(26.04.2011, 23:40)spell bound schrieb: ihr glaubt ernsthaft, die heutigen menschen sind intelligent, weil sie autos fahren und chemiekonzerne errichten?
Was "Intelligenz" ist, müsste man sowieso erstmal klären. Aber Fortschritte sehe ich z.B. darin, dass die Haltung von Sklaven heute weit weniger akzeptiert ist als vor ein paar Hundert geschweige denn ein paar Tausend Jahren oder darin, dass man heute mit jedem Menschen auf der Welt kommunizieren kann. Oder auch ein Bewusstsein für Umweltschutz und Rechte von Tieren, dass es noch vor wenigen Jahren überhaupt nicht gab.
Auch Autos und Chemie stehen für eine bestimmte Art von Fortschritt, wie auch immer man das jetzt bewertet. Es ist aber auch die Frage, ob jetzt das Autofahren an sich irgendwie zu verurteilen ist, also die Mobilität, oder ob die vom Autofahren verursachten Probleme nicht mit ganz anderen Zusammenhängen (Entwicklungen) zu tun haben. Vielleicht wäre es heute ja problemlos möglich, umwelt- und sozialverträglichen Individualverkehr zu betreiben, wenn nicht nur die technische Entwicklung so weit fortgeschritten wäre sondern bestimmte andere Entwicklungen auch. Dann würde für mich folgern, dass ich nicht den technischen Fortschritt verdamme, sondern den mangelnden Fortschritt im Bereich des Bewusstseins.
Zitat:aufklärung gab es auch schon in der antike. fortschritt oder wiederholung?
Dass eine Entwicklung stattfindet lässt sich aber doch kaum leugnen. Einen ewigen Kreislauf des immer gleich bleibenden sehe ich jedenfalls nicht, auch wenn es natürlich Rückschritte, Fehlentwicklungen, Blockadesituationen und so weiter gibt.
Man muss vor allem auch sehen, dass es nicht nur "die Entwicklung" gibt sondern viele verschiedene Entwicklungslinien. Dabei gibt es Linien, auf denen die Menschen in der Antike sich von uns heute gar nicht gross unterscheiden. Da würde ich z.B. die hier angesprochene intelektuelle Linie zu zählen, denn Platon war sicher nicht dümmer als die intelligentesten heute lebenden Menschen und wie ich schon angedeutet habe denke ich auch nicht, dass der durchschnittliche alte Grieche dümmer war als der durchschnittliche heutige Europäer.
Es gibt aber andere Entwicklungslinien, in denen das durchaus anders ist, z.B. was man so die weltanschauliche Entwicklungslinie nennen könnte, d.h. die Wahrnehmung und Interpretation der Welt. Hier ist es auch logisch, dass diese sich entwickelt (und nicht im Kreise dreht), da mit jeder neu gewonnen Erkenntnis neue Perspektiven zur Verfügung stehen, die den Generationen vorher einfach nicht zugänglich waren. Auch viele der klügsten grieschichen Philosophen haben an den Pantheon geglaubt, genauso wie weder Galileo noch da Vinci oder Newton den katholischen Glauben grundsätzlich abgelehnt hätten, weil sie für die "zu intelligent" gewesen wären.
Diese verschiedenen Entwicklungslinien entwickeln sich also einerseits unabhängig voneinander, beeinflussen sich andererseits aber natürlich auch, es hängt also alles miteinander zusammen in einem sehr komplexen dynamischen Prozess. So können z.B. Entwicklungen im eher politischen Bereich, die zu einer offeneren Gesellschaft führen, bestimmte individuelle Entwicklungslinien begünstigen. Im Mittelalter war die Situation wohl eher umgekehrt, indem der Zusammenbruch des römischen Reiches zu einem Rückfall der kulturellen Entwicklung geführt hat, der sich dann auch auf individuelle Entwicklungen niederschlägt.
Ich denke auch, dass man, wenn man sich von diesem Thema der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins ein Bild machen will, viel weiter zurückgehen muss als bis zu den alten Griechen, den deren Bewusstsein war wohl in vielen Entwicklungslinien nicht viel anders als unser heutiges. Schaut man sich nur die Geschichte der letzten 3000 Jahre oder so an ist das ein zu kurzer Zeitraum um die wirklich grossen Entwicklungsstufen unterscheiden zu können.