RE: Trauma
Entwicklungstrauma Teil 9: Die Schwere anerkennen – Das Trauma Würdigen
Was mich immer wieder triggert, ist, wenn Menschen die Schwere meines Traumas nicht anerkennen. Es fühlt sich an, als würde man einen gehbehinderten Rollstuhlfahrer ignorieren und so tun, als könnte er problemlos laufen. Das verletzt mich.
Nur durch intensive Unterstützung in der Traumatherapie und durch einen spirituellen Lehrer, der selbst tiefgehende Ohnmachtserfahrungen gemacht hatte und mir zeigte, wie man sie sinngebend erträgt, (nämlich als Kreuzigung) habe ich überlebt.
Ich glaube, ohne diese Hilfe wäre ich an den Folgen meiner nach innen gerichteten Wut gestorben – nicht durch Suizid, sondern durch Krankheiten, die aus unterdrückter Wehrhaftigkeit und nicht gelebter Wut entstanden sind. Ich bin ein Kämpfer - ich bin niemand der sich einfach so aufgibt, aber unbewusst hatten sich alle meine Krankheiten als Folgen des Traumas gegen mich gerichtet. Unbewusst habe ich mich zertört.
Und manchmal brauche ich eine Würdigung dafür, dass ich all das überlebt und um mein Leben gekämpft habe. Dass ich all diese Wege gegangen bin, durch Therapie und jedem Arzt und jeder Behörde mein Trauma erläutert habe und für meine Rente gekämpft habe. Das war ja gar kein leichter Weg.
Dass ich trotz dieses massiven Traumas hier stehe, mich offen ausdrücke und meinen Schmerz zeige. Dass ich mich – trotz all der schlechten Erfahrungen mit Menschen – wieder darauf einlasse, vorsichtig Kontakt zu wagen, verdient Respekt.
Es verletzt mich, wenn mein Trauma bagatellisiert wird. Denn ich habe die Hölle auf Erden erlebt und wäre beinahe an ihren Folgen gestorben. Ich möchte nicht, dass mir die Schwere meines Traumas abgesprochen wird – ich möchte volle Anerkennung dafür, dass ich trotz allem überlebt habe.
Und dass ich, trotz meiner Eltern, ein guter Mensch geworden bin. Dass ich vernünftig und rational bin und mir gleichzeitig mein offenes Herz bewahrt habe. Das alles war in meinem Elternhaus nämlich keine Selbstverständlichkeit. Da gab es weder Rationalität noch offene Herzen. Das alles habe ich mir mühsam erkämpft oder es trotz der Umstände bewahrt.
Aber vielleicht könnt ihr das gar nicht nachvollziehen – weil ihr meine Eltern nicht kennt. Ihr wisst nicht, aus welcher Hölle ich komme. Und vielleicht könnt ihr deshalb auch nicht ermessen, welche immense Kraft es mich gekostet hat, der Mensch zu werden, der ich heute bin.
Auf jeden Fall möchte ich nicht, dass meine sozialen Ängste als „normal“ dargestellt werden, denn das, was ich erlebt habe, war nicht normal. Es war extrem.
Ich verstehe, dass sich nicht jeder mit solch einer Geschichte auseinandersetzen will oder kann. Jeder hat seine eigenen Grenzen und Themen, und das respektiere ich. Gleichzeitig gibt es auch meine Grenzen – und meine Freiheit endet dort, wo die des Nächsten beginnt.
Wenn mir jemand die Tragweite meines Traumas abspricht, dann wird eine Grenze überschritten. Doch in dem Moment als das wiedermal passierte wusste ich gar nicht, wie ich damit umgehen sollte, und habe mich innerlich zurückgezogen.
In der Traumatherapie spricht man von Freeze – dem Einfrieren. Wenn weder Angriff noch Flucht eine Option sind (oder man nicht will, weil man die Beziehung nicht verlieren möchte), bleibt oft nur dieser Mechanismus. Man stellt sich tot. Und wer sich nicht spürt, kann sich weder wehren noch abgrenzen.
Deshalb kommen meine Reaktionen manchmal spät. Es dauert oft lange, bis ich mich nach einem solchen Kontakt wieder selbst spüren kann. Ich möchte einfach nur, dass ihr das versteht – nicht, weil ich irgendetwas Besonderes von euch erwarte, sondern weil ich erklären möchte, warum ich euch jetzt diesen langen Text schicke.
In dem Moment konnte ich es nicht ausdrücken, also hole ich es jetzt nach.
Und das das ungewöhnlich ist, dass ich so offene Texte über meine Traumatisierung schreibe, wie das nur wenige Menschen tun, ist mir ja selbst klar. Ich weiß schon wo ich aus der Norm falle. Ich finde ich falle ganz wunderbar aus der Norm.
>>>
Traumatisierte Menschen brauchen vor allem Mitgefühl und Würde.
Doch das bedeutet nicht, sie einfach wie „normale“ Menschen zu behandeln – als wäre ihr Leid nie geschehen. Es bedeutet, anzuerkennen, was sie alles ertragen haben, welchen Schmerz sie durchlebt haben und wie sie dennoch das Beste daraus gemacht haben.
Würde bedeutet, die Geschichte eines Menschen nicht kleinzureden, sondern sie in ihrer ganzen Schwere zu sehen – ohne ihn darauf zu reduzieren. Es bedeutet, Raum zu geben, anstatt jemanden dazu zu zwingen, sich anzupassen.
Ich habe viele schwer traumatisierte Menschen kennengelernt, die gar nicht so angepasst leben können, wie es die Gesellschaft oft als „normal“ betrachtet – mit Haus, Familie, Kindern und einem geregelten Leben.
So geht es auch mir: Ich kann mich nicht vollständig in normative Verhaltensweisen einfügen, sondern breche immer wieder aus ihnen aus.
Das bedeutet aber nicht, dass meine Ausbrüche ins Ungewöhnliche grundsätzlich negativ zu bewerten sind. Denn ein Teil davon ist auch eine Ausdrucksform des posttraumatischen Wachstums aus denen sich eben auch besondere Befähigungen entwickeln.
>>>
Wahre Heilung geschieht nicht durch das Verdrängen, sondern durch das Anerkennen und Würdigen dessen, was ein Mensch durchlebt hat. Was man annimmt kann man dann möglicherweise transformieren und vielleicht sogar loslassen.
Ich wünsche mir keine falsche Rücksichtnahme oder dass ihr mich mit Samthandschuhen anfasst. Ich wünsche mir einfach nur, dass meine Realität als das gesehen wird, was sie ist: eine Folge von Dingen, die kein Kind hätte erleben dürfen.
Und ich hoffe, dass ich mit diesem Text nicht nur für mich spreche, sondern vielleicht auch für andere, die sich in ähnlichen Gefühlen wiederfinden – die auch zu oft gehört haben, dass sie „doch einfach mal lockerer sein“ oder „es nicht so schwer nehmen“ sollen. Ich möchte ernst genommen werden.
>>> weiter zu Teil 10 >>>
Was mich immer wieder triggert, ist, wenn Menschen die Schwere meines Traumas nicht anerkennen. Es fühlt sich an, als würde man einen gehbehinderten Rollstuhlfahrer ignorieren und so tun, als könnte er problemlos laufen. Das verletzt mich.
Nur durch intensive Unterstützung in der Traumatherapie und durch einen spirituellen Lehrer, der selbst tiefgehende Ohnmachtserfahrungen gemacht hatte und mir zeigte, wie man sie sinngebend erträgt, (nämlich als Kreuzigung) habe ich überlebt.
Ich glaube, ohne diese Hilfe wäre ich an den Folgen meiner nach innen gerichteten Wut gestorben – nicht durch Suizid, sondern durch Krankheiten, die aus unterdrückter Wehrhaftigkeit und nicht gelebter Wut entstanden sind. Ich bin ein Kämpfer - ich bin niemand der sich einfach so aufgibt, aber unbewusst hatten sich alle meine Krankheiten als Folgen des Traumas gegen mich gerichtet. Unbewusst habe ich mich zertört.
Und manchmal brauche ich eine Würdigung dafür, dass ich all das überlebt und um mein Leben gekämpft habe. Dass ich all diese Wege gegangen bin, durch Therapie und jedem Arzt und jeder Behörde mein Trauma erläutert habe und für meine Rente gekämpft habe. Das war ja gar kein leichter Weg.
Dass ich trotz dieses massiven Traumas hier stehe, mich offen ausdrücke und meinen Schmerz zeige. Dass ich mich – trotz all der schlechten Erfahrungen mit Menschen – wieder darauf einlasse, vorsichtig Kontakt zu wagen, verdient Respekt.
Es verletzt mich, wenn mein Trauma bagatellisiert wird. Denn ich habe die Hölle auf Erden erlebt und wäre beinahe an ihren Folgen gestorben. Ich möchte nicht, dass mir die Schwere meines Traumas abgesprochen wird – ich möchte volle Anerkennung dafür, dass ich trotz allem überlebt habe.
Und dass ich, trotz meiner Eltern, ein guter Mensch geworden bin. Dass ich vernünftig und rational bin und mir gleichzeitig mein offenes Herz bewahrt habe. Das alles war in meinem Elternhaus nämlich keine Selbstverständlichkeit. Da gab es weder Rationalität noch offene Herzen. Das alles habe ich mir mühsam erkämpft oder es trotz der Umstände bewahrt.
Aber vielleicht könnt ihr das gar nicht nachvollziehen – weil ihr meine Eltern nicht kennt. Ihr wisst nicht, aus welcher Hölle ich komme. Und vielleicht könnt ihr deshalb auch nicht ermessen, welche immense Kraft es mich gekostet hat, der Mensch zu werden, der ich heute bin.
Auf jeden Fall möchte ich nicht, dass meine sozialen Ängste als „normal“ dargestellt werden, denn das, was ich erlebt habe, war nicht normal. Es war extrem.
Ich verstehe, dass sich nicht jeder mit solch einer Geschichte auseinandersetzen will oder kann. Jeder hat seine eigenen Grenzen und Themen, und das respektiere ich. Gleichzeitig gibt es auch meine Grenzen – und meine Freiheit endet dort, wo die des Nächsten beginnt.
Wenn mir jemand die Tragweite meines Traumas abspricht, dann wird eine Grenze überschritten. Doch in dem Moment als das wiedermal passierte wusste ich gar nicht, wie ich damit umgehen sollte, und habe mich innerlich zurückgezogen.
In der Traumatherapie spricht man von Freeze – dem Einfrieren. Wenn weder Angriff noch Flucht eine Option sind (oder man nicht will, weil man die Beziehung nicht verlieren möchte), bleibt oft nur dieser Mechanismus. Man stellt sich tot. Und wer sich nicht spürt, kann sich weder wehren noch abgrenzen.
Deshalb kommen meine Reaktionen manchmal spät. Es dauert oft lange, bis ich mich nach einem solchen Kontakt wieder selbst spüren kann. Ich möchte einfach nur, dass ihr das versteht – nicht, weil ich irgendetwas Besonderes von euch erwarte, sondern weil ich erklären möchte, warum ich euch jetzt diesen langen Text schicke.
In dem Moment konnte ich es nicht ausdrücken, also hole ich es jetzt nach.
Und das das ungewöhnlich ist, dass ich so offene Texte über meine Traumatisierung schreibe, wie das nur wenige Menschen tun, ist mir ja selbst klar. Ich weiß schon wo ich aus der Norm falle. Ich finde ich falle ganz wunderbar aus der Norm.
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Traumatisierte Menschen brauchen vor allem Mitgefühl und Würde.
Doch das bedeutet nicht, sie einfach wie „normale“ Menschen zu behandeln – als wäre ihr Leid nie geschehen. Es bedeutet, anzuerkennen, was sie alles ertragen haben, welchen Schmerz sie durchlebt haben und wie sie dennoch das Beste daraus gemacht haben.
Würde bedeutet, die Geschichte eines Menschen nicht kleinzureden, sondern sie in ihrer ganzen Schwere zu sehen – ohne ihn darauf zu reduzieren. Es bedeutet, Raum zu geben, anstatt jemanden dazu zu zwingen, sich anzupassen.
Ich habe viele schwer traumatisierte Menschen kennengelernt, die gar nicht so angepasst leben können, wie es die Gesellschaft oft als „normal“ betrachtet – mit Haus, Familie, Kindern und einem geregelten Leben.
So geht es auch mir: Ich kann mich nicht vollständig in normative Verhaltensweisen einfügen, sondern breche immer wieder aus ihnen aus.
Das bedeutet aber nicht, dass meine Ausbrüche ins Ungewöhnliche grundsätzlich negativ zu bewerten sind. Denn ein Teil davon ist auch eine Ausdrucksform des posttraumatischen Wachstums aus denen sich eben auch besondere Befähigungen entwickeln.
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Wahre Heilung geschieht nicht durch das Verdrängen, sondern durch das Anerkennen und Würdigen dessen, was ein Mensch durchlebt hat. Was man annimmt kann man dann möglicherweise transformieren und vielleicht sogar loslassen.
Ich wünsche mir keine falsche Rücksichtnahme oder dass ihr mich mit Samthandschuhen anfasst. Ich wünsche mir einfach nur, dass meine Realität als das gesehen wird, was sie ist: eine Folge von Dingen, die kein Kind hätte erleben dürfen.
Und ich hoffe, dass ich mit diesem Text nicht nur für mich spreche, sondern vielleicht auch für andere, die sich in ähnlichen Gefühlen wiederfinden – die auch zu oft gehört haben, dass sie „doch einfach mal lockerer sein“ oder „es nicht so schwer nehmen“ sollen. Ich möchte ernst genommen werden.
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