem subjektiven Sprachempfinden (was ist es anderes als irgendwelche Konditionierungen?), aber wem sonst? Was ist schlimm daran, "würde" zu sagen? Stell dir vor du wärst in 100 Jahren geboren, wo das normaler Sprachgebrauch ist. Würde es dich dann auch stören? Nein, du wärst so aufgewachsen. Die Sprache entwickelt sich mit den Menschen, das verstehe ich unter "organisch".

Tschüss,
Riky

p.s. Ich verstehe deine Sorgen um eine Verwahrlosung der Sprache. Allerdings glaube ich nicht, dass man diese verhindern kann, indem man eine deskriptive Grammatik aufstellt (und dann? wird man bestraft, wenn man sich nicht dran hält?). Die Verwahrlosung von Sprache ist ein Symptom für den Niedergang einer Gesellschaft und man muss an dieser Stelle ansetzen.
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#5
12.08.2008, 14:35

Zitat:ricky_ho schrieb am 12.08.2008 13:42 Uhr:

Zitat:Zett Zelett schrieb am 12.08.2008 13:09 Uhr:
Wobei die "deskriptive" - übrigens: "präskriptiv", oder? - Grammatik den Nachteil in sich birgt, auf den fahrlässigen Umgang der Menschen mit der Sprache eingehen zu müssen.


Wenn sich dieser so eingebürgert hat, dass er eben in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist, ja. Der Unterschied ist eben, dass es hier kein "richtig" oder "falsch" gibt, wie bei einer präskriptiven Grammatik oder wie in der Schule (wo die deskriptive Grammatik angewendet wird wie eine präskriptive, zu pädagogischen Zwecken, aber das ist ein anderes Thema). Eben weil die Sprache nicht formal ist, sondern, wie du es nennst, "organisch".

Ich seh das nicht als ein Übel an. Sprache verändert sich eben, und es wird gegen diese Veränderungen, die sich automatisch aus veränderten Lebensumständen ergeben, immer Widerstand geben. Aber wenn man dieses lebendige, organische der Sprache erhalten will, dann muss man eben damit leben, dass sie sich anpasst. Dies verbieten oder anderswie die Sprache in festdefinierte Regeln einsperren zu wollen, durch Autorität, halte ich für falsch.


Zitat:Das wollte ich oben mit diesem Verfall von Kommunikation über Nützlichkeit zu Bequemlichkeit ausdrücken. Dass der Duden den Dativ bei der Präposition "wegen" erlaubt, finde ich ungeheuerlich.


Der Duden "erlaubt" nicht! Er beschreibt den Sprachgebrauch, wie er sich eingebürgert hat.

Wer hat denn deiner Meinung nach darüber zu bestimmen, wie "richtig" gesprochen/geschrieben wird? Eine Behörde? Die Bildungsministerin? Oder nicht vielleicht letztlich doch die Menschen, die die Sprache verwenden, als ein Werkzeug, und nicht als Korsett.

Ich gehe jetzt erstmal nur darauf ein. Du hast recht, in zweifacher Hinsicht. Der Duden erlaubt nicht, aber er wird als präskriptiv erachtet. Insofern verweisen Leute auf den Duden, wenn sie den Dativ verwenden. Das ist aber irrsinnig. Weiterhin ist die deskriptive Grammatik sehr zu begrüßen und ganz bestimmt einer präskriptiven Grammatik vorzuziehen.
Aber gesetzt den Fall, es gäbe keine verbindliche Grammatik - es gäbe also kein "richtig" und kein "falsch" - damit ebnete man der Ignoranz den Weg und glorreichen Einzug in die Sprachgeschichte. Man intergrierte Fehler und Desinteresse. Eine wirkliche Umstellung auf eine deskriptive Grammatik und Rechtschreibung muss mit einer bewussten Einstellung zur Sprache einhergehen.

Den Rest lese ich mir wannanders durch, dann nehme ich auch nochmal dazu Stellung und bearbeite diesen Beitrag.
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#6
12.08.2008, 22:42
Mir gefällt Eure Diskussion sehr, insbesondere die so augenscheinlich zu Tage tretenden kulturellen Hintergründe von Euch beiden, auf Grund derer Ihr der Sprache so unterschiedliche Bedeutung zuschreibt...

@Zett: Bitte versteh' mich nicht falsch, ich schätze Deine Beiträge ganz besonders und lese sie mir immer gerne durch. Aber wenn ich ausnahmsweise Schopenhauer erwähnen darf: Man benutze gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge. O.k., klingt auch wieder nur hochtrabend und altklug, aber Du verstehst, was ich meine, oder? Bitte nicht übel nehmen, o.k.? skeptic

Der LuftAtmer

geträumte Luft schmeckt irgendwie anders

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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#7
12.08.2008, 23:00

Zitat:LuftAtmer schrieb am 12.08.2008 22:42 Uhr:
@Zett: Bitte versteh' mich nicht falsch, ich schätze Deine Beiträge ganz besonders und lese sie mir immer gerne durch. Aber wenn ich ausnahmsweise Schopenhauer erwähnen darf: Man benutze gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge. O.k., klingt auch wieder nur hochtrabend und altklug, aber Du verstehst, was ich meine, oder? Bitte nicht übel nehmen, o.k.? skeptic

Du formulierst das so lieb. Das kann ich nicht übel nehmen. :-)
Ich bin mir aber nicht sicher, ...
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#8
14.08.2008, 14:04
Hey, Zett! big

Bevor die Diskussion einschläft, frage ich dich, was du hiervon hälst. Das ist ein Auszug aus einem Interview mit Robert Anton Wilson, und er wird gerade nach James Joyce befragt:


Zitat:Walker: Why do you think he (Joyce) was censored? Why do you think they banned his books?

Wilson: [very long pause; then, stumbling angrily for words] Well, that's -- er -- I -- I uh -- How can you explain that!? It's like Bob Geldof, the rock star who did Band-Aid and Live-Aid. He was interviewed by the Irish Times, in Dublin, and they asked him, "Don't you think your use of improper language detracts from the noble causes that you are espousing?" And he said [Wilson starts speaking with an Irish brogue], "I don't know what tha fook improper language is!" Waal, Joyce didn't know what tha fook improper language is either [loses the brogue], and neither do I. I think it's some kind of crazy superstition dating back to the stone age. There is no improper language for a writer. What's proper depends on what kind of scene you're writing.


Übrigens bin ich gerade dabei, dieses Interview zu übersetzen und wollte diese Stelle jetzt direkt auf deutsch hier posten, aber Stellen wie "Waal, Joyce didn't know what tha fook improper language is either [loses the brogue], and neither do I." sind ja echt mal heftig... hat einer eine Idee, wie man "Waal" oder "what tha fook" (ich vermute dass das irischer Slang ist) ins Deutsche übertragen könnte? Falls ja vielleicht am besten per PM big
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#9
14.08.2008, 14:09
ich hab hier ein buch von james joyce: finnegans wake. mit uebersetzung auf deutsch. es ist wirklich ein neues buch, diese uebersetzung.

bei der uebersetzung musst du halt schauen, ob du z.b. mehr den sinn wiedergeben willst, oder mehr den stil, usw. aber egal fuer was du dich entscheidest: du veraenderst bedeutungsebenen. bei komplizierten sprachen bzw. texten bleibt dann wohl die beste wahl, diese sprache zu lernen und den text im original zu lesen. eine uebersetzung wuerde dann unnoetig, aber eine art kommentar koennte helfen.
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#10
14.08.2008, 16:35

Zitat:ricky_ho schrieb am 14.08.2008 14:04 Uhr:
hat einer eine Idee, wie man "Waal" oder "what tha fook" (ich vermute dass das irischer Slang ist) ins Deutsche übertragen könnte? Falls ja vielleicht am besten per PM big


"Waal" = "Well" = "Gut", "Naja" (Satzeinleitung ohne spezifische Bedeutung)
"what tha fook" = "what the fuck ..." = "was zum Teufel ..." oder "was verdammt nochmal ..."

Kommt mir jetzt nicht so anstößig vor, dass es einer PN bedürfte bigwink
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#11
14.08.2008, 17:10
Ich denke, dass es ricky_ho nicht darum ging, den Dialekt zu entschlüsseln als viel mehr ihn charmgetreu ins Deutsche zu übertragen. Ich habe leider noch nie einen Iren Deutsch reden hören.

Die Diskussion liegt jetzt aber doch 'ne Weile noch brach, wenigstens bis mein degenerierter Nacken aufhört, zu schmerzen, so dass ich mir wieder zumuten kann, ellenlange Texte zu lesen und schreiben.
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#12
14.08.2008, 19:28
@spell: Aus genau den Gründen werde ich "Finnegans Wake" wohl niemals lesen. Ich kenne es natürlich auch über Wilson, er ist ja ein riesiger Fan von dem Buch, und ich würde es ja gerne mal lesen. Aber es macht für mich keinen Sinn, da es für mich mehr oder weniger zusammenhanglose, aneinandergereihte Silben sind. Und grade bei so einem Buch dann eine Übersetzung zu lesen halte ich schon für ziemlich gewagt... habe aber "Ulysses" noch ungelesen hier rumliegen und der Reiz, es endlich mal anzugehen wird immer stärker.

@rhetor: PN dachte ich nur wegen offtopic :-)

@zett: Exakt so ist es. Es ist ja grade der Witz an der Stelle, dass Geldorf in, ich sage mal obszönem Slang, auf den Vorwurf antwortet, unangemessene Sprache zu verwenden. Wenn es so etwas gibt wäre eingedeuschter irischer Slang bzw. Akzent ideal. Für "what tha fook" schwebt mir momentan "verf**kt" vor, "was zum Teufel" und "verdammt nochmal" erscheinen mir irgendwie zu harmlos. Aber ich denke ich werde an der Stelle vielleicht den Wortwitz aus dem Original einfach sausen lassen und wirklich "was zum Teufel" nehmen...
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#13
15.08.2008, 00:14

Zitat:Walker: Why do you think he (Joyce) was censored? Why do you think they banned his books?

Wilson: [very long pause; then, stumbling angrily for words] Well, that's -- er -- I -- I uh -- How can you explain that!? It's like Bob Geldof, the rock star who did Band-Aid and Live-Aid. He was interviewed by the Irish Times, in Dublin, and they asked him, "Don't you think your use of improper language detracts from the noble causes that you are espousing?" And he said [Wilson starts speaking with an Irish brogue], "I don't know what tha fook improper language is!" Waal, Joyce didn't know what tha fook improper language is either [loses the brogue], and neither do I. I think it's some kind of crazy superstition dating back to the stone age. There is no improper language for a writer. What's proper depends on what kind of scene you're writing.


Zitat:Walker: Warum, denken Sie, wurde er (Joyce) zensiert? Warum, denken Sie, verboten sie seine Bücher?

Wilson: [sehr lange Pause; dann, wütend nach Worten ringend] Nun, das ist -- äh -- Ich -- Ich äh -- Wie kann man das erklären!? Es ist wie Bob Geldof, der Rockstar, der Band-Aid und Live-Aid machte. Er wurde von der Irish Times interviewt, in Dublin, und sie fragten ihn, "Denken Sie nicht, dass ihre Verwendung unpassender Sprache von den edlen Gründen ablenkt, für die Sie eintreten?" Und er sagte [Wilson fängt an, mit irischem Dialekt zu sprechen], "Ich weiß nicht, was diese verdammte unpassende Sprache ist!" Nun, Joyce wusste auch nicht, was diese verdammte unpassende Sprache ist [verliert den Dialekt], noch tue ich es. Ich glaube, es ist eine Art verrückter Aberglauben, der bis zurück in die Steinzeit reicht. Es gibt keine unpassende Sprache für einen Autor. Was passend ist [bzw. angemessen, Anm. d. Übers.], hängt davon ab, welche Art von Szene man schreibt.


War doch nicht schwer... bigwink
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#14
15.08.2008, 09:06
Damit wäre der irische Dialekt immer noch nicht eingefangen. Außerdem halte ich "unangebracht" für eine passendere Übersetzung.
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Re: Ein paar Gedanken zur Sprache
#15
15.08.2008, 10:44
Nein, es ist nicht schwer. Es war halt nur diese Stelle mit dem irischen Dialekt, die genau in der Stelle des des Interviews auftaucht, die ich hier posten wollte, und wo ich dann beim Übersetzen stockte und darum eben doch das Original gepostet habe. Hier mal, scheint ja zu interessieren, meine Übersetzung, die ich aber wohl noch ändern werde (z.B. ist "nach Wörtern ringend" besser als "suchend", das klau ich):

Walker: Was glaubst du, warum er zensiert wurde? Warum denkst du, haben sie seine Bücher verboten?

Wilson: (sehr lange Pause; dann, wütend nach Wörtern suchend) Nun, das ist - äh - ich - ich äh - Wie kann man das erklären? Das ist wie mit Bob Geldof, dem Rockstar, der "Band Aid" und "Live Aid" auf die Beine gestellt hat. Er wurde von der Irischen Times interviewed, in Dublin, und sie fragten ihn: "Glauben Sie nicht, dass ihre Verwendung von unsachgemässer Sprache von den noblen Beweggründen ablenkt, die Ihnen so wichtig sind?" Und er antwortete (Wilson sagt das folgende mit irischem Akzent): "Ich weiss nicht, was verfickt nochmal unangemessene Sprache ist!" Joyce wusste auch nicht, was verfickt noch mal unsachgemässe Sprache ist (lässt den Akzent weg), und genausowenig weiss ich es. Ich denke das ist eine Art von verrücktem Aberglauben aus der Steinzeit. Es gibt für einen Schriftsteller keine unsachgemässe Sprache. Was sachgemäss ist hängt von der Art von Szene ab, die man schreibt.
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