Der Trauminhalt: primäre und sekundäre Zensur

[Samjam]

Du musst's ja wissen!
Freud war überhaupt der erste, der als klinisch tätiger Arzt die menschliche Psyche und das Unterbewußtsein überhaupt systematisch erforschte und versuchte, in Form von Theorein den Zusammenhang zur Physis herzustellen. Mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versteht sich, also psychoanalytisch, denn MRT usw gab es damals noch nicht.
dass die Freudianer später einen fast esoterischen Kreis bildeten, mit allerlei merkwürdigen Interpretationen, kann man Freud jedoch nicht anlasten, er war genau wie Jung und Adler u.a. ernst zu nehmender Wissenschaftler.

Kein Grund gleich so ausfallend zu werden. Ich habe Freud gern gelesen und erkenne seine Leistung durchaus an. Aber genau diese Entwicklung die du in deinem letzten Satz erwähnst, lässt sich eben nicht wegerklären. Ganz davon abgesehen, ist Freud einfach hoffnungslos veraltet. Die Psychoanalyse ist keine Wissenschaft, sondern eine Theorie die auf nicht unbedingt wissenschaftlichen Annahmen beruht, konnte sie damals auch nicht. Die Psychologie ist darüber inzwischen hinweggegangen. Freuds wahre Leistung ist die Begriffsentwicklung.

Samjam, vielleicht hast du irgendwas aktuelleres aus der Forschung, aus der Zeit nach Tholey?

Aus der Psychologie müsste ich suchen. Bewußtseinsphilosophische Traumtheorien gibt es auch ein paar, ja. Bei Bedarf gern.

[Viltrudis]

Och das ist ja noch hamrlos. Kernberg erzählte eine Anekdote aus seinen Anfangszeiten der PA in den USA und später in Deutschland, wo ihm unveblümt von führenden Chefärzten an den Kliniken engtgegnet wurde: "Mit einem Schwein wie Freud wollen wir nichts zu tun haben!"

Ich persönlich bin ja der Meinung dass seine Theorien damals sehr neu und unerhört provokant und unangenehm waren, und je unangenehmer, desto impulsiver die Abwehrreaktionen der Betroffenen.

Ist doch nichts neues.

Ah, also diese Zeiten sind doch vorbei. Mich regt es nur auf, dass Freuds Theorien (und vor allem die Teile davon, von denen man längst abgekommen ist in der heutigen Psychoanalyse) in aller Munde sind, während z.B. sowas wie Klarträumen meistens unter den Tisch fällt.

Wie gesagt, mein Vater hat ihn nicht unterrichtet, weil er ihn für zu veraltet hielt; leider war mein Psychologieunterricht extrem auf Freud zentriert, wir haben wieder den kompletten Satz gelernt, samt all den Dingen, die man eigentlich wirklich nur mehr aus historischem Interesse wissen müsste.

Aber gut, ich bin voreingenommen, und es ist ja wirklich nicht so, dass Freud nichts geleistet hätte.
Mich hat nur gestört, dass du, dich auf Freud beziehend, Traumzensur mit Verdrängung und Über-Ich erklärt hast. Das ist vielleicht ein Erklärungsansatz, aber so weit ich weiß nicht wirklich allgemeingültig - bzw. gibt es halt soviele verschiedene Meinungen, wozu das Träumen überhaupt dient, dass sich da notwendigerweise Verscherungen ergeben.

[Peter Trimus]

Ich bin der Meinung, dass C.G.Jung da durchaus mehr Ahnung hatte, was Träume und Unbewusstes betrifft, als Freud es damals je hatte.

[Ne0]

Ich bin von Jung auch begeistert, mehr sogar noch als von Freud.
Dennoch sind Freuds Theorien ebenfalls wichtig in meinen Augen. Beide behandeln auch unterschiedliche Schwerpunkte.

Während Jungs Fokus sich mehr auf den Individuationsprozess und die Integration der Psyche richtet, also auf die individuelle menschliche Psyche, und dabei auch auch mystische und religiöse Aspekte mit einbezieht, was mir außerordentlich wichtig ist, beschreiben Freuds Theorien mehr ein funktionales Modell der Psyche und seiner Störungen. Dennoch hat natürlich auch Jung ein topographisches Modell der Psyche entwickelt, welches fraglos sogar noch wesentlich umfangreicher und komplexer ist als Freuds.

Insbesondere die Begriffe 'kollektives Unbewußtes' und 'Archetypen' sind Entdeckungen von Jung und dessen Schwerpunkte.

ich würde auch sagen wollen, dass die modernen psychotherapeutischen Methoden aus Jungs Lehren hervorgingen, während die klassische und teilweise bis heute noch verwendete Methode der Psychoanalyse mehr auf Freud fundiert, aber damit werd ich mir sicher einige Buh-Rufe einfangen.

Jedenfalls ist die Tatsache, dass aus beiden dann später die Methode der psychoanalytischen Psychotherapie erwuchs, und welche u.a. auch von Otto Kernberg heute vertreten wird, für mich ein Zeichen, dass beide Methoden für eine vollständige Psychologie wichtig sind.

Wenn mal mal weg von der theoretischen Psychologie hin zur praktischen Anwendungsmöglichkeit blickt, so hat bei einigen (nicht bei allen!) psychischen Problemen die Analyse auch heute noch durchaus ihre Anwendungsmöglichkeiten und Daseinsberechtigung.

Die Kunst der Therapie ist daher eine exakte Diagnose, um dann sich für die jweeils geeignete Methode zu entscheiden.

[Rhetor]

Wenn mal mal weg von der theoretischen Psychologie hin zur praktischen Anwendungsmöglichkeit blickt, so hat bei einigen (nicht bei allen!) psychischen Problemen die Analyse auch heute noch durchaus ihre Anwendungsmöglichkeiten und Daseinsberechtigung.

Treffend bemerkt.

Allerdings sehen Leute, deren einziges Werkzeug ein Hammer ist, in jedem Problem einen Nagel ...

[Ne0]

@Ne0
Die interessanteren Texte von Tholey finden sich nicht in seinem Buch, sondern sind online zu lesen, z.B. hier:

Tholey Schriften

Danke dafür!

"Auf der anderen Seite stehen dem Klarträumen wohl auch
Widerstände affektiver Art entgegen, weil durch die Klarheit im Traum ja das,
was man im primitiv-prägnanter Weise zu verbergen sucht, an das Tageslicht
gezerrt werden könnte. Aus diesem Grund betrachten wir die Unfähigkeit zur
Klarheit im Traum zu gelangen, nicht nur als eine Störung des Traumlebens,
sondern auch als mögliches Symptom für eine allgemeine psychische Störung.
"
(http://traumring.info/tholeytraumgestalten.pdf)

Hm, das ist natürlich schon starker Tobak. Andererseits - vlt bestätigt es ja nur meine heimliche Vermutung. Ich habs bisher noch nicht geschafft klar zu werden, und ganz ehrlich: ich war mir selbst schon immer ein wenig suspekt ...

[Peter Trimus]

Ich meine, dass das Nichtklarwerdenkönnen durchaus nichts mit einer psychischen Störung zu tun haben muss. Ich denke, dass die Antennen der unterschiedlichen Individuen Ich denke, Archetypen und Traum gehören unter Anderem unmittelbar zusammen.

[Rock]

Ich meine, dass das Nichtklarwerdenkönnen durchaus nichts mit einer psychischen Störung zu tun haben muss.

Neben den psychischen Aspekten, glaube ich persönlich auch, dass "Klar werden" ziemlich viel mit der "Gehirnchemie" zu tun hat (die man natürlich u.A. über die Psyche beeinflusst). Also ich vermute, dass manche Menschen es einfach biologisch vielleicht ein bischen schwerer haben als andere.

[DasNetzInDir]

Denke Freuds Ansichten kann man getrost vernachlässigen, sie verwirren bzw. führen eher zu falschen Annahmen, alsdass sie helfen zu erfahren was im Traum eigentlich wirklich wahrgenommen wird.

In folgendem Artikel , den ich vor kurzem Fand geht es um eine Abrechnung mit "Sigismund Freund" (mal ehrlich der Name klingt doch schon nach nem ausgeklügelten MindFuck, oder gehts da nur mir so?)

http://whaaat.de/truewords/?p=5297

[ocin1000]

Ja, die Zensur passiert natürlich im Gehirn, wo denn sonst?

Weiss man nach neuem Forschungsstand auch, in welchem Teil im Gehirn diese Zensuren passieren?
Paul Tholey ist ja eigentlich nicht extrem veraltet oder nicht mehr aktuell...