[geteilt] Psychotherapie (ehermals: Ich schreibe an einem kritischen Klartraum-Buch)
Zitat:Ich bin nicht ernsthaft interessiert an Psychotherapie, denn dazu muss man erst mal bereit sein sich jemandem zu unterwerfen.
Oh wow, ich finde es zunächst erstmal ganz erstaunlich, wie offen du bist. Ich glaube Therapie kann man bedingungslos machen. Zu reden könnte hilfreich sein, aber selbst dass ist nicht in jedem Fall nötig. Ich habe in einem Ego State Therapie Ausbildungs Video eine mehrstündige Therapie Sitzung gesehen, wo der Therapeut mit einer Person Therapie macht, die nichtmal redete. Ich kann das kaum aushalten, alleine beim zuschauen, werde ich unruhig. Aber scheinbar gibt es Therapeuten die auch das hinbekommen, die Ruhe zu bewahren, obwohl jemand nur da sitzt und schweigt und ab und zu mal mit den Schultern zuckt. Die kleinen Gesten der Körpersprache wahrzunehmen und anzunehmen, ohne etwas vom Klienten zu erwarten. Sicher kann das nicht jeder, aber ich glaube es gibt einige ganz tolle Leute da draußen. Ich glaube man muss gar nichts können oder zulassen um Therapie zu machen. Man muss nur es nur wollen und jemanden finden, mit dem es passt. Unterwerfen muss man sich da ganz bestimmt nicht.
Ich lerne in meiner sogar Therapie der Therapeutin zu widersprechen. Ich durfte nämlich als Kind nicht widersprechen und immer wenn ich einen Konflikt mit meiner Therapeutin habe, dann gibt es genau diese Gelegenheit, eine positive Beziehungserfahrung zu machen, wo ich mich offen äußere und dann erfahre, dass jemand auf meine Bedürfnisse eingeht. Ich habe mich da noch nie unterwerfen müssen, im Gegenteil ich erlebe dort einen Rahmen zur Selbstermächtigung. Wie kommst du denn auf so einen Gedanken man müsse sich unterwerfen?
In meiner Therapie erzähle ich oft Situationen aus meinem Alltag für die ich mal ein Feedback brauche. Oft bekomme ich Hilfe dabei Verständnis und Mitgefühl für mich zu finden. Denn ich habe noch zu wenig Geduld und Mitgefühl mit mir selbst. Meine Therapeutin hilft mir, Geduld und Mitgefühl für mich selbst zu finden. Sie tut das indem sie mir empathisch zu hört, mich ernst nimmt und mir erklärt, warum ich so fühle. Manchmal wäre ich gerne viel unabhängiger und freier von meinen Empfindungen und Bedürfnissen, von meinem Ego aber sie schafft es immer wieder, dass ich Verständnis für mich finde, und verstehe dass Heilung Geduld braucht.
Manchmal habe ich konkrete Fragen, wie ich mit bestimmten Situationen umgehen kann. Dann bekomme ich meist eine sehr qualifizierte Antwort, die mich in meinem Selbstverständnis weiter bringt. Manchmal habe fühle ich etwas was ich nicht fassen oder Ausdrücken kann. Sie hat mir geholfen, Methoden zu lernen, diffuse Gefühle zu versprachlichen, damit ich diese Gefühle sprachlich greifen und verarbeiten kann.
Manchmal philosophieren wir gemeinsam über Themen die uns beide interessieren. Es ist im Grunde genommen ein Gespräch auf Augenhöhe, auch wenn das Gespräch auf Grund der Rollenverteilung manchmal etwas asymmetrisch ist. Das ist für mein sprituelles Ego manchmal blöd, aber dennoch ganz gut, denn dass heißt ich bleibe während der Therapie weitgehend in der Rolle dort Hilfe empfangen zu dürfen, ohne dass ich etwas geben muss.
Natürlich gibt es Ärzte, Psychiater, und Psychologen die sich über ihre Klienten stellen, so wie es Pfarrer gibt die Kinder missbrauchen. Das ist aber kein professionelles Verhalten. Die modernen Therapierichtungen haben alle ein Mindset, wo der Klient die Richtung bestimmt und wo ganz besonders darauf geachtet wird, dass der Klient keinen Kontrollverlust erleidet. Das man sich da unterwerfen müsse, das sind ganz veraltete Vorstellungen aus den Zeiten von Freud vielleicht. Von Menschen die Therapie so verstehen, würde ich Abstand nehmen.
Im Übrigen kann man bevor man eine Therapie beantragt, erst mal ein paar Stunden mit dem Therapeuten reden. Meist wird dann erst mal eine Kurzzeit Therapie vorgeschlagen. Also mir wurde das vorgeschlagen und ich konnte entscheiden, ob ich das möchte. Ich habe ja gesagt, weil sich die kennenlern Stunden tendenziell gut angefühlt haben. Wenn das nicht so gewesen wäre, dann hätte ich mir auch jemand anders suchen können und dort ebenso Kennen Lern Stunden ausprobieren können. Ich habe einen Bekannten der hat am Anfang drei Leute ausprobiert, bis jemand gepasst hat und er eine Kurzzeit Therapie begonnen hat. Man sollte das wählerisch sein und auf das Bauchgefühl hören.
Bei mir hatte es eben direkt gepasst, weil ich bei der Suche direkt geschrieben hatte, was ich gesucht habe. In NRW wo ich herkomme, gibt es so ein Online Therapeutenverzeichnis von der KVNO und da habe ich einfach an alle Praxen, die auf Grund der Anfahrt in Frage kamen blind eine Email geschrieben, mein Problem in zwei Sätzen genannt und geschrieben was mit bei einer Therapie wichtig wäre. Das war dann insgesamt ne dreiviertel Seite wo ich meine wichtigsten Bedürfnisse angekündigt habe. Das habe ich einmal ganz in Ruhe zu Hause geschrieben und habe es dann einfach an alle per Mail geschrieben. Damals war mir zb wichtig Verständnis zu finden, dass ich meine damalige Psychose als spirituelles Erwachen betrachtet habe und dass der Therapeut mit meinen tiefenpsychologischen Vorstellung die in Richtung C G Jung gingen etwas anfangen konnte. Direkt am nächsten Tag hatte dann eine Frau geantwortet und gesagt dass das alles für sie passt. Später erfuhr ich dann dass sie selbst immer wieder ein Interesse für spirituelle Themen hatte, obwohl sie selbst gar nicht so offensiv spirituell ist. Ihre Klienten sind aber oft spirituell. Es war also eine Win-Win Situation für uns beide, dass ich so konkret geäußert habe, was ich in der Theorie brauchte und suchte.
Mit der Email habe ich mich unzählige Anrufe gespart, wo ich am Telefon hätte mein Problem erklären müssen, was ich damals noch gar nicht richtig benennen konnte. Ich bin ja nicht mit dem Selbstverständnis einer Posttraumatischen Belastungsstörung in die Therapie gegangen. Die PTBS kam ja erst im Laufe der Therapie raus. Am Anfang hatten wir eine Diagnose Psychose und Depression. Später verstand ich, dass das nur Symptome meiner PTBS die Folgen meines Entwicklungstraumas sind. Das dauerte aber so ca 4 Jahre bis ich das für mich klar hatte. Wie soll man dann am Anfang einer Therapie erklären, wo sein Problem liegt. Das können die wenigsten Menschen und das das wissen auch die Therapeuten. Ich hatte aber Angst mich zu erklären, deshalb war das mit der Email perfekt für mich.
Dann habe ich eine Stunde mit ihr gemacht und dann hat sie mich gefragt ob ich in der nächsten Woche nochmal kommen mag. Und ich habe ja gesagt. Sie hat immer gefragt und ich konnte entscheiden. Das ist eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie. Sie hat eine Zusatzausbildung zur Traumatherapeutin und ich habe gelernt, dass man darauf achten sollte. Denn ganz oft kommen Therapeut und Klient im Laufe der Therapie zu der Erkenntnis, dass ein Trauma vorliegt. Zudem sind Traumatherapeuten geschult sehr sensile mit den Klienten umzugehen. Genau das habe ich gebraucht. Eine verhaltenstherapeutische Therapie hätte für mich gar nicht gepasst. Das wusste ich aber vorher. Ich wusste vorher was ich ungefär suchte und fand es dann auch.
Und dann haben wir die Kurzzeit Therapie gemacht, dass waren so 12 bis 20 Stunden, ich weiß nicht mehr. Und nach der Kurzzeit Therapie stand dann im Raum, dass uns klar wurde, dass ich wahrscheinlich ein Entwicklungstrauma habe und ich noch mehr Bedarf habe und sie hat mir vorgeschlagen eine Langzeit Therapie zu machen. Das waren dann am Anfang 60 Stunden oder so. Sie hat mir das immer alles erklärt, wie das funktioniert und dass wie das mit der Beantragung läuft.
Sie war mir ein wirklich große Hilfe, weil ich Phasen hatte wo es ganz düster um mich wurde, als ich dann diesem Trauma ins Augen geschaut habe. Das habe ich aber selbst gemacht, weil ich es wollte, sie hat mich nie dazu gedrängt. Nicht einmal, die hat immer nur stabilsiiert und mir beigebracht mit aufzufangen, wenn ich abstürze. In dieser Zeit hat mich die Therapie aufgefangen. Später haben wir die Stunden dann noch mehrmals verlängert, haben ab und zu eine Pause gemacht, als ich das Bedürfnis danach hatte mal zu schauen, wie es ohne Therapie ist.
Vielleicht hast du eine sehr veralteten Vorstellung von Therapie oder du befürchtest, dass so eine übergriffige Situation entstehen könnte. Was mir da auch so viel Vertrauen gegeben hat, war meine eigene Auseinandersetzung mit Therapie Methoden. Von daher wusste ich was professionelles Therapeuten Verhalten ist und was nicht.
Meine Therapeutin verhält sich sehr professionell und sie hat auch eine große persönlich Reife von der ich stark profitiere. Das weiß man natürlich am Anfang nicht, es kristallisierte sich erst mit der Zeit heraus, welchen Glücksgriff ich da gelandet habe. Aber hätte es sich an einer Stelle grundlegend falsch angefühlt, dann hätte ich das ansprechen können oder ich hätte mir im Notfall einen anderen Therapeuten gesucht.
Ich kann mir vorstellen, dass man sich mit dem Therapeuten negative Kindheitserfahrungen reinszeniert und wenn man zb ein Elternteil erlebt hat, bei dem man sich unterwerfen musste, dass man dann auch so eine Therapeuten erwischt, um sich aus so einer Beziehung zu befreien. Bei meiner Mutter musste ich mich auch immer unterwerfen, weil mich das vor ihren Übergriffen beschützt hat und ich hatte früher zb Hausärzte die dieses Spiel mit mit gespielt haben. Ich wechselte dann so lange den Arzt, bis ich etwas anderes fand. Falls es mal dazu käme, wäre mein Rat den Therapeuten zu wechseln, was man im übrigen auch bei einer laufenden Therapie immer machen kann.
Zitat:Du brauchst dich nicht berufen fühlen mich zu heilen oder so was.... Wenn ich geheilt würde, wäre das nicht schrechlich? Ich wäre meiner Eigenart beraubt
Das kann ich sowieso nicht. Heilen kann man sich nur selbst. Aber manchmal läuft man sich über den Weg und erkennt sich im Gegenüber. Du bewegst mich einfach mit deinen Texten, mit deiner Ernüchterung, weil das was du ausdrückst ja auch ein Teil meines Selbst ist. Vielleicht etwas was ich nicht so stark auslebe, was aber latend auch in mir ist und manchmal hervorbricht, weil ich es nicht genug beachte.
Ich verstehe das auch sehr gut mit der Eigenart. Ich lasse mir meine Eigenart ja auch oft nicht aus der Hand nehmen. Ich muss meinen Schmerz und meine Erfahrungen würdigen und gerade dann wenn andere meinen (es oft gut meinen, wenn sie mir den Schmerz nehmen wollen), dann verstehen sie doch offt nicht, dass das Loslassen ein Prozess der Selbstannahme ist. Dazu habe ich kürzlich einen passenden Text gelesen, die so eine Brücke gebaut hat, zwischen den Schmerz behalten (Identität und Lebensinn behalten) und die Erlösung vom Schmerz finden.
Zitat:Ich wurde gefragt, wie man die Verletzungen und Enttäuschungen der Kindheit heilen kann:
Der wichtigste Schritt ist, sich auszusöhnen. Das ist meine Kindheit. Das sind meine Wunden. Sie tun weh.
Aber dann kann ich mir überlegen: Ich habe sie erlebt. Ich bin dadurch auch stärker geworden. Und die Wunden haben mich aufgebrochen, dass ich nicht oberflächlich lebe, sondern nach dem Sinn des Lebens frage.
Hildegard von Bingen sagt: Die Kunst der Menschwerdung besteht darin, die Wunden in Perlen zu verwandeln. Sie können ja sich mal vorstellen: Was wäre ich, wenn diese Wunden nicht wären? Vielleicht spüren Sie dann, dass um die Wunden herum etwas Gutes und Schönes gewachsen ist. Das ist der erste Schritt.
Der zweite Schritt besteht darin, die Wunden der Kindheit Gott hinzuhalten und sich vorzustellen: In diese Wunden strömt jetzt Gottes heilende Liebe hinein. Dann erlebe ich die Wunden anders. Sie tun noch weh, aber sie sind zugleich zum Eingangstor für Gottes Liebe.
Anselm Grün
Was aus dem Text ganz gut hervorgeht, dass die Wunden nicht weg müssen, sondern verwandelt werden können. Das trauma muss nicht überwunden werden, sondern das Trauma ist meine Gabe. Gerade heute hatte ich dazu wieder eine tiefe Erkenntnis.
Mein gebrochenes Herz, was ich habe, weil ich von meinen Eltern zurück gewiesen wurde, und weil mir das immer wieder passiert, das ist die Quelle meines Lichtes. Manchmal versuche ich mich auf eine perfektionistische Weise zu heilen, aber dann erkannte ich, dass ich schon perfekt bin, eben mit dem gebrochenen Herzen, mit meiner Wut und mit meiner Verletzlichkeit, denn das macht mich erst zu dem engagierten Menschen der ich bin.
Das gebrochene Herz ist mein Antrieb gut sei zu wollen, es ist die Ursache für meine Tiefsinnigkeit, der Grund warum ich für Menschen die anders sind Partei ergreife und die Ursache für meine unerschütterliches Hoffnung, dass das Gute am Ende siegen wird, das die Liebe siegen wird. Ohne das gebrochene Herz wäre ich vielleicht stumpf und oberflächlich und hätte dieses Engagement nicht.
Früher war das gebrochene Herz jedoch eine Quelle von unerträglichem Schmerz, quälender Sehnsucht, vielen sehr ungesunden Abwehr Strategien und einem idealistishen Tunnelblick. Die Wunde ein Stück weit zu heilen, heißt noch nicht dass sie verschwindet. Es heisst nicht dass sich der Lebenssinn verliert. Es führt nur dazu, dass man an einen Punkt kommt, dass die Wunde nicht unbewusst das ganze Leben dominiert. Ich glaube ich muss bewusst mit meiner Wunde leben und kann die Schmerzen etwas reduzieren, aber sie wird immer ein Antrieb meiner Persönlichkeit sein. Für mich ist es das Ziel, dass dieser Antrieb nicht mehr so extrem und unbewusst ist wie früher, dass ich ständig aus der Mitte falle.
Auch nochmal zum Thema Spießer. Ich bin so offenherzig, so offengeistig weil meine Eltern so arge Spießer sind, die so regressiv und verbort sind, dass ich mich wie ein Gefangener in ihrem Leben gefühlt habe. Aus dieser Gefangenschaft, aus dem Hass darüber und aus dem Widerstand dagegen beziehe ich meinen Hunger, meine Neugierde, meine Lust, Grenzen, Dogmen und Tabus zu zerbrechen. Aus dieser Gefangenschaft des Geistes meiner Eltern beziehe ich die Kraft alle Grenzen des Verstandes einzureißen.
Früher tat ich das jedoch auf eine sehr gewaltvolle Weise, ohne Rücksicht auf meine eigenen Bedürfnisse nach Stabilität, so dass mir das extreme getrieben sein selbst geschadet hatte. Das passierte weil der Schmerz und das Bedürfnis auszubrechen so große war. Deshalb denke ich macht es schon Sinn, einen Teil des Schmerzes zu heilen, so das man aus diesen Extremen etwas heraus findet und sich in der Mitte wieder finden kann.
Manchmal habe ich gedacht dass ich das nie schaffe das alles zu heilen, aber vielleicht geht es auch darum am Ende einen Teil des unperfekten bewusst stehen zu lassen. Dann ist es perfekt.