@ Lu Ping, sehr dicht dein Text, verschiedene Perspektiven aufgreifend, finde ich super, gehört alles zusammen!
Ich greife erst mal nur eine Sache heraus, die mir auch sehr am Herzen liegt – die Bedeutung des „Gleichzeitigen“, von dem du sprichst, dass Bewusstes und Unbewusstes immer schon eine Einheit bilden, und nicht etwa in irgendeiner Form nacheinander, und damit auseinander/ getrennt voneinander daher kommen, das eine z.B. mehr in der Nacht, wenn wir schlafen, und das andere mehr am Tag (oder in der Unterscheidung von Wahn/Unbewusst und Rationalität/Bewusst, Kunst/Unbewusst und Wissenschaft/Bewusst), sie sind immer miteinander. Die Frage ist, was zu welchem Zeitpunkt von uns gewusst oder auch nur wahrgenommen wird.
(06.10.2019, 15:28)Lu Ping schrieb: mit Hegel ließe sich vielleicht behaupten, dass die Gleichzeitigkeit bereits besteht, die eigentliche Aufgabe darin besteht, sich darüber ein Bewusstsein zu bilden.
Große Zustimmung! Ergänzen würde ich. Es ist auch davon auszugehen, dass so ein Zusammenspiel des Gleichzeitigen von zwei Entgegengesetzten immer bedeutet, dass sich etwas in stetiger Bewegung befindet, was ebenso in der Bewusstseinsfrage etwas sehr entscheidendes impliziert - nämlich was den Menschen als bewusstseinsbegabtes Lebewesen letztlich ausmacht, dass wir, insofern uns überhaupt etwas bewusst werden kann – und zwar in dem Sinne, dass wir darauf reflektieren und uns selbst darin wieder erkennen - immer auch zur Veränderung fähig sind, weil wir genau so eben nicht an die Instinkte gebunden sind (siehe dazu auch die Bücher von meinem Mann, du kennst sie ja
).
Dass andere Bereiche im Gehirn aktiviert werden können, wenn etwas beschädigt wurde, ist bekannt. Ob wir in Eigenregie etwas neu „programmieren“, andere Verknüpfungen herstellen können, als die gewohnten, auch das funktioniert, gehört zum Klarträumen eh mit dazu, ist halt extrem schwer, wenn es um nicht Übliches und vor allem um gesellschaftlich nicht Brauchbares geht. Wichtig ist vielleicht noch der Gedanke, dass es, da die Voraussetzung für die Veränderung und die Bewusstmachung ja eine Bewegung ist (Wörter wie „Bewusstseinsvorgänge“, „Verläufe“, drücken die Bewegung vielleicht schon ganz gut aus), es auch nicht zu so etwas wie einer völligen Transparenz kommen könnte, oder gar einer Superkontrolle, die beide ja auf einen Stillstand hinausliefen. Die Lage ist nicht völlig offen, die Bewegung ist auch
öffnen und schließen, nicht nur öffnen und sehen, bei näherer Übung - und das ist auch gut so! Die Manipulation hat ihre Grenzen. Verdrängtes ist z.B. vorrangig zum Schutze da, ein (häufig nur schlechter) Lösungsversuch im Falle von Kollisionen. So einiges davon ist auch überhaupt nur sehr schwer, kaum ohne fremde Hilfe wieder bewusst zu machen. Es hat eben auch damit zu tun, ob die Art wie die menschliche Gemeinschaft lebt, Bewusstmachung überhaupt ermöglicht. Das sind alles Dinge, die du auch schon angedeutet hast, Lu Ping. Weswegen auch Bildung so wichtig ist, eben!
Gerade, unterwegs in Freiburg, hatte ich selber wieder so ein Beispiel, wie sich etwas „öffnet“ – bei mir über mein Dauerproblem mit der Schlaflosigkeit los getreten. Ich hatte in der Nacht, ehe wir wieder zurück fuhren, nur 1 ½ Stunden Schlaf, also nur eine Schlafphase. Ich musste am nächsten Tag nicht Auto fahren, da ich im Moment nicht so gut sehen kann, weswegen ich mich in der Nacht auch nicht davon bedroht gefühlt habe. War egal, wenn ich nicht schlafen kann. Und ich habe gemerkt, es war schön so, es war eine geile wach gelegene Nacht. Es gingen mir so viele spannende Sachen durch den Kopf, auch Hegel und so ein obergeiles Fundstück, das ich wunderbar in einen Text einbauen kann. Ich habe mich in Wahrheit total wohl gefühlt in meiner Lage. Da ist mir klar geworden, dass ich eigentlich gar keine Schlafstörung habe, sondern es sich nur mit Blick auf den nächsten Tag um einen Störungsfall handelt. Nur mit Blick auf die Zwänge, die mir in der Zukunft blühen, ist es eine Störung. Ich habe das Problem schon mein ganzes Leben, bin als Kind bereits nachts durchs Haus gegeistert, es gibt einen Fachbegriff dafür: idiopathische Insomnie. Ich würde sagen, ich schlafe halt so total unpassend zur üblichen Lebensweise. Aber diese Zeiten fehlender Schlafperioden, die sind gleichzeitig die kreativsten, es öffnen sich die Kanäle und die unbewussten Welten lassen sich blicken. Auf der Rückfahrt hatte ich so einige lustige Sachen im Kopf, habe viel gelacht über meine eigenen Einfälle und mir Notizen gemacht.
Es ist aber sehr viel Freiheit nötig, um so eine Situation auch genießen zu können. Da müsste es erst noch hingehen. In der Hoffnung, dass uns die Technik viel von der Arbeit an der Lebenserhaltung abnehmen kann, wenn die Produktionsmittel anders und auf alle Menschen gerecht verteilt sind, sodass einfach der Alltag ganz anderes aussieht, nicht an Uhrzeiten gebunden ist, nur noch wenige Tage im Monat gearbeitet werden muss, die Rituale des Alltags sich erneuern und befreiter verlaufen.
(06.10.2019, 15:28)Lu Ping schrieb: Ich denke, dass dieses Hacken kreativ macht, eben ungeahnte Möglichkeiten freisetzt, das Programmieren zum Programm (Reboot) erhebt.
Karl Marx verfolgte diese Idee als die einer freien Gesellschaft, in der jeder nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten lebt. So kam er zum homo ludens, den spielenden Menschen, der alles was er tut mit Liebe und Freiheit beseelt.
@Abinmorth – ich hoffe, ich habe mich nicht zu weit von deiner Frage entfernt. Der Tod ist schon ein sehr spezielles Thema, darüber zu spekulieren, würde ich mich im Moment nicht vorwagen. Das waren jetzt mehr so prinzipielle Überlegungen. Ich glaube, was dieser Thread auch von sich aus erzählt, es müssten auch noch die unterschiedlichen Disziplinen als ein Ganzes „gehackt“ werden, Neurologie, Informationstechnologie, Psychologie, Erkenntnistheorie Philosophie, um sie besser miteinander zu synchronisieren, also, eben, mit der Bildung anfangen – ne, mit den anderen Lebensverhältnissen, damit wir auch an die notwendige Freiheit für diese Bildung, die dann wieder zur Veränderung führt, heran könnten - und genau dafür braucht es eben schon mehr Bildung, sonst wird das nix mit der Freiheit. Da hängt eh alles an einem Faden.
Cu, liebe Grüße
Schuh.