RE: Die Sucht und das Suchen
27.07.2020, 15:09
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 27.07.2020, 15:10 von ichbinmehr.)
Hi Liri, dann hast du großes Glück.
Es hängt ja auch ein riesiger Rattenschwanz am Thema Übergewicht. Bei jedem Wettlauff bist du immer wieder der Letzte. Stell dir ein Kind vor der jedesmal das Letzte ist. Wenn du nicht die Normschönheit erfüllst, bist du bei der Partnersuche immer nur die B Wahl. Das alles drückt immer wieder auf den Selbstwert. Menschen erleben das ja oft ein ganzes Leben lang so dass der Selbstwert oft im Keller ist. Da stauen sich dann einige Gefühle auf. Wer eine Essstörung hat, obwohl er nicht übergewichtig ist, der ist vielleicht schon ein ganzes Leben kritisiert worden. Das internalisiert man dann und weil die Kritiksucht auch eine Sucht ist, die etwas tieferliegendes bewältig. Ich denke deshalb belastet vor allem der Gedanke mit anderen Menschen nicht mithalten zu können und nie zu genügen auch noch mal zusätzlich zu allen körperlichen Folgen einer Sucht. Manchmal ist es schwer das Glück der anderen Menschen zu ertragen, wenn man selbst ganz andere Voraussetzungen hat und damit zufrieden sein soll.
Oder ähnlich ist es für den Mensch der von großer Armut betroiffen ist. Wer kann es denn so einem Menschen verübeln neidisch zu sein? Nicht immer sind Menschen an ihrer Armut schuldig, so wie auch ein Süchtiger, Kritiker oder Übergewichtiger oft unschuldig ist.
Aber bestimmt kennst du das selbst, du hast ja über deine Krebskrankheit berichtet. Bestimmt hattest du damals auch Gefühle von Wut, Neid, Missgungst, Trauer, wenn du gesehen hast, dass andere Menschen nicht um ihr Leben bangen müssen. Vor einiger Zeit hatte ich mich mal kurz mit einer Frau unterhalten, die Krebskrank war und keine Chance auf Heilung hatte. Das hat mich sehr brührt, dass sie mit den Gefühlen zu sterben klar kommen musste. Wenn man mit dem Tod konfrontiert ist, dann kommen alle diese Gefühle hoch, all das Festhalten an den Wünschen und Vorstellungen. Bestimmt kannst du das verstehen. Und wenn ein Mensch in seinem Körper unzufrieden ist, dann ist das sehr ähnlich, eben genauso ungerecht. Wer das erlebt, möchte mit seinem Ungerechtigkeitsgfühl verstanden werden.
Ich finde es manchmal schwierig mich für Menschen, der eine bessere Voraussetzung als ich haben zu freuen. Im Grunde möchte ich ihnen ihr Glück gönnen. Aber wenn ich immer wieder erfahre, dass ich nie dieses Glück erreichen kann, dann ist das eine sehr schwere Aufgabe wie ich finde. Ich habe mir oft von den Menschen die großes Glück erfahren haben Mitgefühl für mein Leiden gewünscht. Selten konnten die glücklichen überhaupt schätzen was sie hatten. Oft haben sie noch auf mich herab geschaut. Manchmal nochmal nachgetreten. Anderen ihr Glück zu gönnen, während du selbst nichts hast, ist wie sterben müssen und mal eben so loslassen sollen.
Es gehört sehr viel dazu, trotzalledem nicht auf die zur Schaustellung des Glücks mit Negativität zu reagieren, wenn man selbst kein Glück hat. Es ist schwer nicht neidisch zu sein. Wo ist eigendlich die Lösung für dieses Problem?
Ich glaube indem es einem Menschen gelingt, das wertzuschätzen was man hat. Manchmal ist das echt schwer, weil die Gesellschaft bestimmte, Erfahrungen mehr wertschätzt als andere. Dann schaut man die ganze Zeit neidvoll nach außen, und schafft es oft gar nicht zu erkennen, was man wertvolles in sich selbst hat. Wenn man den Wert in sich selbst findet, dann kann man oft sehen, das die anderen gar nicht mehr haben. Als ich anfing meinen Selbstwert sehen zu können, habe ich manchmal sogar gedacht ich habe mehr als die die vorher die Gewinner waren. Weil ich aber immer noch neidisch war auf das die anderen hatten, habe ich mich dann wieder über sie gestellt. Das ist ein Kreislauf der Neid ohne Ende fällt mir gerade auf.
Ich glaube manchmal ist es sehr weise sich über sein persönliches Glück zu freuen, es dann aber nicht gleich jemandn aufs Brot zu schmieren. Da könnte dazu führen, dass sich die jenigen, die schlechtete Voraussetzungen haben, nicht als Verlierer fühlen.
Ich denke es wäre stattdessen gut andere Menschen hochzuheben. Das kann man erst wenn der eigen Selbstwert stabil ist um man nicht mehr darum kämpft.
Ich würde süchtige Menschen gerne hochheben, indem ich ihnen sagen möchte, dass sie durch die Sucht eine selbstständige Regulation ihrer Bedürfnisse gefunden haben. Ich möchte sie beglückwünschen, dass sie dadurch überlebt haben. Menschen die eine Sucht haben, erleben oft die negativen Folgen der Suche nach dem eigenen Selbst. Eben durch die negativen Folgen, fällt die Suche überhaupt erst auf. Meist entwickelt man sich ja nur dann weiter, wenn irgenwas weh tut. Wer suchtet, der hat die Gelegenheit nach Innen zu schauen und tiefere Ursachen für seine Suche zu finden. Ich weis am Ende gar nicht mehr, wer da nun mehr Glück hat? Der der die Norm erfüllt oder der der aus der Norm rausflässt und überall aneckt.