Z schrieb:Solange du nicht mal selbst weißt, was es überhaupt nur für dich persönlich bedeutet, gesellschaftlich akzeptiert zu werden
Das hab ich eigentlich nicht so gesagt. Ich wollte eher darauf hinweisen, dass es
nicht reicht, zu wissen, was
für mich bedeutet, gesellschaftlich akzeptiert zu werden - weil die Anforderungen für unterschiedliche Menschen unterschiedlich sind. Es bedarf als eines breiten Spektrums an Perspektiven, intersektional gedacht, und einer Kultur des Zuhörens ... wenn jemand tatsächlich an Aktivismus in Richtung der Verbesserung des Status Quo interessiert ist. Wenn da kein Interesse besteht, dann ist auch die Diskussion eher Zeitverschwendung, zumindest für mich.
Zitat:Ohne selbst konkret zu werden, kannst du nämlich nur sagen: “Jeder hat das Recht darauf, von anderen genau so behandelt zu werden, wie er will.” Dual gewandt: “Jeder hat die Pflicht dazu, andere genau so zu behandeln, wie sie wollen.” Aber dazu? No.
Die beiden Aussagen sind hier fürchterlich allgemein, und so würde ich ihnen auch nicht zustimmen.
Zitat:Rechte und Pflichten sind universell, nicht individuell. Sie sind Gegenstand öffentlicher Diskussion. Sie können nur gemeinschaftlich erschlossen, niemals individuell bestimmt werden. Wer das anders sieht, hat in der Gesellschaft nichts verloren.
Die Gesellschaft streitet ja gerade. Die Seite, zu der ich mich da zähle, strebt an, dass Geschlecht eine Sache der individuellen Selbstdefinition sein sollte, und dass es zu den Grundrechten eines Menschen gehört, dass diese Selbstdefinition vom Umfeld auch übernommen wird.
Die Begründung dafür ist: Der zusätzliche Aufwand, den es für (manche) Leute bedeutet, (auch) trans Leuten dieses Recht zukommen zu lassen, ist ungleich geringer als der Nutzen, den es bringt, in der Vermeidung von psychischer Gewalt.
Zudem verringert sich dieser Aufwand noch einmal, wenn eine umfassende Aufklärung zu diesen Themen Standard würde.
Zitat:Du meinst eventuell: Was Geschlecht trägt, ist komplexer. Ja. Das biologische Geschlecht ist eine simple Eigenschaft, die eine hohe Komplexität trägt. Genau das macht diese Kategorisierung so mächtig.
Du hängst dem Glauben an, dass diese Kategorisierung unglaublich nützlich ist. Ich bezweifle das grundlegend.
Zitat:Wozu? Es funktioniert ja schon extrem gut. In über 49/50 aller Fälle ist die Binäreinteilung effektiv. Man weiß über die Existenz von Ausnahmen. Ausnahmen können identifiziert und separat behandelt werden. Das ist ’ne runde Sache.
Solange es eine Regel und eine Ausnahme gibt, also ein Ungleichgewicht schon in der Bezeichnung, lässt sich Diskriminierung kaum vermeiden.
Zitat:Eine Einführung solcher Begriffe rechtfertigt nicht die Abschaffung der biologischen Einteilung. Die konkret von dir vorgeschlagenen Bezeichnungen umfassen ja nicht die Pakete “männlich” und “weiblich”, sondern konzentrieren sich auch Teilaspekte. Ich sehe nicht, wie das die biologische Einteilung ersetzen sollte.
Na weil es außer einer Menge Einzelbegriffen nichts gibt im Paket. Ich glaube jedenfalls nicht daran. Das Gesamtpaket ist enorm nützlich als Instrument für Diskriminierung, aber ansonsten?
Zitat:Anstand. Menschen sollen einander anständig behandeln. Dem stimme ich voll und ganz zu.
Hm. Ich assoziiere mit dem Wort "anständig" teilweise überkommene Moralvorstellungen. Das Wort hat eine konservative Konnotation, scheint mir. Aber natürlich ist das nur eine Seitenanmerkung, kein Argument.
Zitat:Du hältst es für eine Sache des Anstands, Menschen gemäß ihres selbsterlebten Geschlechts zu behandeln. Ich frage mich aber, wieso. Hältst du es für eine Frage des Anstands, Menschen gemäß ihres selbsterlebten Alters oder ihrer selbsterlebten Berufung zu behandeln?
Das ist für mich ein sehr ärgerlicher Vergleich. Das Geschlecht ist nun einmal eine geistige Komponente, und zwar vordergründig, hauptsächlich. Von daher hat die Selbstidentifikation hier Gewicht. Die Argumentation, dass dies so ist, kam ja nicht aus dem Nichts, es gibt einen seit Jahrzehnten geführten Diskurs, und einen breiten medizinischen Konsens, der besagt, dass es für die Behandlung von Gender Dysphoria die wohlerprobt beste Methode ist, die Person als ihr richtiges Geschlecht leben zu lassen. Dass dies ständig wieder und mit oft weit hergeholten Argumenten infragegestellt wird... finde ich unglaublich anstrengend. Ich frage mich ehrlich, ob das jetzt den Rest meines Lebens so weitergeht, dass ich mich alle paar Wochen gegen solche Argumente verwehren muss.
Beim Alter ist die relevante Komponente wohl die rechtliche: z.B. Volljährigkeit, Pensionsalter, usw. All diese Aspekte befinden sich nicht auf einer Ebene der Selbstzuschreibung. Wenn mir tatsächlich ein 50-jähriger begegnet, der sich selbst irgendwie als Zehnjährigen sieht... dann würde ich diese Person rechtlich als 50-jährigen behandeln. Aber im Gespräch vllt nicht; bzw. würde ich nachfragen, was das für ihn bedeutet. Es könnte sich auch um ein Alter Ego eines multiplen Systems handeln... die sind oft in verschiedenen Altern. Wenn ich mit ihm spreche und das Gefühl habe, ich kann am besten kommunizieren, wenn ich so rede, als wäre es ein Zehnjähriger, dann: Warum nicht?
Aber um das noch einmal zu betonen: Alter funktioniert anders als Geschlecht. Wer wiederholt mit diesem Vergleich anrückt, hat wahrscheinlich ein politisches Interesse daran, trans Menschen zu schaden.
Zitat:Troubadix erlebt sich als begnadeter Barde. Ist es eine Sache des Anstands, Troubadix als begnadeten Barden zu behandeln?
Nein.
(Allerdings wäre es u.U. eine Sache des Anstands, ihn als Barden zu behandeln. Insofern als die Unbegabtheit ihn noch nicht zu einem Nicht-Barden macht. But that's not a hill I wanna die on, I guess.)
Zitat:Nungut. Es gibt Tage, an denen mir ganz ernsthaft lieber wäre, erdolcht zu werden, als auf mein Studium angesprochen zu werden. Warum sollten die Gefühle individueller Menschen Maßstab für den Umgang miteinander sein?
Es sind ja nicht nur Individuen. Ich nehme an, es geht einer Mehrheit der trans Leute so. Ich kann nur schlecht für eine Gruppe sprechen, der ich nicht selbst angehöre, deswegen habe ich beispielhaft eine Aussage einer individuellen Person gebracht.
Generell gilt (absichtliches) Misgendern in trans Gruppen oft als schwere Beleidigung bzw. Verletzung.
Zitat:Unter Freunden und in der Familie hat man die Gefühle der anderen zu achten, ja. Aber sonst?
Hm, warum gilt etwas für Freunde und Familie, aber nicht für alle Menschen? Ist das ein Rest von Stammesdenken?
Zitat:Ach, die Social-Justice-Leute sollen sich mal entspannen.
Fuck that. Ich entspanne mich, wenn die Missstände behoben sind.
Was glaubst du, wie oft ich es im Alltag ignoriere, wenn sich Menschen in meinem Umkreis nicht ideal oder sogar scheiße verhalten? Ziemlich jeden Tag. Wenn ich jedes zwanzigste Mal nur dann doch den Mund aufmache und sage "öhm, hör mal, das ist eigentlich nicht so toll,und hier ist warum" - und dann gesagt kriege, ich soll mich doch entspannen, find ich das eher absurd.
Das erklärt meine Perspektive - ich glaube, das es vielen Leuten so geht. Ich glaube, dass es auch vielen so geht, dass sie in ihrer physischen Umgebung vieles tolerieren (müssen), und sich dann im Internet über ihren aufgestauten Ärger Luft machen. Wenn du das nachvollziehen kannst, verstehst du sehr viele Leute, die im SJ-Bereich laut und aggressiv wirken, besser.
Zitat:Trump hat für mich keinen Respekt verdient, warum sollte man ihm Respekt zollen? Ist es respektlos gegenüber dicken Menschen, Trump als fett zu bezeichnen? What? Warum sollte es?
Weil du indem du diese Beschimpfung über das Wort "fett" ausführst, gleichzeitig auch die Idee verbreitest, dass es widerlich und böse ist, fett zu sein. Schimpfworte haben immer diese doppelte Wirkung. Tatsächlich hat Trumps Bösartigkeit aber nichts damit zu tun, dass er übergewichtig ist. Es gibt viel mehr übergewichtige Menschen, die sich niemals so arschig verhalten würden.
In meiner Schulzeit war "schwul" ein gängiges Wort, um Dinge oder Personen zu bezeichnen, die schlecht gefunden werden. Was glaubst du hat das für eine Auswirkung auf schwule Menschen in diesem Umfeld?
Solche Sprache hat eine Auswirkung... es nützt nichts, wenn du nur super-unsympathische Menschen als "schwul" beschimpfst - du degradierst immer gleichzeitig auch die Leute, deren Eigenschaft du als Schimpfwort heranziehst.
Das kann erst einmal eine bittere Pille sein, es ist für mich jedenfalls definitiv auch nicht leicht, meinen Wortschatz immer wieder anzupassen, wenn ich etwas dazugelernt habe. Aber im Hinblick auf das höhere Ziel, den Menschengruppen, um die es geht, das Leben nicht schwerer zu machen, mache ich es trotzdem.
Zitat:Die Frage scheint zu sein, ob es respektlos ist, jemanden für fett zu halten.
Nein, eigentlich überhaupt nicht. Du kannst für übergewichtig (oder meinetwegen fett) halten, wen du willst. Wenn du die Person deswegen beleidigst, wirft das allerdings (aus meiner Sicht) ein schlechtes Licht auf
dich, denn "fett sein" ist keine Eigenschaft, die für sich genommen ablehnenswert ist. In den meisten Kontexten jedenfalls.
Wenn es darum geht, ein Luftschiff mit möglichst leichtem Personal auszustatten - in dem Kontext fände ich es legitim zu sagen: Du bist zu schwer. Aber das ist dann halt auch keine Beleidigung.
Naja, all das war mehr oder weniger
Social Justice 101, etwas weit ab vom Thema.
Zitat:Jo. Bisher denke ich: Das richtige Pronomen für dich und spell bound ist das männliche, denn ihr seid beide biologisch männlich.
Nein. Das richtige Pronomen bestimmt sich nicht aus der Biologie.
Zitat:Du musst erst mal rechtfertigen, warum du das selbstgewählte Pronomen richtig nennst.
Muss ich das?
Zitat:Das meine ich mit nichtfaktischen Informationen. Ich weiß nicht, ob das Wort gut gewählt ist. Vermutlich nicht.
Definitiv nicht, ich weiß immer noch nicht, was du meinst.
Zitat:Ich habe im Wesentlichen ein sehr klares Konzept vom biologischen Geschlecht, ein relatives klares Konzept vom sozialen Geschlecht und vom Geschlechtsausdruck und keine klare Konzepte von Geschlechtsrolle und vor allem von Geschlechtsidentität.
Ich strebe danach, die Begriffe möglichst so zu verwenden, wie das ein breiter Konsens (insbesondere auch von anderen trans Menschen) tut; ich will ja keine Verwirrung stiften. Daher glaub ich, ist es gar nicht so sinnvoll, wenn ich mich jetzt hier hinstelle und
meine Definitionen gebe, ... als wären es
meine.
Mein Ziel ist nicht primär, dich zu überzeugen, sondern gute Information weiterzugeben.
Also verlinke ich lieber ein paar hoffentlich interessante Ressourcen:
Trans 101: Put Down the Map
Recht ausführlich, geht erst einmal von einem konkretem Gespräch aus, analysiert dann weiter, mäandriert ein wenig herum, und kommt schließlich zu einer Begriffsdefinition von genau den Begriffen, nach denen du gefragt hast. Der Artikel ist lang, aber ich denke lohnenswert. (Drum hatte ich ihn auch gespeichert^^)
florence ashley: what is gender?
Kurzer Artikel, eher ergänzend.
Miriam Suzanne: My Body
Etwas poetischer ausgedrückt. Ich denke, als Kontrast zu dem trockenen Theoretisieren ganz gut.
Zinnia Jones:
genderanalysis.net: medical professionals increasingly agree trans women are female, trans men are male/ Geht auf das soziale Problem ein, dass damit einhergeht, an einer Haltung "trans Frauen sind biologisch männlich" festzuhalten.
Zinnia Jones würde ich übrigens jenen empfehlen, die auf Wissenschaftlichkeit und Quellenangaben stehen.
Zitat:Nachdem du im September den Begriff “genderqueer” hast fallen lassen, habe ich etwas recherchiert und mir Gedanken dazu gemacht. Danach bin ich über genau die Diskussion auf Ben Shapiro gestoßen, dann über dich auf Contrapoints, und danach auf Jordan Peterson.
Sprich, von bloßer Unkenntnis hast du dich u.a. zu zwei von den miesest-möglichen Quellen (J.Peterson und Shapiro) zu dem Thema hingearbeitet.
Ich versuche mal, dir das nicht übel zu nehmen. (Ich gehe ja davon aus, dass du einen konservativen Bias hast, der dich automatisch solche Quellen als glaubwürdiger erscheinen lässt, die eher deinen Intuitionen im Moment entsprechen.)
Stattdessen versuche ich dem entgegenzuwirken, indem ich auf bessere Quellen verlinke.
Zitat:Zu schreiben “Was Zed schreibt, ist scheiße.”, ohne dies im Anschluss zu belegen und zu begründen, finde ich zwar etwas unfair, aber das soll mich jetzt nicht kratzen. Meinetwegen auch das …
Ein Posting pro Tag. Das hier zählt dann wohl für den 20.Jänner schon. Scheiße, ich kann mich eh kaum an meine Limits halten... aber ich glaube, recht viel mehr, als auf eine Menge Quellen zu verlinken, kann ich jetzt nicht machen. Möglicherweise ist es sinnvoller, das Thema dann eine Weile ruhen zu lassen. Du kannst ja inzwischen recherchieren.