RE: Was wäre, wenn wir den Großteil des Lebens träumen würden?
31.03.2010, 10:34
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 31.03.2010, 10:36 von ricky_ho.)
Erinnert mich an
Dschuang Dsi mit seiner Schmetterlings-Geschichte.
Ich glaube, deine Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, weil die Antwort von weltanschaulichen Grundannahmen abhängt.
Angenommen, wir drehen einfach die zeitlichen Verhältnisse um und stellen uns vor, wir würden jeden Tag 16 Stunden im Traum verbringen und nur so ca. 5-7 relativ kurze Zeitspannen von vielleicht insgesamt 4 Stunden in dem, was wir jetzt im normalen Wachzustand erleben. Wenn alles andere so bleibt, wie es ist, gibt es eigentlich auch erstmal keinen Grund, anzunehmen, wir würden dann die Traumwelt als "Realität" bezeichnen und die Wachwelt als "Traum".
Ich glaube, das Hauptkriterium für die meisten von uns, die Wachwelt als "real" zu bezeichen und die Traumwelt als "nicht real", ist nicht unbedingt die Zeitspanne, die im einen oder anderen Zustand verbracht wird, sondern die Kontinuität des Ich-Bewusstseins. Man kännte auch sagen, die Erinnerung. Im Wachzustand erinnern wir uns an die vergangenen Wachphasen und manchmal sogar an die Träume, während das in den Traumphasen normalerweise nicht der Fall ist, wobei diese Beobachtung natürlich aus dem Wachzustand heraus gemacht wird, d.h. anhand der Traumerinnerung bzw. Traumberichte, nicht anhand des Traumerlebens. Ein wichtiger Unterschied zwischen Wach- und Traumzustand ist natürlich auch, dass unsere Erinnering im Wachzustand eine Übereinstimmung mit der Umgebung zeigt, d.h. die Menschen und Dinge, an die wir uns erinnern, die tauchen auch immer wieder auf.
Aber würde alles andere so bleiben, wie es ist, wenn man die zeitlichen Verhältnisse umdreht? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich vermute mal, bei einem Menschen, der solchen Bedingungen ausgesetzt ist, würde sich die Wahrnehmung sowohl im (physiologisch gesehen) Wach- als auch im Traumzustand auf Dauer radikal verändern. Letztendlich würde ich sagen, ja, man würde wohl irgendwann den Traumzustand als die Realität betrachten, wobei dieser Traumzustand aber nicht so erlebt werden würde wie das, was wir jetzt so als den "normalen Traum" kennen, und dieser fragmentierte Wachzustand würde auch nicht so erlebt werden wie wir jetzt den Wachzustand erleben.
Das ganze läuft wohl -mal wieder - darauf hinaus, ob man an eine objektive Realität glaubt oder nicht. Wer an eine objektive Realität glaubt, der geht davon aus, dass der Unterschied zwischen Wachen und Träumen ist, dass wir im Wachen die objektive Realität wahrnehmen und im Träumen nicht. Das würde sich natürlich nicht ändern, nur weil sich die zeitlichen Verhältnisse ändern.
Was das Erwachen angeht, sehe ich da nicht so das Problem. Im Traum können wir klar werden und wir können erwachen. Im Wachzustand können wir erleuchtet werden und wir können sterben. Da sehe ich durchaus Parallelen :-)