(02.01.2019, 12:46)Laura schrieb: Wie siehst du das bei Kindern? Ein Kleinkind z.B. fällt beim Laufenlernen zehnmal hin ohne sich wehzutun, beim elften Mal erfährt es unerwartet und zum ersten Mal Schmerz. Da gab es vorher kein Konzept. Die neue Erfahrung muss erst irgendwo eingeordnet werden.
ich denke, du hast recht. in diesem fall könnte wes wirklich von einer "reinen erfahrung" sprechen, denn das kind hat noch keinen begriff von schmerzen in diesem beispiel.
Zitat:Das wäre vielleicht so, als würde jemand eine Scouterfahrung haben und nie von Castaneda gelesen oder gehört haben.
da bin ich mir nicht sicher. was würde die person dann konkret erfahren? der unterschied zu dem schmerzbeispiel ist, dass "schmerz" als begriff einfacher ist, als "scout". bei schmerz geht es nur ums erleben, bei scout geht es denke ich um etwas, das darüber hinaus geht: nicht nur darum, dass wes irgend einem besonderen wesen im traum begegnet, sondern auch, dass wes diesem wesen bestimmte eigenschaften zuschreibt, die gar nicht in dem moment miterlebt werden. allein schon zu sagen, dass wes einem "wesen" begegnet ist, bemüht das konzept "wesenheit". das konzept ist in diesem fall teil der erfahrung, gar nicht von ihr wegzudenken.
ein beispiel: ich mache die erfahrung,
in tokio zu sein. wie würde es aussehen, wenn ich dieselbe erfahrung mache, aber "rein", d.h. ganz ohne irgendwelche konzepte? es ist nicht möglich, denn wes kann "tokio" nicht ohne konzepte erfahren. wes kann einen kleinen ausschnitt einer stadt erleben, oder mehrere ausschnitte, aber dass es sich dabei um eine stadt handelt, und zwar die hauptstadt von japan, usw., dass das häuser sind, und das straßen, und das leuchtreklame, und das dort menschen, das alles sind konzepte. ohne diese konzepte in der selben umgebung zu sein bedeutet, dass ich etwas völlig anderes erleben würde.
im beispiel der schmerzen ist es nicht so extrem. wenn das kind ein konzept von schmerz entwickelt, ändert das vielleicht auch die schmerzerfahrung, denn immer wenn es nun schmerz erlebt, wird es gleichzeitig ein bewusstsein davon haben, was das ist, was es da erlebt, also auch eine art interpretation dessen. aber bei anderen konzepten ist das viel extremer und ich denke bestimmte erfahrungen sind gar nicht möglich, ohne konzepte, da die konzepte zur erfahrung dazu gehören. sie sind quasi der kontext, den wes erfährt.
trotzdem muss ich dir recht geben, dass wes sagen könnte, es gibt so etwas wie "reine erfahrung". in meinem zitat bezog ich mich ja auf spirituelle leute. hier geht es z.b. um "gotteserfahrungen", "einheitserfahrungen", "erfahrung einer präsenz" (hier kommen wir dem scoutthema näher) usw. aus dem oben gesagten würde ich folgern, dass hier eine "reine erfahrung", die ohne konzepte ist, etwas ganz anderes ist, etwas viel rudimentäreres, als z.b. die erfahrung einer präsenz. denn das gefühl einer präsenz zu haben, baut wieder auf dem konzept von wesenheiten, personen, usw auf, ebenso auch schon das ganze erlebnis als "erfahrung" zu bezeichnen, stellt eine einordnung der sache dar. mystiker haben dann ein problem, denn sie
wollen unbedingt, dass die "erfahrung" ohne konzepte ist, d.h. sie verneinen dann, dass es überhaupt eine erfahrung ist. ich hingegen finde konzepte cool und denke, wie oben gesagt, dass sie erfahrungen überhaupt ermöglichen. damit will ich aber nicht sagen, dass wes sich konzepte beliebig und unabhängig von der wirklichkeit einfach aussuchen kann. "die wirklichkeit" ist zwar ebenfalls ein konzept, aber das heißt nicht, dass dieses konzept beliebig austauschbar und modifizierbar wäre.
Zitat:Mal weitergesponnen, ich denke, man dreht sich dabei im Kreis. Was ist Wirklichkeit, was ist echt? Zwangsläufig komme ich nur wieder zur Frage, ob unsere Wachwelt real, "echt" ist. Bzw. unsere Erfahrungen darin. Wir hatten mal diesen Thread "Was ist Wirklichkeit?". Dass jede Realität gleichberechtigt ist, erscheint mir für eine Diskussion um Echtheit oder Unechtheit(oder ob Erfahrungen mit der/welcher Wirklichkeit korrespondieren) am passendsten.
hmm, ich sprach ja davon, dass erfahrungen interpretiert sind. daraus ergibt sich für mich noch nicht die sichtweise, dass sie nicht echt wären oder dass alle erfahrungen gleich echt wären. ist aber ein schwieriges und zusätzliches thema nun. wirklichkeit ist ein konzept, das von der unterscheidung zu lug, trug, täuschung, schein, illusion, simulation usw. existiert. eine vorstellung oder ein traum hat zwar einen einfluss auf die wirklichkeit, aber nachweislich zunächst nur auf die person, die es erlebt, und dort nur in manchen hinsichten. es wäre vllt möglich, den traum als eine art wirklichkeit zu bezeichnen, aber dann mit viel geringerem wirklichkeitsniveau als die wachwelt. deswegen würde ich der aussage, dass jede realität gleichberechtigt ist, widersprechen (vorausgesetzt mit "jede realität" ist sowas wie z.b. träume impliziert).
Zitat:Nichts ist sicher 
sicher?
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner