Zitat:Mir ging der Satz durch den Kopf, "ich halte mich selbst nicht aus".
Dieser Satz spricht mich auch an. Wobei ich das heute gar nicht mehr so arg empfinde, aber früher war das sehr arg. Das fällt mir jetzt erst auf, wo ich es schreibe.
Wer kann mir denn mal erklären, warum Langeweile für ein kleines Kind sich so lebensbedrohlich anfühlt?
Leider verstehe ich das noch nicht so ganz. Welche Bedrohung überflutet einen denn da?
Oder ist es vielleicht so, dass in einem Moment der Langeweile, sich alte ungesehene Emotionen ins Bewusstsein bewegen? Entsteht im Nichtstun eine Öffnung, die alten Schmerz hervorbringt?
Papilio Projekt https://www.papilio.de/
Ich habe in der KiTa über mehrere Jahre ein Projekt gemacht, das hieß Papilio. Dazu habe ich eine zweijähige Ausbildung gemacht. Das war ein langzeit evaluiertes Programm zur Sucht- und Gewalt Pävention in KiTas. Es gibt Papilio aber auch für die Grundschule. Kinder die die Papilio Maßnahmen in der Kita durchlaufen haben, konnten den Übergang in die Grundschule besser bewältigen. In dem Alter wo Kinder und Jugendliche Erfahrungen mit Suchtmitteln machen, haben diese Kinder eine geringere Anfälligkeit für Sucht- und Gewaltverhalten aufgewiesen.
Papilio bestand aus 3 Interventionen, die in die Kindergruppe eingeführt wurden.
1. Sich an Regeln halten können. Dazu gab es ein Spiel. Das habe ich allerdings nie durchgeführt. Ich hatte das Gefühl, dass es in unserer KiTa genug Regeln gab.
2. Paula und die Kistenkobolde. Kinder werden unterstützt Emotionen da sein zu lassen. Sie lernen sich und andere Menschen liebevoll emotional zu begleiten, indem sie Verständnis für Emotionen entwicklen und lernen diese zu verbalisieren. Die 4 Kobolde, die die 4 Emotionen Freude, Angst, Trauer und Wut durch kindgrechte Geschichten, Handpuppen, etc verkörperten, motivierten die Kinder Emotionen bewusst zu verarbeiten. Außerdem gab es Gefühlswände, an denen sich die Kinder mit einem Foto positionieren konnten. All diese Maßnahmen führten dazu, dass die Kinder ihre Gefühle frei ausdrückten.
3. Der Spielzeug macht Ferien Tag. Langeweile ist das Gefühl, welches beim Spielzeug macht Ferien Tag aufkommt und mit dem ein Umgang gefunden wird, indem das Kind lernt aus der Langeweile eigene Kreative Ideen zu entwicklen und umzusetzten.
Ich habe das Projekt 3 Jahre lang geleitet und jeweils 3x ein halbes Jahr mit einer KIndergruppe von 2-6 Jahren nach Papillio gearbeitet. Es gestaltete sich in der Einrichtung in der ich arbeite leider als schwierig, weil meine Kollegen sowohl mit der Annahme und Wertschätzung der Emotionen, als auch mit dem Chaos des Spielzeug mach Ferien Tages, nicht klar kamen. So viel Raum für Freiheit zu geben, stellte für die eine Überforderung dar. Deshalb habe ich das Projekt dann leider aufgegeben müssen. Trotzdem konnte ich in den drei Jahren sehr wertvolle Erfahrungen für mich sammeln. Ich bin nach wie vor total überzeugt von der Methode, weil ich gesehen habe, wie positiv sich Kinder durch Papilio entwickelt haben.
Papilio findet bewusst in der KiTazeit statt, weil dort das Zeitfenster für die erlernen Fähigkeiten noch weit auf ist. Ich bin aber überzeugt, dass es niemals zu spät ist für eine glückliche Kindheit. Man muss sie sich nur selbst geben. Gerade wenn man mit dem inneren Kind arbeitet, kann man das Wissen über die heutige Pädagogik sehr gut auch zur Selbstheilung anwenden. Mir hilft das immer wieder, um positive Vorbilder zu finden, an denen ich mich orientieren kann.
Die
Einführung in den Spielzeug macht Ferien Tag geschah durch eine Geschichte. Das Spielzeug schrieb den Kindern einen Brief, indem es erklärte, dass es an einem Tag in der Woche Urlaub braucht. Dafür dürfen die Kinder an diesem Tag andere Sachen machen. Zum Beispiel auf die Tische klettern (Das war besonders beliebt, weil man die Regeln brechen durfte. Sonst darf manja nicht auf den Tisch.) Die Erzieher haben an dem Tag alle Spielsachen weggeräumt. Es gab nur Zugang zu wertfreiem Material, aber auch nur wenn das Kind selbst eine Idee entwickelt hat. Für die Erzieher war es verboten Kinder zu bespielen. Impulse sollte man nur im äußersten Notfall geben. Die Kinder sollten aus sich heraus Impulse finden. Das Aushalten der Langeweile gehörte mit zu Programm. Ich musste da gerade dran denken, weil ich mich frage ob Kinder unter der Langeweile gelitten haben?
Was ganz wichtig war, damit der Spielzeug macht Ferien Tag gelingen konnte, war das nicht nur Spielsachen weggeräumt wurden, sondern dass auch neue Handlungsmöglichkeiten, die sonst nicht zugänglich sind, eröffnet explizit wurden. Wenn Erwachchsen meinen Kindern bräuchten nicht so viel Spielzeug, dann vergessen sie oft den Zugang zu alternativen und attraktiven Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. So kenne ich das zumindest aus meiner Kindheit, alternativen waren nie attraktiv.
Daher haben wir oft das Gefühl, wenn uns etwas genommen wird, als werden wir gehindert uns zu leben. Und das spüre ich manchmal bis heute noch. Ich bin dann verschlossen für viele Möglichkeiten, die da wären, aber diese scheinen immer noch verboten oder auf Grund von negativen Erfahrungen verschlossen zu sein. Wenn das so ist, kommt ein Gefühl der Langeweile auf. Deshalb kann es helfen, dem Inneren Kind die Möglichkeiten zu offerieren, die bisher außerhalb des Möglichkeitsraumes lagen. Da muss man als Begleiter erstmal kreativ und auch mutig sein. Und manchmal braucht das Kind auch erstmal eine Begleitung in einen neue Tätigkeit, bis sich das Kind sicher fühlt. Exploration kann nur stattfinden, wenn das Sicherheitsbedüfnis befriedigt ist. So muss man auch dahin schauen, ob alle Grundvoraussetzungen gegen sind, damit das Kind aktiv werden kann. Denn das Kind kann erst ins Spiel finden, wenn es sich sicher und geborgen fühlt. Dieses ist nur gegeben wenn die Mutterbindung stabil ist. Wenn das fehlt, dann muss man erstmal an verbundenheit arbeitem. Deshalb habe ich das Verbot Kinder zu inspireiren auch nicht ganz befolgt, wenn ich merkte dass manche Kinder durch ihre Unsicherheit blockiert waren.
Der Großteil meiner Kindergruppe Gruppe hat sich jedoch nicht zweimal eimnladen lassen. Wenn die Erzieher sagen man darf heute auf die Tische klettern, dann machen wir das doch. In meiner Ausbildungsgruppe gab es auch einige KiTas die absolut hinter Papilio standen. Dort sind die Kinder teilweise über die Tische gerannt oder mit sind mit Kartons die Treppen herunter gefahren. Das ganze kann ja immer nur so weit gehen, wie der Mut der Begleiter ein Kind unterstützen kann. In meiner Kita musste ich das sehr wilde ausleben von Körperlichkeit und Kreativität leider auf Grund meiner Kollegen etwas begrenzen. Wegen mir hätte das noch viel weiter gehen können. Aber dazu hätte ich Unterstützung gebraucht.
Nach kurzer Zeit entwicklete sich ein Budenbau Wahn. Tische wurden zusammengeschoben mit Decken, Kissen, Kartons und Turnmatten verbunden, bis ganze Kriechnunnel quer durch den Raum entstanden, so dass 25 Kindern teils unter oder auf den Tischen spielten. Einmal hatte ich eine "tolle" Idee Styropor anzubieten. Es hat ewig gedauert die Stypromorkugeln die durch die ganze KiTa geweht sind, wieder einzufangen. Ja so ein Spielzeug macht Ferien Tag ist immer chaotisch, wild, kreativ, und jenseits von Regeln gewesen.
Nach der 3-4 Woche gab es kein einziges KInd mehr was sich am Spielzeug mach Ferien Tag nicht selbst beschäftigen konnte. Den Kindern hat das richtig Spaß gemacht. Die haben das mitgebrachte Star Wars Lego Männchen liegen gelassen, weil sie lieber aus leeren Pappbechern eine Wurfanlage bauen wollten.
Und so stelle ich mir das vor, müsste man sich selbst erstmal von allen Beschränkungen befreien, wenn man unter Langeweile leidet. Ich glaube man muss sich den Lebensraum zurück erobern, der einem irgenwann einmal genommen wurde.
Ich arbeite arbeite an mir selbst noch, um mir diese Freiheit wieder zurück zu erobern. Denn für mich ist es nicht so einfach, nach Draußen zu gehen und etwas kreatives und verrücktes zu machen. Ganz besonders meine Körper hat Angst seine Grenzen zu erkunden. Genau das fehlt mir aber.
Ich muss jedoch immer noch an der Verbundenheit arbeiten, damit ich überhaupt ein Gefühl der Sicherheit entwicklen kann. Exploration braucht erst Sicherheit. Auch muss ich an meiner Achtsamkeit arbeiten, weil sonst meinem Körper schade. Zb als ich Sportsüchtig war, habe ich die ganze Zeit Grenzen gesucht, bis ich mich nur noch verletzt habe und der Körper jetzt gar keinen Sport mehr machen möchte. Ich hatte dafür nie ein Gefühl entwicklen können. Das alles macht es unglaublich schwer, seine inneliegen Aktivität wieder zu finden.
Aber es ist schön, zumindest einen Weg zu sehen. Und den sehe ich immer wieder durch meine Arbeit mit externen Kindern. Manchmal ist es so, als sehe ich ihn ihnen die Freiheit, die ich irgendwann mal erreichen werde. Sie sind meine Lehrer. Denn sie sind frei.
Manchmal fühlt sich eine vermurkste Kindheit an, als ob die eigene Lebendigkeit unwiederbringlich zerstört wurde. Ich glaube das wirkt nur so, weil man dann noch im Traumabewusstsein und in der Hilflosigkeit hängt. Ich glaube man kann alles heilen. Nur dauert das mit unter sehr lange und man sieht erst auf dem Weg, wie viel dazu gehört. Die menschliche Psyche ist sehr komplex. Das geht viel tiefer, als unsere Vorstellungen von Selbstoptimierung normalerweise reichen. Und weil das nicht alle Menschen verstehen ist es oft noch schwerer, gerade wenn man aus dem Kreislauf der Selbstoptimierung aussteigen möchte.
Manchmal bin ich ungeduldig, und dann fehlt mir Vertrauen, dass ich diese Freiheit wie ich sie mir in meinem Träumen vorstelle, überhaupt noch mal finde. Doch dann funktioniert plötzlich wieder irgenwas, womit ich schon gar nicht mehr gerechtet hatte.
Jedenfalls, solange ich Langeweile in mir finde, solange meine gesunde Aktivität durch Traumata blockiert ist, bleibt mir nichts übrig, als mich auch mit Suchtmitteln zu regulieren, wo sich noch keine gesunde Regulation ergeben hat. Und ich bin wirklich jemand der dem Schmerz ins Auge sieht, wo es nur geht, aber kein Mensch kann jahrzentelang nur Schmerz schauen. Wir brauchen auch eine gewisse Menge positive Emotionen, die wir uns manchmal durch Suchtmittel beschaffen. Ich finde das legitim. Das Thema hat mich dazu gebracht, mich mit dem Thema Sucht auszusöhnen. Danke dass du es angesprochen hast Aura.