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Das Gesetz

RE: Das Gesetz
#16
30.09.2012, 18:28 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 30.09.2012, 18:31 von owa.)
ricky_ho schrieb:Warum sollte sich eine Gesellschaft selbst Gesetze auferlegen, die dann gegen alle ihre Mitglieder durchgesetzt werden müssen? Das ist ein Widerspruch in sich, die Existenz solcher Gesetze würde schon zeigen, dass man es nach wie vor mit einer hierarchischen Gesellschaft zu tun hat, in der eine Gruppe über die Macht verfügt, den anderen die Gesetze aufzuzwingen.

Ich denke, der Gesetzeskatalog in so einer Gesellschaft wie ich sie meine würde sich radikal von dem unterscheiden, was wir heute kennen. Das heutige Rechtssystem ist Resultat einer Bürokratie, deren primärer Zweck es ist, bestehende Macht- und Eigentumsverhältnisse zu sichern. Das dabei etwas anderes herauskommt als wenn eine Gruppe von Menschen in einer herrschaftsfreien Gesellschaft sich ihrer Regeln des Zusammenlebens selbst überlegt ist doch klar.

Das heißt dann, die Regeln des Zusammenlebens in einer herrschaftsfreien Gesellschaft würden nicht gegen alle durchgesetzt werden müssen? Ich bin davon ausgegangen, dass es notwendig ist, Gesetze oder Regeln auch durchzusetzen, als du geschrieben hast, dass in so einer Gesellschaft niemand die Macht hätte, sich über die Gesetze hinwegzusetzen. Aber das scheint nicht so zu sein. Sondern du scheinst zu meinen, dass die Leute bereits grundsätzlich gar nicht in der Lage sind, irgendetwas zu tun, was gegen die Regeln oder Gesetze verstößt oder so etwas schlicht nicht wollen, egal unter welchen Umständen sie leben.

Und dabei hast du vorher geschrieben, dass du nicht von einer utopischen Gesellschaft erleuchteter Wesen redest. Eine herrschafts- und klassenlose Gesellschaft, in der niemand Macht über andere hätte oder haben will, ist aber genau das. Wobei, für mich nicht utopisch, sondern dystopisch.

Zitat:Ist die Voraussetzung, eine radikal basisdemokratische, herrschafts- und klassenlose Gesellschaft, unerfüllbar, dann wirds eben mit mir und der Akzeptanz des Gesetzes nichts werden, denn einem Herrschaftsinstrument muss ich mich vielleicht beugen, aber darum muss ich es nicht akzeptieren oder mir eine Fantasie vom Recht, vor dem jeder Bürger gleich behandelt wird, zusammenrationalisieren.

Du schreibst das ja so, als würde ich das vom derzeitigen Zustand denken, oder dich davon überzeugen zu wollen. Beides tue ich aber nicht. Es ging mir eigentlich darum, deine Ansicht von Gerechtigkeit anzuzweifeln, für die es nach deinen Worten ausreichen würde, dass jeder Bürger gleich (gut oder schlecht) behandelt wird. Aber das setzt natürlich voraus, dass das Gesetz durchgesetzt oder angewendet wird. Und dann stellt sich halt wieder die Frage: Von wem? Daher auch meine Nachfrage wegen der Gewaltenteilung.

Zitat:Du kannst meine Aussagen also auch einfach als Begründung dafür interpretieren, warum ich unser Rechtssystem nicht vorbehaltlos akzeptiere und warum ich mich nicht moralisch verpflichtet fühle, mich immer danach zu richten (...).

Ich habe deine Aussagen auch genau so angefasst, und das Ergebnis, das derzeitige Rechtssystem nicht vorbehaltlos zu akzeptieren, ist bei mir übrigens auch das selbe. Nur komme ich halt aus völlig anderen Gründen zu diesem Ergebnis, anstatt zu sagen, solange das Unmögliche nicht realisiert ist, werde ich auch das Mögliche nicht akzeptieren.

Meine Ansicht ist, dass die Gesetze an sich sinnvoll sein müssen, um auch gerecht zu sein. Während es bei dir völlig gerecht zu sein scheint, Mord mit einem Jahr Gefängnis zu bestrafen und Beleidigung mit 5 Jahren, wenn nur niemand diesen Strafen entgehen könnte oder wollte, sehe ich hierin halt eine ziemliche Ungerechtigkeit, da Beleidigung ein wesentlich minder schweres Delikt ist, als Mord. Ich hätte dann meiner Ansicht nach sehr wohl das Recht, einen Weg zu suchen, der 5-jährigen Gefängnisstrafe zu entgehen.

Jetzt nehmen wir mal an, ich schaffe das, und jemand anderes schafft das nicht oder will das gar nicht, dann wäre dieser Zustand deiner Ansicht nach ungerecht. Wie beseitigen wir jetzt diesen ungerechten Zustand? Indem ich dennoch freiwillig die 5-jährige Gefängnisstrafe antrete, oder möglicherweise indem man dafür sorgt, dass andere nicht die 5 Jahre absitzen müssen? Meiner Ansicht nach ist Letzteres eindeutig vorzuziehen. Wie erreicht man wiederum das? Indem das Gesetz an sich bereits sinnvoll ist und Beleidigung wesentlich leichter bestraft wird als Mord, wenn überhaupt.

Zitat:Ich meine natürlich nicht alle Bänker.

Stimmt, in deiner basisdemokratischen, herrschafts- und klassenlosen Gesellschaft gibt es erst gar keine Bänker oder Banken.

ricky_ho schrieb:
owa schrieb:Ist es nicht möglich, dass Leute denen Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, nicht im Knast sind, weil ihnen ein Gericht ihre Schuld nicht nachweisen konnte und sie daher im Zweifel freigesprochen hat?

So wie bei Obama, der ohne Prozess die gezielte Tötung von Menschen befiehlt und dabei auch den Tod von unschuldigen Zivilisten in Kauf nimmt, wenn seine Drohnen in zivilen Gebieten ihre Mordanschläge ausführen?

Was mich an dem Beispiel auch etwas irritiert, ist, dass du das Ergebnis des Prozesses bereits als gegeben voraussetzt, bevor es überhaupt zu dem Prozess kommt.

Ich habe gefragt, ob es in einem basisdemokratischen System (ich lasse jetzt das herrschafts- und klassenlos mal weg, denn das nimmt diesen Beispielen sowieso jeglichen Sinn) möglich ist, dass jemand, dem solche Taten vorgeworfen werden, freigesprochen werden kann, wenn das Gericht Zweifel an der Schuld hat. Du antwortest, indem du fragst, ob ich solche Taten verharmlosen will. Ich frage, wie du so sicher sein kannst, dass diese Farbe schwarz ist. Du antwortest, indem du mich fragst, ob ich das etwa für weiß halte. :/

Zitat:Bei Kohl ging es ja nicht ums Schweigerecht.

Dann beantworte die Frage unabhängig von Kohl. Gibt es in einer basisdemokratischen Gesellschaft das Recht zu Schweigen, wenn jemandem irgendwas vorgeworfen wird?

...

Worauf ich hinauswill habe ich ja schon geschrieben. Wenn du die Fragen mit Ja beantwortest, warum ignorierst du dann, dass es diese Rechte auch bereits im derzeitigen (hierarchischen) System gibt und wo ist dann der Unterschied, zum basisdemokratischen, wenn wir dessen utopischen Elemente mal weglassen? Wenn es diese Rechte dort nicht gibt, dann ist das basisdemokratische System für mich leider indiskutabel. Also im Sinne von, dass ich darin auch lieber nicht leben will, falls es eine bessere Alternative gäbe.

Zitat:Weil da eine Hand die andere wäscht, einflussreiche Strippen gezogen werden, Staatsanwaltschaften auf einmal keinen hinreichenden Tatverdacht sehen, Akten verschwinden, Ermittlungen eingestellt werden (...).

Es gibt aber auch Beispiele für Freisprüche, die dadurch zustande kommen, dass entweder eine grosse Menge Geld fliesst (Zumwinkel) oder aber irgendwelche Akten auf einmal verschwinden. D.h. durch den Einsatz von Geld, Macht und einflussreichen Beziehungen bewirkte Freisprüche, alles Mittel, die nur einer kleinen Minderheit zur Verfügung stehen.

Wenn du mit "Freispruch" bei Zumwinkel eigentlich nur "kein Gefängnis" meinst, dann ja, dann "Freispruch".

Eigentlich wurde Zumwinkel nämlich verurteilt zu Freiheitsstrafe auf Bewährung und zur Zahlung von Auflagen von einer Million. Abgesehen davon hat er alle hinterzogenen Beträge, inklusive Zinsen nachgezahlt. Das macht aus ihm definitiv keinen Saubermann, aber vor dem Hintergrund, dass bei Steuerhinterziehung von unter einer Million niemand ins Gefängnis geht, sondern praktisch immer höchstens Bewährungsstrafen verhängt werden, muss ich mich auch bei diesem Beispiel fragen, wo jetzt der Unterschied zu "den Beherrschten" ist.

Wenn Zumwinkel tatsächlich freigesprochen worden wäre, obwohl andere Leute, die die gleiche Summe hinterzogen haben und die gleichen mildernden Umstände geltend gemacht haben, ohne Bewährung ins Gefängnis gehen, dann würde ich es ebenfalls ungerecht finden. Dir scheints aber nur darum zu gehen, es ungerecht zu finden, dass einige Leute überhaupt soviel Geld haben, um überhaupt Steuern hinterziehen zu können, oder soviel Macht haben, die Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens zu bringen. Warum sollte dann aber das Gesetz, was Steuerhinterziehung unter Strafe stellt, ungerecht sein?

Also zusammengefasst: Was du ungerecht findest, scheinen nicht die Gesetze zu sein, sondern eher die Tatsache, dass Menschen unterschiedlich sind und unterschiedliche Voraussetzungen im Leben haben. Und vielleicht auch, dass es keine Gesetze gibt, um diese Unterschiede auszugleichen, oder?
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RE: Das Gesetz
#17
06.10.2012, 13:24
Hi

Zitat:Das heißt dann, die Regeln des Zusammenlebens in einer herrschaftsfreien Gesellschaft würden nicht gegen alle durchgesetzt werden müssen? Ich bin davon ausgegangen, dass es notwendig ist, Gesetze oder Regeln auch durchzusetzen, als du geschrieben hast, dass in so einer Gesellschaft niemand die Macht hätte, sich über die Gesetze hinwegzusetzen. Aber das scheint nicht so zu sein. Sondern du scheinst zu meinen, dass die Leute bereits grundsätzlich gar nicht in der Lage sind, irgendetwas zu tun, was gegen die Regeln oder Gesetze verstößt oder so etwas schlicht nicht wollen, egal unter welchen Umständen sie leben.

Natürlich muss das Gesetz auch durchgesetzt werden. Du hattest aber von "nicht sinnvollen" Gesetzen geschrieben. Ich hatte das so verstanden, dass du meinst, die Gesetze wären nicht sinnvoll (im Sinne von von der Mehrheit der Leute nicht nachvollziehbar und nicht als gerecht empfunden), darum müssten sie ständig gegen wirklich alle durchgesetzt werden, weil ständig alle dagegen verstossen. Nur darauf bezog sich meine Entgegnung. Ich wollte nicht bestreiten, dass die Gesetze durchgesetzt werden müssen, sondern lediglich, dass sie "nicht sinnvoll" wären.

Zitat:Und dabei hast du vorher geschrieben, dass du nicht von einer utopischen Gesellschaft erleuchteter Wesen redest. Eine herrschafts- und klassenlose Gesellschaft, in der niemand Macht über andere hätte oder haben will, ist aber genau das.

Mit dem Zusatz "oder haben will" hast du recht, das wäre dann eine Gesellschaft, die gar keine Gesetze mehr benötigt. Ich rede aber von einer Gesellschaft, in der es durchaus Individuen gibt, die ein Bedürfnis danach haben, Macht über andere auszuüben, die aber so strukturiert ist, dass es diesen Individuen möglichst unmöglich gemacht wird, Macht auf sich zu konzentrieren. Sie ist ganz bewusst so strukturiert, eben weil es diese Machtbedürfnisse gibt. Basisdemokratie hat ja vor allem den Zweck, die Macht auf möglichst viele zu verteilen und zu verhindern, dass sich die Macht auf wenige konzentriert.

Zitat:Du schreibst das ja so, als würde ich das vom derzeitigen Zustand denken, oder dich davon überzeugen zu wollen. Beides tue ich aber nicht.

Dann hab ich dich da falsch verstanden.

Zitat:Es ging mir eigentlich darum, deine Ansicht von Gerechtigkeit anzuzweifeln, für die es nach deinen Worten ausreichen würde, dass jeder Bürger gleich (gut oder schlecht) behandelt wird.

Nee, irgendwie zäumst du das Pferd jetzt von hinten auf. Was ich meinte ist, dass in einer gerechten Gesellschaft vor dem Gesetz jeder gleich wäre. Daraus folgt aber nicht, dass wenn vor dem Gesetz jeder gleich ist, die Gesellschaft gerecht wäre.

Zitat:Aber das setzt natürlich voraus, dass das Gesetz durchgesetzt oder angewendet wird. Und dann stellt sich halt wieder die Frage: Von wem? Daher auch meine Nachfrage wegen der Gewaltenteilung.

In einer Basisdemokratie würden das natürlich die Menschen auch basisdemokratisch regeln, d.h. die benötigten Ausschüsse oder Gremien würden gewählt und wären jederzeit abwählbar.

Zitat:Meine Ansicht ist, dass die Gesetze an sich sinnvoll sein müssen, um auch gerecht zu sein. Während es bei dir völlig gerecht zu sein scheint, Mord mit einem Jahr Gefängnis zu bestrafen und Beleidigung mit 5 Jahren, wenn nur niemand diesen Strafen entgehen könnte oder wollte, sehe ich hierin halt eine ziemliche Ungerechtigkeit, da Beleidigung ein wesentlich minder schweres Delikt ist, als Mord. Ich hätte dann meiner Ansicht nach sehr wohl das Recht, einen Weg zu suchen, der 5-jährigen Gefängnisstrafe zu entgehen.

Jetzt nehmen wir mal an, ich schaffe das, und jemand anderes schafft das nicht oder will das gar nicht, dann wäre dieser Zustand deiner Ansicht nach ungerecht. Wie beseitigen wir jetzt diesen ungerechten Zustand? Indem ich dennoch freiwillig die 5-jährige Gefängnisstrafe antrete, oder möglicherweise indem man dafür sorgt, dass andere nicht die 5 Jahre absitzen müssen? Meiner Ansicht nach ist Letzteres eindeutig vorzuziehen. Wie erreicht man wiederum das? Indem das Gesetz an sich bereits sinnvoll ist und Beleidigung wesentlich leichter bestraft wird als Mord, wenn überhaupt.

Da geb ich dir recht, die Frage ist nur: Wer entscheidet, ob ein Gesetz "an sich sinnvoll" ist, und was wäre nötig, um ein gerechtes System zu schaffen? Bzw. was ist denn der tieferliegende Grund dafür, dass unser System nicht gerecht ist (da sind wir uns ja scheinbar einig)? Und da sage ich, entscheiden tun das die betroffenen Menschen, und je weniger hierarchisch und je mehr basisdemokratisch eine Gesellschaft organisiert ist, desto gerechter werden die Gesetze ausfallen. In einem hierarchischen organisierten System, indem sich die Macht auf eine relativ kleine Gruppe der Gesellschaft konzentriert, Gerechtigkeit zu erwarten, halte ich für mehr oder weniger illusorisch.

Zitat:Ich habe gefragt, ob es in einem basisdemokratischen System (ich lasse jetzt das herrschafts- und klassenlos mal weg, denn das nimmt diesen Beispielen sowieso jeglichen Sinn) möglich ist, dass jemand, dem solche Taten vorgeworfen werden, freigesprochen werden kann, wenn das Gericht Zweifel an der Schuld hat. Du antwortest, indem du fragst, ob ich solche Taten verharmlosen will. Ich frage, wie du so sicher sein kannst, dass diese Farbe schwarz ist. Du antwortest, indem du mich fragst, ob ich das etwa für weiß halte.

Das ist ein Missverständnis. Ich hatte dich (s.o.) so verstanden, dass du der Ansicht bist, unser Rechtssystem sei gerecht und jeder würde vor dem Gesetz gleich behandelt. Darum habe ich Beispiele genannt von denen ich der Ansicht war, dass sie zeigen, dass das nicht der Fall ist.

Zitat:Wenn du die Fragen mit Ja beantwortest, warum ignorierst du dann, dass es diese Rechte auch bereits im derzeitigen (hierarchischen) System gibt.

Ich ignoriere ja nicht, dass es dieses Recht gibt. Das ist einfach gar nicht mein Punkt. Die Beispiele hab ich nur gebracht, weil sie meiner Meinung nach verdeutlichen, dass in der Praxis eben nicht jeder vor dem Gesetz gleich behandelt wird. Dass die einen Möglichkeiten haben, sich zu entziehen, und die anderen nicht. Wobei es mir weniger darauf ankommt, wie genau diese Möglichkeiten, sich zu entziehen, aussehen.

Und auch wenn ich es so formuliert habe, mir gehts bei Kohl nicht primär darum, dass er die Namen nicht nennen musste, was meiner Ansicht nach auch gar nichts mit dem Recht der Aussageverweigerung zu tun hat, sondern generell darum, dass in diesem Spendenskandal alle ihren Kopf aus der Schlinge ziehen konnte (natürlich wurden wie immer Bauernopfer geliefert). Hier mal ein Zitat aus Wikipedia:

Zitat:Am 31. Januar 2001 fand eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Berlin statt; bei dieser war unter anderem der Anti-Korruptionsexperte Uwe Dolata als Beigeladener anwesend. Dieser führte aus: „Herr Richter, stellen Sie sich vor, Sie würden ein Auto klauen. Stellen Sie sich vor, dort, wo sie leben, gibt es ein Gesetz, das besagt, es sei verboten, Autos zu klauen. Stellen Sie sich vor, Sie werden dabei erwischt, wie sie dieses Auto klauen. Stellen Sie sich vor, Sie werden nicht dafür verurteilt, dass sie ein Auto geklaut haben und dabei erwischt wurden – weil es kein Gesetz gibt, das besagt, dass Sie für den verbotenen Diebstahl bestraft werden. Diese verwirrende Logik ist im deutschen Parteiengesetz Realität.“, so Dolata. Das Gericht entschied, dass die CDU trotz der Affäre auf ihre staatlichen Zuschüsse nicht verzichten muss.

Da ist meine Frage: woher kommt "diese verwirrende Logik ist im deutschen Parteiengesetz"?

Meine Annahme ist eben grundsätzlich, dass es in einer Gesellschaft mit extrem ungleicher Machtverteilung diejenigen, die sehr viel Macht haben, es so einrichten werden, dass sie sich nicht den gleichen Regeln unterwerfen müssen wie der Rest. Das kann ganz offen sein, das kann aber auch subtil und verdeckt passieren.

Meine Beispiele sind wohl wirklich keine Belege für meine These, da geb ich dir recht. Es sind mehr Fingerzeige, ich wollte nur zeigen, dass es sehr selten ist, dass wirklich mächtige Menschen zu Strafen verurteilt werden, die ihnen ihre Macht nehmen (ohne dass dabei ein noch mächtigerer Gegenspieler im Spiel ist, der einen Konkurrenten los werden will).

Ich gehe davon aus, dass es das Recht, seine Aussage zu verweigern, in einer basisdemokratischen Gesellschaft genauso geben könnte wie jetzt, aber wie gesagt, wie genau das juristische System so einer Gesellschaft aussehen würde, kann ich nicht sagen.

Zitat:Wenn Zumwinkel tatsächlich freigesprochen worden wäre, obwohl andere Leute, die die gleiche Summe hinterzogen haben und die gleichen mildernden Umstände geltend gemacht haben, ohne Bewährung ins Gefängnis gehen, dann würde ich es ebenfalls ungerecht finden.

Ja, da stimme ich zu. Den Umkehrschluss aber würde ich nicht machen: dass es, wenn alle, die derartig grosse Summen hinterziehen, gleich behandet werden, gerecht zu geht. Denn man muss auch betrachten, wie es mit der Behandlung von Steuerbetrug in dieser Dimension aussieht verglichen mit der Behandlung, die jeder kleine Bürger erfährt. Und man muss auch, wie du ja auch gesagt hast, betrachten, wie unterschiedliche Arten von Delikten behandelt werden: werden Delikte, die eher von reichen, mächtigen Leuten begangen werden, vielleicht weniger hart bestraft als andere Delikte?

An der Stelle wird das ganze natürlich extrem kompliziert. Zu kompliziert, als dass ich meine Annahme jetzt im Detail belegen könnte. Darum kann ich nur eher plumpe Hinweise geben. Schauen wir z.B. nach Amerika. Dort sind die Gefängnisse überfüllt mit Leuten aus sozial schwächeren Schichten, die dort für Kleinstdelikte einsitzen. Oder schauen wir uns die ganzen Überwachungsgesetze an, die in der EU durchgeboxt werden sollen. Sind das nicht alles Anzeichen für ein Rechtssystem, dass nicht mehr dem Interesse der Bürger dient, sondern die Interessen kleiner, mächtiger Minderheiten durchsetzen soll?

Zitat:Dir scheints aber nur darum zu gehen, es ungerecht zu finden, dass einige Leute überhaupt soviel Geld haben, um überhaupt Steuern hinterziehen zu können, oder soviel Macht haben, die Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens zu bringen. Warum sollte dann aber das Gesetz, was Steuerhinterziehung unter Strafe stellt, ungerecht sein?

Ein Herr Zumwinkel hat eben - aufgrund seiner gesellschaftlichen Stellung, die mit Einfluss, Macht, Beziehungen einhergeht - die Möglichkeit, einen Deal mit der Staatsanwaltschaft zu machen. Und wenn dann diese Möglichkeit, Deals zu machen, in der Gesellschaft für Unstimmigkeit sorgt, und daraufhin die Gesetze geändert werden sollen, um solche Deals "aus den Hinterzimmern herausholen", dann stellt sich meiner Ansicht nach die Frage nach der "Gerechtigkeit" der dabei entstehenden Gesetze nicht mehr wirklich.

Das ist übrigens so eine typische Sache: wenn mächtige, einflussreiche Leute illegales vorhaben, dann wird davon geredet, erstmal "den gesetzlichen Rahmen zu schaffen". Das heisst nichts anderes, als dass die Gesetze so geändert werden, dass die geplanten Aktivitäten nicht mehr illegal sind. Ich denke mal, diese Möglichkeit steht dem normalen Bürger nicht offen, der keine Agentur wie freshfields für die Ausfertigung von Gesetzesvorlagen bezahlen kann.

Es gibt ja unterschiedliche Möglichkeiten, die Gerechtigkeit dieser Gesetze zu beurteilen: entweder man analysiert sie vom Wortlaut her und versucht so, sich ein Urteil zu bilden, oder man schaut sich mehr die Entstehungsgeschichte sowie die Auswirkungen der Gesetze an. Ich halte letzteres für sinnvoller.

Zitat:Also zusammengefasst: Was du ungerecht findest, scheinen nicht die Gesetze zu sein, sondern eher die Tatsache, dass Menschen unterschiedlich sind und unterschiedliche Voraussetzungen im Leben haben. Und vielleicht auch, dass es keine Gesetze gibt, um diese Unterschiede auszugleichen, oder?

Unterschiedlich sind Menschen immer und das ist auch gut so big Daraus muss aber nicht folgen, dass die einen über die anderen herrschen. Genau das sollte ein gerechtes Rechtssystem in einer Demokratie verhindern. Tut es das nicht, ist es nicht gerecht, sondern Klassenjustiz. Aber natürlich ist nicht das ungerechte Gesetz der Grund für die ungleiche Machtverteilung, sondern die ungleiche Machtverteilung ist die Ursache für das ungerechte Rechtssystem. Wenn die ungleiche Machtverteilung auf der ungleichen Verteilung des Vermögens und Einkommens beruht, ist somit natürlich diese ungerechte Verteilung letztendlich auch eine Ursache für die gesellschaftliche Ungerechtigkeit.

Tschö,
Ricky
„I learned long ago, never to wrestle with a pig. You both get dirty, and besides, the pig likes it.“ - George Bernhard Shaw
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RE: Das Gesetz
#18
10.10.2012, 16:41
Zitat:Da geb ich dir recht, die Frage ist nur: Wer entscheidet, ob ein Gesetz "an sich sinnvoll" ist, und was wäre nötig, um ein gerechtes System zu schaffen? Bzw. was ist denn der tieferliegende Grund dafür, dass unser System nicht gerecht ist (da sind wir uns ja scheinbar einig)? Und da sage ich, entscheiden tun das die betroffenen Menschen, und je weniger hierarchisch und je mehr basisdemokratisch eine Gesellschaft organisiert ist, desto gerechter werden die Gesetze ausfallen. In einem hierarchischen organisierten System, indem sich die Macht auf eine relativ kleine Gruppe der Gesellschaft konzentriert, Gerechtigkeit zu erwarten, halte ich für mehr oder weniger illusorisch.

Für mich stellt sich das so dar, wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ich würde von einer Basisdemokratie ebenfalls keine gerechte Behandlung erwarten, auf die gesamte Gesellschaft bezogen wohl nicht mal einen quantitativen Gerechtigkeitsgewinn gegenüber dem hierarchischen System.
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RE: Das Gesetz
#19
10.10.2012, 21:29
Eine Gesetzgebung sollte nicht nur gerecht – wie auch immer man das nun definieren will –, sondern auch sicher vor Kurzschlussentscheidungen und emotionalen Überreaktionen sein.

Gerade was diesen Punkt angeht, hätte ich kein rechtes Vertrauen in die "Basis", die je nach Extremsituation (Terroranschlag, Attentat, Amoklauf, Serienmord, Provokation aus dem Ausland usw. ) meiner Meinung nach sehr schnell zu einem blutrünstigen Mob werden kann, der dann – zumindest vorerst – besser keine Gesetze erlassen sollte fear
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RE: Das Gesetz
#20
10.10.2012, 23:51 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10.10.2012, 23:51 von ricky_ho.)
(10.10.2012, 16:41)owa schrieb: Für mich stellt sich das so dar, wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ich würde von einer Basisdemokratie ebenfalls keine gerechte Behandlung erwarten, auf die gesamte Gesellschaft bezogen wohl nicht mal einen quantitativen Gerechtigkeitsgewinn gegenüber dem hierarchischen System.

Ok, aber wenn ich dich richtig verstehe, definierst du Gerechtigkeit anhand irgendeines objektiven Massstabs, mit dem du z.B. die gerechtfertigten Strafmasse für verschiedene Delikte ermitteln kannst. Die Frage ist, wie sieht dieser Massstab aus, wie kann man ihn erkennen? Wer könnte nun anhand dieser Richtlinie das gerechte Gesetzeswerk niederschreiben?

Wenn das niemand kann, ist diese Vorstellung von objektiver Gerechtigkeit dann nicht mindestens so eine Illusion wie die von einer basisdemokratischen Gesellschaft? Was wäre eher ein erstrebenswertes Ziel, um gerechtere Gesetze zu erreichen, für mehr Basisdemokratie und weniger Machtkonzentration einzutreten oder nach dem objektiv gerechten Gesetz zu suchen und dann alle davon zu überzeugen zu versuchen?

(10.10.2012, 21:29)Rhetor schrieb: Eine Gesetzgebung sollte nicht nur gerecht – wie auch immer man das nun definieren will –, sondern auch sicher vor Kurzschlussentscheidungen und emotionalen Überreaktionen sein.

Gerade was diesen Punkt angeht, hätte ich kein rechtes Vertrauen in die "Basis", die je nach Extremsituation (Terroranschlag, Attentat, Amoklauf, Serienmord, Provokation aus dem Ausland usw. ) meiner Meinung nach sehr schnell zu einem blutrünstigen Mob werden kann, der dann – zumindest vorerst – besser keine Gesetze erlassen sollte fear

Also gegen dieses Argument möchte ich drei Punkte setzen big

1. Grade demokratische Verfahren sind ja schon prinzipiell nicht unbedingt für ihre Anfälligkeit für allzu schnelle Kurzschlussentscheidungen bekannt, sondern es wird ihre "Ineffizienz" beklagt. Bei demokratischeren Verfahren haben mehr Menschen Einfluss, und umso mehr muss argumentiert und diskutiert werden, um einen Konsens zu finden.

2. Ausserdem ist das ja eine Frage des Gesetzgebungsverfahrens, das prinzipiell ja dieselben Schutzmechanismen gegen derartige Willkür eingebaut haben kann, wie heute auch (noch). Man darf sich ja unter Basisdemokratie oder direkter Demokratie nicht vorstellen, dass da ein Vote gemacht wird und dann ist das neue Gesetz verabschiedet.

3. Den blutrünstige Mob, der bei jedem Verbrechen sofort nach der Todesstrafe schreit, gibt es zwar, aber das ist nicht die grosse Mehrheit der Bevölkerung (höchstens die der Bild-Leser). Ich halte das ehrlich gesagt für einen Mythos, der in die Welt gesetzt wird, um den Leuten Angst vor der echten Demokratie und der Selbstverwaltung ihrer Belange zu machen.

In der Praxis kann man schon bei sehr kleinen Gruppen, die sich organisieren wollen und dabei Wert auf möglichst gleichberechtigte Beteiligung aller legen, am Anfang lange Diskussionen darüber miterleben, in denen es darum geht, wie die Entsscheidungsfindungsverfahren gestaltet sein müssen, um eben so etwas zu vermeiden - und alles möglichst gerecht zu gestalten. Keiner würde da auf die Idee kommen, dass zu jederzeit mit einer simplen Mehrheitsentscheidugen z.b. grundlegende Prinzipien über Bord geworfen werden können (und wenn doch, wirds diese Gruppe nicht lange geben). Ich weiss nicht, was dagegen spricht, das beizubehalten bzw. die Verfahren sogar noch zu optimieren, wenn die Organisationsstrukturen grösser werden.

Im Gegenteil sehe ich diese Gefahr der schnellen und umkomplizierten Änderung der Gesetze je nach aktuellem Bedarf ("Wir müssen die rechtlichen Voraussetzungen schaffen") eher dann, wenn die Macht auf wenige konzentriert ist. Und gerade dann werden ja gerne die Emotionen geschürt, um in der an den Entscheidungen nicht teilhabenden Bevölkerung Akzeptanz für diese vorgesetzten und durchgepaukten Änderungen zu gewinnen oder zumindest den Anschein erwecken zu können, die Gesetzgebung würde der öffentlichen Meinung entsprechen.

Tschö,
Ricky
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RE: Das Gesetz
#21
11.10.2012, 12:14
(10.10.2012, 23:51)ricky_ho schrieb: Man darf sich ja unter Basisdemokratie oder direkter Demokratie nicht vorstellen, dass da ein Vote gemacht wird und dann ist das neue Gesetz verabschiedet.

... und unter bedingungslosem Grundeinkommen, dass jeder faulenzen und trotzdem auf dicke Hose machen kann bigwink

Klar, wenn das Ganze auf einer durchdachten, psycho- und soziologisch intelligenten und weitsichtigen Verfassung fußt, die sich nicht mal eben per Vote in der Bildzeitung in die Tonne treten lässt, dann könnte auch eine Basisdemokratie funktionieren.

Zitat:aber das ist nicht die grosse Mehrheit der Bevölkerung (höchstens die der Bild-Leser).

Ich fürchte halt, es gibt sehr sehr viele Bild-Käufer/Leser fear
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RE: Das Gesetz
#22
11.10.2012, 23:51 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12.10.2012, 00:26 von owa.)
ricky_ho schrieb:Ok, aber wenn ich dich richtig verstehe, definierst du Gerechtigkeit anhand irgendeines objektiven Massstabs, mit dem du z.B. die gerechtfertigten Strafmasse für verschiedene Delikte ermitteln kannst. Die Frage ist, wie sieht dieser Massstab aus, wie kann man ihn erkennen? Wer könnte nun anhand dieser Richtlinie das gerechte Gesetzeswerk niederschreiben?

Wenn das niemand kann, ist diese Vorstellung von objektiver Gerechtigkeit dann nicht mindestens so eine Illusion wie die von einer basisdemokratischen Gesellschaft? Was wäre eher ein erstrebenswertes Ziel, um gerechtere Gesetze zu erreichen, für mehr Basisdemokratie und weniger Machtkonzentration einzutreten oder nach dem objektiv gerechten Gesetz zu suchen und dann alle davon zu überzeugen zu versuchen?

Natürlich ist objektive Gerechtigkeit eine Illusion... und ich habe in dem Beispiel Mord vs. Beleidigung auch keinen objektiven Maßstab angelegt.

Das Beispiel diente nur dafür, zu verdeutlichen, dass ich bei der Beurteilung von Gerechtigkeit nicht nur darauf abstellen würde, dass alle Leute gleich behandelt werden, sondern auch darauf, _wie_ (alle) Leute behandelt werden, ohne das "wie" jetzt an einem konkreten Ideal zu messen. Während deine Aussage im Posting vom 24.09., dass du auch für die Anwendung eines für dich nicht sinnvollen Gesetz wärest, wenn es alle gleichermaßen trifft, den Schluss nahelegte, dass es für dich ausreichend gerecht wäre, wenn das Gesetz alle gleich behandelt. Es ging mir wie gesagt nur darum, dies anzuzweifeln, auch ohne dass ich selbst ein vollig durchdachtes und gerechtes Rechtssystem präsentieren kann.

Dass objektive Gerechtigkeit ziemlicher Unsinn ist, ist mir wohl bewusst, schon deswegen weil sich Gerechtigkeit zum größten Teil an Moral orientiert. An Moral ist aber nichts objektives, außer möglicherweise der (auch nicht immer beweisbaren) Feststellung, dass eine gewisse Zahl von Leute eine gewisse Moral vertritt. Deswegen kann ich auch, wenn ich über Gerechtigkeit so objektiv wie möglich diskutieren will, gar nichts anderes tun, als Aussagen darüber in Bezug zu setzen zu moralischen Grundsätzen, von deren Geltung die Teilnehmer der Diskussion ausgehen. In dem Beispiel habe ich vorausgesetzt, dass die Auswirkungen eines Mordes von uns beiden als schwerwiegender betrachtet werden, als die Auswirkungen einer Beleidigung. Die Festlegung, wie schwerwiegend ein Mord ist, kann aber in der Tat nicht objektiv sein.



Zitat:In der Praxis kann man schon bei sehr kleinen Gruppen, die sich organisieren wollen und dabei Wert auf möglichst gleichberechtigte Beteiligung aller legen, am Anfang lange Diskussionen darüber miterleben, in denen es darum geht, wie die Entsscheidungsfindungsverfahren gestaltet sein müssen, um eben so etwas zu vermeiden - und alles möglichst gerecht zu gestalten. Keiner würde da auf die Idee kommen, dass zu jederzeit mit einer simplen Mehrheitsentscheidugen z.b. grundlegende Prinzipien über Bord geworfen werden können (und wenn doch, wirds diese Gruppe nicht lange geben). Ich weiss nicht, was dagegen spricht, das beizubehalten bzw. die Verfahren sogar noch zu optimieren, wenn die Organisationsstrukturen grösser werden.

Eben, das funktioniert in kleinen Gruppen und während man diese Gruppe beobachtet bestimmt. Aber daraus kann man nicht schließen, dass es auch bei einer so großen und unterschiedlichen Gruppe wie der gesamten Gesellschaft so funktioniert, die praktisch gezwungen ist, zusammen zu leben und nicht von einer gruppenexternen Entität beobachtet und beurteilt wird, wie gerecht sich diese Gruppe verhält. Ich gehe davon aus, dass es nicht lange dauern wird, bis eventuelle Schutzmechanismen, zum Beispiel gegen die Todesstrafe, wenn wir das jetzt schon angesprochen haben, ausgehebelt sind, selbst wenn es die am Anfang gibt. Ich kann dir jetzt natürlich nicht beweisen, dass meine Vorbehalte zutreffend sein werden... das ist bei solchen Diskussionen über hypothetische Szenarien sowieso nicht möglich. Aber ich kann zum Vergleich Mechanismen im derzeitigen System heranziehen (Richtervorbehalt, "nur bei schwersten Straftaten"), die praktisch immer weniger bis gar keine Schutzwirkung entfalten, aber es bei Einführung mal sollten. Offiziell zumindest.

Zitat:Im Gegenteil sehe ich diese Gefahr der schnellen und umkomplizierten Änderung der Gesetze je nach aktuellem Bedarf ("Wir müssen die rechtlichen Voraussetzungen schaffen") eher dann, wenn die Macht auf wenige konzentriert ist. Und gerade dann werden ja gerne die Emotionen geschürt, um in der an den Entscheidungen nicht teilhabenden Bevölkerung Akzeptanz für diese vorgesetzten und durchgepaukten Änderungen zu gewinnen oder zumindest den Anschein erwecken zu können, die Gesetzgebung würde der öffentlichen Meinung entsprechen.

Wenn ich einer der Wenigen wäre, würde ich dann halt sagen, Ok, dann brauch ich halt nicht mehr irgendwelche Abgeordneten zu bestechen, sondern werde jetzt nur noch auf entsprechende Einflussnahme über die Massenmedien hinwirken. Ich sehe da keinen Unterschied zu vorher, wenn nicht die Menge der Entscheidungsträger resistent gegen solche Beeinflussungen wird. Und dafür sehe ich leider keine Anzeichen.

Abgesehen davon stützt du deine Argumente ja auch ziemlich stark darauf, dass diese Menge an Entscheidungsträgern die Sachverhalte, über die sie entscheidet auch versteht, bzw die Auswirkungen ihrer Entscheidung vernünftig abschätzen kann. Bei der Komplexität der zu regelnden Sachverhalte in der heutigen Zeit, (ich denke da besonders an den Finanzbereich) sehe ich da aber auch schwarz. Tendenziell führt es dazu, dass mehr Leute mitentscheiden dürfen... aber es führt auch dazu dass mehr Entscheidungsträger keine Ahnung haben. Das fängt schon bei der Einschätzung an, von einem Gesetz überhaupt betroffen zu sein. Die Masse der Entscheidungsträger wird schon überhaupt keine Zeit und Lust haben, sich soweit darüber zu informieren, um die Auswirkungen halbwegs realistisch abschätzen können.

Deswegen erscheint es mir vielversprechender, auf eine geringere Anzahl von Entscheidungsträgern zu setzen, die sich aber dafür in den Fachgebieten, in denen sie zur Entscheidung berufen sind, besonders gut auskennen. Ich sehe das Problem im derzeitigen Rechtssystem bzw. in der Gesellschaft nicht in der fehlenden Möglichkeit des Volkes zur Mitbestimmung... sondern eher darin, dass es für die Leute, die an sich die Befähigung hätten, sachgerechte Gesetze zu machen, sie sachgerecht anzuwenden oder darüber zu urteilen, also in irgendeinem Bereich der Gewaltenteilung tätig zu werden, keinerlei Anreize gibt, das auch zu tun.

Und das beste daran ist, dass man denen nicht mal einen Vorwurf machen kann, wenn die nicht mit dem übrigen Personal, das derzeit die Legislative, Exekutive und Judikative repräsentiert, assoziiert werden wollen. :/
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RE: Das Gesetz
#23
12.10.2012, 16:35
(11.10.2012, 23:51)owa schrieb: Ich sehe das Problem im derzeitigen Rechtssystem bzw. in der Gesellschaft nicht in der fehlenden Möglichkeit des Volkes zur Mitbestimmung... sondern eher darin, dass es für die Leute, die an sich die Befähigung hätten, sachgerechte Gesetze zu machen, sie sachgerecht anzuwenden oder darüber zu urteilen, also in irgendeinem Bereich der Gewaltenteilung tätig zu werden, keinerlei Anreize gibt, das auch zu tun.

Und das beste daran ist, dass man denen nicht mal einen Vorwurf machen kann, wenn die nicht mit dem übrigen Personal, das derzeit die Legislative, Exekutive und Judikative repräsentiert, assoziiert werden wollen. :/

Das hatte ich mal als Teufelskreis bezeichnet:

http://www.klartraumforum.de/forum/showt...8#pid69018

(09.01.2007, 22:55)Rhetor schrieb: Edle und kluge Menschen gehen oft genau deshalb nicht in die Politik, weil das "ein schmutziges Geschäft ist", und weil sie sich nicht unter "diese Halunken" mischen wollen.

Da ist es dann auch kein Wunder, dass der Anteil der Skrupellosen und Idioten in der Politik mit der Zeit immer höher wird.

Was wiederum (Punkt 1) die edlen und klugen Menschen noch stärker davon abhält, in die Politik zu gehen.

usw. und so fort ...

"edel und klug" augenroll augenroll
naja, wenn man "kompetent" dafür einsetzt, ändert sich leider auch nichts an der Teufelskreissituation.
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RE: Das Gesetz
#24
12.10.2012, 19:53 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12.10.2012, 20:16 von owa.)
Ja, seh ich auch so, dass es ein Teufelskreis ist. Aber du hast zum Wandel in dem Thread auch weiter geschrieben:

Zitat:Wer sich für einen vernünftigen und altruistischen Menschen hält, der sollte die Verantwortung auf sich nehmen und sich nicht zu gut dazu sein, sich auch um politische Ämter zu bewerben, auch auf die Gefahr hin, dass es seinem guten Ruf damit schaden könnte.

Das "altruistisch" würde ich da als Voraussetzung herausnehmen, denn gesetzgeberische Entscheidungen sind in den meisten Fällen nicht mit Wohltaten verbunden. Das wirkt nur vielleicht so, weil sich derzeit die Politiker am liebsten für Wohltaten feiern lassen und dann natürlich entsprechende Mitteilungen in den Medien platzieren.

Das "vernünftig" ist mir ehrlich gesagt auch zu schwammig. Ich würde als Grundvorausetzung eher eine Eigenschaft haben wollen, die wohl am ehesten mit dem Begriff "Wissensdurst" beschrieben wird. Also ein innerer Antrieb, Sachverhalte wirklich so verstehen zu wollen, dass man sie jemand anderem schlüssig erklären könnte sowie ein grundsätzliches Unwohlsein dabei, sich auf den Rat anderer (womöglich sogar noch dafür bezahlte) Leute zu verlassen und Entscheidungen ohne dieses umfassende Verständnis treffen zu müssen. Auch wenn sich Letzteres in der Realität wohl oft nicht verhindern lassen wird, weil gar nicht die Zeit dafür vorhanden ist.

Das ist natürlich immer noch ziemlich allgemein formuliert und ich hätte auch noch ein paar Ausschluss-Voraussetzungen. Ich belasse es aber dabei... wie gesagt, es ging mir ja hier auch nicht darum, selbst ein durchdachtes und aus meiner subjektiven Sicht gerechtes Gesellschaftssystem zu präsentieren oder so. Ich gehe aber schon davon aus, dass das Fehlen dieser Grundvoraussetzung sich in einer Basisdemokratie sogar noch stärker bemerkbar machen wird, als im derzeitigen System, was dann gesamtgesellschaftlich betrachtet auch zu mehr Ungerechtigkeit führen wird.

edit: Dass es auch äußerst vorteilhaft wäre, keine Angst um seinen guten Ruf zu haben, unterschreibe ich jedenfalls sofort.
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RE: Das Gesetz
#25
17.10.2012, 16:05
(11.10.2012, 23:51)owa schrieb: Während deine Aussage im Posting vom 24.09., dass du auch für die Anwendung eines für dich nicht sinnvollen Gesetz wärest, wenn es alle gleichermaßen trifft, den Schluss nahelegte, dass es für dich ausreichend gerecht wäre, wenn das Gesetz alle gleich behandelt.

Ich hab mir das nochmal durchgelesen und du hast recht, was ich da geschrieben habe ist mindestens extrem missverständlich. Insbesondere stechen wohl zwei Sätze hervor, die einen fast zwingen, es so zu verstehen, als würde ich die gleiche Anwendung der Gesetze auf alle als wichtiger betrachten als die Sinnhaftigkeit/Gerechtigkeit der Gesetze an sich.

"Wie sinnvoll sie im Einzelfall auch erscheinen mögen spielt dabei keine Rolle.": Damit wollte ich nicht sagen, dass es nicht vor allem auf die Sinnhaftigkeit/Gerechtigkeit der Gesetze ankommt (sondern z.B. mehr darauf, dass sie auf alle gleich angewendet werden), sondern nur, dass man anhand der Sinnhaftigkeit nicht entscheiden kann, ob es sich um ein Herrschaftsgesetz handelt oder nicht. Es ging mir darum, dass die meisten unser Gesetz wohl alles in allem ganz sinnvoll finden und darum vielleicht meine Behauptung, es sein ein Herrschaftsinstrument, absurd finden. Warum soll das Verbieten von Mord z.B. ein Herrschaftsinstrument sein, das ist doch sinnvoll.

"Dann sogar in den Fällen, wo ich eigentlich der Ansicht wäre, dass die Anwendung des Gesetzes nicht sinnvoll ist...": Damit meinte ich nicht, dass ich es als moralische Pflicht halten würde, sich an ein nicht sinnvolles Gesetz zu halten, solange das auf alle gleich angewendet würde, sondern dass es selbst bei einem eigentlich sinnvollen/gerechten Gesetzessystem (dessen Vorliegen ich in ja in einer Gesellschaft, in der das Gesetz basisdemokratisch gestaltet wird, voraussetze) immer Einzelfälle geben wird, in denen man sich bei Anwendung dieses Gesetzes ungerecht behandelt fühlen wird bzw. die Sinnhaftigkeit des Urteils nicht nachvollziehen kann. Und dass man sich dann eben auch in diesen Fällen dem Gesetz unterordnen sollte.

Ich hab den Eindruck, dass unsere Diskussion teilweise durch ziemliche gegenseitige Missverständnisse geprägt ist, die sich auf mein missverständlich formuliertes Posting zurückführen lassen. Jetzt versteh ich auch deine Einwände, und ich seh auch, dass du keineswegs die Existenz eines objektiven Gesetzes behauptest, was ich die ganze Zeit dachte. So gesehen finde ich alles was du geschrieben hast schon sinnvoll und richtig. Sicherlich haben wir andere Ansichten über Basisdemokratie an sich, aber das ist ja ein anderer Thread, und deine (und auch Rhetors) Einwände bzw. Bedenken diesbezüglich sind ja auch nicht von der Hand zu weisen.

Vielleicht aufgrund der Missverständnisse fand ich es teilweise sehr kompliziert hier zu antworten und hab teilweise Stunden an nem Posting gesessen :-) Darum jetzt auch die Verzögerung, ich kriegs zeitlich nicht mehr gebacken. Aber ich denke das musste ich noch klarstellen (zumindest es versuchen).
„I learned long ago, never to wrestle with a pig. You both get dirty, and besides, the pig likes it.“ - George Bernhard Shaw
„Do not feed the troll.“ - Internet
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RE: Das Gesetz
#26
17.10.2012, 17:14 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 17.10.2012, 17:15 von owa.)
Fein. big

Es war bei mir übrigens auch so, dass ich hier ziemlich viel Zeit mit dem Schreiben der Postings verbracht habe... mehr als mir lieb war. Aber wenn ich damit einmal angefangen hab, kann ich dann immer nicht lockerlassen. -__-
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RE: Das Gesetz
#27
31.05.2013, 09:02
Gestze können ihre Vor- und Nachteile haben. Ich bin eigentlich ein großer Verfechter des Gesetzes. Vorteile liegen auf der Hand. So sind gewisse Förderungen gesetzlich vorgeschrieben, die gerade fürs Alter von großer Bedeutung sein können. Es können Pflegeanträge gestellt werden, die von der Versicherung beglichen werden. So müssen alte Menschen sich keine Sorgen darum machen, wenn sie an ihrem Lebensabend hilfebedürftig werden und nicht mehr alleine zurecht kommen. Würde und Gesundheit des Menschen sind geschützt. Sicher, das wird nicht immer so durchgeführt wie es sollte... Aber die Idee an sich ist auf jeden Fall wert erhalten zu bleiben!
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RE: Das Gesetz
#28
31.05.2013, 19:25
Was wäre, wenn die Gesetze so geändert werden würden, dass es keine Hilfsleistungen mehr für alte Leute gibt? Wärest du dann immer noch eine Verfechterin des Gesetzes?
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RE: Das Gesetz
#29
01.06.2013, 12:50
Altern und die damit verbundenen erhöhten Gebrechlichkeiten, gerade bei falscher Lebensweise, sind ja auch immanente Naturgesetze, fällt mir dazu grad spontan ein.
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RE: Das Gesetz
#30
27.11.2013, 00:57
Gesetze sollten meiner Meinung nach aus Überzeugung und nicht aus Angst befolgt werden. Jedoch hat nicht jeder Zugang zu einer mit moralischen Werten geschmückten Bildung/Erziehung.

Der Mensch ist solange böse (in diesem Sinne gesetzlos), bis ihm das Gute attraktiver erscheint, beispielsweise vorteilhafter.

JA der Mensch ist ein Egoist, jeder der etwas anderes behauptet lebt entweder ohne größere Sorgen oder hat im Geschichtsunterricht mit dem funkelnagelneuen Gameboy gespielt...

Altruismus ist attraktiv für den, der ihn sich leisten kann.

Ausnahmen gibt, gab und wird es wohl immer geben. Aber im Sinne des größten Teils der Menschheit wird es interessant meine These zu widerlegen.
Der Wiedergeborene;Der neugeborene Sohn“ ist ein mythischer Vogel, der verbrennt, um aus seiner Asche wieder neu zu erstehen, etwas, das schon verloren geglaubt war, aber in neuem Glanz wieder erscheint.
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