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die reise» eine aktive imagination in fortsetzungen...

RE: die reise
#16
19.01.2013, 23:18 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 06.05.2013, 16:58 von carl.)
16 Die Insel der Vampire

Der Mann betrachtet das grüne Schmetterlingswesen, wie es vor ihm in der Luft flattert, und entdeckt Züge von K. in seinem Gesicht. Das Wesen flattert vor ihm in Richtung eines langen, hölzernen Stegs, der in ein Meer hinaus führt. Es ist nicht derselbe Steg, der in den See vor dem Haus führt, dieser Steg weist in die entgegengesetzte Richtung auf der anderen, bisher noch nicht bemerkten Seite des Hauses. Der Mann folgt dem Wesen bis an das Ende des Stegs. Er schaut eine Weile hinaus aufs Meer, das Schmetterlingswesen fliegt aufs Meer hinaus. Vom Horizont her nähert sich ein Schiff, bis es einige hundert Meter vom Steg entfernt mit der Breitseite Halt macht. Das Schiff ist von sehr feiner Bauart, es wirkt trotz seiner Größe sehr fein. Es besteht aus hellem Holz. Ein Beiboot wird ins Wasser gelassen und das Boot rudert an den Steg heran – es ist kein Rudernder sichtbar, die Paddel bewegen sich aber, als würde sie jemand rudern. Es entsteht der Eindruck, dass das Boot von einem Unsichtbaren gerudert wird.

Der Mann steigt in das Boot ein und wird zum Schiff geführt. Dort wird – offenbar wieder von Unsichtbaren – eine Strickleiter herabgelassen, über die der Mann aufs Schiff gelangt. Niemand außer dem Schmetterlingswesen ist zu sehen. Eine unsichtbare Crew bringt das Schiff in Bewegung. Es fährt eine ganze Weile durchs Meer, bis schließlich Land in Sicht ist. Während der Fahrt hat sich das Schmetterlingswesen in eine Frau in einem grünen Rock verwandelt. Sie wirkt recht üppig und irgendwie naturhaft. Öfter versucht sie, den Mann sexuell zu verführen, doch dieser, obwohl er die Frau reizvoll findet, hält den Verführungsversuchen stand.

Am Ufer steht eine lichthafte, weiße, madonnenartige Gestalt. Der Mann, als er ans Ufer gelangt, fällt vor Ehrfurcht auf die Knie vor dieser offenbar göttlichen Frau, doch diese hebt ihn auf und leitet ihn an der Hand in Richtung Landesinneres. Es ist ein breiter, flacher Sandstrand, hinter dem sich dichter Wald befindet. Aus diesem Wald treten nun unzählige männliche Gestalten hervor. Auch sie sind weiß lichthaft und erweisen sich als die Untergebenen der „weißen Königin“. Der Mann, zu seiner Rechten von der Königin an der Hand geführt, möchte nun mit der linken Hand die „grüne Frau“ führen, diese reißt sich aber bald los und springt verspielt auf dem Strand umher, wobei sie die Männer zu verführen versucht.

Es setzt sich nun ein Zug in Bewegung. Man geht in einer Reihe, die Männer halten Laternen in der Hand, womit sie die Dunkelheit des Waldes malerisch erhellen. Man geht rechts einen kleinen Bach / Fluss entlang. Nach einer Weile verbreitert sich dieser zu einem kleinen Waldsee. Nach hinten wird der See von einem Wasserfall gespeist. Die weiße Königin führt den Mann ans Ufer des Sees und weist ihn wortlos an, seine Oberfläche zu betrachten. Irgendwo im Hintergrund ist die grüne Frau. Sie ist noch unruhiger geworden, jedoch hat sie jetzt endlich einen Partner gefunden: es ist jenes unruhige, kleine Äffchen, das dem Mann auf dem großen Baum begegnet ist und das er bei seiner Begegnung mit Jesus aus den Augen verloren hat. Dieses Äffchen hat sich inzwischen in einen stark behaarten, affenartigen Mann verwandelt, mit dem die grüne Frau nun wild kopuliert. Der Mann achtet auf dieses Geschehen aber kaum, sondern versucht sich auf die glatte Wasseroberfläche des Sees zu konzentrieren.

Die weiße Königin ist später nicht mehr da und er sitzt im Schneidersitz vor der Seeoberfläche, diese als Meditationsobjekt nehmend. Es wird Nacht und der nächtliche Sternenhimmel spiegelt sich in der Seeoberfläche dermaßen klar, dass man glaubt, der Himmel selbst sei in diesem See. Dann wird es wieder Tag. Zu Mittag sinkt die Sonne plötzlich dem See entgegen – sie ist ein feuriger Ball von nur etwa einem Meter Durchmesser. Indem sie sich der Seeoberfläche nähert, nähert sich ihr von unten ihr eigenes Spiegelbild. Schließlich ist die Sonne zur Hälfte im Wasser, wodurch sie mit ihrem eigenen Spiegelbild – der gespiegelten eigenen Hälfte – ein Ganzes bildet.

Die weiße Königin ist inzwischen wieder da und hält eine Hand auf die rechte Schulter des Mannes, um diesen in seiner Konzentration zu unterstützen. Die Sonne entfernt sich dann wieder. Plötzlich hört der Wasserfall auf, als hätte jemand einen Wasserhahn abgedreht. Es ist jetzt besonders still und der Mann meditiert noch eine ganze Nacht hindurch.

Bei Morgengrauen wird er von der weißen Königin und ihren Untertanen weiter geführt. Es geht nun einen steilen Waldrücken hinauf – jener Waldrücken, über den sich der Wasserfall ergossen hat. Zuerst über eine Brücke über seitlich des Sees gelegene, dunkle Waldteiche, dann den steilen Rücken hinan, bis auf eine kleine Brücke, die das Bett des Wasserfalls an seinem höchsten Punkt überquert. Von hier aus sieht man nun auch weiter nach hinten: Ein zweiter, länglicher, viel größerer See, dessen Abfluss den Wasserfall gebildet hat. Eine Schleuse an dessen Ausgang ist geschlossen – so wurde also der Wasserfall gestoppt. Man fährt nun auf anmutigen Booten durch den See.

Ganz hinten, auf der anderen Seite ist ein riesiges, prächtiges Schloss zu sehen, dem man sich nähert. Die Landschaft um die beiden Ufer des Sees sind parkartig, sie wirken sehr gepflegt, weiße Gestalten wandeln darin herum. Man fährt nun auf dem Wasser durch ein Tor hinein, bis man den Thronsaal der weißen Königin erreicht, der also direkt mit dem See verbunden ist, auch wenn dieser Teil bereits vom Schloss überbaut ist. Dadurch hat man den Eindruck, als wäre dieser Thronsaal eine Höhle. Die weiße Königin besteigt einen Thron, links von ihr setzt sich der Mann in einen kleineren Thron, während er bemerkt, dass auch im Thron rechts des Königinnenthrones eine männliche Gestalt, auch weiß und lichthaft, sitzt – wahrscheinlich der Prinz. Die beiden Seitenthrone bewegen sich nun scharnierartig, bis sie im rechten Winkel zum Thron der Königin zu stehen kommen. Dadurch sitzt der Mann nun dem Prinzen direkt gegenüber. Zwischen ihnen hebt sich ein alabasterner Tisch aus dem Boden, offenbar soll nun gespeist werden. Die grüne Frau ist inzwischen auch herbeigekommen und setzt sich der Königin gegenüber, sodass die vier Personen nun ein Rechteck um den Tisch bilden.

Der Mann betrachtet den Prinzen – dieser hat nicht nur eine weiße Kleidung, sondern auch seine Haut ist weiß, leichenblass. Er wirkt sehr feingliedrig und seine Augen und sein Mienenspiel erwecken den starken Eindruck, dass er homosexuell ist. Womöglich hat er Gefallen an dem Mann gefunden. Dieser ergreift nun eine Hand des Prinzen und versucht, ihm Wärme und Mitgefühl – denn der Prinz wirkt traurig – zu vermitteln. Der Prinz schätzt die Geste und es verschwindet der sexuelle Unterton in seinem Gebaren.

Als sich der Mann fragt, was denn nun gegessen werde, sieht er, wie der Prinz und die Königin ihre Münder öffnen und wie dabei Vampireckzähne zum Vorschein kommen. Er und die grüne Frau sollen offenbar als „Speise“ dienen. Der Prinz und die Königin lechzen nach Blut, was der Mann nachvollziehen kann: bei soviel Weiße entsteht automatisch ein Begehren nach dem kräftigen Rot von Blut. Der Mann bietet den beiden nun aber an, ihnen bei einer dauerhafteren Lösung behilflich zu sein, worauf diese weniger bedrohlich wirken – sie sind ja schließlich sehr kultiviert und man kann mit ihnen reden. Als Lösung erweist sich dann, dass sich der Prinz und die Königin auf wenige Zentimeter Körpergröße verkleinern und in die Herzen des Mannes und der grünen Frau eindringen – der Prinz in das Herz des Mannes, die Königin in das Herz der grünen Frau. Dort, im Inneren der Herzen, werden sie im Überfluss von Blut durchtränkt, was sich für sie unheimlich wohltuend anfühlt. Auch der Mann und die grüne Frau haben ein gutes Gefühl, sie fühlen sich jetzt irgendwie vollständiger. Der Mann bemerkt, dass er grüne Jägerkleidung anhat und er fühlt sich körperlich kräftiger – wie ein Jäger. Die Frau wirkt nun wesentlich ruhiger und „geistiger“, auch schlanker und sportlicher, auch sie ist nun in grüner Jägerkleidung. Es entsteht ein inniges Gefühl der Freundschaft zwischen dem Mann und der grünen Frau, ohne jede erotische Beimischung.

Die beiden klettern nun hinter den Thronen hinauf, wo sich eine runde Lichtöffnung sehen lässt, und gelangen durch diese hinaus auf eine hohe, schmale Mauer, die hinter dem Schloss ziemlich geradeaus durch einen großen Wald führt. Die Mauer ist sehr schmal und so hoch, dass die Bäume sich in einigen hundert Metern Tiefe befinden und ganz klein wirken. Den Mann überfällt kurzfristig ein Gefühl der Höhenangst, doch die beiden – die Frau voraus – bewegen sich dann recht behände auf dieser Mauer. Währenddessen sprießt aus dem Herzen des Mannes eine rote und aus dem Herzen der Frau eine weiße Blume, was zwischen den beiden wieder ein Gefühl der Verbundenheit erzeugt.

Die Mauer wird schließlich flacher und mündet in eine malerische Landschaft aus Büschen und weiten Feldern. Der Tag neigt sich langsam der Abenddämmerung zu und es ist sehr ruhig – keine Menschen sind zu sehen. Eine Zeit lang rasten sie in einem der weiten Felder, dann sehen sie das Meer – offenbar sind sie auf einer Insel und haben diese soeben durchquert. Es geht über einen trockenen, mediterran wirkenden Hang hinunter zum Ufer. Der Hang ist jedoch durchschnitten von einer Autostraße, auf der immer wieder Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit durchrasen. Sie erreichen aber schließlich doch das Meer. Dort finden sie eine kleine Bucht, ein kleiner Felsen ragt vor ihnen aus dem Wasser. Sie setzen sich nebeneinander und betrachten verträumt den Sonnenuntergang, während sie gleichzeitig ihr Gefühl inniger Verbundenheit genießen.

Wie sie sich da so eine Weile aufhalten, bemerkt der Mann, dass sich der Vampir im Inneren seines Herzens gewandelt hat: er ist gealtert zu einem Mann in den Vierzigern, seine homosexuelle Ausstrahlung ist völlig verschwunden, allerdings wirkt er immer noch sehr blass und irgendwie farblos. Auch die Königin im Herzen der Frau hat sich verändert: Sie ist jetzt von gesunder, bräunlicher Hautfarbe und strahlt etwas Menschlich-Sinnliches aus. Beide kommen nun aus den Herzen heraus und vergrößern sich wieder zu Menschengröße. Der farblose Mann beginnt nun mit der Königin zu kopulieren, dabei scheint er an Energie zu gewinnen: seine Farblosigkeit verschwindet zusehends. Schließlich hat er den Kopf eines Tigers, kommt auf den Mann und die Frau zu und wirkt sehr aggressiv. Der Mann hat eine Idee, wie er diese Aggression besänftigen könnte: Er beginnt nun seinerseits mit der grünen Frau ein Liebesspiel, und plötzlich merkt er, dass da sehr starke Liebesgefühle für die Frau da sind, die ihm vorher gar nicht aufgefallen waren – es war zuerst ein Gefühl rein „kameradschaftlicher“ Verbundenheit gewesen. Er küsst die Frau leidenschaftlich und schläft mit ihr, was den tigerköpfigen Mann wieder beruhigt, bis er sogar ganz verschwindet.

Nach einiger Zeit überlegen der Mann und die Frau, wie es weitergehen solle, und sie spielen mit dem Gedanken, von hier aus aufs Meer hinauszufahren, um neue Abenteuer zu erleben. Es entsteht dann aber ein starker Sog zurück zum Schloss der Königin. Gemeinsam mit dieser machen sie sich auf den Weg dorthin. Als sie ins Schloss zurückgelangen, hat sich die Königin verwandelt: Sie hat beeindruckend gewelltes, langes, hellbraunes Haar, ist vollkommen nackt, abgesehen von ein paar Edelsteinen und anderen Schmuckstücken. Sie ist von unglaublicher, vollkommener Schönheit. Sie setzt sich auf den Thron, die Beine übereinandergeschlagen, und sie ist dermaßen erotisch und schön, dass der Mann alles andere vergisst und nur noch diese Frau, diese Königin, diese Göttin anbeten will.

Aus den Augenwinkeln sieht der Mann die grüne Frau, die sich traurig von ihm abwendet und sich daran macht, alleine, mit hängendem Kopf, das Schloss zu verlassen. Der Mann ist nun hin und her gerissen zwischen der starken Versuchung, auf ewig bei der Königin zu bleiben, und dem Wunsch, der grünen Frau zu folgen. Er kann sich nicht aus seiner Position losreißen, aber er ruft der grünen Frau nach, sie solle doch warten. Diese wartet aber nicht, sondern ist schließlich dabei, das Gebäude durch ein Tor zu verlassen.

Endlich schafft es der Mann, sich von der Königin loszureißen, die Königin hat nun aber eine riesige Peitsche in der Hand, mit der sie nach dem Mann schlägt. Dieser wehrt sich aber und schafft es, das Ende der Peitsche zu fassen und die Peitsche an sich zu reißen. Dann läuft er der grünen Frau durch das Tor hinaus nach. Draußen führen steinerne Treppen nach unten, auf diesen holt er die Frau ein. Er bittet sie um Verzeihung, hält sie in den Armen. Er merkt, dass er sie sehr liebt. Seine Gefühle für die Frau unterscheiden sich durch eine wohltuende Ruhe vom Gefühl des sexuellen Ausgeliefertseins an die Königin. Zum ersten Mal nimmt er auch das Gesicht der Frau wahr, es ist schön, aber nicht von der blendenden Göttlichkeit des Gesichts der Königin, es ist, so fühlt der Mann, eine menschliche, gleichberechtigte, ausgewogene Beziehung zu ihr möglich.

Die Königin ist indes nicht untätig geblieben. Sie erscheint oben auf der Treppe, von unten drängt Volk heran. Eigentlich handelt es sich um Ritter in metallenen Rüstungen – die weißen Untergebenen haben sich offenbar ebenfalls verwandelt. Die Königin befiehlt nun laut schreiend den Soldaten, den Mann und die Frau festzunehmen. Diese drängen an die beiden heran, doch der Mann, im Besitz der Peitsche, schafft es, die Menge auf Abstand zu halten. Schließlich gelingt es ihm sogar, die Königin als Geisel in seine Gewalt zu bringen: Er hält sie fest und hält ihr ein Messer an die Kehle, die Soldaten wagen es nun nicht mehr heranzukommen. Die eng an seinem Körper befindliche, zappelnde und schreiende, fast nackte Königin bringt ihn wieder in sexuelle Versuchung und der Mann spürt wieder den Konflikt zwischen seinen Gefühlen für die Königin und denen zur Frau, er widersteht aber.

Er mit der Königin und die Frau bewegen sich nun wieder die Treppe nach oben, denn der Mann hat das Gefühl, dass weitere Veränderungen nur hier im Schloss stattfinden können. Oben angelangt, bemerken sie, dass ein Helikopter gelandet ist mit einem männlichen Piloten. Das scheint eine Fluchtmöglichkeit zu sein. Die drei steigen in den Helikopter ein, der sofort losfliegt. Im Helikopter sitzt die Königin auf dem Schoß des Mannes und versucht nun, diesen zu umgarnen. Der Mann erliegt fast den Verführungskünsten, doch ein Blick auf die grüne Frau bringt ihn wieder zur Besinnung. Der Pilot gibt der Königin eine Pilotenjacke, um sich damit zu bedecken, diese wird nun ernster und lässt von ihren Verführungen ab, sie sitzt nun auch auf einem eigenen Platz.

Der Mann versucht nun, in einen Dialog mit der Königin zu kommen, indem er nach dem König fragt. „Es gibt keinen König.“, sagt die Königin missmutig. Deshalb habe sie ja ihren Sohn – den Prinzen – gebraucht. Kurz hat der Mann den Gedanken, der Hubschrauberpilot könnte der König sein, verwirft ihn aber wieder. Der Mann versucht weiter, in irgendeine konstruktive Form des Dialogs mit der Königin zu kommen, was aber nicht gelingen will. Schließlich verwandelt sich die Königin in eine menschengroße Hornisse und fliegt zur freien Seitenöffnung des Helikopters hinaus. Von außen heftet sie sich an den Helikopter und versucht, diesen zum Absturz zu bringen. Nun kommt eine ganze Hornissenschar angeflogen, um die Königin, die also die Hornissenkönigin ist, bei ihrem Vorhaben zu unterstützen. Der Mann schaut bei der Seitenöffnung heraus und versucht weiter, mit der Königin in ein Gespräch zu kommen. Zumindest gelingt Folgendes: die Hornissenkönigin fliegt neben dem Helikopter her, genau an der Seitenöffnung, und der Mann hält eine Hand auf ihren Kopf. Die brummende Hornisse vibriert am ganzen Körper, die auf ihr ruhende Hand scheint dieses Vibrieren zu beruhigen, was der Hornissenkönigin wohlzutun scheint. Dann verlangt die Hornissenkönigin freundlich, der Mann solle mit ihr kommen. Dazu müsste er aus dem Helikopter springen. Der Mann hält das für eine sinnvolle Mutprobe, bei der er seine Höhenangst überwinden müsste, und schickt sich an, aus dem Helikopter zu springen. Er müsse ihr vertrauen, meint die Hornissenkönigin. Aha, also auch eine Vertrauensübung. Der Mann verabschiedet sich von der hinten sitzengebliebenen Frau und verspricht ihr unter Tränen, zu ihr zurückzukehren, wenn es ihm irgend möglich wäre. Dann macht er sich an den Absprung, doch im letzten Moment sieht er, dass der Pilot einen Tigerkopf hat, und als er genauer hinsieht, erweist sich der Pilot als eine männliche Hornisse. Er erkennt, dass er die grüne Frau nicht in den Händen dieses Piloten lassen kann, der insgeheim doch mit der Hornissenkönigin zusammengehört. Er sieht klar, wie sich daraus zwei ungünstige Verbindungen ergeben würden, zwei Beziehungen, die auf Macht und Gewalt beruhen: er in den Händen der Hornissenkönigin und seine Freundin in den Händen einer männlichen Hornisse, beide wären sie den Hornissen ausgeliefert.

Eine andere Variante erscheint ihm nun viel „logischer“: Er gehört zur grünen Frau, und die beiden Hornissen gehören offensichtlich auch zusammen. Er schafft es, die Hornissenkönigin wieder in den Helikopter hinein zu bringen, sodass nun vorne nebeneinander die beiden Hornissen und hinten er und die grüne Frau nebeneinander sitzen. In dieser Konstellation landet der Helikopter schließlich auf einer Wiese. In der Mitte der Wiese stellen sich die beiden Hornissen, die inzwischen keinerlei menschliche Züge mehr tragen, nebeneinander auf, während der Mann und die grüne Frau sich am Rand der Wiese, die von einem Wald umsäumt wird, in den Armen halten. Der Mann denkt daran, mit der Frau gemeinsam einen schönen Ort zu suchen und dort ein gemeinsames Haus zu bauen.
Indes hat sich das Hornissenpaar verkleinert zu je etwa dreißig Zentimetern Körperlänge. Der Mann und die Frau nehmen jeweils das gegengeschlechtliche Tier in ihre Arme und beruhigen es durch Handauflegen – wie es der Mann vorher im Helikopter mit der Hornissenkönigin schon einmal gemacht hat. Das Vibrieren der Tiere wird langsam immer schwächer, bis die Tiere eingeschlafen zu sein scheinen.

Während dieser langen Beruhigungsphase hat sich die große Wiese angefüllt mit unzähligen Hornissen, die alle gespannt den Vorgang beobachten. Der Mann und die Frau sind inmitten eines riesigen Hornissenmeers. Sie spüren die große Verantwortung und ihre exponierte Stellung, immerhin haben sie das Königspaar dieses Volkes in ihren Armen. Schließlich sind die beiden Hornissen eingeschlafen, dabei haben sie ihre Farbe verändert: sie sind jetzt ganz schwarz und wirken wie dicke, halb zusammengerollte Raupen. Sie haben komplementäre Formen, weshalb der Mann und die Frau beschließen, sie zu einer Einheit zusammenzufügen. Das funktioniert erstaunlich gut: die beiden vereinigen sich zu einer sehr kompakt und dicht wirkenden schwarzen Kugel. Die Oberflächenstruktur der Kugel ist wie die eines Golfballs. Diese Vereinigung löst nun sichtliche Unruhe beim Hornissenvolk aus. Die Massen gebärden sich aggressiv und fangen an zu brüllen und rhythmisch mit Speeren auf die Erde zu stoßen – wie ein wütendes, primitives Heer kurz vor einem Angriff. Der Mann und die Frau haben Angst und wissen nicht so recht, was sie jetzt tun sollen. Versuche, mit den Hornissen zu reden, scheitern. Schließlich legen sie die Kugel auf die Erde. Aufgrund ihrer Dichte und Schwere sinkt die Kugel senkrecht in die Erde ein und hinterlässt einen schmalen Tunnel.

Die Kugel ist so schwer, dass sie bis zum Erdmittelpunkt sinkt und dergestalt das Zentrum der Erde bildet. Der innere Bereich der Erde besteht aus Feuer – eine Feuerkugel, umgeben von einer relativ dünnen Erdschicht. Die Hornissen begeben sich nun in einer Reihe – mehr als eine Hornisse passt nicht auf einmal in den Tunnel – in diesen Tunnel und folgen so der Kugel. Sie ordnen sich innerhalb des Feuerballs um die schwarze Kugel herum an, sodass das feurige Erdinnere fast ausschließlich von Hornissen ausgefüllt ist. Der Mann und die Frau beschließen, ebenfalls ins Innere der Erde zu gehen. Sie gelangen zwischen den Hornissen bis zum Erdmittelpunkt. Dort entstehen zärtliche Gefühle füreinander, als sie zugleich die schwarze Kugel berühren. Diese befindet sich dann zwischen ihnen in ihrer Körpermitte und bricht auseinander. Sie explodiert förmlich und zeigt ein dunkelrotes, feuriges Inneres, das nun im Unterleibsbereich des Mannes und der Frau lodert. Plötzlich befinden sie sich in dem Bett, in dem der Mann mit der gereiften Amina war, und lieben sich.
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RE: die reise
#17
20.01.2013, 21:29 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 06.05.2013, 16:57 von carl.)
17 Der kleine B.

Später empfindet der Mann eine sanfte Liebe zur Frau, doch diese hat plötzlich einen Wolfskopf, mit dem sie nach dem Kopf des Mannes schnappt. Dieser kann ausweichen, die Frau verwandelt sich vollständig in einen Wolf oder Schäferhund, läuft knurrend im Raum umher und bedroht den Mann. Dieser bietet dem Tier seine Hilfe an und zeigt sich von dessen Drohgebärden unbeeindruckt. Er weicht nicht zurück und lässt es darauf ankommen, dass er womöglich gebissen werden könnte. Durch seine mutige Standhaftigkeit greift das Tier aber nicht an. Versuche, es sogar zu streicheln, scheitern, der Wolf bzw. Hund sagt aggressiv, dass er nicht berührt werden wolle, was der Mann respektiert.

Der Hund zieht sich in einen anderen Teil des Raumes zurück und legt sich hin, bis er zu schlafen scheint. Dann kommt plötzlich durch die Tür ein Riese herein. Er hat irgendwie menschliche Gestalt, doch an der Stelle seiner Augen ist nur Licht sichtbar, das aus seinem Inneren kommt. Er scheint unter einer notdürftig als menschlich geformten Oberfläche ganz aus Licht zu bestehen und eine unheimliche Ausstrahlung geht von ihm aus. Er ist der Besitzer des Hundes und er geht auf den Mann zu und erscheint dabei sehr bedrohlich. Aber auch jetzt lässt sich der Mann nicht beeindrucken, sondern hält dem Riesen bzw. seiner Angst stand, was bewirkt, dass der Riese den Mann nicht angreift.

Der Mann fragt den Riesen schließlich, ob er ihn irgendwohin führen könne, womit der Riese einverstanden zu sein scheint. Wie sie aber losgehen wollen, schlägt der Riese dem Mann mit einem gewaltigen Schlag auf den Rücken, worauf der Mann, ohne Angst zu zeigen, beschließt, dazubleiben. Der Riese geht nun allein mit dem Hund. Von einem Balkon – es ist der kleine Balkon der elterlichen Wohnung aus der Kindheit des Mannes – der Raum ist also die Küche dieser Wohnung – von dem Balkon aus sieht der Mann den Riesen unten mit dem Hund gehen, doch plötzlich ist der Riese wieder da und bittet nun – etwas freundlicher und unterwürfiger geworden – den Mann, doch bitte mitzukommen, was dieser unter den veränderten Umständen auch macht.

Sie verlassen das Haus und begeben sich zur alten Schule des Mannes in den Schulhof. Dort zeigt sich, dass der Hund der damalige Hund des Schulhausmeisters ist. Er begibt sich zum Eingangsbereich der Schule, während der Mann und der Riese auf dem Schulhof den kleinen B. (es ist der Mann selbst in seiner Kindheit) treffen. Dieser klettert gerade alleine an einem Zaun herum, während nebenan viele Kinder Fußball spielen. Der Riese möchte offenbar, dass der Mann dem kleinen Jungen helfe, deshalb hat er ihn offenbar hierhergeführt. Der Mann begrüßt nun freundlich den kleinen Jungen, der er selber einmal war, und bringt ihn dazu, mit den anderen Kindern Fußball zu spielen, was er durch seine freundliche Art – er verhält sich wie ein großer Bruder – schafft, indem er das Selbstvertrauen des Kindes stärkt. Das Kind spielt nun mit und wirkt sehr glücklich. Der Riese hat sich nun deutlich verkleinert, er ist sogar kleiner als der Mann. Später spielen sie mit dem kleinen Benjamin noch andere Spiele, bis schließlich der Vater des kleinen Jungen aus dem Schulgebäude tritt.

Der Mann fragt den Vater, ob er mit nach Hause kommen dürfe, dort angelangt fragt er die dort sich befindliche Mutter, ob er eine Weile bleiben dürfe, was ihm erlaubt wird. Auch die kleine Schwester des Jungen, ein kleines Mädchen von vielleicht zwei Jahren, kommt herbei. Der Mann schläft auf einer Matratze auf dem Boden des Kinderzimmers, direkt neben dem kleinen B. Dieser braucht nun in der Nacht nicht nach seinem Vater zu rufen, da ihm die Anwesenheit seines „großen Bruders“ jede Angst nimmt. Gemeinsam durchleben sie sogar seine Alpträume, und diesmal braucht der Junge nicht vor den ihn verfolgenden Monstern zu flüchten oder sich ihnen zu unterwerfen, sondern gemeinsam mit dem großen Bruder halten sie den Monstern in ähnlicher Weise stand wie der Mann zuvor dem Wolf / Hund und dem Riesen.

Dann kommt ein heftiges Gewitter auf und die „schwarze Gestalt“ (die der Junge bei Gewittern oft gesehen hat) kommt vom Fenster her auf das Bett des Jungen zu. Auch hier halten sie stand, die schwarze Gestalt bleibt stehen, wirkt aber nach wie vor bedrohlich. Kommunikationsversuche fruchten nicht, sodass sich der Mann und der Junge gezwungen sehen, sie an Händen und Füßen zu fesseln. Auf diese Weise gebunden, setzt sich die schwarze Gestalt auf den Boden, den Rücken zur Wand gelehnt, und wirkt nicht mehr so unheimlich, aber traurig.

Der Mann und der Junge fragen die Gestalt, wer sie sei. „Ich bin der schwarze Mann, und ich bin da, um die Kinder zu holen.“ Warum er das mache. Er müsse das tun, das sei seine Aufgabe. Wer ihm diese Aufgabe gegeben habe. Das sage er nicht. Der Mann und der kleine B. bieten dem schwarzen Mann nun an, ihn von seinen Fesseln zu befreien, wenn er ihnen verspreche, sie nicht mehr zu bedrohen. Der schwarze Mann verspricht es und schickt sich an zu gehen. Er könne sie gerne wieder einmal besuchen, sagen ihm der Mann und der kleine Junge zum Abschied.
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RE: die reise
#18
06.05.2013, 16:57 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 06.05.2013, 21:22 von carl.)
18 Der Soldat

Als der schwarze Mann weg ist, bleiben der Mann und das Kind im Zimmer und lauschen den Gewittergeräuschen draußen. Es donnert und man hört den Regen – die Geräusche sind nicht unangenehm. Dann jedoch blitzt es und man sieht kurz einen unheimlichen Mann draußen auf dem Balkon. Er wirkt wie eine Leiche. Trotz anfänglicher Angst bitten sie den Mann herein. Er bewegt sich maschinenartig wie ein Roboter und kommt schließlich in der Mitte des Zimmers zu stehen. Die Augen hängen ihm aus dem Gesicht. Er trägt eine Wehrmachtsuniform aus dem 2. Weltkrieg. Offenbar ist er ein gefallener Soldat, der hier als eine Art Gespenst aufgetaucht ist. Sie versuchen ihn zunächst dort zu betten, wo vorher der schwarze Mann in Fesseln gekauert ist, doch dann entschließen sie sich, ihn in das Bett des Jungen zu legen. Dort liegt er unbeweglich und ohne Bewusstsein.

Die Mutter schaut bei der Tür herein. Sie ist zuerst verwundert, doch dann geht sie mit dem Jungen in die Küche, wo sie dem Soldaten eine kräftigende Suppe zubereiten. Die Suppe wird ihm eingeflößt, er wirkt daraufhin etwas lebendiger, hat Farbe bekommen, trotzdem verfällt er wieder in Bewusstlosigkeit. Der Mann und das Kind beschließen, ihn so liegenzulassen. Offenbar braucht er die Ruhe.

Der Mann sieht sich nun ein wenig genauer um. Zunächst gibt es nicht viel zu entdecken, bis sich seine Aufmerksamkeit schließlich auf den Bereich unter das Bett richtet. Er erinnert sich, wie er als kleines Kind immer die Vorstellung gehabt hat, dort läge ein Monster. Immer, wenn er zu Bett ging, hüpfte er schnell ins Bett hinein, um nicht von diesem Monster an den Füßen ergriffen zu werden. Tatsächlich ist dort jemand, der nun herauskommt: Ein kräftig gebauter Mann, der nicht nur nackt, sondern auch ohne Haut ist. Man sieht das Fleisch mit den Adern, Muskeln und Sehnen, er wirkt blutig. Sein Kopf und seine Gesichtszüge haben etwas Diabolisches und Obszönes. Er setzt sich auf den Boden und lehnt sich an die Wand, genau an jener Stelle, wo der schwarze Mann gefesselt gesessen ist. Der kleine Junge hat keine Angst vor dieser etwas unheimlichen Erscheinung und setzt sich neben sie, ja lehnt sogar seinen Kopf an ihre Seite. Das Monster schneidet zwar immer wieder obszöne Grimassen, verhält sich sonst aber ruhig.

Der Mann bemerkt nun draußen, dass der schwarze Mann wieder aufgetaucht ist und durch die Balkontür ins Zimmer hineinspäht. Der Mann ohne Haut bemerkt ihn dann ebenfalls und reagiert sehr aggressiv. Als wäre er ein wildes Tier, sträuben sich ihm die Haare, er fletscht die Zähne und gibt aggressive, tierische Laute von sich. Versuche, von ihm zu erfahren, was genau das Problem sei, scheitern. Es scheint, als wäre er gar nicht in der Lage zu sprechen, als wäre er tatsächlich ein Tier. Die Mutter schaut nun ins Zimmer hinein, von ihr wird der Mann ohne Haut irgendwie eingeschüchtert. Er setzt sich wieder hin und wirkt nun resigniert, auch schwächlicher.

Der Mann lässt nun den schwarzen Mann herein (die Mutter ist inzwischen wieder weg). Dieser scheint am Soldaten interessiert zu sein, bewegt sich auf diesen zu. Der Mann ohne Haut grinst nur spöttisch, traut sich aber nicht mehr anzugreifen. Der schwarze Mann schwebt nun über dem Soldaten und taucht in dessen Körper ein, als wäre er seine Seele. Im Moment der Verbindung setzt sich der Soldat plötzlich lebendig auf. Sein Gesicht ist jetzt normal, das eines jungen Mannes. Er wirkt sehr aufgeräumt und bildet jetzt in der soldatischen Disziplin und Ordnung, die er ausstrahlt, einen scharfen Kontrast zum blutigen, tierischen Mann ohne Haut. Er steht auf und geht auf diesen zu. Die beiden stehen einander gegenüber und berühren sich mit ihren Stirnen. Dabei kommt es zu einer Art geistiger Verschmelzung, die auch der Mann spüren kann: sie ist sehr angenehm. Dann berühren sie sich an ihren Brustkörben – auch hier wieder ein ähnliches angenehmes Gefühl. Dasselbe geschieht dann noch im Bauchbereich. Durch die angenehme Entspannung, die dieses Ritual bringt, ist auch die Atmosphäre sehr friedlich. Der Mann ruft nun die Mutter und fragt sie, ob sie nicht etwas zum Anziehen für den Mann ohne Haut habe. Sie bringt alte Kleidungsstücke des Vaters, einen gelben, gestrickten Pullover und eine Hose – das Gewand sieht etwas abgetragen und spießig aus, der Mann ohne Haut zieht die Sachen aber an.

Alle gehen nun hinaus aus dem Kinderzimmer zur Küche, um dort gemeinsam zu essen und zu trinken. Der Soldat, der Mann ohne Haut, der Mann und sein kindliches alter ego sitzen am runden Tisch, während die Mutter Essen und Trinken aufträgt. Am Ende reicht einer der Männer die Hand über die Mitte des runden Tisches und alle anderen schlagen ein. Aus dieser Verbindung entsteht ein Gefühl von Kraft.

Plötzlich kommt nun auch durch die Balkontür, die hinaus in einen zweiten, kleineren Balkon, der in den Innenhof gerichtet ist, führt, jenes längliche, herumhüpfende Wesen (siehe Kap. 11 "C.") hereingesprungen und hüpft im Raum auf und ab. Einer der Männer, entweder der Soldat oder der Mann ohne Haut, bekommen es zu fassen und halten es fest. Immer noch ist der Bewegungsimpuls deutlich spürbar. Plötzlich geht dem Mann auf: das ist das Herz, das da hüpft. Alle vier ergreifen nun dieses Wesen, das jetzt ein Zentrum bildet, um das herum sie gruppiert sind. Jetzt wird die Verbindung besonders kraftvoll und der Soldat, der Mann ohne Haut und das Herz verschmelzen mit dem Mann und werden zu einer Person. Nur das Kind ist noch geblieben, wie es war. Der Mann fühlt sich nun deutlich kräftiger und erwachsener, es entsteht das freudige Gefühl von Tatendrang in ihm, er möchte etwas erleben und dabei gestalterisch tätig werden.

Zu diesem Zweck ändert sich die Szenerie: Er befindet sich nun mit dem Jungen am Ufer eines großen, langgestreckten Gebirgssees. In der Nähe befindet sich ein kleines Segelboot, in das die beiden nun steigen. Sie fahren darin durch die Längsseite des Sees, bis sie ganz am anderen Ende ankommen. Dort baut sich hinter dem See ein riesiges Hochgebirge auf. Sie gehen nun über Pfade einen steilen Hang hinauf, bis sie zu einem kleineren Bergsee gelangen, hinter dem es dann endgültig zu den hohen, schroffen Gipfeln geht. Am Ufer dieses Bergsees ist ein Gasthof, wo sie einkehren und um Quartier fragen. Es werden auch einige einfache Zimmer vermietet, sie werden über eine urtümliche, knarrende Holzstiege in den ersten Stock gebracht. Dort ist ein kleiner, enger Gang, die erste Tür links ist das Zimmer, das sie erhalten. Es ist sehr klein, wie die Zimmer auf Gebirgshütten. Rechts und links befindet sich je ein kleines Bett, geradeaus ein kleines Fenster mit Blick auf den See, davor ein kleiner Schreibtisch. Der kleine Junge ist müde und legt sich in das rechte Bett, wo er sofort einschläft. Der Mann setzt sich an den kleinen Schreibtisch und blickt durch das Fenster hinaus auf den See. Die Stimmung ist sehr friedlich, ruhig und schön.
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RE: die reise
#19
11.05.2017, 19:05 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11.05.2017, 19:06 von carl.)
19 Die Mutter Gottes

Es ist sehr still im Zimmer. Der Mann ist inzwischen um zehn Jahre gealtert, also um die vierzig. Lange bleibt er vor dem Schreibtisch sitzen und sieht zum Fenster in die Hochgebirgslandschaft hinaus. Ein rötlicher Schimmer am Horizont zeigt an, dass die Sonne schon fast zur Gänze untergegangen ist. Es wird langsam dunkel, schließlich ist es Nacht. der Mann legt sich in sein Bett, um sich auszuruhen, schließlich schläft er ein.

Mitten in der Nacht wird er durch ein Geräusch geweckt. Er bemerkt, dass jemand die Tür einen Spalt breit aufgemacht hat. Er tritt zur Tür und in den dunklen Gang hinaus, um nachzusehen, was oder wer da ist. Nach rechts hin verliert der Gang sich in völliger Dunkelheit, während von links, von der Stiege, die nach unten führt, her ein Lichtschein kommt. Die Lichtquelle muss vom Parterre her kommen. Das Licht ist sanft golden. Der Mann beschließt, dem Licht und nicht der Dunkelheit zu folgen, und geht über die Holzstiege nach unten. Unten ist gegenüber der Stiege ein Tisch aus hellem Holz, dahinter sitzt Jesus. Sein Aussehen und seine Körperhaltung erinnert an seine Darstellung in Leonardo Da Vincis „letztem Abendmahl“. Er strahlt von innen heraus, vielleicht ist er selbst die Lichtquelle. Vor ihm auf dem Tisch ist etwas Weißbrot und links (vom Mann aus gesehen) ein Kelch mit Wein. Er bricht das Brot und reicht dem Mann, der nun Jesus gegenüber sitzt, von dem Brot, das dieser isst. Danach reicht er ihm den Kelch mit Wein, aus dem der Mann trinkt. Jesus lächelt bei diesen Handlungen sanft und liebevoll, der Mann spürt, wie Jesus beseelt ist von einer rein gebenden Haltung, ohne dabei für sich etwas zu erwarten. Inzwischen hat der Mann bemerkt, dass rechts am Tisch noch jemand sitzt: ein kleiner, verwachsener, ausgesprochen hässlicher Mann, fast eher eine Art Zwerg. Jesus lächelt und der Mann weiß, was er nun zu tun hat: Er gibt von dem restlichen Brot und Wein dieser hässlichen Kreatur. Diese verzehrt das Dargebotene mit sichtlichem Genuss, währenddessen verschwindet Jesus, als würde er sich in Nichts auflösen – jetzt, da der Mann Jesu Rolle einnimmt, ist seine Anwesenheit nicht mehr vonnöten. Der hässliche Zwerg scheint, nachdem er Brot und Wein verzehrt hat, gesättigt und zufrieden, erhebt sich vom Tisch und geht nach rechts in den Gang, um in der ersten Tür links zu verschwinden. Dabei hinkt er ein wenig und der Mann bemerkt, dass sein rechtes Bein ein Pferdefuß ist. Er scheint jetzt ruhig schlafen zu können, nachdem er zuvor eher unruhig gewirkt hat.

Der Mann bleibt aber nicht lange allein. Die Tür dahinter – die zweite links – öffnet sich und eine Frau tritt heraus auf den Gang. Es ist inzwischen dunkel hier und der Mann kann nur undeutlich sehen, wie sie den Gang heraufkommt. Eine Liebe kommt in ihm bei ihrem Anblick hoch, eine große Zärtlichkeit, ohne dass diese Zärtlichkeit allzu sehr ins Sexuelle hineinspielt. Der Mann weiß: das ist die Mutter Gottes. Sie geht an ihm vorbei und zur Tür hinaus. An der Schwelle bedeutet sie ihm mit einer kaum merklichen Geste, er solle ihr folgen. Sie gehen nun den Berg hinauf, es ist immer noch Nacht und sehr dunkel, und obwohl die Mutter Gottes nicht strahlt wie ihr Sohn, hat ihre Erscheinung trotzdem irgendwie etwas dunkelblau Strahlendes – ein weniger sinnliches als rein geistiges Strahlen. Ihre Ausstrahlung ist sehr heilig. Der Mann folgt ihr in einigem respektvollem Abstand. Schließlich gelangen sie zu einem Sattel zur Rechten des hohen, aus schwarzem Geröll und Blockwerk bestehenden Gipfels. Etwas unterhalb dieser Anhöhe bleibt die Mutter Gottes stehen und deutet in die Richtung, wo sich der Berg weiter zum Gipfel hinaufzieht. Undeutlich in der Dunkelheit ist dort ein Höhleneingang zu sehen. Der Mann soll also zu dieser Höhle gehen. Er geht weiter, und wie er an der Mutter Gottes vorbeikommt, erstarrt diese zu einem verwachsenen, ziemlich abgestorben wirkenden Baum. Der Arm, mit dem sie zur Höhle gewiesen hat, ist nun ein Ast des Baums. Sie hat ihre Aufgabe hier erfüllt und sich auf diese Weise wieder dem menschlichen Bereich entzogen.

Der Mann geht nun weiter und bleibt kurz vor der Höhle – genau auf dem Sattel – stehen. Der Höhleneingang ist noch schwärzer als die ihn nächtlich umgebenden schwarzen Gesteinsbrocken des Bergs, es ist absolut nichts darin zu erkennen. Etwas unschlüssig bleibt der Mann hier stehen, er vermag es nicht, die Höhle zu betreten. Mit der Zeit dämmert es, der Morgen kommt, und es wird langsam wieder hell. Er sieht jetzt, dass die Höhle nicht sehr weit in den Berg führt. Eigentlich ist sie nur eine kleine Einbuchtung, die allenfalls vor Wind und Regen schützen kann. Da versteht er: Seine Aufgabe ist es, sich hier als Eremit anzusiedeln. Er setzt sich unter den Felsvorsprung und blickt hinaus in die Landschaft. Er hat jetzt plötzlich langes Haar und einen langen Bart, sieht also aus wie ein typischer Eremit. Wie er so hinausschaut in die Landschaft, fällt ihm auf, dass alle Anzeichen menschlicher Besiedlung aus ihr verschwunden sind. Er fühlt: er befindet sich in einer völlig menschenleeren Welt. Es ist sehr ruhig und er genießt diese große, absolute Stille. Nach einiger Zeit wird er allerdings eines Rufens gewahr: es ist der kleine Junge, der von unten heraufkommt und nach ihm ruft. Er ist also doch nicht ganz allein. Er steht auf, geht dem Jungen entgegen und führt ihn dann herauf zur Grotte. Nun sitzen beide, der Junge – der Sohn? – zu seiner Rechten, und schauen hinaus in die völlig menschenleere Gebirgswelt.
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