Was bisher geschah...
(17.01.2018, 17:02)Zed schrieb: Jedenfalls:
(17.01.2018, 09:27)spell bound schrieb: aber der punkt ist ja, dass eine empathische blindheit besteht. […]Die Formulierung halte ich für gefährlich. Wie meinst du das? Ist empathische Blindheit ein moralischer Vorwurf? Ist jemand, der keine Empathie hat, für dich ein schlechterer Mensch?
Zitat:wäre es möglich, zu erkennen, dass alle wesen unsere "mitwesen" sind, würde sich die empathiesituation ändern. aber das wurde den leuten früh in der kindheit ausgetrieben. nur eben nicht bei haustieren. paradoxe signale für ein kind, die es lernen muss, runterzuschlucken.Inwiefern wird Kindern dies ausgetrieben? Implizierst du hier, dass du Kinder gerne zu mehr Empathie erziehen wolltest?
(17.01.2018, 17:51)spell bound schrieb:Zitat:Ist empathische Blindheit ein moralischer Vorwurf? Ist jemand, der keine Empathie hat, für dich ein schlechterer Mensch?empathische blindheit ist einfach nur ein problem. allerdings das schlimmste, das es gibt, wahrscheinlich. von moral halte ich nicht viel.
wie das entsteht, kann ich nicht in kürze darstellen. das würde jahre dauern.
(17.01.2018, 19:09)Zed schrieb:Zitat:empathische blindheit ist einfach nur ein problem. allerdings das schlimmste, das es gibt, wahrscheinlich. von moral halte ich nicht viel.Das ist furchtbar interessant! Heißt das, dass du von Moral gar nichts hältst? Meiner Vision nach bräche die Welt zur Hölle zusammen, wenn die Menschen ihre Moral aufgäben – selbst wenn alle dabei empathisch wären. Ich sehe überhaupt nicht, wie das gut gehen sollte. Was wäre dann überhaupt noch “gut”? Ich glaube, sehr bald würden alle unendlich leiden und dadurch sehr schlecht werden und letztendlich all ihre Empathie verlieren, weil sie sich allesamt nur noch in Selbstmitleid wälzten. So stelle ich mir das vor.
(17.01.2018, 19:13)Liri schrieb: Leute ganz ohne Emphathie nennt man Psychopathen (die mildere Form Soziopath). Das ist eine ernstzunehmende und relativ gefährliche neurologische Erkrankung und ich glaub schon, dass man es als "Problem" bezeichnen könnte...
(17.01.2018, 19:25)Zed schrieb:(17.01.2018, 19:13)Liri schrieb: Leute ganz ohne Emphathie nennt man Psychopathen (die mildere Form Soziopath). Das ist eine ernstzunehmende und relativ gefährliche neurologische Erkrankung und ich glaub schon, dass man es als "Problem" bezeichnen könnte...Ja, aber wenig Empathie zu haben, heißt nicht, keine Empathie zu haben. Ich stimme dir zu, dass keine Empathie zu haben, problematisch ist. Aber wir – du, spell bound und ich – reden eventuell von unterschiedlichen Dingen, wenn wir “problematisch” sagen.
Ich halte mich zum Beispiel für einen ziemlich empathischen Menschen. Ich habe aber keine Empathie mit Tieren, wenn ich gerade Fleisch esse. Ist das auch schon ein Problem? Warum? Was heißt es, ein Problem zu sein? Wofür ist das ein Problem?
(17.01.2018, 19:36)Liri schrieb: Zed, du machst mich ganz wirr *lach*
Für die Mitmenschen sind Psychopathen, die Menschen ganz ohne Empathie, ein ernsthaftes Problem, weil sie im buchstäblichen und übertragenen Sinn über Leichen gehen.
Deine These war ja, dass es nicht so schlimm ist, wenn man keine Empathie hat. Ich meinte eben, doch, das ist sogar ein sehr großes Problem, wenn man so die Geschichte des 20. Jahrhunderts ansieht.
Und nein, ich halte dich nicht für einen Psychopathen, weil du Fleisch isst. Das erfüllt allein noch nicht die Kriterien
(17.01.2018, 19:51)Zed schrieb: Du bist leicht zu verwirren. Nie ist es meine These gewesen, dass es nicht schlimm ist, keine Empathie zu haben. Ich stimmte dir sogar buchstäblich darin zu, dass es problematisch ist, keine Empathie zu haben. Spell bound hat implizit Fleischfressern empathische Blindheit unterstellt – das muss nicht heißen, dass diese Leute keine Empathie haben. Seine These habe ich streng genommen ja nicht mal infrage gestellt. Ich wollte nur wissen, wie er sich eine Welt vorstellt, die auf Empathie statt Moral beruht. Später – nachdem du das Wort “Problem” aufgegriffen hast – wollte ich zusätzlich darauf hinaus, dass unklar ist, was spell bound überhaupt mit “problematisch” meint.
Aber wenn man schon einen Angriff auf seine These sehen will, so läge sie in der Frage, ob empathische Blindheit, so wie spell bound es sieht, ein Problem ist. Man kann wohl empathisch blind sein, ohne Psychopath zu sein. In dem Fall sage ich: Nein, empathische Blindheit ist nicht per se ein Problem.
(17.01.2018, 19:55)spell bound schrieb:Zitat:Heißt das, dass du von Moral gar nichts hältst?naja, ich schrieb doch "nicht viel" und nicht "gar nichts". moral ist aus meiner sicht ein schlechter ersatz für leute, die nicht fühlen, was richtig und falsch ist. richtig und falsch gibt es auch ohne moral. die biologie gibt dieses vor. wir haben wahrnehmung, bedürfnisse, eine lebensform. d.h. manches führt zu einem guten und manches zu einem schlechten leben. jetzt kann man darüber entweder theoretisieren und sich moralsysteme ausdenken, oder aber man achtet auf das, was die wahrnehmungen und bedürfnisse einem zu sagen haben. das geht natürlich nicht so leicht und nicht in dem naiven sinn, dass alle emotionalen urteile wahre urteile wären. daher ist der ansatz nicht antirational, sondern bedarf dringend der reflexiven kraft des verstandes. aber trotzdem. ein system, eine theorie, der moral, ist ein schlechter ersatz für das fühlen. das sieht man schon daran, dass jedes moralsystem in seinen grundfestern scheitert. es muss ja auf irgendwelchen prämissen aufgebaut werden, und die kann man leider nicht begründen. dann sind es meist furchtbare verallgemeinerungen - eine eigenschaft, die systemen ja inhärent ist.
aber selbst wenn man es nicht allzu rationalistisch macht, ist moral meistens nur hinderlich. erkennt man z.b., dass tiere leiden unter bestimmten bedingungen, wozu muss man dann anfangen, menschen, die das unterstützen, zu verdammen, ihnen ein schlechtes gewissen einreden, oder umgekehrt: vom "guten menschen" sprechen, der sich um das wohl anderer kümmert? dadurch wird der intrinsische grund für das "gute handeln" zunichte gemacht, es geht nur noch um die anerkennung innerhalb der gesellschaft, nicht aber um die handlung an sich. meistens führt das gewissen (das gute sowie das schlechte) zu einer deckelung der darunter befindlichen gefühle. blutrünstige phantasien werden auch nicht mittels moralischer selbstgeißelung besser. im gegenteil, sie werden unbewusst und fügen auf diese weise mehr schaden an, als wenn sie zugelassen und verstanden werden. (zulassen ungleich ausleben).
ich konzentriere mich lieber auf kausalität als auf verdammung. probleme erkennen, versuchen sie zu verstehen und zu lösen. die zusätzliche wertung von menschen als "gut" oder "schlecht" gehört zu den problemen, nicht zu den lösungen. auch taten moralisch gut oder schlecht zu finden, führt weg von dem ansatz des begreifens.
was hat empathie mit leiden bzw. selbstmitleid zu tun? aus empathie kann sehr vieles entspringen. ist es empathisch, mit jemandem einfach nur mitleid zu haben? was bringt es demjenigen? ist es empathisch mir selbst gegenüber? empathie heißt doch, sich hinein versetzen. nicht nur das leid zu fühlen, sondern es so zu fühlen, dass es handlungsweisend wird. d.h. etwas gegen die ursachen des leidens zu tun. und nur dann werden die umstände ja besser. aus empathie kann wut entspringen, die wichtig ist, etwas zu ändern. oder fürsorge. oder mitfreude. ohne die das leben auch fad wäre.
Zed schrieb:Ich halte mich zum Beispiel für einen ziemlich empathischen Menschen.mein eindruck ist, dass du menschen gut analysieren kannst, aber emotionales verständnis, glaube das ist eher eine schwäche.
(17.01.2018, 20:15)gnutl schrieb: ad psychopathen:
Es ist eine weitverbreitete falsche Annahme, dass Menschen, denen aufgrund ihrer Eigenart gewisse Arten von Empathie-Fähigkeit fehlen, sich automatisch rücksichtslos gegenüber ihren Mitmenschen verhalten. Das kann natürlich der Fall sein, ist aber oft nicht so.
Ich hab nicht so den Überblick darüber, welche Empathie-Fähigkeiten es gibt, aber es könnte durchaus in die Irre führen, anzunehmen, es gäbe die (eine) Empathie, und Menschen hätten die entweder oder nicht; oder Menschen hätten mehr davon (von dieser einen) oder nicht. Es sind wohl eher eine Menge verschiedener Fähigkeiten.
Zu Unterscheiden ist außerdem zwischen Fähigkeiten und Aktivitäten.
Ich glaube, dass spell z.B. etwas völlig anderes unter Empathie versteht, als sagen wir mal Uefken, und Zett hat vermutlich nochmal etwas anderes im Kopf, wenn er das Wort "Empathie" hört.
(17.01.2018, 20:30)spell bound schrieb:(17.01.2018, 20:15)gnutl schrieb: es könnte durchaus in die Irre führen, anzunehmen, es gäbe die (eine) Empathie, und Menschen hätten die entweder oder nicht; oder Menschen hätten mehr davon (von dieser einen) oder nicht. Es sind wohl eher eine Menge verschiedener Fähigkeiten.interessante idee. hattest du da irgend etwas beispielhaft im kopf, damit man sich das besser ausmalen kann?
Zu Unterscheiden ist außerdem zwischen Fähigkeiten und Aktivitäten.
(17.01.2018, 20:44)Zed schrieb:(17.01.2018, 19:55)spell bound schrieb: mein eindruck ist, dass du menschen gut analysieren kannst, aber emotionales verständnis, glaube das ist eher eine schwäche.Wie willst du das jetzt beurteilen? Ich weiß nicht, ob ich Menschen gut analysieren kann.
Zitat:Genau deswegen habe ich explizit nachgefragt.Zitat:Heißt das, dass du von Moral gar nichts hältst?naja, ich schrieb doch "nicht viel" und nicht "gar nichts".
Zitat:moral ist aus meiner sicht ein schlechter ersatz für leute, die nicht fühlen, was richtig und falsch ist. richtig und falsch gibt es auch ohne moral. die biologie gibt dieses vor. wir haben wahrnehmung, bedürfnisse, eine lebensform. d.h. manches führt zu einem guten und manches zu einem schlechten leben. jetzt kann man darüber entweder theoretisieren und sich moralsysteme ausdenken, oder aber man achtet auf das, was die wahrnehmungen und bedürfnisse einem zu sagen haben. das geht natürlich nicht so leicht und nicht in dem naiven sinn, dass alle emotionalen urteile wahre urteile wären. daher ist der ansatz nicht antirational, sondern bedarf dringend der reflexiven kraft des verstandes. aber trotzdem. ein system, eine theorie, der moral, ist ein schlechter ersatz für das fühlen. das sieht man schon daran, dass jedes moralsystem in seinen grundfestern scheitert. es muss ja auf irgendwelchen prämissen aufgebaut werden, und die kann man leider nicht begründen. dann sind es meist furchtbare verallgemeinerungen - eine eigenschaft, die systemen ja inhärent ist.Du sagst kurzum: Wir brauchen keine Moral oder Ethik, weil wir bereits eine angeborene moralische Intuition haben. Dann gestehst du, dass moralische Intuition alleine nicht immer – ja, was – gut oder richtig sein muss? Wie bewertest du Fehlurteile der moralischen Intuition? Du redest von “wahren Urteilen” – was sollen schon wahre Urteile sein? Misst du hier moralische Intuition an morlischer Intuition?
Ich denke, dass du hier nach einer höheren Moral suchst. Ich stelle es mir auch so vor, dass wir eine angeborene, aber auch angezogene moralische Intuition haben. Ich stelle mir aber außerdem vor, dass wir eine angeborene Sucht nach einer höheren Moral haben. Wir werden aus uns heraus nicht nur unsere Taten und uns selbst, sondern auch unsere Moral.
Aus demselben Grund halte ich moralische Systeme – also Ethik – auch für überhaupt nicht überflüssig, sondern für sehr relevant und wichtig. Jede Ethik verstehe ich als einen Versuch, unsere eingeborene Moral sprachlich zu greifen. Jede präzisierende Versprachlichung unserer Moral ist eine Erhöhung derselben. Jede präzisierende Versprachlichung deckt falsche Intuitionen auf und schärft das eigene Moralverständnis. Ich denke, wir sehen das sogar sehr ähnlich. Wir unterscheiden uns nur in unserer Vorstellung, wie wir zu einer höheren Moral gelangen. Du setzt auf Gefühle und Empathie, ich setze auf Gefühle und Sprache.
Außerdem muss Moral kommunizierbar sein. Denn auch die Gesellschaft, nicht nur das Individuum muss eine Moral tragen. Verlässt sich jedes Individuum auf seine moralische Intuition, landen wir in der Gosse. Da gilt dann “Ich mach’ meine eigenen Gesetze!”. Ja, solche Leute hören nicht mehr auf ihre moralische Intuition. Sie driften ab. Ich denke, genau sowas passiert, ohne eine in der Gesellschaft verankerte Moral.
Zitat:ich konzentriere mich lieber auf kausalität als auf verdammung. probleme erkennen, versuchen sie zu verstehen und zu lösen. die zusätzliche wertung von menschen als "gut" oder "schlecht" gehört zu den problemen, nicht zu den lösungen. auch taten moralisch gut oder schlecht zu finden, führt weg von dem ansatz des begreifens.Ja, das sehe ich anders. Ich halte die Pole für entscheidend. Heißt ja auch “moralischer Kompass”. Finde ich treffend.
Zitat:was hat empathie mit leiden bzw. selbstmitleid zu tun?Du hast mich falsch verstanden. Ich denke, fehlende Moral hat etwas mit Leiden und Selbstmitleid zu tun.
Zitat:aus empathie kann sehr vieles entspringen. ist es empathisch, mit jemandem einfach nur mitleid zu haben? was bringt es demjenigen? ist es empathisch mir selbst gegenüber? empathie heißt doch, sich hinein versetzen. nicht nur das leid zu fühlen, sondern es so zu fühlen, dass es handlungsweisend wird. d.h. etwas gegen die ursachen des leidens zu tun. und nur dann werden die umstände ja besser. aus empathie kann wut entspringen, die wichtig ist, etwas zu ändern. oder fürsorge. oder mitfreude. ohne die das leben auch fad wäre.Ja, es gibt aber einfach zu viel Leiden auf der Welt, als dass Empathie Ordnung ins Chaos bringen könnte. Wer ständig und nur auf seine Empathie hört, wird doch verrückt oder mindestens gesellschaftsunfähig. Wer ständig und nur auf seine Empathie hört, wird nutzlos.
(17.01.2018, 20:48)Liri schrieb: Ein bisschen Emphathie mehr auf der Welt würde sie nicht in den Untergang treiben oder die Gesellschaft zerstören, wag ich mal zu behaupten
(17.01.2018, 21:06)gnutl schrieb:Zitat:interessante idee. hattest du da irgend etwas beispielhaft im kopf, damit man sich das besser ausmalen kann?Eher wenig.
Es gibt Aspekte der kognitiven Empathie, die z.B. manchen Autisten abgehen, so weit ich das verstanden habe. Allerdings gibt es hier die Möglichkeit, das zu kompensieren, indem gelernt wird, was ein Gesichtsausdruck heißt, anstatt es direkt zu fühlen. Und die fehlende Fähigkeit geht oft nicht mit einem antisozialen Verhalten einher, eher sogar im Gegenteil.
Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die ganz klar erkennen können, wie ihr Gegenüber fühlt, vielleicht sogar mitfühlen - aber das ignorieren, und ihnen trotzdem Schaden zufügen. Ich glaube, wenn du, spell, von mangelnder Empathie sprichst, meinst du eher diesen Aspekt, dass also ein eigentlich vorhandenes Einfühlungsvermögen durch irgendwelche Umstände (z.B. anerzogen) unterdrückt wird.
Empathie in diesem Sinne hat aber aus meiner Sicht mehr etwas von einer Tätigkeit - ich lasse mich bewusst auf die Gefühlswelt eines anderen Wesens ein - als von einer Fähigkeit, die in unterschiedlichem Ausmaß gegeben sein kann. Sobald es eine Tätigkeit ist, kann es auch trainiert werden. (Okay, trainieren kann ich ne Fähigkeit auch, aber das geht dann in eine andere Richtung, weil die Ziele verschieden sind. Im einen Fall geht es um die anderen Menschen primär, im anderen Fall geht es um sich selbst (die eigene Fähigkeit). Die Fähigkeit trainieren könnte ein absolutes Arschloch auch, um seine Ziele besser durchsetzen zu können ist es ja nützlich.)
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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