(27.07.2020, 19:21)Liri schrieb: Bei Essstörungen sehe ich persönlich das so - und das ist meine persönliche Meinung, nicht irgendwas, von dem ich behaupte, es sei so und nicht anders.
Ich kenne schon Kinder, denen suggeriert wird, so, wie sie sind, sind sie nicht okay. Jedes kleine Fettpölsterchen wird verbalisiert, obwohl das im Entwicklungszeitraum mitunter normal ist. Oder es geschieht nonverbal.
Täter ist hier der Erwachsene, der ein perfektes Kind formen möchte. Vermutlich, weil er oder sie selbst schon dahingehend geprägt sind.
Gleichzeitig entsteht ein Sog hin zu dem, was das Essen ausmacht - Nahrung. Basis für das Überleben. Normalerweise würde das kein Thema sein, in dem Fall würde ich es als Ersatz für andere nährende Dinge sehen (andere Süchte sind da ja ebenfalls so eine Art Ersatzmechanismus)
So pendelt das dann zwischen dem Sog und der quasi-Bestrafung hin und her, und irgendwann mal ist zwar eigentlich der Erwachsene nicht mehr wirklich relevant, aber die Vorstellung, man wäre grundsätzlich nicht okay und seine eigenen Bedürfnisse sind bodenlos und unkontrollierbar und der eigene Körper ist der Feind. Als wäre der eigene Körper ein kleines Kind, das kontrolliert und überwacht werden muss. Das geht aber nicht, denn der zugrundeliegende Mangel ist zu groß.
Also ich kann mir gut vorstellen, dass Suchtproblematiken so selbstzerstörerisch sind, weil sie das Drama des beherrschten Kindes reproduzieren. Bis hin zu dem, dass sie Leute sich zu Tode hungern, weil sie die Abneigung, die sie spürten, internalisiert haben.
(Da kommen aber noch andere Sachen mit ins Spiel, bis hin zu dem, das dass, was früher der Reifrock und das Korsett war, nun das Idealgewicht ist. Grundsätzlich wird ja suggeriert, dass die Mehrzahl der Körper, die so draußen herumlaufen, eigentlich so, wie sie sind, nicht okay sind. Klar gibt es medizinische Gründe dafür, aber es gibt auch gute medizinische Gründe gegen einen Körper, der Größe zero tragen kann. Aber eine beherrschte Frau ist eben eine, die nicht aus der Reihe tanzt, leistungsfähig und bereit, zu leiden, um zu gefallen.)
Das ist allerdings sehr viel spekuliert. Und ich weiß nicht, ob ich mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehne und vor allem, ob ich mich verständlich ausgedrückt habe.
wow, on point! Gut ausgedrückt.
Zum Thema Sucht:
Das mit der Ersatzhandlung die bei einer Sucht passiert ist ja auch ein Punkt den ich extrem wichtig finde. D.h. die Sucht kann eigentlich nur geknackt werden, wenn keine Ersatzhandlungen mehr ausgeführt werden. Dazu muss man an die Gefühle ran, die unter der Ersatzhandlung liegen. Und um die Ersatzhandlung zu stoppen, muss man sie eben stoppen - heißt Abstinenz. Die Ersatzhandlung an sich ist ja auch konditioniert, was ein Nicht-Ausführen erschwert.
Zum Thema Essstörung/ Körperschemastörung:
Das Thema der beherrschten Frau ist riesig, ja. Generell das Thema der angepassten Person, ich möchte hier keine Geschlechtertrennung vornehmen, weil es wirklich jede Person betreffen kann. Wobei es hier meiner Ansicht nach auch wieder evolutionäre Wurzeln hat. Es hat zu tun mit sich attraktiv fühlen, attraktiv für potentielle PartnerInnen sein. Wer dem Ideal entspricht hat hier schein-bar die größeren Chancen - das macht den Druck. Kommt jetzt noch eine entsprechende Erziehung und Prägung dazu... tja.