Wichtiges Thema!
Ein Punkt, der in dem Video aufgeführt wurde: der Zwang, aufzuessen. Das war bei uns auch total verbreitet. Ich habe jahrelang dagegen gekämpft, aber meine Kollegen waren mehrheitlich dafür, ein Kind zum Aufessen zu zwingen.
Es ist einfach der Stand der gesellschaftlichen Entwicklung, dass das mehrheitlich immer noch als normale Erziehungsmethode aufgefasst wird. Manchmal hatte ich das Gefühl, meine Kollegen handelten überhaupt nicht unter pädagogischen Gesichtspunkten, sondern wiederholten unbewusst einfach Dinge, die sie selbst als Kind erfahren hatten, und bestanden darauf, dass das so richtig sei.
Ich habe da täglich gegen Windmühlen gekämpft. Es waren auch nicht alle Kolleginnen so, aber mindestens die Hälfte – und das reicht ja. Die meisten, die pädagogisch engagiert waren, haben den Laden schnell wieder verlassen.
Ich unterscheide auch zwischen Dingen, die aus dem Affekt passieren. Z. B. ein zu grober Ton – das kann einem mal passieren. Das ist mir auch mal passiert, aus dem Affekt, aus der Überforderung heraus. Pädagogen sind auch nur Menschen. Aber ich finde es wichtig, dass man sich dann reflektiert, merkt, dass man nicht optimal gehandelt hat, und nach besseren Lösungen sucht.
Viele haben ihr Verhalten aber gar nicht reflektiert, und das ist auch so krass, weil wir das in der Ausbildung andauernd machen mussten. Nach jeder angeleiteten pädagogischen Tätigkeit mussten wir unser Verhalten reflektieren und bekamen für die Reflexion auch eine extra Note. Aber ich habe fast nie erlebt, dass Kolleginnen ihr Verhalten reflektiert haben und daraus eine Korrektur an sich selbst abgeleitet haben.
Ich habe Kollegen erlebt, die Kinder fixiert haben, weil es einfacher für sie war. Zb eine Dreijährige, die durchaus alleine sitzen und essen konnten, wurde in den Hochstuhl gesetzt, was für sie eine Erniedrigung war, denn sie war absolut selbstständig. Aber sie war halt zappelig, und dann war das eben die Reaktion der Erzieherin, um die Überforderung durch das Kind nicht spüren zu müssen.
Ich habe erlebt, wie Kolleginnen Kinder täglich mit dem Löffel zwangen zu essen, also wie eine Mastgans fütterten, bis das Kind erbrach. Ich habe mich da wie im Irrenhaus gefühlt, weil das alle tolerierten – die Kollegen, die Chefin. Ich hatte dann einen Zusammenbuchj nachdem wochenlang niemand auf meinen Widerspruch und meine konstruktiven Vorschläge anders mit dem Kind umzugehen reagiert hat. Die Vorgesetze hat mich abgewiesen. Ich hatte dann einen Hörsturz und danach wurde ich von der Chefin aus meiner Gruppe versetzt. Die Kollegin die das Kind in meinen Augen misshandelt hat, der ist nichts geschehen.
Ich weiß nicht, ob du
meinen Traum kürzlich gelesen hattest, aber da habe ich in der Vorgeschichte erzählt wie gravierend Kinder dort bedroht waren, weil eine Kollegin ganz gezielt Kinder bedroht hat, und nichts passiert ist, obwohl wir alle Adressen aufgesucht haben. Daran sehe ich, dass die Gesellschaft immer noch eine starke Abwehr gegen die Aufdeckung von Kindeswohlgefährung hat.
Ich hatte eine Kollegin, die dreijährige Kinder, die aufgrund ihres Verlustgefühls wegen der Trennung zur Mutter geweint haben, über den Fußboden zerrte und in den dunklen Waschraum sperrte, mit den Worten: "Ich will von dir nichts mehr hören!" Das Kind wurde dann im Dunkeln sitzen gelassen. Und für alle um mich herum war das scheinbar normal. Nur ich war ein Anstoß in dieser Kita, weil das für mich nicht normal war. Ich habe mich da immer wieder ein Sonderling gefühlt. Nicht die die Kinder misshandelt haben waren da Sonderlinge, sondern ich, die das verhindern wollte. Es war wie eine völlig verkehrte Welt. Und ich konnte nicht gehen, weil ich die Kinder dann ganz alleine mit den Irren gelassen hätte. Deshalb musste ich so lange warten bist ich kaputt war. Erst als ich krank genug war konnte ich gehen.
Ich habe da völlig verzweifelt gegen Windmühlen gekämpft und von morgens bis abends versucht, die Kinder vor dieser Lieblosigkeit und Gewalt zu retten – vergeblich. Denn man kann alleine nicht auffangen und abfangen, wenn das ganze System um einen herum so handelt oder wegschaut. Das war es, woran ich zerbrochen bin und was mich auf Dauer ausgebrannt und krank gemacht hat. Mir haben sie das Gefühl gegeben falsch zu sein.
Am Anfang konnte ich noch dagegenhalten, als ich noch die Kraft dazu hatte, weil ich ja meine eigene Gruppe hatte und Dinge anders machen konnte. Meine Kraft wurde mit den Jahren weniger und dann wurde ich gezwungen, offen zu arbeiten und kam mit fünf anderen Kollegen auf eine Etage, wo es keine Trennung mehr zwischen den Gruppen gab, weil die Räumlichkeiten das nicht hergaben. Und da war es dann 5 gegen 1. Ich war überstimmt. Ich hatte keine Macht mehr die Dinge so zu lenken wie ich das wollte. Und seitdem hatte ich keine Macht mehr über meine Kindergruppe und musste mit ansehen, wie ich meine Kinder nicht mehr beschützen konnte.
Alle Instanzen, die so etwas eigentlich verhindern sollten, haben weggeschaut. Und dass hat mir gezeigt wie verwoben Gewalt gegen Kinder in unserer Gesellschaft ist.
Mit Sicherheit habe ich auch mal Dinge falsch gemacht. Aber der entscheidende Unterschied war immer, dass ich mein Verhalten reflektiert habe und sehr selbstkritisch mit mir war. Ich verurteile niemanden, der mal einen Fehler macht. Was ich aber verurteile, ist, wenn Menschen sich nicht selbstkritisch betrachten und Dinge einfach so weiterlaufen lassen, obwohl diese eindeutig schaden – insbesondere, weil sie anderen Menschen schaden.
Ich glaube, die Unfähigkeit, eigene Fehler einzusehen, nennt man kognitive Dissonanz. Es wird einfach ausgeblendet, was schiefgelaufen ist, und weitergemacht, als wäre nichts gewesen.
Natürlich entsteht so ein Verhalten zum Teil aus der extremen Überforderung durch die hohen Kinderzahlen und das viel zu geringe Personal. Aber ich denke, es liegt auch zum Teil einfach in den Menschen selbst.
Sowas sieht man ja auch immer wieder bei Politikern, die unfähig zur Selbstkritik sind und nur erzählen, wie toll sie alles gemacht haben. Ich glaube, hinter all dem steckt oft eine tiefe Ohnmacht, mit den eigenen Fehlern umzugehen. Vielleicht ist es Scham, ein Verlust des Selbstwertgefühls oder die Angst vor Strafe, die Menschen manchmal daran hindert, ihr Verhalten kritisch zu hinterfragen.
Und das ist eben auch das, was mit dem Täterintrojekt zusammenhängt, worauf ich schon öfter hingewiesen habe. Menschen haben oft Schwierigkeiten, ihr Verhalten in Frage zu stellen, wenn sie selbst noch innerlich an den Täter gebunden sind, der ihnen Gewalt angetan hat. Solange diese Bindung besteht, hinterfragen sie die erlebte Gewalt nicht – und neigen dazu, sie unbewusst weiter auszuführen.
Zu den Meldungen: An meinem Arbeitsplatz wollten weder die Kita-Leitung, der Träger, das Jugendamt, der Bürgermeister, die Gewerkschaft noch der Betriebsrat davon etwas wissen. Niemand wollte es hören. Ich war überall – und wurde überall ignoriert oder ohne Antwort stehen gelassen. Ich habe da eine solche Ohnmacht erlebt. Eine unaushaltbare Ohnmacht. Das war die Hölle.
Es sind aber nicht allein die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, verantwortlich. Das System, das zulässt, dass eine Erzieherin mit 25 Kindern alleine arbeitet, von denen sechs Kinder gerade mal zwei Jahre alt sind, trägt eine große Mitverantwortung. Ein solches System überfordert die Menschen völlig und nimmt ihnen die Kapazitäten, sich auf eine gute pädagogische Arbeit zu konzentrieren. Auch die Eltern, die ihre Kinder an solchen Orten abgeben, tragen eine Mitschuld, wenn sie die Missstände hinnehmen oder nicht hinterfragen. Niemand, auch kein ausgebildeter Pädagoge, kann pädagogisch sinnvoll und durchgehend gut mit einer so hohen Anzahl von Kindern arbeiten. Das ist schlichtweg unmöglich.
Wir hatten eine Krippengruppe, in der teilweise bis zu 17 Kinder betreut wurden – von gerade einmal 2,5 Fachkräften. Nur haben Leute eben auch Pause, Urlaub oder werden krank und sehr oft seht man dann alleine da und kann die Not gar nicht mehr versorgen. In dieser Gruppe waren Kinder ab einem Alter von 8 Monaten, und einige wurden dort bis zu 50 Stunden pro Woche, also 10 Stunden am Tag, abgegeben. Diese Kleinstkinder haben keine festen Bezugspersonen erlebt. Teilweise wurde ein Kind an bis zu sechs verschiedene Personen an einem einzigen Tag weitergereicht. Das ist für die Bindungsentwicklung eine absolute Katastrophe. Oft wussten wir gar nicht, wie wir die Kinder wickeln sollten, weil man alleine mit der Gruppe war und nicht einfach zum Wickeln gehen konnte. Manchmal hatte ich sogar zwei Gruppen gleichzeitig zu betreuen.
Wir wurden ständig dazu genötigt, all das mitzumachen, weil es keine Lösungen für den Personalmangel gab. Die Personalnot wurde einfach hingenommen, und das gesamte System funktionierte nur noch, indem man die Missstände stillschweigend akzeptierte. Dieses System produziert systematisch Traumata, aber niemand will das hören. Politiker reden nur darüber, wie großartig es sei, dass jedes Kind einen Kita-Platz hat, doch niemand fragt nach den Bedingungen, unter denen diese Betreuung stattfindet.
Es ist schockierend, dass Katzen und Hunde in unserer Gesellschaft mehr Lobby und Schutz erfahren als Kinder. Das macht mich wütend, traurig und unglaublich hilflos.
Das Video dass du hier geteilt hast, ist ein sehr gutes Video! Vielen Dank dafür.