RE: Der interessierte Laie fragt...
Schuhbewegtsich schrieb:Ich habe hier aber bei den speziellen Bewusstseinsfragen noch nicht über Inhalte gesprochen, sondern nur allgemein über Zustände wie Träumen und Wachen, noch nicht was drin vorkommt. Du sprichst aber schon Inhalte an, da wird das Thema sehr viel konkreter und wir betreten eine weitere Ebene von Unterscheidungen.Dessen war ich mir nicht bewusst, dass ich Inhalte anspreche - du hast vermutlich Recht, da Identitäten wohl Inhalte brauchen.
Zitat:Ich würde aber auf jeden Fall prinzipiell sagen, gerade für die Begriffe Identität, Sexualität, Pluralität und so weiter, sind die Sozialwissenschaften besonders wichtig, um überhaupt erst mal zu klären, was sie bedeuten. Klar muss sein, dass Sexualität z.B. etwas mit Herrschaft und nicht mit Biologie zu tun hat, dass die kulturellen Zusammenhänge entscheidend sind – eben das, was du als „Normen“ beschreibst, kann nur in diesem Zusammenhang geklärt werden. Das sind geisteswissenschaftliche Fragestellungen und so gesehen sind es auch philosophische Fragestellungen, wenn die Philosophie auf dem neuesten Stand des Denkbaren sein möchte.Ja.
Ich finde das alles super spannend. Ich habe nur ein bisschen die Sorge, dass zu viel "akademische" Sprache in der Herangehensweise Leute ausschließt, die direkt betroffen sind, und dadurch wieder wichtige Perspektiven fehlen. Aber wenn darauf geachtet wird, dass das nicht passiert, finde ich Sozialwissenschaften eigentlich sehr gut...
Zitat:Interessant das mit den pluralen Personen. Ich habe mal vor Jahren von einer Frau gelesen, die in der einen Person Diabetikerin ist und sich etwas spritzen muss, und wenn sie in die andere Person gewechselt ist, hat sie diese Krankheit nicht. Das zeigt nur wie unfassbar entscheidend für unsere Leben unsere psychische Realität ist!Ja. Danke für dieses Beispiel.
Zitat:Ich hoffe, ich bin deiner Kritik etwas entgegengekommen, Viltrudis – auch wenn wir die Dinge trotzdem verschieden sehen, von Grund auf anders da ran gehen – unsere Bildung ist halt auch unterschiedlich. Mir geht es anders als dir, ich würde, sollte ich eine „Gegenkultur“ ins Leben rufen, wie spell es vorgeschlagen hat, nicht die Philosophie von meiner Interessenliste streichen, sondern mit der Esoterik auch gleich als nächstes die komplette Psychologie der bürgerlichen Art mit von der Liste runter nehmen. Sofern sie nämlich in subjektivistischer Ausrichtung nur auf die persönliche Erfahrung, den gesellschaftlichen Kontext außer acht lassend, aus ist, ist sie für die Selbsterkenntnis zu wenig und irreführend. Eine umfassendere Perspektive ist nötig.Ich glaube, wir sind da eigentlich eh einer Meinung, nur habe ich mich schlampig ausgedrückt.
Bzw. ich glaube ich hab mit "Philosophie" eigentlich nur die Philosophie des Geistes gemeint, die mich lange Zeit enorm fasziniert hat. Die ist mir für sich genommen eben zu abstrakt und hängt zu sehr in den selben Fragen fest seit Jahrhunderten, auch wenn es ungemein spannend sein kann.
Von mir selbst weiß ich, dass ich besonders stark zu dieser hingezogen war, weil ich von meiner eigenen Identität verwirrt war. Aber egal wie sehr ich mich damit beschäftigt hab, meine Verwirrung ist nicht weniger geworden. Ich bin erst weitergekommen, als ich konkrete Erfahrungsberichte von trans, pluralen, depressiven, autistischen, ... Personen gehört habe, überall vergleichen konnte mit meiner eigenen Erfahrung, mich hier mehr, dort weniger wiederfinden konnte. Es war nicht hilfreich für mich, dutzende Theorien über das Bewusstsein zu lesen; hingegen sehr hilfreich, dutzende Erfahrungen von Personen, deren Bewusstsein ähnliche Macken hat wie meines, zu lesen/hören.
Das heißt nicht, dass die Philosophie wegsoll. Wir brauchen sie ja, unter anderem, um zu verhindern, dass aus dem Erfahrungsschatz unsinnige oder verlockend-sinnvoll-klingende Theorien werden, die dann wieder den Blick auf die Realität verstellen. Und um allgemeiner zu werden, sowieso. Ich hab ja schon geschrieben, dass das bei mir eher eine persönliche Suche war.
Ich habe eine vage Vorstellung, was mit "Psychologie der bürgerlichen Art" gemeint sein könnte. Stimme mal vorsichtig zu, dass es leider immer noch gewisse Tendenzen in der (z.B. klinischen) Psychologie gibt, die sehr verzichtbar sind. Das Festhalten an jahrhundertealten Überzeugungen ist dort wohl stärker zu finden als wohl in den Sozialwissenschaften, die diese direkt kritisieren können. Aber ich weiß natürlich nicht, ob wir was ähnliches meinen.^^
Klargesucht schrieb:Somit ergibt auch "unser Bewusstsein hat mehrere Ebenen" für mich einen Sinn.Mir gefällt die Formulierung "das Gehirn ist sich bewusst" grundsätzlich nicht. Das Gehirn ist ein Organ, es ist hauptverantwortlich dafür, dass Bewusstsein passiert, existiert, wie auch immer, aber es selbst ist erstmal trotzdem ein Haufen Zellen.
Mein Gehirn ist sich bewusst, dass der Körper schläft.
Mein Gehirn ist sich aber gleichzeitig (im Regelfalle) nicht bewusst, dass die Traumrealität nicht die Wachrealität darstellt. Möglicherweise sind die (voneinander verschiedenen) Bewusstseins durch unterschiedliche Zentren des Gehirnes kontrolliert.
Vllt stattdessen "Es gibt ein Bewusstsein darüber, dass ..."
(Diese Kritik ist philosophisch, lol. Soviel dazu, dass ich die Philosophie weglasse. xd)
... "es gibt zu unterschiedlichen Schlafzeitpunkten ein unterschiedliches Ausmaß an Bewusstsein über den Schlafzustand und alles, was sonst noch abläuft (z.B. Träume)" ... joa verschiedene Bewusstseins ist sprachlich unschön aber die Sprache ist halt auch nicht dafür gemacht.^^
Philosophisch ist halt wieder die Frage, was es überhaupt heißt, sich etwas bewusst zu sein. Ich krieg nie so genau mit, was in meinem Darm abläuft, aber ein Teil meines Gehirns tut da Dinge - hat etwas, das nicht ich bin, also Bewusstsein darüber?^^ Ufff, wohin verlauf ich mich da grade.
...in einer anderen Herde.