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einsam mitternacht

einsam mitternacht
#1
25.09.2006, 17:48
einsam mitternacht

die mitternacht hockte einsam in der kueche und weinte.
das licht war noch an, aber ganz leise. die tochter schlief bereits, der vater kauerte in einer dunkelen ecke, war gefesselt mit weiß flimmernden streifen.
das licht ging an, ging wieder aus, ging wieder an. die temperatur des raumes betrug gleißendes neonlicht - keine spur von gelb, allerhoechstens etwas blau. so wie die lippen der mitternacht.
als sie in der tuere stand, zum abschied von kueche und wohnzimmer. vielleicht ging sie ins bad. oder sonst wo hin. denn es war dunkel hinter der tuere und sie koennte ueberall hin gehen. der vater wuerde es nicht sehen, er war gefesselt, mit offenen augen schlief er bereits.
o mutter mitternacht, kam einer der soehne zu ihr, was nun wohl aus der festen familie wird? o mutter kalte sonne, deine lippen sind so dunkeln violett. dein haar ist so zerzaust. ich seh dein antlitz nicht, ich seh nur traenen, wie sie leise auf die kalten fliesen fallen.
sie gab kein wort, wendete sich ab, auch wenn sie wusste, dass es ihr furchtbar leid tat. sie kam nie mehr zurueck. durch die tuer hindurch gegangen - war sie bereits verschwunden. die kalte familie kauerte weiter in ihrem bann, ohne etwas zu bemerken, von jetzt ab fuer jahrelang. der kleine junge klebte von diesem zeitpunkt an dem tuerrahmen, traute sich nicht, das licht einzuschalten. denn er wusste, es waere niemand im dunkeln. bereits nach dem ersten schritt, den sie darein gab, verschwand sie vollends darin. licht - koennte sie ab heute nimmer mehr finden. und dies war der erste moment seines lebens, da der junge ein noch schrecklicheres gefuehl erlernte, als die angst vorm dunkel. es war sein eigenes wesen. - nicht die angst vor finsternen daemonen - es war das elend leerender erhellung. es war die erkenntnis seines namens, mit den heißen worten des lichts auf seine augen geschrieben: EINSAMKEIT
doch zu lange waren die stunden bald geworden, wie die eisigen kristallen vom boden seinen kopf blutig bohrten; solange, bis schließlich die rote masse all die starrheit mit sich nahm und feuer durch die augen der einsamkeit loderten. es ging ihm wie ein flammender wind ueber und durch sein gesamtes mark: mein geschenk, mutter. ich danke dir. ich liebe dich.
er leckte die fließen rein. heute ist der tag, mutter. da geh ich nach deinen erben zu suchen: nach mir selber. heute endlich trete ich dein erbe an, mutter mitternacht. heute ist mittag; und ich verlasse mich selbst. und er betrat die tuere, die helligkeit nahm zu und erfuellte den raum und seine einsamkeit. er gleißte in reinem weiß und verschwand in dem licht um sich selbst zu verlassen. und als die tuere schloss, da war alles dunkel uebrig geblieben.





zur entstehung des textes: mir ging es zu der zeit nicht besonders gut. teilweise aber machte ich mir viele gedanken darueber, wie ich mit meinen problemen zurecht kommen kann, ohne dass ich sie eigentlich aendere. d.h. ich machte mir gedanken darueber, die welt einfach mal anders zu sehen. ich war eben auch recht einsam. was den text aber angeht, fuehlte ich diese einsamkeit in dem moment nicht bewusst. ich schrieb dann einfach mal drauf los, als mir ein gewisses trostloses bild in den sinn kam, das mein derzeitiges gefuehl gut beschreiben konnte. als ich so schrieb, achtete ich mehr oder weniger auf dieses gefuehl. aber auch auf andere gefuehle. ja, man koennte sagen, im verlauf des schreibens, hat sich das gefuehl selbst veraendert. es wurde vom schreiben beeinflusst, im positiven sinne. die geschichte ist daher nicht nur beschreibung von gefuehlen gewesen, sondern auch entwicklung und beschreibung dieser entwicklung zugleich.
irgendwann hatte ich dann das gefuehl, jetzt ist es ok. prozess abgeschlossen.
grundlegend war meine konzentration uebrigens natuerlich darauf eingestellt, einen mehr oder weniger sinnvollen text zu schreiben. diese vorgabe aber kam direkt ins unbewusste, d.h. ich musste mich nicht anstrengen dazu, dass es ein sinnvoller text bleibt.

zusaetzlich ergab sich mir nachdem ich den text spaeter oefters nochmal gelesen hatte, immer wieder eine einsicht, wieso ich dies und jenes wohl geschrieben hatte, bzw. was es zu bedeuten haben koennte. ausserdem erkannte ich dadurch besser, wieso sich mein gefuehl dadurch geaendert hat.. was eigentlich passiert war, dass es sich veraenderte..


ich hoffe, auch euch bringt der text irgend etwas big wenn ihr wollt, koennt ihr dazu auch etwas assoziieren oder anmerken etc.
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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Re: einsam mitternacht
#2
25.09.2006, 19:28
Assoziationen, liebend gern, verzeih wenn ich den Text ueberflogen habe, aber ich fand die erlaeuterung ein wenig interessanter...
Es errinert mich sehr "Celebration of the lizard" von den doors...
es ist soviel metaphorik darin, soviel zwiespalt...der ganze text scheint nur durch die konstruktiven und sich ergaenzenden paradoxien zu leben...
sich selbst verlassen...kristallne welten...
es ist zuviel der interpretation als das die symbole nur leere huellen waeren...

was mich aber beeindruckt ist dieser wandel, den man nur selten findet...nicht die schilderung das das eis dem feuer weicht, nein vielmehr diese fliessende entwicklung die den text so lebendig macht, wie eine textliche darstellung der veraenderung selbst...

leider ist mir der text etwas zu lückenhaft...zu impressionsreich...
gut, bevor der kritiker in mir durchkommt beende ich lieber hier...
"Ich esse niemals besser, ich schlafe niemals friedlicher, als wenn ich mich tagsüber ausreichend mit dem befleckt habe, was die Dummköpfe Verbrechen nennen."
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Re: einsam mitternacht
#3
25.09.2006, 19:35
warum nicht kritisieren? aber wenn, dann mit begruendungen big ich bitte darum, ich mag kritik
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
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Re: einsam mitternacht
#4
25.09.2006, 19:57
Ok...
Eines vorweg, ich bin kein grosser freund von prosatexten, aber das soll hier nicht mit einfliessen.
Du stellst selbst den sinngehalt des textes in frage, hast einfach darauf losgeschrieben...ein wenig selbsttherapeutisch, da sich deine stimmung, beim schreiben, besserte...
es hat den eindruck als beschreibst du die welt um dich herum, die trostlosigkeit, die verzweiflung...die strukturlosigkeit...alle diese dinge muenden in der "EINSAMKEIT", ein aufschrei, eine selbstgewonne Erkenntnis,die nicht neu ist,nur unausgesprochen.
Ich mag die symbolik der familie, jedes mitglied scheint ein einzelner teil deiner persoenlichkeit...interessant ist hierbei die mutter, eine art ursprung, dessen erbe du wieder antreten moechtest...vielleicht dich selbst zurueckgewinnen aus eben dieser kristalinen welt...?
Alles ist sehr dunkel, kalt, aber es scheint ueber dich hineingebrochen zu sein...du scheinst es begierig aufgesogen zu haben...eine fast schon melancholische freude am eigenem leid...
ein umbruch geschieht erst mit dem flammendem wind...Eine aktion von aussen und doch bezieht er es auf sich selbst, an unglaube an eigenen faehigkeiten...?
doch erst durch sich selbst wurde die mitternacht vom mittag abgeloest...und er scheint zu wissen was sucht...durch diese distanz des sonnigen mittags ersucht er vielleicht die nacht, die zweifel und die eigene selbstsuche zu beenden...
ich denke diese so abrupt gewonnene staerke...ihr fehlen die stuetzpfeiler...doch es ist nochnicht zu spaet sie zu erschaffen.

hab mich ein wenig verleiten lassen...hoffentlich sind meine eindruecke kritik genug...ohnehin sind sie nur impressionen
"Ich esse niemals besser, ich schlafe niemals friedlicher, als wenn ich mich tagsüber ausreichend mit dem befleckt habe, was die Dummköpfe Verbrechen nennen."
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Re: einsam mitternacht
#5
25.09.2006, 20:06
stuetzpfeiler? alles geschieht ohne besonderen grund big
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
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Re: einsam mitternacht
#6
25.09.2006, 20:07
Ursache - Wirkung?
"Ich esse niemals besser, ich schlafe niemals friedlicher, als wenn ich mich tagsüber ausreichend mit dem befleckt habe, was die Dummköpfe Verbrechen nennen."
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Re: einsam mitternacht
#7
25.09.2006, 20:15
veraenderung kannst du mit ursache und wirkung beschreiben wenn du magst. dann aber findest du auch dort, wo anscheinend stuetzpfeiler fehlen, doch wieder welche.
in wahrheit sind die dinge einfach da, der grund dafuer wird nachtraeglich konstruiert.

..suche den letzten grund, und du suchst ewig.
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Re: einsam mitternacht
#8
25.09.2006, 21:06

Zitat:spell bound schrieb am 25.09.2006 20:15 Uhr:
in wahrheit sind die dinge einfach da, der grund dafuer wird nachtraeglich konstruiert.


Ich weiss nicht, entweder finde ich es zu leicht oder zu leichtfertig die ursache fuer die existenz der dinge in der existenz selbst zu suchen...

ah! auf einmal wird es mir klar...es ist unlogisch...und der nachhaltig "konstruierte grund" ist nur menschliches vorurteil.

vielen dank fuer die neuen erkenntnisse...
"Ich esse niemals besser, ich schlafe niemals friedlicher, als wenn ich mich tagsüber ausreichend mit dem befleckt habe, was die Dummköpfe Verbrechen nennen."
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RE: einsam mitternacht
#9
10.10.2013, 18:00 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10.10.2013, 18:15 von spell bound.)
achja, hume hat mich damals wohl etwas zu sehr beeindruckt mit seiner sophisterei über ursache und wirkung.

was ich jetzt noch viel krasser finde, ist dass ich eine ebene des textes erst jetzt begreife, die mir damals total anders erschien. war ich doch froh über die positive stimmung die ich am ende vom text fand, finde ich sie mittlerweile pervers. nur im unbewussten hintergrund existiert eine andeutung, warum das so ist:

Zitat:heute endlich trete ich dein erbe an, mutter mitternacht. heute ist mittag; und ich verlasse mich selbst. und er betrat die tuere, die helligkeit nahm zu und erfuellte den raum und seine einsamkeit. er gleißte in reinem weiß und verschwand in dem licht um sich selbst zu verlassen. und als die tuere schloss, da war alles dunkel uebrig geblieben.

ein text, der von verdrängung spricht, aber sie auch irgendwie noch propagiert. und ich habe desade eine buddhistisch-humesche sophisterei nahegebracht... oder sagen wir das bad mit dem kinde ausgeschüttet. oder sagen wir, bin falsch abgebogen. biggrin
achja, und das hier, verstand ich damals überhaupt nicht:

(25.09.2006, 17:48)spell bound schrieb: er leckte die fließen rein.

aber man denke nur daran, dass weiter oben stand:

Zitat:ich seh nur traenen, wie sie leise auf die kalten fliesen fallen.

ein kind das nicht ertragen kann, dass die mutter weint. und nimmt die schuld auf sich, wird unterwürfig, um sie zu besänftigen. und dann tritt es ihr erbe an, wird wie sie, kalt und unnahbar. wird erwachsen. doch das dunkel bleibt, es sieht es nur nicht mehr. und das - es nicht mehr zu sehen - ist seine "erlösung". zu einem hohen preis.


übrigens... ein bisschen nietzsche ist ja auch drin, ne? mit dem bild von mittag und mitternacht... wäre wahrscheinlich auch ne analyse wert. ich meine nicht, wieviel nietzsche hierin steckt, sondern wieviel abgebrühtheit in nietzsche. obwohl... ist ja fast offensichtlich, wenn man die frage so formuliert.
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
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