Selbstwerterhaltungstheorie (Tesser)
Mir kam in einer Vorlesung über Sozialpsychologie etwas unter, das mir irgendwie noch keine Ruhe gelassen hat.
Selbstwerterhaltungstheorie nach Tesser
Es geht grob gesagt um das Sich-Vergleichen mit anderen, in Bezug auf den eigenen Selbstwert. Die Theorie sagt, dass dieser Selbstwert möglichst erhalten werden muss - dies geht aber u.U. zuungunsten der anderen Faktoren, Nähe und Relevanz.
Nähe heißt ungefähr: Eine Person, die uns ähnlich ist, mit der wir häufiger zu tun haben. Wikipedia betont die Ähnlichkeit:
Relevanz verstehe ich als: Etwas, das für unser Selbstbild ein wichtiger Faktor ist, über das wir uns vllt sogar definieren, ist relevant. Für eine*n Mathematiker*in ist mathematische Kompetenz eine relevante Fähigkeit, Kenntnisse über den Plot einer Soap-Opera aber eher nicht. Für jemand, der sich als begeisterten Fan einer bestimmten Soap-Opera selbst beschreibt, ist diese Kenntnis jedoch relevant.
Der Kernpunkt, der mich beschäftigt, ist folgendes Problem: Wenn eine Person, die einsselbst nahe steht, in einer Fertigkeit, die für einsselbst relevant ist, eine besonders gute Leistung erbringt, trifft das unseren Selbstwert empfindlich... und die Theorie besagt, dass um dem zu entgehen, entweder die Nähe zur Person oder die Relevanz des Themas reduziert werden.
Also entweder: "Pfft, da hat meine Kollegin zwar in Mathe brilliert - aber Mathe interessiert mich doch eigentlich gar nicht (mehr)."
oder eher in Richtung Abstand einnehmen: "Sie interessiert mich doch gar nicht, was schert es mich, dass sie gut in Mathe ist."
ẞ ẞ ẞ ẞ ẞ
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieses Prinzip im Alltag oft recht heftig wirkt. Bei Geschwistern, die altersmäßig nahe liegen, beobachte ich immer wieder, dass sie sich bewusst ganz verschiedene Interessensgebiete suchen, um dann sagen zu können: "Ja, mein Bruder ist gut in X, aber ich bin gut in Y." Es wird dem direkten Vergleich bewusst ausgewichen. (Das geht vermutlich besonders vom jüngeren Geschwister aus, das ja allein durchs Alter in manchen Dingen öfter mal das nachsehen hat.)
Irgendwie finde ich das plausibel, aber es macht mir gleichzeitig etwas Angst: Heißt das nicht in letzter Konsequenz, dass es nicht möglich ist, sich gerade mit den Menschen zu umgeben, die die eigenen Interessen am meisten teilen? Denn dadurch entsteht ja genau wieder eine Konkurrenzsituation.
Würde ich in meinem Alltag die ganze Zeit mit den begabtesten Klarträumer*innen herumhängen, würde ich wahrscheinlich bald anfangen, mir entweder a) eine ganz eigene Nische innerhalb des Themas zu suchen, wo ich Expert*in sein kann, oder b) dem Thema Klarträumen eine immer geringere Relevanz einzuräumen. Oder ich gehe c) den Profis ganz aus dem Weg, und beschließe für mich "ach die sind doch eigentlich doof."
Beobachtet habe ich bei mir schon alle drei Strategien. Am ehesten würde ich sagen, dass a), also das Suchen von der ganz eigenen individuellen Nische, noch die gesündeste und produktivste Lösung ist. Aber ob es immer reicht?
Kann auch sein, dass ich gerade die erste nicht-esoterische Begründung dafür gefunden habe, warum das Ego ( =Selbstwertgefühl?) einer Entwicklung im Wege stehen kann und abgebaut werden sollte. Andererseits glaube ich nicht so recht daran, dass das überhaupt geht, bzw. ist es möglicherweise die schwierigste Lösung.
edit: Wobei ich Selbstwertgefühl und Ego auch nicht gleichsetzen möchte. Ersteres wird ja auch gerne als Indikator für psychische Gesundheit gesehen? "Ego" ist in dem Zusammenhang undefiniert. Ich würde den Begriff also gerne eher weglassen, und stattdessen das beschriebene Problem direkt betrachten wollen.
ẞ ẞ ẞ ẞ ẞ
Jedesmal wenn ich von Studienkolleg*innen höre, dass sie mit dem Studium fertig bin, gibt mir das einen Dämpfer und ich reagiere tatsächlich genau so, wie es die Theorie vorhersagt: "Die Person ist doch eh unsympathisch" - "Die Person ist zwar gut, aber nicht in dem, worin ich gut bin." - "Was interessiert mich Komposition überhaupt noch, ich strebe doch eigentlich nach anderem."
Doof. ._.
Selbstwerterhaltungstheorie nach Tesser
Es geht grob gesagt um das Sich-Vergleichen mit anderen, in Bezug auf den eigenen Selbstwert. Die Theorie sagt, dass dieser Selbstwert möglichst erhalten werden muss - dies geht aber u.U. zuungunsten der anderen Faktoren, Nähe und Relevanz.
Nähe heißt ungefähr: Eine Person, die uns ähnlich ist, mit der wir häufiger zu tun haben. Wikipedia betont die Ähnlichkeit:
wiki schrieb:Unter Nähe wird eine psychologische „Geschlossenheit“ verstanden, die darin zum Ausdruck kommt, dass die Zielperson z.B. in ihrem Alter, Geschlecht, ihrer Nationalität, ihren Einstellungen, Werten, Hobbys oder ihrem familiären Hintergrund mit der beurteilenden Person übereinstimmt.Wobei ich aus der Vorlesung jetzt schon auch den Eindruck hatte, dass auch soziale Nähe dazugehört. Schließlich ist es schwer, eine bloße Ähnlichkeit zu reduzieren, wohl aber, eine soziale Distanz aufzubauen.
Relevanz verstehe ich als: Etwas, das für unser Selbstbild ein wichtiger Faktor ist, über das wir uns vllt sogar definieren, ist relevant. Für eine*n Mathematiker*in ist mathematische Kompetenz eine relevante Fähigkeit, Kenntnisse über den Plot einer Soap-Opera aber eher nicht. Für jemand, der sich als begeisterten Fan einer bestimmten Soap-Opera selbst beschreibt, ist diese Kenntnis jedoch relevant.
Der Kernpunkt, der mich beschäftigt, ist folgendes Problem: Wenn eine Person, die einsselbst nahe steht, in einer Fertigkeit, die für einsselbst relevant ist, eine besonders gute Leistung erbringt, trifft das unseren Selbstwert empfindlich... und die Theorie besagt, dass um dem zu entgehen, entweder die Nähe zur Person oder die Relevanz des Themas reduziert werden.
Also entweder: "Pfft, da hat meine Kollegin zwar in Mathe brilliert - aber Mathe interessiert mich doch eigentlich gar nicht (mehr)."
oder eher in Richtung Abstand einnehmen: "Sie interessiert mich doch gar nicht, was schert es mich, dass sie gut in Mathe ist."
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Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieses Prinzip im Alltag oft recht heftig wirkt. Bei Geschwistern, die altersmäßig nahe liegen, beobachte ich immer wieder, dass sie sich bewusst ganz verschiedene Interessensgebiete suchen, um dann sagen zu können: "Ja, mein Bruder ist gut in X, aber ich bin gut in Y." Es wird dem direkten Vergleich bewusst ausgewichen. (Das geht vermutlich besonders vom jüngeren Geschwister aus, das ja allein durchs Alter in manchen Dingen öfter mal das nachsehen hat.)
Irgendwie finde ich das plausibel, aber es macht mir gleichzeitig etwas Angst: Heißt das nicht in letzter Konsequenz, dass es nicht möglich ist, sich gerade mit den Menschen zu umgeben, die die eigenen Interessen am meisten teilen? Denn dadurch entsteht ja genau wieder eine Konkurrenzsituation.
Würde ich in meinem Alltag die ganze Zeit mit den begabtesten Klarträumer*innen herumhängen, würde ich wahrscheinlich bald anfangen, mir entweder a) eine ganz eigene Nische innerhalb des Themas zu suchen, wo ich Expert*in sein kann, oder b) dem Thema Klarträumen eine immer geringere Relevanz einzuräumen. Oder ich gehe c) den Profis ganz aus dem Weg, und beschließe für mich "ach die sind doch eigentlich doof."
Beobachtet habe ich bei mir schon alle drei Strategien. Am ehesten würde ich sagen, dass a), also das Suchen von der ganz eigenen individuellen Nische, noch die gesündeste und produktivste Lösung ist. Aber ob es immer reicht?
Kann auch sein, dass ich gerade die erste nicht-esoterische Begründung dafür gefunden habe, warum das Ego ( =Selbstwertgefühl?) einer Entwicklung im Wege stehen kann und abgebaut werden sollte. Andererseits glaube ich nicht so recht daran, dass das überhaupt geht, bzw. ist es möglicherweise die schwierigste Lösung.
edit: Wobei ich Selbstwertgefühl und Ego auch nicht gleichsetzen möchte. Ersteres wird ja auch gerne als Indikator für psychische Gesundheit gesehen? "Ego" ist in dem Zusammenhang undefiniert. Ich würde den Begriff also gerne eher weglassen, und stattdessen das beschriebene Problem direkt betrachten wollen.

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Jedesmal wenn ich von Studienkolleg*innen höre, dass sie mit dem Studium fertig bin, gibt mir das einen Dämpfer und ich reagiere tatsächlich genau so, wie es die Theorie vorhersagt: "Die Person ist doch eh unsympathisch" - "Die Person ist zwar gut, aber nicht in dem, worin ich gut bin." - "Was interessiert mich Komposition überhaupt noch, ich strebe doch eigentlich nach anderem."
Doof. ._.
...in einer anderen Herde.
